Die im Hause von Frau Hendricks gebildete Arbeitsgruppe sollten wir als Signal zum Dialog mit allen Betroffenen aufgreifen und nicht parteipolitische Showanträge stellen.
Kommen wir also zum gemeinsamen verantwortlichen Handeln zurück. Die erfolgreiche Struktur in der Region basiert auf dieser Einigkeit – und auf nichts anderem. Dabei ist es sicherlich sinnvoll, sich auch parteipolitisch auszutauschen; aber die Gespräche in Berlin und Düsseldorf müssen überparteilich mit allen Akteuren der Region mit guten Argumenten und mit Zielperspektiven konstruktiv geführt werden.
„Aus unserer Sicht besteht derzeit für die Region kein Grund zur Aufregung. Wir sollten nun ganz in Ruhe in Abstimmung mit der Landesregierung mit dem vom Ministerium eingesetzten Arbeitsstab ins Gespräch gehen.“
Der vorliegende Antrag der CDU ist leider das Gegenteil davon. Er vermischt in unangemessener Weise Forderungen nach Bundespräsenz in Bonn und die Forderung in Bezug auf den UN-Standort, die in diesem Hause unbestritten ist, mit unzutreffenden Anschuldigungen gegen die SPD-Bundesministerin Barbara Hendricks.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal danke ich der Kollegin Hendricks für die sachliche Rede. Ich glaube, dass sachliche Reden in diesem Zusammenhang auch deswegen ausgesprochen angesagt sind, weil wir alle zusammen ein objektives Problem haben.
Wir haben das objektive Problem, dass Vertrauen und Vertrauensschutz offensichtlich für einen Teil der Politik – und zwar quer durch die Fraktionen in Berlin – nicht gilt. Das ist spannend, weil das Wort „Vertrauen“ in dem Zusammenhang damals in der Hauptsache in Richtung Berlin gemeint war. Dieses Wort ist in der damaligen Bundestagsdebatte beim Bonn-Berlin-Beschluss ausweislich des Protokolls über 200 Mal vorgekommen. Selbstverständlich hat auch derjenige, der damals maßgeblich mit für diesen Beschluss gesorgt hat, nämlich Herr Schäuble, dieses Wort mehrfach im Munde geführt.
Das Vertrauen – dies muss man ganz deutlich sagen – wird natürlich gebrochen, wenn zum Beispiel Herr Schäuble – es gibt auch Angehörige anderer Parteien, und zwar aller Parteien, die sich genauso verhalten – heute davon spricht, dass Gesetze ja
Wir haben also das Problem, dass die faire Arbeitsteilung, die damals Gegenstand des Antrages und des Beschlusses war und die nach meiner festen Überzeugung auch der Punkt war, der dann letztlich zur Mehrheit geführt hat, inzwischen längst ad absurdum geführt wird, und zwar nicht nur in Wort, sondern auch in Tat.
Damals waren über 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bonn. Heute sind es knapp 40 %, nämlich nur noch etwas über 6.000. Das Wissenschaftsministerium zum Beispiel wurde so groß gebaut, dass in dem Gebäude weit mehr Personen untergebracht werden könnten, als für das Ministerium sowohl in Berlin als auch in Bonn tätig sind.
Wer auch sieht, was jetzt mit dem Innenministerium passiert ist – es wurde auch so groß gebaut, dass jederzeit das komplette Innenministerium verlagert werden könnte; im Übrigen sind auch 100 Leute aus der sogenannten Kernmannschaft im Juni dieses Jahres verlagert worden –, der weiß, dass die Rutschbahn, die wir alle nicht wollten und nicht wollen, längst in vollem Gange ist.
Wer sich anguckt, was von Mal zu Mal in den verschiedenen Wahlperioden des Bundestages geschieht, der wird feststellen, dass diejenigen, die neu kommen, aus ihrer Sicht immer weniger mit dem zu tun haben, was eigentlich vereinbart war.
Das stellt uns vor die Frage: Bejammern wir jetzt nur einen Umstand, oder müssen wir in irgendeiner Form in absehbarer Zeit damit umgehen? Ich glaube und hoffe, dass ich die Koalition im Bund so verstehen kann, dass man damit umgehen will und das auch wieder in ein geordnetes Verfahren bringen will. So habe ich jedenfalls Frau Hendricks verstanden.
Ich weiß – übrigens auch von Parteifreundinnen und Parteifreunden der CDU –, dass das selbstverständlich nicht ohne Rückendeckung der Kanzlerin läuft, weil die CDU/SPD-Koalition dieses Thema 2017 aus dem Wahlkampf heraushalten will.
