Im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Geschäften hat der Kollege Witzel schon etwas ausgeführt. Der Finanzminister kommt möglicherweise auch da seiner Aufsichtspflicht innerhalb seines Ministeriums nicht so ganz nach. Ich frage mich immer noch, hat er inzwischen Strafanzeige gestellt. Wahrscheinlich wird diese Frage in dieser Sitzung nicht beantwortet, in der nächsten nicht und in diesem Jahr nicht mehr. Möglicherweise müssen wir ein bisschen Nachhilfe geben, wie das mit den Anzeigen läuft.
Insgesamt wird dieser Haushalt jedoch – das kann ich jetzt schon vor den Beratungen der Einzelpläne sagen – vonseiten der Piratenfraktion Ablehnung finden müssen. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in Erinnerung, dass in der Tagesordnung steht, es sollte heute eine Generaldebatte geben. Was ich jetzt erlebe, ist aber die Fortsetzung des bis zu sieben Stunden dauernden Haushalts- und Finanzausschusses mit allen Einzelberechnungen im Plenum.
Sie haben es ja nicht gehört. Sie haben nicht das Vergnügen bei einer Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses von sieben Stunden dabei zu sein. Vielleicht fragen Sie einmal, ob Sie einen Tausch vornehmen können.
Es gibt Menschen, zu denen ich auch gehöre, die immer ausrechnen, wie viel Prozent der Lebenszeit das sind. Jedenfalls werden da Zahlen gewälzt, deren Nennung sich eigentlich auch auf den Haushalts- und Finanzausschuss beschränken sollte.
Ich finde, das sind wir auch denjenigen schuldig, die uns auf der Tribüne zuhören, weil sie, denke ich, mit so vielen Einzeldaten, die in einen Ausschuss gehören, in einer Plenarsitzung gar nichts anfangen können.
Mit dieser Landesregierung sind wir seit fünfeinhalb Jahren in der Verantwortung. Es hat in den letzten Jahrzehnten bisher keine fünfeinhalb Jahre gegeben – nicht nur in der Zeit der schwarz-gelben Regierung, sondern auch vorher, wie wir hier einmal feststellen dürfen –, in denen so kontinuierlich konsolidiert worden ist wie in diesen fünfeinhalb Jahren.
Herr Witzel, ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie immer wieder mit der Leier kommen, wo Sie doch genau wissen, welche Antwort Sie darauf gleich erhalten. Diese Antwort können wir auch vorziehen.
Herr Witzel erklärt immer, ich sei ein Glücksritter, weil wir so viele Mehreinnahmen hätten. Das stimmt. 15,7 Milliarden € mehr an Steuereinnahmen als 2010. Im Übrigen – auch das gehört zur Wahrheit – hatte auch die schwarz-gelbe Regierung bis zum Ende ihrer Mittelfristigen Finanzplanung bis 2013 mit 5 Milliarden € mehr gerechnet. Es sind noch mehr geworden. Aber sie hat trotz 5 Milliarden € mehr weiterhin mit derselben Kreditaufnahme von 6,5 Milliarden € gerechnet. – Warum wohl, warum wohl?
Ja, da gibt es viele Gründe. Hören Sie mir doch einfach einmal zu! Ich habe Ihnen doch auch zugehört. 15,7 Milliarden € Mehreinnahmen hat dieser Haushalt zu verzeichnen. Das stimmt. Er hat auch 1,6 Milliarden € weniger Zinsausgaben zu verzeichnen
nein, nicht pro Jahr – in den fünf Jahren. Das sind 17,3 Milliarden € mehr, die zur Verfügung stehen.
Jetzt fragt man sich: Warum sind damit nicht die Schulden gesenkt worden? Das kann ich Ihnen sagen: Weil rund 9 Milliarden € mehr an die Kommunen gehen, weil unsere Kommunen nicht nur im Betrag so viel wie nie vorher bekommen, sondern auch im Anteil am Landeshaushalt noch nie so viel bekommen haben.
