Protocol of the Session on December 2, 2015

Das sieht man allein schon an Nordrhein-Westfalen. 0,6 % des weltweiten CO2-Ausstoßes kommt aus Nordrhein-Westfalen. Daran sieht man, dass die vielen kleinen Maßnahmen, die Herr Minister Remmel eben genannt hat und die er mit seinen Klimagenossinnen und -genossen umsetzen will, bei aller Liebe und Freundschaft eben nicht dazu führen werden, dass wir das globale Klima retten werden. Nein, noch nicht einmal, wenn wir alle unsere Kraftwerke abschalten und unsere Industrie in Nordrhein-Westfalen regelrecht einstampfen würden, würden wir dies erreichen.

Aber wir erreichen damit leider etwas anderes – und darüber müssen wir heute auch sprechen –: Wenn wir so verfahren, wie es in den letzten Wochen gelaufen ist, wird dies in unserem Land zu massiven sozialen Verwerfungen führen. Wir haben nämlich leider seit 2013 grundlegende Fehlentwicklungen in der Energiepolitik.

Von marktwirtschaftlichen Regeln im Energiesektor sind wir durch das Handeln sowohl der Bundesregierung als auch der Landesregierung inzwischen Lichtjahre entfernt. Nicht europäischer Binnenmarkt, sondern Kleinstaaterei und ideologiegetriebene Planwirtschaft beherrschen die deutsche Energiepolitik. Das haben wir eben wieder aus den Beiträgen von Herrn Remmel und Frau Kollegin Brems erfahren.

Gestern ist bekannt geworden, dass RWE seine Kraftwerkssparte in eine neue Gesellschaft überführen will. Meine Damen und Herren, das überrascht, ehrlich gesagt, nicht, sondern das ist eine der Folgen dieser verfehlten Energiepolitik: der Leitentscheidung der Landesregierung zur Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler II und der Diskussion und jetzt die Umsetzung des Klimabeitrags bzw. der Klimareserve von Herrn Bundesminister Gabriel.

Erinnern wir uns: Im November vergangenen Jahres erklärte Herr Gabriel, er wolle keinen Kapazitätsmarkt schaffen, kein „Hartz IV für Kraftwerksbetreiber“. Trotzdem wird der Strommarkt nun mit einem Kapazitätsmechanismus versehen. Zitat von Herrn Minister Gabriel: „Hosenträger zum Gürtel.“ Das heißt, wir sichern gleich dreifach ab: erstens über eine Netzreserve, zweitens über eine Kapazitätsreserve und drittens kommt noch eine Klimareserve obendrauf.

Meine Damen und Herren, das treibt die Kosten massiv nach oben. Diese Kosten müssen leider die

Verbraucherinnen und Verbraucher bezahlen. Das ist leider keine verlässliche Politik sowohl seitens des Bundes als auch seitens des Landes.

Zu allem Überfluss kommen jetzt noch die Pläne von Ministerin Hendricks. Sie verunsichern die Bürgerinnen und Bürger ein weiteres Mal. Im Vorfeld des Klimagipfels forderte Frau Hendricks, den Ausstieg aus der Kohlegewinnung und -verstromung noch in dieser Legislaturperiode gesetzlich zu erzwingen. Dies solle in einem Zeitraum von 20 bis 25 Jahren erfolgen.

Meine Damen und Herren, dieser Vorschlag enthält erheblichen sozialen Sprengstoff. Herr Minister Duin, da reicht es nicht, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, Sie hätten direkt dagegen gesprochen. Der Kollege von der SPD hat eben sogar schon das Thema für beendet erklärt. Wir haben doch an der Debatte zum Klimabeitrag von Herrn Gabriel gesehen, dass damit das Thema noch nicht erledigt ist. Nein, es wird weiter massiv an diesem Thema gearbeitet.

