Die Mitglieder der DEHOGA befinden sich wegen Corona in der Krise. Aus Gesprächen weiß ich, dass sie ganz klar sagen, das müsse geöffnet werden, die Regelungen müssten ausgeweitet werden.
Insofern kann ich Ihre Handlungsweise hier überhaupt nicht verstehen. Sie ist auch nicht logisch, sondern typisch für eine regierungstragende Koalition, die einen Antrag der Opposition ablehnen muss. Das ist in diesem Fall aber wirklich unsinnig, weil in dem
Antrag etwas gefordert wird, von dem Frau Wermer sagt, dass sie es gut finde. 90 % ihres Redebeitrags hat sie darauf verwendet, zu sagen, dass sie es gut finde.
Wir finden das auch gut. Um das zu zeigen, stimmen wir dem Antrag zu. Dann sieht nämlich jeder, dass wir es gut finden. – Danke schön für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! So viel Vorfreude des Kollegen Bischoff auf einen Redebeitrag von mir habe ich selten erlebt. Es ist schön, dass er sich so darauf freut, dass ich heute ein paar Worte zum Thema „Westbalkanregelung“ verlieren darf.
Ich denke, die Vorredner haben es schon klargemacht: Es ist unbenommen, dass die Westbalkanregelung ein Erfolgsmodell für einen legalen Weg der Arbeitsmigration ist. Wir haben gehört, dass dadurch Zigtausend Menschen aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, dem Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien Arbeitsplätze in Deutschland und damit auch in Betrieben in Nordrhein-Westfalen gefunden haben.
Die Arbeitslosigkeit in dieser Personengruppe ist verschwindend gering, das gilt auch für den Bezug von Transferleistungen. Die Menschen finden Arbeit im Baugewerbe, in der Gastronomie und im Gesundheitswesen, wo sie einen erheblichen Beitrag dazu leisten, den Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Sie übernehmen eben nicht nur einfache Tätigkeiten, wie zum Beispiel das Eisenbiegen, das kaum noch von Deutschen ausgeführt wird, sondern auch wirklich wichtige Aufgaben. Darüber sind wir froh, und dafür sind wir dankbar. Ein Verzicht auf die berufspraktischen Erfahrungen dieser Menschen hätte gravierende Folgen für die betroffenen Branchen.
Ein Kernpunkt der Westbalkanregelung, dessen Feinheiten man herausarbeiten sollte – und jetzt sollte Kollege Bischoff zuhören –,
war von Anfang an die klare Trennung von Arbeitsmigration und Asylverfahren. Von den Grünen wird dieser Punkt – was ich aus Ihrer Sicht verstehen kann – gerne verdrängt, aber er gehört beim Thema „Westbalkanregelung“ zur Wahrheit dazu.
Es sind zwei Seiten einer Medaille: Einerseits haben wir die betroffenen Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, andererseits gibt es den Weg der legalen Arbeitsmigration. Nur wegen dieser Verknüpfung hat es gut funktioniert, Arbeitskräfte gewinnen zu können, die nicht gleichzeitig den Weg über das Asylverfahren gegangen sind, welches dadurch im Übrigen entsprechend entlastet wurde.
Wir haben schon mitbekommen, dass die Bundesregierung inzwischen eine Änderung der Beschäftigungsverordnung vorgeschlagen hat, mittels derer die Westbalkanregelung bis zum 31 Dezember 2023 befristet verlängert werden soll. Zudem sieht man eine Deckelung auf maximal 25.000 Anträge vor, die durch die Bundesagentur für Arbeit bewilligt werden sollen.
Ich sage Ihnen ganz offen: Aus Sicht der Freien Demokraten ist das leider ein verfehlter Kompromiss der Großen Koalition. Gehen wir mal auf die Fakten ein: Die vorgesehene Deckelung auf 25.000 zulässige Anträge pro Kalenderjahr steht im Widerspruch zur erfolgreichen Bilanz der Westbalkanregelung. Allein 2019 haben wir bundesweit über 27.000 Visa erteilt. Eine Obergrenze, die faktisch unter dem Bedarf liegt, schadet aber den wirtschaftlichen Interessen und wäre aus Sicht der Freien Demokraten ein herber Rückschlag für die betroffenen Branchen.
