Vielen Dank, Herr Kollege Loose. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Professor Dr. Pinkwart.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich bei Ihnen sehr für die Aussprache bedanken.
Herr Kämmerling, ich möchte mich auch für die inhaltlichen Bewertungen bedanken. Schließlich gibt es hier ein hohes Maß an Übereinstimmung. Da Sie sich jedoch zu formalen Punkten kritisch eingelassen haben, ist dieses ein bisschen in den Hintergrund getreten.
Ich möchte Ihnen noch einmal den Ablauf darlegen. Das – darauf hat Herr Bombis hingewiesen – Regierungshandeln in der Vergangenheit ist nicht unser Orientierungspunkt. Was die formalen Fragen angeht, nehmen wir alle Fraktionen sehr ernst.
Nachdem wir am gestrigen Tage den Prozess des Entwurfs der Leitentscheidung in der Landesregierung endabgestimmt hatten, war es unser Wunsch, die Fraktionen noch am Mittwochabend darüber zu informieren, damit sie den Text vor der heutigen Aussprache kennen. Das ist ein Zeichen der Landesregierung dafür, dass wir den Dialog mit Ihnen ernst nehmen.
Genauso ernst, Herr Kämmerling, nehmen wir besondere Fragen der Fraktionen, seien es Regierungsfraktionen oder Oppositionsfraktionen. Daher stehen wir auch für entsprechende Informationen zur Verfügung, wie das gestern bei Ihnen der Fall war, auch zum Thema „Rheinisches Revier“.
Wir haben gestern um 17 Uhr über die Staatskanzlei den Ältestenrat informiert. Wir haben Ihnen um 20 Uhr den Text zur Verfügung gestellt. Die Nachrichten, die zu dem Zeitpunkt liefen, bezogen sich übrigens nicht auf die Leitentscheidung, die wir Ihnen um 20 Uhr geschickt haben. Das wüssten Sie, wenn Sie die Nachrichten um 21 Uhr verfolgt hätten. Vom WDR sind Ergänzungen und Änderungen durchgegeben worden, weil erst dann der wirkliche Text vorlag. Das andere muss eine Entwurfsfassung gewesen sein. Von wem diese stammte, wissen wir auch nicht. Wir haben jedenfalls erst einmal das Parlament informiert, und heute Morgen habe ich der Presse informell den Hintergrund dargelegt. Ich sage das, damit die Reihenfolge klar ist: Erst wurden Sie informiert, dann die Öffentlichkeit,
Bei dieser Vorgehensweise wollen wir auch gerne bleiben. Denn es geht um unser Land. Es geht um Entscheidungen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Daher ist es wichtig, dass wir versuchen, wo immer es möglich ist, Gemeinsamkeiten zu finden und in Verantwortung für unser Land beste Möglichkeiten zu realisieren.
Aber dann müssen wir uns auch ehrlich mit den Realitäten auseinandersetzen. Liebe Frau Brems, ich hatte bei Ihrem Beitrag den Eindruck, dass Sie sich mit der Leitentscheidung sehr schwergetan haben.
Weil sie aus Ihrer Sicht so weitreichend getroffen worden ist und auch die Menschen in der Region berücksichtigt, haben Sie sich sehr schwergetan, sich davon noch in der Sache wirklich abheben zu können. Deswegen haben Sie versucht, eine Ausflucht zu suchen, indem Sie darauf rekurriert haben, sie sei gar nicht mehr zeitgemäß, und auch die Entscheidung der Kohlekommission sei nicht mehr zeitgemäß; denn zwischenzeitlich habe sich die klimapolitische Lage grundlegend verändert.
Als eine wesentliche Quelle haben Sie in diesem Zusammenhang das Pariser Klimaschutzabkommen benannt. Da muss ich Ihnen sagen: Das verstehe ich nun gar nicht mehr; denn das Pariser Klimaschutzabkommen ist am 12. Dezember 2015 vereinbart worden. Sie haben als Grüne mit der SPD Ihre Leitentscheidung am 5. Juli 2016 getroffen. Das heißt: Sie haben Ihre Leitentscheidung in Kenntnis der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens getroffen.
Liebe Frau Brems, die Leitentscheidungen finden Sie im Internet. Ich empfehle Ihnen, die Texte einmal gegenüberzustellen und zu hinterfragen, ob man sich in der Leitentscheidung bemüht, die besonderen Belange von Umwelt und Mensch zu berücksichtigen und Rücksicht auf die Beteiligten zu nehmen. Bitte vergleichen Sie einmal die Texte von 2016 und von heute. Das ist wirklich lesenswert.
