Protocol of the Session on November 25, 2020

Ich habe einmal ins Geschichtsbuch unseres Landes geguckt. 1966 war ein wichtiges Jahr. Heinz Kühn übernahm die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Seitdem sind nach Adam Riese 54 Jahre vergangen. Davon hat Rot-Grün 46 Jahre regiert. Wir haben mit Helmut Linssen als Finanzminister fünf Jahre lang – unserer acht Jahre Regierungszeit – die Hinterlassenschaften von Rot-Grün teilweise weggeräumt und die Weltwirtschaftskrise bewältigt.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Haha!)

Jetzt sprechen Sie ernsthaft davon, dass wir die zu geringen Investitionen des Landes Nordrhein-Westfalen verschuldet hätten. Das ist – ich muss es diplomatisch sagen – eine intellektuelle Tortenschlacht. Mehr ist es nicht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wie sind die wirklichen Quoten im Vergleich zu den anderen Ländern? 2021 beträgt die Investitionsquote in Nordrhein-Westfalen 10,3 %. Das ist weit über dem Durchschnitt der anderen Flächenländer, der bei 9,3 % liegt. Wir haben damit insgesamt die zweitbeste Investitionsquote hinter dem Streberland oder den Strebern aus Bayern, wie Sie es genannt haben, Frau Kollegin Düker. Wir liegen aber deutlich vor Baden-Württemberg. Dort beträgt die Quote 9,8 %. Und wir liegen sehr deutlich vor Rheinland-Pfalz mit 6,7 % und Niedersachsen mit 6,4 %. Daran sehen Sie, dass wir in der Spitzengruppe liegen.

Zur Erinnerung noch einmal die Zahlen in Euro: In Ihrem letzten Haushalt für 2016 betrugen die Investitionsausgaben im Ist rund 6 Milliarden Euro. Das ist zu Ihren Gunsten schon aufgerundet. Im aktuellen Haushalt für 2021 sind Investitionsausgaben von 8,7 Milliarden Euro enthalten. Wir haben damit die Investitionsausgaben um rund 2,7 Milliarden Euro oder rund 45 % gesteigert. Ich finde, Grundrechenarten gehören auch zu einer Haushaltsdebatte, und da sollte man plus und minus nicht verwechseln.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von Heike Gebhard [SPD] und Josef Hoven- jürgen [CDU])

Bitte?

(Josef Hovenjürgen (CDU): Und die Grundrechenarten auch beherrschen!)

Auch die Grundrechenarten sollte man beherrschen, wie der Kollege Hovenjürgen völlig zu Recht sagt. – So viel zu den wesentlichen Vorwürfen.

(Zuruf von Heike Gebhard [SPD])

Ich will noch drei neue Punkte herausgreifen, die in der Ergänzungsvorlage stehen und die besondere Beachtung verdienen.

Das ist einmal die Erhöhung der Zuwendungen an die Destinatäre auf dann 100 Millionen Euro. Wir rechnen damit, dass die Konzessionseinnahmen aus Glückspielen künftig stabil bleiben. Deswegen wollen wir gerade die gemeinnützigen Organisationen in Nordrhein-Westfalen, die daran teilhaben, auch stärker teilhaben lassen. Die Fraktionen von CDU und FDP haben das klugerweise vorangetrieben. Insgesamt können dadurch 4,2 Millionen Euro für den Landessportbund, 1,4 Millionen Euro für die Kunststiftung und 3,6 Millionen Euro für die Stiftung Wohlfahrtspflege zusätzlich bereitgestellt werden. Das sind kluge Initiativen der Fraktionen, die in der Ergänzungslieferung enthalten sind, und das ist die richtige Politik für Nordrhein-Westfalen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Die Gesundheitspolitik habe ich eben schon angesprochen. Wir haben Rieseninvestitionen für Krankenhäuser und Universitätskliniken vorgesehen. In der Ergänzungslieferung ist ein herausragendes Pro

jekt enthalten, das Beachtung verdient. Das Universitätsklinikum Essen wird das nationale Zentrum für Tumorerkrankungen – auch mit Hilfe des Bundes – errichten. Das Land Nordrhein-Westfalen finanziert das.

Zur Abrundung möchte ich auf die Unterstützung der Wissenschaftspolitik eingehen. Im Ruhrgebiet werden wir mit dem Aufbau des Research Centers im Rahmen der Universitätsallianz Ruhr gezielt interdisziplinär und zukunftsorientiert Forschungsfelder weiter erstrecken. Das ist übrigens eine der ganz großen Leistungen aus dem Ruhrgebiet heraus. Dagegen hat es bisher – auch in der Zusammenarbeit zwischen den Universitäten – riesige Barrieren in den Köpfen gegeben. Die sind jetzt nicht nur eingerissen, sondern die Universitäten haben sich auf eine für diese Verhältnisse geradezu revolutionäre Form der Zusammenarbeit verständigt. Das hat ein riesengroßes Potenzial, und deswegen werden wir es entsprechend fördern.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Da meine Redezeit jetzt zu Ende ist und ich Ihnen nach der aus meiner Sicht nicht bahnbrechenden Kritik nicht noch mehr Redezeit geben will, sage ich Ihnen, dass mein Haushalt mit Maß und Mitte aufgestellt ist.

