Wir haben – das möchte ich betonen – in der Weiterbildung viele große und kleine Träger. Auch diese kleinen Träger müssen wir unterstützten, damit sie gleichrangig teilhaben können. Es ist sehr schwierig, Drittmittel für die Weiterbildung zu akquirieren. Deshalb brauchen wir auch hierbei Unterstützungsagenturen.
Die vielen bestehenden Fördertöpfe müssen besser koordiniert werden. Deshalb noch einmal die ganz zielgerichtete Bitte an den Bund, dass man hier mehr Kooperation braucht. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir freuen uns, dass bei diesem wichtigen Thema ein fraktionsübergreifender Antrag vorliegt. Ich möchte anhand einiger Punkte darstellen, warum dieses Thema aus FDPSicht so wichtig ist.
Man kann in der Bildungspolitik intensiv streiten. Gerade aber beim Kampf gegen funktionalen Analphabetismus und für die unerlässliche Grundbildung ist es wichtig, dass sich möglichst viele gesellschaftliche Akteure engagieren und an einem Strang ziehen, nicht zuletzt weil es darum geht, die Gesellschaft zu sensibilisieren. Es geht darum, auf Problemlagen aufmerksam zu machen, die aus Scham oft kaschiert und für die Vermeidungstaktiken entwi
ckelt werden. Es geht um gesamtgesellschaftliches Engagement, um Menschen mit Defiziten die Scheu zu nehmen, Chancen zu ergreifen.
Eine zentrale Grundlage stellt die Gewährleistung einer soliden Grundbildung in der Schule dar. Grundbildung besteht nicht nur aus Lesen, Schreiben und Rechnen. Dieses sind jedoch entscheidende Grundkompetenzen, die für den Erwerb anderer Fertigkeiten unverzichtbar sind.
Zu einer soliden Grundbildung zählen aber ebenso weitere im Antrag aufgezählte Felder. Das heißt aber nicht, dass zum Beispiel die unterschiedlichen Positionen der rot-grünen Verbraucherbildung einerseits sowie andererseits des FDP-Ziels eines ordentlichen Faches Wirtschaft, in das Verbraucheraspekte eingebunden sind, dadurch behoben sind. Für diesen Dissens bestehen klare fachliche Gründe. Unabhängig von dieser Frage sind wir uns aber einig, dass keine Schülerin und kein Schüler ohne eine solide Grundbildung die Schule verlassen sollte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Rahmen der nationalen Strategie zur Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener wurden durch den Arbeitskreis Weiterbildung der KMK Dimensionen kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe als
Grundbildung genannt und weiterhin als sinnvoll empfohlen: Rechenfähigkeit, Grundfähigkeiten im IT-Bereich, Gesundheitsbildung, finanzielle Grundbildung, soziale Grundkompetenzen und Schriftsprachlichkeit. Hierbei handelt es sich letztlich um essentielle Grundlagen für ein selbstbestimmtes Leben.
Nicht umsonst werden hier die Grundbildungsnotwendigkeiten für Erwachsene genannt. Nach wie vor gelingt es nicht, alle Schülerinnen und Schüler mit diesen Kenntnissen aus den Schulen zu entlassen. So haben wir geschätzt rund 1,5 Millionen funktionale Analphabeten allein in NRW. Viele dieser Menschen arbeiten.
In einer vor einigen Jahren durchgeführten Befragung von Unternehmen durch das Institut für Wirtschaft zu Köln zu Defiziten in der Grundbildung wurden diese Kompetenzen zu nahezu 100 % als unverzichtbar bewertet. Gleichzeitig wurden zum Beispiel von 53 % bei IT-Kenntnissen bis hin zu über 90 % bei der schriftlichen Ausdrucksfähigkeit oder der Rechtschreibung teilweise oder häufige Defizite gesehen.
Ähnlich wie beim funktionalen Analphabetismus kombiniert sich hier eine Verhinderung individueller Aufstiegschancen mit Folgeproblemen der Wirtschaft. Das zeigt, der Abbau von Defiziten in der Grundbildung ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Die hohe Zahl an Flüchtlingen verstärkt diese Herausforderung absehbar. Auch hier müssen möglichst früh Nachqualifizierungsmaßnahmen ergriffen werden.
Für alle diese Erwachsenen kommt dem Engagement der Weiterbildungsträger eine zentrale Rolle zu. Unsere Weiterbildungslandschaft muss nicht nur die große Herausforderung stemmen, Defizite der Betroffenen abzubauen; die besondere Herausforderung besteht darin, Zugänge zu betroffenen Menschen zu finden. Daher ist die Einbindung unterschiedlichster gesellschaftlicher Akteure so wichtig. Vernetzungsstrukturen wie „Alphanetz“ kommt nicht nur als Multiplikator eine besondere Rolle zu. Über Netzwerke können Best-Practice-Beispiele und neue Formate transportiert werden. Vernetzung kann den Zugang zu Gatekeepern erleichtern.