Was heißt das jetzt, jedenfalls aus meiner Sicht, für uns alle zusammen? Wir werden schauen müssen, dass wir in der Tat noch einmal Gespräche beginnen, aber aus einer Position der klaren Abwehrhaltung heraus. Wir können nicht hinnehmen, dass aus Bundesministerien – die übrigens auch für den UNStandort und in Bezug auf andere Fragen wichtig sind – Bundesoberbehörden werden. In Klammern füge ich hinzu: Selbstverständlich gibt es auch Bundesoberbehörden, nach denen der Berliner schon wieder ruft. Der Bundesrechnungshof wurde nach Bonn verlagert. Einige wollen ihn schon wieder zurück nach Berlin haben. Auch das wäre keine Garantie.
Das heißt: Wir müssen uns angucken, auf welche geringen Teile von Ministerien, die ohnehin fast aus Bonn weg sind, möglicherweise verzichtet werden kann. Dafür sollten andere Dinge gesichert werden, und zwar vertraglich. Sie sollten dann tatsächlich durch einen öffentlichen Vertrag gesichert werden, damit es nicht zehn Jahre später wieder heißt: Die Gesetze können jederzeit geändert werden.
Das ist aus meiner Sicht der Kern unserer Aufgabe. Dazu sollten wir in der Tat ruhige Gespräche führen. Diese Gespräche sollten wir vor 2017 führen. Wir sollten alle Parteien in der Region mit einbeziehen. Es sollte aber auch ganz klar sein, dass wir notfalls im Schulterschluss – Nordrhein-Westfalen mit der Region – sagen: Nein, es bleibt bei dem alten Beschluss; ihr müsst ihn endlich einhalten. – Das muss geschehen, bevor wir uns über den Tisch ziehen lassen. Das will ich ganz deutlich sagen.
Wir sollten nicht so tun, als könnten wir irgendetwas aufhalten, indem wir nur das bekritteln, was im Moment läuft. Das sollten wir nicht tun, sondern wir sollten sehen, dass die Rutschbahn, von der wir immer gesprochen haben, längst in vollem Gange ist und dass wir jetzt aufgerufen sind, vertraglich zu regeln, dass dies so nicht weitergeht – im Interesse der Menschen, der Region, der Arbeitsplätze und übrigens auch der Firmen, die hinten dranhängen und auch eine verlässliche Perspektive haben wollen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Mitten in der schlimmsten Flüchtlingskrise, die unser Land seit Jahrzehnten erlebt, bricht die Bundesbauministerin eine Debatte über die Verlagerung von Bundesministerien von Bonn nach Berlin vom Zaun.
Das Erste, was mir durch den Kopf ging, war die Frage: Hat die Dame eigentlich nichts Besseres zu tun? Die zuständige Ministerin, die sich den Kopf darüber zerbrechen sollte, wie 1 Million Flüchtlinge vor dem Winter ein festes Dach und eine warme Bleibe bekommen, tritt jetzt ohne Not diese völlig überflüssige Debatte los.
Meine Damen und Herren, das ist für mich ein weiterer Beleg dafür, wie weltfremd und abgehoben inzwischen im „Raumschiff Berlin“ politisch gedacht wird.
Dazu gehört, dass die Bundesministerin natürlich überhaupt nicht erwähnt hat, was der Komplettumzug kosten würde. Der Bundesrechnungshof hat vor Jahren testiert, dass der Komplettumzug mindestens 5 Milliarden € kosten würde. Darin sind noch nicht etwaige Kompensationsmaßnahmen für die betroffene Region Bonn/Rhein-Sieg enthalten.
Glaubt denn irgendjemand, dass eine Bundesregierung – mit welchem Zuschnitt auch immer, auch die Große Koalition – den Mut haben wird, in die Bundeshaushalte der nächsten Jahre angesichts der Herausforderung, vor der wir stehen, in nennenswertem Umfang Umzugs- oder gar Ausgleichsmittel einzustellen?
Meine Damen und Herren, ich fürchte: Das angebliche Gesprächsangebot, das die Bundesministerin unterbreitet hat, ist ein Köder, der bisher nur aus heißer Luft besteht.
Wenn sich das einmal ändert und konkrete Angebote der Bundesregierung an Nordrhein-Westfalen und die Region Bonn auf dem Tisch liegen, sind wir alle gern bereit, uns anzuschauen, was denn angeboten wird. Bisher gibt es davon gar nichts.
