Protocol of the Session on October 1, 2015

Es stand auch immer das Damoklesschwert der Lohnnebenkosten durch weitere Beitragssatzanhebungen im Raum.

„Der Gesetzgeber habe davon ausgehen können, dass die Neuregelung dem Prinzip der Finanzierung im Solidarsystem nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eher entspreche und im Regelfall auch nicht den größeren Betrag der Alterseinkünfte betreffe. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Rentenbezieher auf den Fortbestand der für sie günstigen Beitragslastregelung habe nicht bestanden.“

Ich kann mich sehr gut erinnern: Das hat auch nicht jeder verstanden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch von der FDP, lieber Herr Alda, ich habe den Antrag gelesen und muss sagen: Der Antrag ist ein einziger Blick zurück. – Auch gerade habe ich das wieder gedacht. Er betrifft eine Regelung, die längst entschieden und abschließend durchprozessiert ist.

Zu betonen ist nicht zuletzt, dass auch alle Rentnerinnen und Rentner von dem umfassenden und qualitativ hochwertigen Leistungskatalog der Kassen profitieren.

Das Thema „Altersvorsorge“ ist ein wichtiges Thema und entwickelt sich mit der Gesellschaft immer weiter. Daher stimmen wir auch der Überweisung in den Fachausschuss zu.

Ich freue ich mich darauf – diesen Seitenhieb kann ich mir doch nicht ganz verkneifen –, dass ich in dem Fachausschuss einmal die Intention dieses Antrags erläutert bekomme. Ich hoffe nämlich nicht, dass zum Ausdruck kommt, dass dies doch ein für eine ganz bestimmte Gruppe gemachter Antrag ist. Wenn das nicht so ist, muss ich davon ausgehen, dass es sich erneut um einen – wenn auch untauglichen – Versuch handelt, unser Solidarsystem wieder einmal infrage zu stellen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Spanier-Oppermann. – Für die CDUFraktion spricht Herr Kollege Post.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Drei Säulen sind wichtig und werden von Tag zu Tag immer wichtiger, nämlich die drei Säulen der Altersversorgung: die Renten, die betriebliche Versorgung und die persönliche zusätz

liche Versorgung. Mit diesen drei Säulen gibt es im Moment große Probleme. Bei einer Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank erbringen die Säulen nicht das, was sie erbringen sollen, und müssen deshalb hinterfragt werden.

Herr Alda, deshalb verstehe ich, dass Sie jedwede Möglichkeit nutzen, um Verbesserungen herbeizuführen. Die Verbesserungen bezogen auf die Steuerbilanz und den Zinssatz mag ich noch nachvollziehen können. Es ist schon problematisch, bei einer 0-%-Verzinsung 6 % anzusetzen. Darüber muss zu reden sein – aber sicherlich nicht hier bei uns im Landtag; das wird im Bundestag zu entscheiden sein.

Das Thema der nachträglichen Versicherungspflicht für die nach 2004 schon bestehenden Verträge ist, was ich für wichtig halte, durch Gesetzgebung und richterlich entschieden. Daran werden wir nichts ändern können.

Aber es wird insgesamt nötig sein, mehr Möglichkeiten zu schaffen, damit die Menschen sich selbst und über die Betriebe besser versorgen und versichern können und eine bessere Alterssicherung herbeigeführt wird. Dazu gibt es derzeit ein großes Gutachten im Rahmen eines wissenschaftlichen Auftrags der Bundesregierung an ein Würzburger Institut, ich meine sogar, an die Hochschule selbst. Es wird schon überlegt, ob die 70 %, die sich derzeit dieser Alterssicherung zuwenden, genug sind. Wenn wir die demografische Entwicklung richtig und ernsthaft betrachten, werden wir nämlich alle in Zusatzversicherungen und Ähnliches hineinkommen müssen.

Diese Diskussion wird dann ergebnisoffen bis zum Ende des Jahres im Bundestag diskutiert werden. Da werden auch Ihre Probleme noch einmal aufgegriffen. Ich denke, wir sollten uns in unserer Ausschussberatung mit diesem Gutachten ein bisschen weiter bewegen können und so die Probleme – auch die zwei, die Sie konkret angesprochen haben – aufnehmen.

Den Punkt 1 Ihres Antrags kann ich in der Allgemeinheit, in der Sie ihn formulieren, nicht übernehmen. Das müssten Sie ein bisschen stärker konkretisieren. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Post. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Maaßen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Unbestritten ist die Notwendigkeit, sich neben der gesetzlichen Rentenversicherung eine betriebliche und private Altersvorsorge aufzubauen. Dabei ist festzustellen, dass Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge ähnlich wie Lebensversi

cherungen vor besonderen Herausforderungen durch das Niedrigzinsumfeld stehen.

Es stellt sich die berechtigte Frage, welche Wirkungen das andauernde Niedrigzinsumfeld auf die Stabilität der Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge haben wird. Grundsätzlich ist denkbar, dass die verzögerte Aufwertung der Rückstellungen zur Verschleierung problematischer Solvenzsituationen der Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge führen kann.