Gleichzeitig geht es aber auch um die Herstellung von Öffentlichkeit, zum Beispiel, um bei Unternehmen für eine sogenannte arbeitsplatzbezogene Grundbildung zu werben. Für diese Herstellung von Öffentlichkeit ist es wichtig, dass sich alle Fraktionen gemeinsam engagieren. Daher begrüßen und unterstützen wir diesen Antrag. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Auch ich freue mich ausdrücklich, dass wir beim Thema „Weiterbildung“ konsensual arbeiten. Es ist, denke ich, ganz wichtig, dass wir ein gemeinsames Zeichen aus dem Landtag senden, wie wichtig uns das Thema „Alphabetisierung und Grundbildung“ ist. Dafür herzlichen Dank.
Es wurde schon ganz viel gesagt. Ich muss an dieser Stelle nicht alles wiederholen. Insofern will ich mich jetzt auf zwei Themenbereiche fokussieren.
Wir reden über Alphabetisierung und meinen damit ganz konkret eine Grundkompetenz im Lesen und im Schreiben. Der Antrag fordert aber neben Lese- und Schreibkompetenz tatsächlich auch Grundbildung. Zur Grundbildung gehört einiges mehr als Lesen und Schreiben. Hinzu kommen Rechenfähigkeit, aber auch andere Kompetenzen, die Frau Schmitz gerade angesprochen hat.
Die erste Forderung in unserem gemeinsamen Antrag gilt einem hinreichenden Grundbildungsniveau. Unter „Grundbildung“ wird all das grundlegende Wissen und werden die Basiskompetenzen verstanden, die für jeden Einzelnen die Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe sind.
Frau Schmitz, da unterscheiden wir uns dann ein bisschen. Bei uns steht diese gesellschaftliche Teilhabe im Zentrum und nicht die Wirtschaftlichkeit, bei
der ich darauf sehe, wie ich weiter Leute für die Wirtschaft gewinnen kann. Diese gesellschaftliche Teilhabe wird sich in Zukunft da zeigen: Wer kann mit digitalen Medien umgehen und wer nicht? Das wird in Zukunft die Trennlinie in unserer Gesellschaft sein.
Das heißt aber nicht, dass Lese- und Schreibkompetenz dann nicht mehr wichtig wären. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn ich nur ansatzweise mit digitalen Medien arbeiten will, brauche ich genau diese Kompetenz, um überhaupt gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, um mich kulturell, gesellschaftlich, aber auch wirtschaftlich zu beteiligen. Das soll noch einmal verdeutlichen, wie wichtig die Alphabetisierung hier in Nordrhein-Westfalen ist.
Lobend erwähnen möchte ich dabei, dass die Weiterbildung dieses Thema durchaus auch im Fokus hat. Hier möchte ich als Beispiel auf „ich-willlernen.de“ hinweisen, ein kostenloses Lernportal des Deutschen Volkshochschul-Verbandes. Hier kann man online Schreiben und Rechnen üben oder seine Grundbildung verbessern. Es wurde bereits von über 500.000 Menschen genutzt.
lernen.de“, ebenfalls ein Angebot des Deutschen Volkshochschul-Verbandes. Dieses Instrument zur Unterstützung der sprachlichen, gesellschaftlichen und beruflichen Integration von Zugewanderten steht ebenfalls kostenfrei zur Verfügung und wird genutzt. Das zeigt, dass das der Weg in der Zukunft ist, dass wir nicht mehr in die Volkshochschule gehen, sondern dass jeder zu Hause nach seinem eigenen Lerntempo lernen wird. Da müssen wir unbedingt dranbleiben und überlegen, wie wir weitere Formate aufsetzen.
Der zweite Aspekt, den ich aufgreifen will – wir haben in dem Gespräch mit den Weiterbildungsträgern auch darüber gesprochen –: Wie schaffen wir es, das Thema „Alphabetisierung und Grundbildung“ noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken? Wir haben die Aufgabe, das Problembewusstsein für diese Thematik zu schärfen.
Besonders müssen wir dabei die Betriebe in Nordrhein-Westfalen noch mehr in den Blick nehmen. Ein Vorschlag war die Durchführung einer großen Veranstaltung zum Thema Alphabetisierung und Grundbildung. Ich fände es sinnvoll, einen Grundbildungstag in Nordrhein-Westfalen zu etablieren, frage mich aber auch, ob wir nicht nachhaltiger Impulse setzen können, wenn wir eine zentrale Veranstaltung im Landtag machen, zum Beispiel im Rahmen des Weltalphatages.
Wenn wir Betriebe mit ins Boot holen wollen – das halte ich für sehr sinnvoll –, sollten wir eine zentrale Veranstaltung zur Grundbildung und Alphabetisierung durchführen, die von allen Fraktionen unter Beteiligung der Landesregierung und der Weiterbildungslandschaft getragen wird. Das löst zwar nicht
alle Probleme, wäre aber sicherlich ein starkes Zeichen der Politik, wie wichtig uns allen dieses Thema ist und dass wir uns gemeinsam weiterhin für dieses Anliegen stark machen.
