Protocol of the Session on December 3, 2015

Das ist der Grund, warum wir so tief in die Tasche gegriffen haben. Es geht um die Lösung eines Problems, das sicherlich nicht hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen oder in den kommunalen Räten entstanden ist. Es ist auch nicht im Bundestag entstanden. Aber ich bitte Sie, doch auch zu berücksichtigen, dass der Zerfall von Syrien und Libyen nichts ist, worauf die Kämmerer und Landesfinanzminister ihre Finanzplanung aufsetzen müssten. Welche Krisenherde der nächsten Jahre sollten wir denn Ihrer Meinung nach schon jetzt in die Finanzplanung aufnehmen? Wenn dafür nicht der Bund die Finanzverantwortung trägt – ja wer denn sonst?

Eines noch: Herr Schulz, es ist ja schön, wenn Sie sagen, dass nicht einmal 10 % des Haushalts für die Flüchtlingshilfe veranschlagt ist. Aber: Wir reden von einem Haushaltsvolumen von knapp

70 Milliarden €. Wir reden von einer Zuwanderung in der Größenordnung von 1 % der Bevölkerung. Hierfür setzen wir ungefähr 5 % bis 6 % des gesamten Haushaltsvolumens ein. Und das halten Sie für zu klein gegriffen?

Ich kann Ihnen nur sagen: Im Haushalt 2016 geben wir 4 Milliarden € dafür aus, unserer humanitären Verpflichtung gerecht zu werden. Zum Nutzen der Menschen, die zu uns kommen, aber auch zu unserem eigenen Nutzen wollen wir jetzt die richtigen Schritte unternehmen, was Bildung und Sicherheit angeht, was menschenwürdige Unterbringung und was Wohnungsbau angeht. Das alles müssen wir jetzt auf den richtigen Weg bringen.

Wir geben 4 Milliarden € aus; davon gehen rund 2,6 Milliarden € in die Kommunen. Der Bund gibt, wenn ich die Zahlungen für die unbegleiteten Jugendlichen noch zu den Pauschalen hinzuzähle, knapp 800 Millionen € dazu. Wo sind denn da die klebrigen Finger des Finanzministers, wenn uns seitens des Bundes von den 4 Milliarden €, die wir ausgeben, nur rund 800 Millionen € erstattet werden? Da sage ich ganz eindeutig: Das reicht nicht. Es wird mehr sein müssen,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

wenn wir hier unserer Verantwortung gerecht werden wollen.

Ich habe Ihnen noch einmal mitgebracht, was über Herrn Schäuble schon im September dieses Jahres berichtet worden ist. Da heißt es in der „Süddeutschen Zeitung“:

„Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble

(CDU) trifft Vorsorge, um die steigenden Kosten der Flüchtlingskrise finanzieren zu können. Dazu soll der in diesem Jahr erwartete MilliardenÜberschuss als künftiger Puffer genutzt werden.“ (Dr. Joachim Stamp [FDP]: Wer regiert denn im Bund?)

Im Bund regiert eine Große Koalition.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Genau!)

Schäuble macht das richtig. Ich sage Ihnen mal: Als Sie regiert haben, hieß der Finanzminister Linssen. Von dem könnte ich Ihnen dieselben Zitate bringen zum Haushalt 2008, als er nämlich genauso argumentiert hat. Da hat er den schönen Spruch gebracht: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. – Das war seine Begründung dafür, Überschüsse aus einem Jahr – und zwar Überschüsse aus dem, was der Landtag an Kreditaufnahme erlaubt hatte – in das nächste Jahr zu transferieren.

Herr Witzel, zu Ihrem Spruch „Wir pushen jetzt die Verschuldung hoch“: Dieser Landtag hat mit dem Haushalt 2015 eine Kreditermächtigung in Höhe von 1,9 Milliarden € beschlossen.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie brauchen nur 1,3!)

Die halten wir ein. Das ist kein Hochpushen, sondern das ist eine sinnvolle und verantwortungsvolle Nutzung dieser Mittel für das, was jetzt schon absehbar ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund will ich jetzt die einzelnen Punkte, die wir auch über das Thema „Flüchtlinge“ hinaus berücksichtigt haben – für den offenen Ganztag, für Unikliniken, für Krankenhäuser, für „Kein Abschluss ohne Anschluss“, für Breitbandausbau, für E-Government, für Radwege – in den Einzelpositionen gar nicht mehr aufzählen.

Unsere Verpflichtung besteht jetzt darin, dass wir jetzt nicht nur einen Fokus haben, sondern dass uns klar ist: Wir haben hier eine große Aufgabe zu bewältigen. Es ist aber eine Aufgabe, die am Ende diesem Land sicher auch nutzt und sogar schon jetzt nutzt; denn eine zusätzliche Ausgabe in Höhe von 4 Milliarden € ist auch ein Konjunkturpaket, das zu Steuereinnahmen führen wird. Das sollte man nicht übersehen.

Außerdem wissen wir: Dieses Land kann solche Aufgaben auf Dauer nur bewältigen, wenn es auch die Zukunftsinvestitionen weiterführt, die es angefangen hat und die jetzt fortgesetzt werden. Es muss allerdings bei dieser schwierigen Herausforderung auch die Unterstützung des Bundes bekommen, der hierfür eine ganz klare Mitverantwortung trägt.