4,6 Milliarden € von diesen 17 Milliarden € sind an das Personal gegangen, und zwar nicht durch Stellenaufbau, sondern durch mehr Besoldung, und zwar bei einer Opposition, die sich immer hinstellt und den Beamtinnen und Beamten, den Beschäftigten im Land erzählt, es müsste viel mehr sein. Wir wissen, dass es nur begrenzt geht. Hier war niemand, der gesagt hat, sie sollen weniger verdienen. Sie kommen nur und sagen: Man kann 10.000 bis 15.000 Stellen einsparen. Aber alles, was hier heute gesagt worden ist, alles, was an Anträgen vorliegt, sind mehr Stellen für Polizei, mehr für Lehrer, mehr für Justiz, mehr für die Wissenschaft und nie weniger.
Damit sind wir schon bei 13,5 Milliarden €, die von den 17 Milliarden € sozusagen verfrühstückt sind. Dann bleiben 3,8 Milliarden € übrig. Wir haben aber in der Zeit gegenüber der Planung 2010 die Kreditaufnahme um 4,8 Milliarden € zurückgefahren. Das heißt, da muss doch auch gespart worden sein, sonst geht Ihre Rechnung nämlich nicht auf.
Das ist der Punkt. Wir haben eindeutig mehr als das, was wirklich zur Verfügung stand, zum Sparen genutzt, weil wir nämlich auch Förderprogramme überprüft haben, Förderprogramme abgebaut haben. Die Regierung Schwarz-Gelb war angetreten, Förderprogrammen um 20 % kürzen zu wollen. Am Ende hat sie 220 Millionen € für Förderprogramme mehr ausgegeben. Das gehört zur Wahrheit dazu.
Dann gehört dazu, dass ich im ersten Jahr meiner Amtszeit einen Haushalt übernommen habe, bei dem 11 Cent von jedem Euro an Ausgaben in diesem Haushalt kreditfinanziert war. Jetzt sind es 2,5 Cent. Es waren noch nie 2,5 Cent von einem Euro in einem nordrhein-westfälischen Landeshaushalt in den letzten jedenfalls 40, 50 Jahren, die man statistisch zurückverfolgen kann!
Dann ein Punkt, der auch interessant sein könnte: die Zinsquote. Wie viel wurde aus dem Haushalt Jahres 2010 an Zinsen veranschlagt? Das waren 8,4 %. Das ist natürlich weniger geworden, weil die Zinsen gesunken sind. Das haben nicht wir zu verantworten, aber es sind jetzt 5,2 %. Einen Augenblick bitte! Die 8,4 % im Jahre 2010 waren Rang 12 unter den Ländern. Elf Länder hatten eine geringere Zinsquote. Jetzt sind wir Rang sieben unter Bund und Ländern. Wie kann das sein, wenn sich nicht die relative Position, was die Verschuldung des Landes Nordrhein-Westfalen angeht, verbessert hätte? Das sollten Sie einmal sagen.
Herr Optendrenk, ich stehe dazu, dass ein Haushaltsgesetzgeber auch dafür da ist, sinnvolle Ausgaben zu tätigen. Das, was hier zum Teil diskutiert wird, kommt in der Öffentlichkeit so an, dass ein guter Haushalt der ist: je weniger Ausgaben desto besser. Ich kann Ihnen sagen: Sie können einen ausgeglichenen Haushalt auch hinkriegen mit null Einnahmen und null Ausgaben. Aber in der Gesellschaft möchte ich nicht leben.
Wer Verantwortung wahrnimmt, der weiß, dass Menschen Erwartungen an den Staat haben, zu Recht Erwartungen haben, was Infrastruktur angeht, was Bildung, Ausbildung angeht, was Sicherheit angeht, was Zusammenhalt angeht. Das muss sich in einem Haushalt wiederfinden, und das findet sich in diesem Haushalt wieder. Und dafür muss es auch die entsprechenden Einnahmen geben.