Ich freue mich trotzdem auf die Beratung. Dabei hören wir uns wie immer jedes Argument mit großer Freude an. – Herzlichen Dank.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Danke schön, Herr Minister Lienenkämper. – Nun hat für die SPD Herr Kollege Zimkeit noch einmal das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Es hat nichts genutzt; denn ich hatte noch Redezeit.

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Heiterkeit von Lutz Lienenkämper, Minister der Finan- zen)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, in der Rede des Finanzministers und der Koalitionsfraktionen ist sehr deutlich geworden: Sie hören nicht zu. Sie hören uns nicht zu – wir sind das gewöhnt –, aber Sie hören auch den Menschen im Land nicht zu.

Wenn Sie so sozial wären, wie Sie tun, warum sprechen die Wohlfahrtsverbände dann davon, dass sie sich von dieser Landesregierung verdrängt fühlen würden?

(Christof Rasche [FDP]: Das tun sie gar nicht!)

Das ist ein Zitat aus der Anhörung. Wenn Sie das Gegenteil behaupten, sagen Sie die Unwahrheit – damit das klar ist.

(Beifall von der SPD – Christof Rasche [FDP]: Eine Stimme!)

Herr Rasche, nehmen Sie die Wahrheit zur Kenntnis; denn Sie waren doch gar nicht da. „Verdrängen“ ist das Zitat.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Und „nicht zuhören“ ist das Motto!)

Zur Frage des Transparenzrettungsschirms sagen Sie etwas von Tortenschlacht und dass nur wir das sähen. In der Anhörung hat sich das ganze Spektrum der Sachverständigen – vom DGB über den Landesrechnungshof bis hin zum Bund der Steuerzahler – über die Intransparenz beschwert. Sie ignorieren das aber. Sie nehmen überhaupt nicht mehr wahr, wie allein Sie in diesem Land stehen und wie sehr Sie kritisiert werden. Sie sind abgehoben.

(Beifall von Regina Kopp-Herr [SPD])

Wie abgehoben Sie sind, ist auch bei den Investitionen klar geworden; Frau Düker hat das deutlich gemacht. Praktisch alle Sachverständigen haben gesagt: Wir brauchen mehr Investitionen in diesem Land. – Sie sprechen von den Grundrechenarten. Zur Wahrheit gehört dann aber auch, dass Sie die Investitionsquote in einer solchen Krisenzeit senken wollen. Wenn Sie die Krise und den Investitionsstau überwinden wollen, kann das nicht Ihr Ernst sein.

Wie abgehoben diese Koalition ist, hat Herr Witzel gezeigt. Er hat auch gezeigt, wie unglaubwürdig seine Äußerungen sind. Er kritisiert hier Olaf Scholz für die Schuldenaufnahme, während gleichzeitig Herr Pinkwart keine Gelegenheit auslässt, für alle möglichen Dinge Hilfe vom Bund zu fordern.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Herr Laschet hat vorhin vom Bund die Dezemberhilfe gefordert. Ihr Redebeitrag enthielt hingegen die Forderung, darauf zu verzichten. Damit lassen Sie diejenigen, die die Hilfe jetzt brauchen, im Stich. Sie können doch nicht gleichzeitig Mehrausgaben und Schulden fordern.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Der Gipfel der Frechheit ist aber, dass Sie sich für die Privatisierung

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

der Spielbanken loben – als dem einzigen Erfolg – und gleichzeitig eine Streichung des Kurzarbeitergelds fordern. Ihnen sind die Beschäftigten in diesem Land egal. Ihnen geht es nur um die Spielbankkonzerne. Das ist alles, was von Ihrer Politik übrig bleibt.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Wenn uns Herr Lehne dann bittet, hier einmal gemeinsam zu handeln, ist das der Gipfel der Unverfrorenheit.

(Ralf Witzel [FDP]: Blödsinn!)

Sie lehnen alle unsere Vorschläge zum Haushalt und zum Rettungsschirm ab. Alles wird meistens ohne Begründung weggestimmt, während Sie gleichzeitig ein gemeinsames Handeln fordern. Auch das kann nicht Ihr Ernst sein. Pharisäerhafter geht es eigentlich überhaupt nicht mehr.

(Beifall von der SPD)

Unabhängig von diesen inhaltlichen Unterschieden – Herr Lehne, Sie haben das erste Mal hier als haushaltspolitischer Sprecher geredet – fordere ich Sie sehr ernsthaft auf,

(Matthias Kerkhoff [CDU]: Ein guter Mann!)

nie mehr – Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer sollte Ihnen das vielleicht einmal sagen – SPD, Grüne und AfD in einem Atemzug zu nennen. Das ist nicht in Ordnung, Herr Kollege.

(Vereinzelt Beifall von der SPD – [Markus Wagner [AfD]: Ich finde es auch eine Unver- schämtheit, uns mit Ihnen in einem Atemzug zu nennen! Ich bin empört! – Zurufe von der CDU: Oh!)

Das will ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen. Bisher haben wir es immer geschafft, die Debatten gemeinsam zu führen. Solche Gleichsetzungen sind nicht in Ordnung.