Meine Damen und Herren, ich kann nur davor warnen, dass wir unsere gut begründete Haltung in der Erwartung relativieren, da würden tatsächlich substanziierte Angebote kommen. Bisher kann ich das nicht erkennen.
Bei der Haltung, die wir hier immer parteiübergreifend eingenommen haben, meine Kolleginnen und Kollegen, geht es nicht um die Verteidigung irgendwelcher lokaler Interessen, sondern es geht um vitale Zukunftsinteressen Nordrhein-Westfalens. Denn um die sechs in Bonn verbliebenen Ministerien herum hat sich in den letzten Jahrzehnten ein Netzwerk der Bildungs- und Forschungslandschaft gebildet, das von großer Bedeutung für den Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen insgesamt ist.
Im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft sind 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Es gibt in Bonn den DAAD, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Hochschulrektorenkonferenz und die Kultusministerkonferenz. Allein diese Institutionen – ich könnte weitere benennen – haben über 1.500 hoch qualifizierte Mitarbeiter.
Genauso ist es im Bereich der Gesundheitswirtschaft. In dieser Region ist um das Bundesgesundheitsministerium ein Cluster mit hochwertigen forschungsintensiven mittelständischen Betrieben entstanden, das eine hohe Strahlkraft für ganz Nordrhein-Westfalen hat.
Meine Damen und Herren, der internationale Standort Bonn als einziger deutscher Standort der Vereinten Nationen wäre ohne die Präsenz relevanter Bundesministerien undenkbar gewesen. Ohne BMZ, ohne Umweltministerium, ohne Landwirtschaftsministerium wäre es nicht gelungen, den
Standort Bonn der Vereinten Nationen durchzusetzen – geschweige denn, dass wir eine Perspektive hätten, ihn nachhaltig zu erweitern. Beides ist nicht voneinander zu trennen.
Das sind die Fakten. Deshalb sollten wir bei aller Gesprächsbereitschaft, die wir signalisieren, auch immer wieder erkennen, dass es hier wirklich um gemeinsame Interessen unseres Landes NordrheinWestfalen geht. Es geht nicht allein um 27.000 bis 30.000 Arbeitsplätze in der Region – allein dafür zu kämpfen, wäre die Mühe schon wert –, sondern es geht darüber hinaus auch um einen drohenden „Blutverlust“ für den Wissensstandort NordrheinWestfalen, den wir als Landtag Nordrhein-Westfalen auf keinen Fall hinnehmen dürfen.
Ich will zu guter Letzt – wir haben in der Debatte hier ja nicht viel Zeit – auf einen zweiten Punkt hinweisen, der aus meiner Sicht essenziell ist. Es geht bei der Debatte über Bonn und Berlin auch um die demokratische Architektur der Bundesrepublik
Deutschland. Wir sind überzeugte Föderalisten, weil wir die Vielfalt unseres Landes auch in NordrheinWestfalen leben. Meine Damen und Herren, wir wollen nicht – das war auch immer gemeinsame Haltung aller Fraktionen dieses Hauses –, dass ein neuer Berliner Zentralismus wieder Oberhand gewinnt, der die Vielfalt und die Beiträge der Regionen in Deutschland an den Rand drängt. Auch darum geht es in dieser Debatte. Das wollen wir als Vertreter eines selbstbewussten, starken Bundeslandes nicht.
Ich glaube, dass dieses Signal auch wichtig ist. Nicht alle Institutionen des Bundes müssen nach Berlin. Das war bisher nicht so. Das muss auch in Zukunft nicht so sein. Hier muss man mit Vernunft und Augenmaß vorgehen.
Eine Debatte kann man führen. Wenn uns in dieser Debatte jedoch nichts Substanzielles geboten wird, werden wir als Land und als Landtag NordrheinWestfalen die Interessen der Menschen und der betroffenen Unternehmen wahrzunehmen haben. Ich bin mir sehr sicher, dass wir das tun werden.
Ich freue mich sehr, dass die SPD, Frau Kollegin Hendricks – ich habe gestern mit Norbert Römer gesprochen –, ihre Bereitschaft signalisiert hat, dass wir hier in den nächsten Wochen zu einer gemeinsamen Beschlussfassung kommen. Das ist ganz essenziell. Alle Fraktionen des Landtags und die Landesregierung müssen eine gemeinsame Position beziehen, damit wir unsere Interessen auch wirkungsvoll vertreten können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.