Diese Sorge greifen wir mit unserem Eilantrag auf. Denn der Vorschlag von Frau Hendricks enthält erheblichen sozialen Sprengstoff. Allein im Rheinischen Revier sichert die Braunkohleverstromung derzeit direkt und indirekt über 30.000 Arbeitsplätze. Auch ist die Braunkohle einziger heimischer Energieträger, der wettbewerbsfähig ist und Versorgungssicherheit garantiert. Sollten diese Pläne der Ministerin Wirklichkeit werden, meine Damen und Herren, dann wird die Sicherheit und Bezahlbarkeit der Energieversorgung in unserem Land aufs Spiel gesetzt.

Das, meine Damen und Herren, darf nicht passieren. Das führt zu weitaus größeren, zu gravierenden Problemen hier im Land. Davon müssen wir uns distanzieren. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Eilantrag. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Nun spricht für die Piratenfraktion Herr Kollege Rohwedder.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) : Vielen

Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne, im Saal und draußen im Stream! Etwas überraschend forderte die Bundesumweltministerin, Frau Hendricks, passend zur Pariser Klimakonferenz eine Regelung für den Ausstieg aus der Kohleverstromung innerhalb der nächsten 20 bis 25 Jahre.

Postwendend kam Protest aus der fossilen nordrhein-westfälischen SPD. Die Grünen dagegen meinen, den Ausstieg schon innerhalb von 15 Jahren schaffen zu können. Das sind dieselben Grünen, die hier in fünf Jahren Regierungsbeteiligung

seit 2010 nichts gerissen haben – bis auf die eigene, ohnehin zu niedrig gehängte Latte.

Wir wollen das Ende der Kohleverstromung so schnell wie möglich. Wir freuen uns, dass unsere hier seit 2013 vorgetragene Forderung nach einem Braunkohle-Ausstiegsgesetz jetzt auch in Berlin angekommen ist.

Landesumweltminister Remmel wird in Medien mit der Aussage zitiert, die Klimaziele der Bundesregierung bis 2040 seien kaum noch erreichbar. Das hat er hier eben auch im Bericht der Landesregierung wiederholt. Diese ohnehin nicht besonders ambitionierten und unzureichenden Ziele werden in der Tat absehbar nicht erreicht, wenn das größte Energieland in Deutschland weiterhin als Träger der Achterlaterne hinterhersegelt.

Nordrhein-Westfalen unter Rot-Grün ist der Bremsklotz der Energiewende, der Bremsklotz des Klimaschutzes. Im Bericht der Landesregierung stand dann auch folgerichtig nichts Relevantes zur Braunkohle.

(Beifall von den PIRATEN)

Das Fiasko um die geplante Klimaschutzabgabe für Braunkohlekraftwerke, aus der auf Druck aus Nordrhein-Westfalen ein „Hartz IV“ für diese wurde, ist nur eines von vielen Beispielen dafür, dass hier der unvermeidliche und längst nötige Strukturwandel verpennt wird. Nein, nicht einfach nur verpennt. Gezielt hintertrieben!

Stattdessen will man wie schon bei Steinkohle und Stahl in den 1980er-Jahren mit fest geschlossenen Augen in einen verheerenden Strukturbruch laufen. Wirtschaftsminister Duin nahm hier Stellung und meinte, die Landesregierung nehme keine Rücksicht auf Firmen, sondern auf die Arbeitsplätze. Ja, genauso, wie Sie es 1980 schon getan haben, auch wenn Sie da nicht der Wirtschaftsminister waren.

(Minister Garrelt Duin: Das stimmt!)

Genauso, wie Sie es bei Opel in Bochum getan haben. Denselben Erfolg werden Sie mit Ihrem Schutz der Arbeitsplätze auch haben: Bei dem krachenden Strukturbruch werden Sie unvorbereitet dastehen und nichts auf die Reihe kriegen.

Klimaschutzgesetz und unverbindliche Klima

schutzplänchen retten Sie da auch nicht. Aus dem Landesentwicklungsplan ist der Klimaschutzplan ganz verschwunden. Beim Fracking wird herumgeeiert und auf das geplante Bundes-“FrackingErmöglichungs-Gesetz“ verwiesen und gewartet – das im Übrigen schon vor der Sommerpause aus dem Bund kommen sollte, aber auch der Weihnachtsmann bringt es uns jetzt nicht.