Noch eine Bemerkung zu Frau Zentis: Liebe Frau Zentis, Sie haben gerade darüber gesprochen, dass es im Haushalt 500.000 € für die Integrationskurse und 500.000 € für die Alphabetisierung gibt. Das ist wirklich gut gemeint. Ich glaube aber, über die Beträge werden wir im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik sicherlich noch einmal reden müssen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es ist ein starkes bildungspolitisches Signal, dass der Landtag zum zweiten Mal mit einem fraktionsübergreifenden Antrag das Thema Alphabetisierung und Grundbildung in den Blick nimmt. Es ist immer gut, wenn man zusammenarbeitet. Das ist in der Schulpolitik durchaus auch gegeben, wenn wir uns an den Schulkonsens erinnern.
Bereits vor einem Jahr konnte fraktionsübergreifend ein breites Bündnis gegen Analphabetismus in Nordrhein-Westfalen geschlossen werden. Die hohe Anzahl der Betroffenen und die sich daraus ergebenden gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen erfordern ein gemeinschaftliches Handeln.
Das landesweite Alphanetz NRW wurde vor gut einem Jahr gegründet. Dieses Netz ist offen für alle. Es bindet viele verschiedene Partner ein. In der Frage, Frau Pieper, ob es besser ist, etwas zentral zu machen, oder ob es besser ist, etwas regional zu machen, bin ich eher der Meinung, dass die vielen regionalen Bündnisse viel mehr Menschen und viel mehr Initiativen erreichen und auch pressemäßig vor Ort oft viel größere Wirkung entfalten, als wenn wir das hier zentral tun. In der Zielsetzung aber sind wir einig. Vielleicht müssen wir einfach beides tun.
Dass die Zeit reif war für diese große Fragestellung, für diese große Herausforderung, zeigt, dass regional nicht fünf Netzwerke entstanden sind, sondern dass wir ganz viele haben. Erst letzte Woche in Warendorf ist ein weiteres hinzugekommen. Wir können nicht verordnen, dass Erwachsene die Angebote annehmen. Wir müssen wirklich sehr intensiv vor Ort dafür werben. Es kommen auch immer wieder neue Netzwerke dazu.
glauben würden, unsere Bemühungen in diesem Feld seien abgeschlossen. Das ist wirklich eine Daueraufgabe. Wir müssen Schritt für Schritt vorangehen und langfristig denken. Das gilt für alle Beteiligten, ob im Bund, im Land oder in der Kommune. Das gilt aber auch für alle betroffenen Politikfelder, ob es sich um die Weiterbildung selbst handelt, die Schule, die Familie oder Wirtschaft und Arbeit.
In diesem Sinne verstehe ich auch den fraktionsübergreifenden Antrag aller Landtagsfraktionen. Nur über Bündelung aller gesellschaftlichen Kräfte können wir eine Grundbildungsoffensive im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten erfolgreich auf den Weg bringen.
Für den Bereich der gemeinwohlorientierten Weiterbildung haben wir für das nächste Jahr zusätzlich 500.000 € für weitere Maßnahmen der Projektförderung in der Alphabetisierung und Grundbildung vorgesehen. Damit wollen wir beispielsweise Kooperationen, in denen die Partner sensibilisiert sind und die nun die Potenziale einer Zusammenarbeit mit den Weiterbildungseinrichtungen erkennen, weiterentwickeln und stärken.
Wir wollen aber auch daran anknüpfen, neue Zugänge zu den Betroffenen beispielsweise über die Sozialpartner zu bekommen. Mit diesen Maßnahmen greifen wir die Empfehlungen des Landesbeirates für die gemeinwohlorientierte Weiterbildung auf und begleiten sie.
Frau Pieper, Sie haben die Summen angesprochen. Ja, die klingen erst einmal sehr gering. Sie sind auch gering. Aber verglichen damit, dass wir als Regierung und als Koalition zunächst einmal gesagt haben, wir nehmen eine Kürzung zurück – das war das Ziel für die Legislaturperiode –, sind wir in diesem Fall über die schon erfüllten Zielsetzungen im Koalitionsvertrag hinausgegangen. Das ist schon ein Plus, was uns die Weiterbildungslandschaft auch hoch anrechnet. Wir haben den jetzigen Mittelansatz im Blick und werden gegebenenfalls noch einmal nachsteuern. Wir tun gut daran, weil wir hier mit kleinen Beiträgen Großes ausrichten können. Das muss man aus meiner Sicht auch bedenken.
Dabei soll es nicht bleiben. Richtig. Ich bin deshalb sehr froh, dass sich der Bund und die Länder entschieden haben, die nationale Strategie in eine nationale Dekade zu überführen.