Nordrhein-Westfalen hat sich bei diesem Thema – auch das haben wir eben mitbekommen – im Bundesrat schon längst auf den Weg gemacht und sich im federführenden Ausschuss für eine Streichung der Befristung und eine Aussetzung der Obergrenze eingesetzt. Dafür brauchen wir also keine Aufforderung und auch keinen Antrag der Grünen.
Herr Kollege Bischoff, ich habe eben kurz skizziert, warum man dem Antrag nicht folgen kann. Wir wollen eine klare Trennung zwischen legaler Arbeitsmigration und dem Weg über das Asylverfahren. Hier wird das aber genauso vermischt wie bei der Bundesratsinitiative der Länder Rheinland-Pfalz, Bremen und Thüringen, auf die die Grünen verweisen. Die klare Regelung, die zur Westbalkanregelung dazugehört, fehlt hier. Man müsste ehrlicherweise eigentlich sagen: Wenn ich hier schon in den vergangenen 24 Monaten Leistungen als Asylbewerber bezogen habe, kann ich nicht zugleich diesen anderen Weg gehen.
Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen, bezüglich dessen Sie sich, Herr Bischoff, vielleicht mal an den eigenen Bundesminister bzw. die eigene Bundesregierung wenden müssten. Sie befinden sich immer noch in einer Koalition, auch wenn ich den Eindruck, als Sie eben hier standen, eher nicht hatte.
Man musste hören, dass die Bundesregierung mitteilt, dass eine entsprechende Maßgabe zur Änderung der Beschäftigungsverordnung verknüpft wird
mit einem Verkündungshemmnis. Bundesarbeitsminister Heil und auch Minister Seehofer üben damit einen erheblichen politischen Druck auf die Länder aus.
Aus Sicht der Freien Demokraten ist das kein verantwortungsvoller, geschweige denn vertrauenswürdiger Umgang zwischen Bundesregierung und Ländern. Das ist ein wirklich kritischer Punkt, den ich hier noch einmal ansprechen musste.
Zu guter Letzt: Ohne diese Vorgaben, die ich eben erwähnt habe, wäre eine klare Trennung zwischen Asylverfahren und legaler Arbeitsmigration und damit das Kernelement einer erfolgreichen Westbalkanregelung nicht mehr gewährleistet.
Ich kann verstehen, dass die Grünen keinen großen Wert darauf legen, für uns ist es aber unverzichtbar. Deswegen werden wir den Antrag ablehnen. – Ich bedanke mich dennoch für die Aufmerksamkeit. Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! 2015 wurde die Westbalkanregelung in die Beschäftigungsverordnung aufgenommen, um dem Missbrauch des Asylrechts zu begegnen. Die Asylanträge aus dieser Region gingen auch tatsächlich spürbar zurück: von über 120.000 im Jahr 2015 auf nur noch 4.399 Antragsteller aus dieser Region im Jahr 2018.
Aber eine neue Zugangsregelung löst keine bestehenden Probleme. So stammt jeder vierte Ausreisepflichtige in NRW aus einem der Westbalkanstaaten. Die Remigrationsquote lag in den letzten Jahren nie über 9 %. Meist lag sie darunter.
Bei der Westbalkanregelung gibt es zwar eine Vorrangprüfung, dafür aber keine Beschränkung auf Engpassberufe oder die Notwendigkeit einer beruflichen Qualifikation. So kam in den vergangenen Jahren auch tatsächlich ein Drittel der Menschen aus dem Westbalkan ohne eine qualifizierte Ausbildung.
Trotzdem wurden genau diese Menschen von manchen Branchen gesucht. Sie hatten zwar keinen Berufsabschluss, waren aber fleißig, pünktlich und gut angelernt und daher – anders als zum Beispiel Flüchtlinge, die aus arabischen Ländern oder aus Afrika kamen – sofort einsetzbar, ob in der Gastronomie oder als Akkordlöhner im Trockenbau.