Wenn es dann irgendwann kommt, wird die Landesregierung leise weinend die Hände in die Tasche stecken, denn Bundesrecht bricht Landesrecht, und

Bergrecht bricht Grundrecht. Und hier im Land können wir leider nichts verhindern.

Wir dagegen wollen das Berggesetz abschaffen und durch ein Bundesumweltgesetz und dreidimensionale Raumplanung ersetzen. Aber unser diesbezüglicher Antrag hier, die Landesregierung möge sich im Bundesrat dafür einsetzen, wurde von den anderen vier Fraktionen einstimmig niedergestimmt.

Aber wenn wir hier so weitermachen, dann werden wir uns bald ganz auf die Anpassung an die Folgen des Klimawandels konzentrieren können – um die Veränderungen brauchen wir uns dann keine Gedanken mehr zu machen –: auf die Reparatur weiterer Ewigkeitsschäden im Revier, selbstverschuldete Wasserhaushaltsprobleme, Belastungen durch

Feinstäube, Schwermetalle, aufkonzentrierte Radionuklide hier bei uns.

Die weltweiten Probleme wurden in der Einleitung durch den Bundesumweltminister in seinem Bericht schon geschildert, genauso durch unseren Fraktionsvorsitzenden Michele Marsching in seinem Redebeitrag vorhin.

Ganz aktuell ist der Durchschnitt der CO2-Konzentration in der Atmosphäre von vorindustriellen 280 ppm auf 400 gestiegen. Als direkte Folge steigen die Konzentrationen weiterer Treibhausgase wie Methan- und Lachgas, ein selbstverstärkender Effekt. Die Erderwärmung hat ein Grad erreicht. Der westantarktische Eisschild und der ZachariaeEisstrom in Grönland, an dem ein Zehntel des Inlandeises hängen, haben ihre Kipppunkte überschritten. Auch sonst gibt es massive Eisverluste in Grönland, und der schwimmende Eisschild im Nordpolarmeer schwindet immer weiter.

Das, meine Damen und Herren, ist natürlich genau der richtige Zeitpunkt, um die Legalisierung des Schwarzbaus Datteln 4 durchzuprügeln, Hartz IV für uralte Braunkohlekraftwerke einzuführen und weitere Subventionen zu fordern oder pauschale Bestandsgarantien bis 2050 abzugeben. Trianel in Lünen spielt im ersten Betriebsjahr 100 Millionen € Verlust ein. GEKKO in Hamm wird ein noch größeres Fiasko werden. Die Kommunen müssen ihre Beteiligungen an RWE und Konsorten um Milliarden wertberichtigen und gehen in die Haushaltssicherung. Zukunftsfähige Arbeitsplätze werden vernichtet oder gar nicht erst geschaffen. 90.000 Arbeitsplätze gingen in einem Jahr in Deutschland in der Solarenergie verloren. Und vom Wirtschaftsminister war dazu nichts zu hören.

RWE will jetzt die Geschäftsfelder Erneuerbare Energien, Netze und Vertrieb im In- und Ausland in einer neuen Tochtergesellschaft bündeln. Der Rest ist dann nicht Schweigen, sondern Bad Bank, mit der unsere rot-grünen Klimaschutzexperten dann herumspielen dürfen. Welche Auswirkungen wird die geplante 10%ige Kapitalerhöhung auf die Kommunen haben, die mithalten müssen, um ihre ins

gesamt 15%ige Beteiligung halten zu können, ohne die auch noch obendrein der Steuerhammer fällt?

Herr Remmel, der Umweltminister, spricht hier von Klimaschutz als purer ökonomischer Vernunft. Ja, da hat er völlig recht. Wir können nur hoffen, dass Paris endlich verbindliche Klimaziele bringt, die Bundes- und Landesregierung dazu zwingen, auf den von uns geforderten Weg einzuschwenken und Chaos und Unsicherheit hier zu beenden. Denn von Bund und Land kommt bisher nichts außer Verschlimmerungen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rohwedder. – Für die Landesregierung hat noch einmal Herr Minister Remmel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die Möglichkeit, noch einmal auf einige Aspekte der Debatte eingehen zu können. Insbesondere die Aussagen von Herrn Hovenjürgen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Nordrhein-Westfalen sind für mich Anlass, doch das eine oder andere auch mit Zahlen noch einmal klarzustellen.