Aber darauf will ich gar nicht abstellen. Interessant ist vielmehr, dass Sie in Kenntnis des Pariser Klimaschutzabkommens ein halbes Jahr später in Ihrer Leitentscheidung festhalten, dass die Braunkohleförderung bis zum Jahr 2050 hier in Nordrhein-Westfalen unverzichtbar sei. Das halten Sie dort fest, und zwar in Kenntnis des Pariser Klimaschutzabkommens. Das steht darin.
Und dann sagen Sie, es gehe ja gar nicht und sei auch rechtlich in keiner Weise tragfähig, dass wir uns
hier auf ein Bundesgesetz beziehen würden. In welchem Rechtsstaat leben wir eigentlich? Wenn der höchste Gesetzgeber, der Bundesgesetzgeber, der in dieser Frage auch nach Art. 72 Abs. 3 die Zuständigkeit für die Gesetzesmaterie hat, nämlich für das Thema „Luftreinhaltung“, eine solche Entscheidung trifft, sagen Sie, das könne in keiner Weise hinreichend sein, um eine solche Leitentscheidung treffen zu können.
Gleichzeitig erwähnen Sie, wie großartig Sie Ihre Leitentscheidung begründet hätten. Das wollen wir hier noch einmal kurz aufrufen. Sie beziehen sich in Ihrer Leitentscheidung, die Sie seinerzeit getroffen haben, auf neun Gutachten. Sie treffen die Leitentscheidung im Juli 2016 in Kenntnis des Klimaschutzabkommens von Paris vom 12. Dezember 2015. Die Mehrzahl der Gutachten, auf Sie sich beziehen, stammen jedoch aus den Jahren 2013 oder 2012. Das jüngste Gutachten, auf das Sie sich beziehen, ist aus dem Jahr 2015 und stammt von RWE, mit dem RWE belegt, dass der Braunkohleabbau auf jeden Fall notwendig sei. Das ist die Grundlage Ihrer Entscheidung, die Sie damals getroffen haben.
In Kenntnis der neun Gutachten, die Grundlage für Ihre Entscheidung waren, steht auf Seite 13 der bemerkenswerte Satz – ich darf zitieren, Frau Präsidentin –:
„Dem zurückgehenden Bedarf an Braunkohle kann deshalb keine zahlenmäßig fixierte Braunkohlenmenge mit hinreichender Genauigkeit zugeordnet werden. Dies ist für die energiepolitische Bewertung der Notwendigkeit der weiteren Braunkohlegewinnung und -verstromung auch nicht erforderlich.“
Das müssen Sie sich einmal vorstellen. Sie fordern hier ein, dass genaueste Mengenberechnungen erforderlich sind. Sie gründen Ihre Entscheidung auf Gutachten, die die aktuellen Entwicklungen seinerzeit gar nicht mehr abbildeten, und entziehen sich jeder Begründung dafür, welche Kohlemengen tatsächlich gebraucht werden. Das ist Ihre Leitentscheidung.
Ich sage Ihnen eines: Unsere Leitentscheidung, die wir Ihnen hier vorlegen, hat eine andere Qualität.
Einen weiteren Satz, der auch in Ihrer Leitentscheidung aus dem Juli 2016 – so lange ist das noch nicht her – zu finden ist, den ich auch sehr bemerkenswert finde, darf ich mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin, noch einmal zitieren. Da heißt es:
„Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat sich mit dem Klimaschutzgesetz des Landes eigene ambitionierte Ziele im Klimaschutz gesetzt.“
Das war Ihr Ziel von minus 25 % für 2020, als sich die Bundesrepublik Deutschland bereits ein Ziel von minus 40 % gesetzt hatte und Ihre schwarz-gelbe Vorgängerregierung mit Christa Thoben schon einen Klimaschutzplan mit minus 33 % vorgelegt hatte. Sie gehen immer noch davon aus, dass Sie im Juli 2016 ein hochambitioniertes Ziel mit minus 25 % verfolgt hätten.
Meine Damen und Herren, wir sind jetzt schon bei minus 38,3 % in Nordrhein-Westfalen, weil wir uns anstrengen, die Ziele zu erreichen.
Wir versuchen auch, den Transformationsprozess gemeinsam mit den Menschen und mit der Wirtschaft zu organisieren und zu gestalten, um das Neue aufzubauen, bevor wir das Alte zurückfahren. Auch dazu gibt es nur sehr dünne Ausführungen in der damaligen Leitentscheidung.