Harte Arbeit, geringe Qualifikationsanforderungen und äußerst niedrige Löhne – da ist es auch mit der Vorrangprüfung gar kein Problem. In zwei von drei
Fällen lag der Bruttolohn der Zuwanderer aus dem Westbalkan unter 2.200 Euro pro Monat. Die Anzahl der Aufstocker war trotzdem gering, der Bezug von Transferleistungen sogar unterdurchschnittlich. Ein systematischer Missbrauch dieser Regelung ließ sich nicht feststellen.
Zum einen behindern brave Billiglohnarbeitnehmer aus dem Ausland eine angemessene Lohnentwicklung in manchen Branchen, zum anderen fehlt auch der Innovationsdruck. Zum Beispiel im Bereich des 3D-Baus sind andere Länder aus vielen Gründen sehr viel weiter als wir. Ob China oder die Arabischen Emirate: Die lachen doch über ein Zweietagenhaus in Beckum, das vom NRW-Bauministerium gerade noch bejubelt wird.
Was den Menschen zugemutet wird, ist Arbeit für wenig Lohn, für die sich hier niemand findet. Das ist durchaus als menschenverachtend zu werten.
Trotz der Kritik ist eine Verlängerung der Regelung mit den Beschränkungen, die vom Bundesarbeitsministerium geplant sind, aus Gründen der Rechtssicherheit durchaus sinnvoll.
Mit Blick auf die Wirtschaftsentwicklung unseres Landes, die zu erwartenden Insolvenzen und die damit zu erwartenden negativen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt bei aktuell schon 7 Millionen Menschen in Kurzarbeit wäre natürlich die ursprüngliche Idee der CDU im Bund, die Westbalkanzuwanderung auf 15.000 Menschen zu begrenzen, ganz vernünftig gewesen.
Die jetzt geplante Begrenzung auf nur noch 25.000 Anträge in der aktuellen Lage noch zu kippen und die Regelung zu entfristen ist für mich absolut unvernünftig. Wie sich die Koalition in NRW da gerade rausredet, ist interessant.
Viel sinnvoller wäre eine deutliche Überarbeitung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, welches dem noch gegenübersteht. Hier fehlt aber die Vorrangprüfung. Auch ein Punktesystem, eine Beschränkung auf Engpassberufe und selbstverständlich eine abgeschlossene Ausbildung oder vergleichbare Qualifikation wären absolut erstrebenswert.
Außerdem braucht das Land eine Rückführungsinitiative für diejenigen aus dem Westbalkan, die hier derzeit nur geduldet werden und zu großen Teilen schon seit Jahren als Regelleistungsbezieher unsere Sozialsysteme belasten. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Balkanregelung kann möglicherweise ein Vorbild für die Art und Weise sein, wie man auch mit anderen Ländern von einer irregulären zu einer regulären Einwanderung kommen kann. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass es sinnvoll ist, sie nicht zu befristen und sie auch nicht zu deckeln. An dieser Stelle teile ich die Auffassung der Kollegin Aymaz.
Es gibt aber einen Punkt, an dem wir uns unterscheiden. Der hat ganz entscheidend mit der Systematik der Balkanregelung zu tun. Herr Bischoff fragte vorhin, warum man das Ganze dann ablehnen würde: Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob man auch diejenigen, die schon vorher nach Asyl gefragt haben, obwohl sie keine Asylberechtigung hatten, in dieses Verfahren einbeziehen möchte oder nicht.
Von der Systematik her ist es notwendig, dass von vornherein vermittelt wird, dass es hier darum geht, sich auf einen regulären Zugang zum Arbeitsmarkt einzulassen und nicht das Vehikel des Asyls zu nutzen, um auf irgendeine Art und Weise in den Arbeitsmarkt zu kommen. Wir können jeden Versuch, von einer irregulären zu einer regulären Migration zu kommen, vergessen, wenn wir dies einfach beiseitewischen.
Bezüglich der anderen beiden Punkte, wie gesagt, teilen wir die Auffassung. Dementsprechend werden wir uns im Bundesrat verhalten. – Vielen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt dem Inhalt des Antrags zu? – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie die SPD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktionen von CDU, FDP und AfD stimmen ebenso dagegen wie die beiden fraktionslosen Kollegen Neppe und Langguth. Gibt es Enthaltungen? – Gibt es nicht. Damit ist der Antrag Drucksache 17/11157 mit der Mehrheit des Hohen Hauses abgelehnt.