In der Tat, es ist gar keine Frage: Wir könnten uns mehr vorstellen. So haben wir uns auch verabredet. Ich bin aber guter Dinge, dass wir das auch erreichen werden.

Herr Hovenjürgen, zur Geschichte gehört auch, zu erwähnen, dass im Jahr 2014 in Sachen Windenergieausbau Nordrhein-Westfalen wieder die Dynamik erreicht hat, die wir zuletzt 2002 hatten, also weit über 300 Megawatt Zubau. Wir haben sozusagen die Delle, die Sie in den Jahren 2005 bis 2010 zum absoluten Tiefpunkt gebracht haben, wieder nach oben gefahren. Das ist ein Erfolg dieser Landesregierung, unserer gemeinsamen Anstrengungen. Und gerade in den Bereichen, wo es jetzt schwieriger wird, Windenergie auszubauen, sind wir hier erfolgreich.

Herr Hovenjürgen, die Zahl, die Sie vielleicht hätten vortragen sollen und müssen: Aktuell haben wir gut 400 Genehmigungsverfahren in der Bearbeitung. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir gemeinsam Ort für Ort, Gemeinde für Gemeinde besuchen würden, wo es gerade Ihre Kolleginnen und Kollegen sind, die den Windenergieausbau an erster Stelle verhindern. Dazu lade ich Sie ganz, ganz herzlich ein, Herr Hovenjürgen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zur Darstellung der weltweiten Situation, insbesondere mit Blick auf die Erneuerbaren, gehört auch, dass es drei Gründe gibt, warum wir hoffnungsfroh

sein können, dass Paris vielleicht doch zu einer Verständigung führt.

Der erste Grund liegt darin, dass China und die USA jetzt im Gegensatz zu vor fünf Jahren ambitionierter die Konferenz begleiten. Der zweite Grund ist, dass die Emissionen in China zwar auf hohem Niveau sind, aber seit zwei, drei Jahren stagnieren. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sie irgendwann sinken. Der dritte Grund hat wesentlich mit meinem ersten Argument zu tun und liegt darin, dass die erneuerbaren Energien zurzeit weltweit eine wahre Blüte und Dynamik erfahren.

Ein so massiver, rasanter Ausbau, wie er derzeit weltweit und im Übrigen auch in China stattfindet, sorgt dafür, dass erneuerbare Energien zurzeit die preiswerteste, die günstigste Energieform weltweit sind und damit wesentlich dazu beitragen werden, dass Paris erfolgreich sein wird, weil diese preisgünstigen Energien weltweit Entwicklungen ermöglichen, wo es bisher keine Entwicklung gab, und damit auch Perspektiven neu eröffnen. Das ist eben auch eine Eröffnung von Chancen für ein weltweites Klimaabkommen.

Mir ist an dieser Stelle wichtig, aufgrund der vielen Hinweise auf die Wechselwirkung zwischen Markteinführung und Systemdurchdringung darauf hinzuweisen, welche Mechanismen wir an dieser Stelle bedienen müssen. Wir haben erfolgreich die Markteinführung der erneuerbaren Energien bewältigt. Jetzt geht es darum, Systemlösungen insgesamt hinzubekommen, um die Grundlastfähigkeit darzustellen. Dazu braucht es aber erneut einer Markteinführung beispielweise von Speichertechnologien, um genau die Volatilität auszugleichen. Dafür benötigen wir Skaleneffekte, Herr Hovenjürgen. Deshalb ist es notwendig, die Marktbedingungen so zu gestalten, dass diese Skaleneffekte auch erzielt werden.

Ich lade Sie herzlich ein, gemeinsam bei der Bundesregierung dafür zu sorgen, diese Flexibilitätsoption durch Markteinführungsstrategien zu unterstützen. Da ist noch viel Arbeit, und ich hoffe, dass Sie an unserer Seite in Berlin dafür eintreten werden. – Herzlichen Dank.