Wir nehmen unsere inhaltliche Verantwortung wahr. Wir nehmen auch finanzielle Verantwortung wahr. Ein großer Teil der finanziellen Verantwortung für das, was jetzt die Lehrer, die Polizisten und die Kommunen zu leisten haben, ist jedoch Folge eines international schwelenden Konflikts, für den innerhalb der Bundesrepublik der Bund die Verantwortung auf der finanziellen Seite trägt.

Mit dieser Aussicht haben wir alle Chancen, jetzt nicht nur einen soliden Haushalt 2016 zu beschließen, sondern auch die richtigen Weichen dafür zu stellen, dass unsere Ziele bis 2019 und 2020 eingehalten werden, dass wir nämlich ohne weitere Kredite diesen Haushalt ausgleichen und die Investitionen der nächsten Jahre weiterführen können.

Ich hoffe, dass wir vielleicht sogar noch heute ein paar Entscheidungen dazu treffen, wie mit einem veränderten Länderfinanzausgleich eine stabile Grundlage für die Zeit nach 2020 gelegt wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Ich möchte darauf hinweisen, dass die Landesregierung ihre Redezeit um eine Minute und 30 Sekunden überschritten hat. Für die CDUFraktion hat der Kollege Dr. Optendrenk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, knapp vorbei ist auch daneben. So kann man, glaube ich, das titulieren, was Sie eben zum Zahlenwerk des Landeshaushaltes gesagt haben.

(Beifall von der CDU)

Wenn man sich anschaut, was vom Minister an Zahlen dargelegt worden ist, dann lag er, was die Einnahme- und die Ausgabeseite angeht, bis kurz vor Ende richtig. An der entscheidenden Stelle hat leider das Pferd vor dem Hindernis verweigert. Da hat der Minister eben behauptet, die Zinsminder

ausgabe seit 2010 liege bei 1,6 Milliarden €. Die Wahrheit ist: Im Vergleich zur Finanzplanung 2010, die er eben als Vergleich angenommen hat, liegt die Einsparung allein im Jahr 2015 bei 1,6 Milliarden €.

Die Gesamteinsparung gegenüber der alten

schwarz-gelben Mittelfristigen Finanzplanung für 2010 bis 2013 betrug – bei einer Fortschreibung bis 2015 – allein 8 Milliarden €.

(Beifall von der CDU)

8 Milliarden € – nicht 1,6 Milliarden €, sondern das Fünffache! Das erklärt auch, warum man manchmal den Eindruck hat, dass diese Rechenbeispiele weiterhin auf dem Niveau eines mallorquinischen Hütchenspielers stattfinden.

(Beifall von der CDU)

Das Ganze entspricht einer Verkäufermentalität, aber leider keinem soliden Produkt.

Das sieht man auch an dem zweiten Beispiel – das hat der Minister am Schluss angesprochen –, nämlich bei der Frage, was andere getan haben oder tun, um Zukunftsvorsorge zu tätigen. Herr Schäuble erstellt mit seiner Großen Koalition einen Haushalt, indem er aus einem Nettoüberschuss eine Rücklage bildet – nicht aus Kreditaufnahmen, sondern aus einem Nettoüberschuss. Wir haben hier einen Vorzieheffekt zu diskutieren, nämlich dass Zahlungen, die im nächsten Jahr anfallen würden, vorgezogen werden, aber nicht aufgrund von Nullverschuldung, sondern trotz Nettoneuverschuldung. Insofern ist das ein völlig anderer Sachverhalt.

Der zweite Sachverhalt bezieht sich auf unsere Regierungszeit, also Haushalt 2008 und Haushaltsvollzug. 90 % dessen, was seinerzeit mit dem Haushaltsvollzug in eine Rücklage geflossen ist, dient heute noch der rot-grünen Landesregierung als Puffer für die Absicherung der WestLB-Lasten beim Phoenix-Portfolio.

(Beifall von der CDU und Ralf Witzel [FDP])

Damals sind allein 900 Millionen € im Haushaltsvollzug – weil mehr Steuereinnahmen reinkamen, als der Haushaltsgesetzgeber angenommen hatte – in eine Rücklage gewandert. Davon sind 90 % immer noch vorhanden, und daraus werden immer noch Zinserträge generiert.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Von der Landesregierung!)

Diese Landesregierung ist zum Profiteur der vorausschauenden Politik von Schwarz-Gelb und des damaligen Finanzministers Helmut Linssen geworden.

(Zurufe)

Wenn man eben Äpfel mit Birnen vergleicht, muss man sich nicht wundern, dass es am Schluss irgendwie ein bisschen komisch aussieht, Herr Minister.

(Ralf Witzel [FDP]: Wo ist er denn über- haupt?)

Wenn man sich dann den Gesamtkontext noch einmal anschaut, erkennt man, dass dieser relativ einfach ist. Der Minister erklärt uns hier, man wolle doch eine Generaldebatte führen und flüchtet so vor der Verantwortung für die Struktur seines Haushalts. Er führt eine gesellschaftspolitische Debatte und keine Haushaltsgeneraldebatte.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist das Problem!)

Das ist das Markenzeichen dieser Landesregierung im gesamten Haushalt seit 2010.

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmitz zulassen?

Aber natürlich.

(Lachen von der SPD)

Das ist sehr nett, Herr Kollege. Ich würde Ihnen gerne die Frage stellen, ob Sie wissen, wo der Herr Minister denn ist, wenn wir schon über seinen Haushalt reden.