Auch die Gebetsmühle mit den sprudelnden Steuerquellen und den Rekordeinnahmen kommt immer wieder. Die Rekordeinnahme ist der Normalfall. Jedes Jahr wächst die Wirtschaft. Solange die Wirtschaft wächst, wächst auch das Steuereinkommen des Staates. Selbst wenn es so wäre, dass nichts in einem Haushalt geändert würde, dann ist der Haushalt des nächsten Jahres teurer als der dieses Jahres. Das kennt jeder von seinem privaten Portemonnaie. Wir haben Aufgaben, wir haben auch steigende Erwartungen der Menschen. Wir haben im Übrigen auch enorm steigende Erwartungen der Opposition an das, was mit diesem Haushalt finanziert werden soll.
Deswegen geht es doch nicht darum, dass man fünf Jahre vorher – das ist die alte Fünfjahres-Planung, die sie offenbar hier immer wieder beleben wollen – genau vorhersehen kann, was passiert. Nein, ich bin nicht derjenige, der Ihnen 2010 hätte sagen können, wie es mit der WestLB weitergeht, was sich im Bereich von Flüchtlingen tut. Das hätte ich Ihnen nicht sagen können.
Für mich besteht die Kunst einer anständigen und soliden Finanzpolitik nicht darin, Spökenkiekerei zu betreiben, Ihnen heute zu sagen, was in fünf Jahren passiert, sondern sie besteht darin, richtig mit dem umzugehen, was an Vorhersehbarem und auch an Unvorhergesehenem auf uns zukommt.
Da ist die WestLB im Übrigen ein sehr gutes Beispiel. Da ist es uns, allen Verantwortlichen, die daran beteiligt sind, gelungen, eine Bank, die einmal die Größe der Deutschen Bank hatte, in diesem globalen Finanzmarkt wirklich still herunterzukochen, dass wir heute an einem Punkt sind, dass dieses Thema bei dem großen Risiko, das es nicht nur für den nordrhein-westfälischen Landeshaushalt, nicht nur für das Land Nordrhein-Westfalen, nicht nur für Deutschland, sondern global bedeutet hat, bisher hervorragend abgearbeitet worden ist –
Es ist völlig anders gelaufen, als man sich das am Anfang ausgemalt hat – das stimmt –, weil sich Rahmenbedingungen verändert haben, weil Auflagen der Europäischen Kommission sich verändert haben. Darauf haben wir reagiert.
Dasselbe ist doch das, was wir mit dem Thema „Zuwanderung von Menschen auf der Flucht“ gemacht haben. Das haben Sie nicht, das haben wir nicht vor einem Jahr vorausgesehen. Ich kann Ihnen heute auch nicht sagen, was in zwei Jahren sein wird. Ich kann Ihnen nicht einmal sagen, was in einem halben Jahr sein wird und wie viele Menschen dann noch kommen werden.
Eines kann ich Ihnen allerdings sagen, nämlich dass hier ein Sonderbeispiel präventiver Politik notwendig ist. Die Menschen, die schon da sind – das gilt selbst dann, wenn morgen keiner mehr käme –, brauchen Integrationsleistungen. Wenn wir heute nicht die notwendigen Ausgaben tätigen, schaffen wir damit die Probleme, wie sie in den Banlieues von Paris, in Molenbeek und an anderer Stelle bereits greifbar sind.
Das ist der Grund, warum wir so tief in die Tasche gegriffen haben. Es geht um die Lösung eines Problems, das sicherlich nicht hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen oder in den kommunalen Räten entstanden ist. Es ist auch nicht im Bundestag entstanden. Aber ich bitte Sie, doch auch zu berücksichtigen, dass der Zerfall von Syrien und Libyen nichts ist, worauf die Kämmerer und Landesfinanzminister ihre Finanzplanung aufsetzen müssten. Welche Krisenherde der nächsten Jahre sollten wir denn Ihrer Meinung nach schon jetzt in die Finanzplanung aufnehmen? Wenn dafür nicht der Bund die Finanzverantwortung trägt – ja wer denn sonst?