Zu Mindestabständen, Frau Brems, ist darin ebenfalls nichts enthalten. Sie hätten ja einen Mindestabstand von wenigstens 200 oder 300 m fordern können. Auch das war in Ihrer Leitentscheidung nicht enthalten. Wir sagen: mindestens 400 m; wenn möglich, werden es 500 m.
Ich möchte Sie herzlich einladen. Die SPD ist in der Sache sehr weit und, wenn ich es richtig wahrgenommen habe, auch auf der Grundlage der Entscheidungen, die im Bund getroffen worden sind, mit dabei, diesen verantwortungsvollen Weg zu gehen. Ich meine, die Grünen hätten allen Grund dazu, auch nach ihren politischen Forderungen aus der Vergangenheit und der Gegenwart, anzuerkennen, dass hier etwas ganz Großes gelingt und dass wir das gemeinsam noch besser zum Erfolg führen können. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Professor Dr. Pinkwart. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Schnelle das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon viel zu dem Thema „Leitentscheidungen“ gesagt worden. Ich bin Herrn Professor Pinkwart als Minister sehr dankbar dafür, dass er mit seiner Sachlichkeit und mit den Dingen, die er hier vorgetragen hat, mit dem Vergleich der Leitentscheidung 2016 und des jetzigen Entwurfs, deutlich gemacht hat, mit
Man sollte sich, auch wenn man seit drei Jahren keine Regierungsverantwortung mehr hat, immer noch an das erinnern, was man damals entschieden hat. Das bestärkt mich weiterhin in dem Eindruck, der bei vielen Menschen in den Umsiedlungsgebieten bzw. in den Tagebaudörfern vorherrscht, dass die Grünen sich immer nur dann gegen den Tagebau Garzweiler II eingesetzt haben, wenn sie nicht an der Regierung waren,
Vielen Menschen dort war klar, spätestens als sie die Formulierungen in dem Bericht der Kohlekommission gelesen haben, dass diese Umsiedlung jetzt praktisch gesetzt ist und man sich damit arrangieren muss. Ich habe hier oft dargestellt, dass ich großes Verständnis dafür habe, wenn man weiter dagegen kämpft. Aber ich habe hier vielfach vorgetragen, wie weit die Umsiedlung fortgeschritten ist und wie viele Menschen sich auf den Weg gemacht haben. Das ist der ganz überwiegende Teil.
Für diese Menschen, für die Menschen am Tagebaurand und für diejenigen, die heute noch in Keyenberg, Kuckum, Berverath, Oberwestrich und Unterwestrich wohnen, sind diese Punkte, die jetzt in der neuen Leitentscheidung festgelegt worden sind, von entscheidender Bedeutung. Es ist ein Unterschied, ob man 30 m von einem Wall entfernt wohnt, der aufgrund Ihrer Entscheidungen so gesetzt worden ist, oder ob der Abstand auf 400 m ausgebaut wird, wie wir das jetzt festlegen, sodass der Wall zurückgebaut werden kann. Das sind wichtige Dinge für die Menschen in Kaulhausen, Venrath und Kückhoven.
Sie haben es hier als Formulierung abgetan, wie jetzt der Tagebau geführt wird. Es ist ein entscheidendes Kriterium, gerade für die Menschen in Keyenberg, dass der Tagebau jetzt in südlicher Richtung verschwenkt. Die Landesregierung schreibt dem Bergbautreibenden in die Bücher, dass zunächst die Flächen in Angriff genommen werden, die schon nicht mehr bewohnt sind. Das hat direkte Auswirkungen auf das Leben der Leute, die noch in Keyenberg wohnen. Der Tagebau wird so lange wie möglich von diesen Menschen ferngehalten. Das hat für die Menschen eine enorm hohe Bedeutung und ist nicht nur ein Nebensatz in dieser Leitentscheidung, sondern sehr wichtig.
Die Landesregierung hat in der Leitentscheidung allein in vier Entscheidungssätzen Aussagen zum Wasser gemacht. Das Wasser – ich denke, da sage ich nichts Neues – wird ein großes Problem werden. Wir müssen die Restseen befüllen; wir müssen die
Erft ausreichend versorgen; wir müssen das ganze Wassersystem in Gang halten – alles unter der Prämisse, dass es jetzt viel früher geschehen muss. Dazu hat man sich schon entscheidende Gedanken gemacht.