Die höhere Belastung von Renten der betrieblichen Altersversorgung mit Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ist, wie eben schon von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern erwähnt, auf das GKV-Modernisierungsgesetz zurückzuführen, das bereits seit dem Jahr 2004 in Kraft ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Beiträge auf Betriebsrenten wurden verdoppelt. Dies war der Tatsache geschuldet, dass unsere Sozialversicherungssysteme mit erheblichen Finanzproblemen zu kämpfen hatten und insbesondere durch die demografische Entwicklung die Krankenversicherung der Rentner erheblich belastet war und ist.

Die von der FDP angestrebte Reduzierung der Beitragspflicht würde zu Einnahmeverlusten in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung führen. Ich frage Sie, Herr Alda: Wie will die FDP diese Einnahmelücke schließen? Welche Maßnahmen der Gegenfinanzierung müssen hier gefunden werden? Im Lichte des gedeckelten Arbeitgeberbeitrages bleiben ja letztendlich nur Zusatzbeiträge von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Dies würde aus unserer Sicht zu Ungleichbehandlungen führen – es sei denn, die FDP befürwortet wieder eine paritätische Finanzierung durch Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmerinnen, den Einbezug weiterer Einkommensarten und eine Bürgerversicherung, wie sie von uns Grünen gefordert wird.

Da diese Forderungen bei der FDP nicht auf Widerhall stoßen und auch auf Bundesebene derzeit nicht mehrheitsfähig sind, lehnen wir Grünen es ab, die derzeit geltende Beitragsregelung aufzuheben.

Nachzuvollziehen ist jedoch die Forderung hinsichtlich des Handels- und Steuerrechts in Bezug auf die Bewertung der Pensionsrückstellungen.

Diese Inkonsistenz ist nicht recht nachvollziehbar. Die handelsbilanziellen Pensionsrückstellungen sollten hier entschärft werden, um die betriebliche Altersvorsorge zu stärken. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Maaßen. – Für die Piraten spricht der Kollege Sommer.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher auf der Tribüne und auch im Livestream! Ich kann mich der Kollegin Maaßen in Bezug auf die handelsbilanziellen Effekte nur anschließen. Das muss natürlich entschärft werden. Lieber Uli Alda, das ist ein Punkt, den wir direkt unter „Zustimmung“ abhaken können.

Insgesamt geht es aber bei der Altersvorsorge im Moment wirklich turbulent zu. Wir sollten uns jetzt nicht nur diesen einen Part heraussuchen, den dieser FDP-Antrag beleuchtet. Ich denke, wir müssen, was die Renten- und Pensionsansprüche angeht, das Ganze wirklich groß denken, weil die Säulen zwei und drei, die private und die betriebliche Altersvorsorge, ein wenig darben. Bei der betrieblichen Altersvorsorge geht es noch; aber bei der privaten Altersvorsorge sieht es wirklich bitter aus. Die Nullzinspolitik ist hier eben genannt worden. Es ist vor allem eine dauerhaft anhaltende Niedrigzinspolitik. Ob sie so einfach vorbeigeht, wird sich zeigen. In Japan haben wir sie seit 30 Jahren.

Daher brauchen wir meines Erachtens neue Ansätze, wie wir das Ganze regeln können.

Ein Punkt, der mir in der Diskussion fehlt: Wir sagen, dass wir eine private Altersvorsorge brauchen, und schicken dann die Leute los, um sich am Aktienmarkt Pakete zu kaufen, bei denen es sich immer um hoch volatile Anlagemöglichkeiten handelt. Das müssen wir nicht unbedingt machen. Vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn wir kommunale Anleihen ausgeben. Es wäre gar nicht schlecht, wenn unsere Bürger einfach in die eigene Infrastruktur investieren würden. Das wäre durchaus einen Gedanken wert und meines Erachtens auch sinnvoller.

Bei der betrieblichen Altersvorsorge finde ich es ärgerlich, dass dort Rückstellungen gebildet werden, die dann nicht unbedingt dem Unternehmen und auch nicht dem Einzelnen zur Verfügung stehen. Auch wenn ich die amerikanischen Rentenversicherungsmodelle sicherlich nicht loben will, sehe ich die Möglichkeit, dass man betriebliche Anteile des eigenen Unternehmens, in dem man arbeitet, als Altersvorsorge erwerben kann, als bedenkenswerten Part an.

Da sollte das Ganze breiter geöffnet werden. Da müssen wir unsere Arbeitgeber ein bisschen in Bewegung bekommen. Das wäre klasse.

Jetzt komme ich zu einem Punkt, der auch auf Bundesebene – es ist eigentlich auch ein sehr bundesaffines Thema – sehr wichtig ist. Das ist die Scheinselbstständigkeit, die aktuell durch die sogenannte Arbeit 4.0 und den digitalen Wandel befördert wird. Wir haben über den Missbrauch der Werkverträge schon Probleme. Das Ganze wird sich in Zukunft noch exponenzieren, wenn alles digital abläuft, wenn alles an Aufgaben im Prinzip ohne eine unternehmerische Hülle ablaufen kann.

Da zitiere ich Joachim Möller vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Expertengespräch des Bundestagsausschusses Digitale Agenda: Da tickt eine Zeitbombe. Das sind überhaupt nicht abgesicherte Scheinselbstständige.

Dieser Punkt stellt sogar noch die Handelsbilanzdefizite gnadenlos in den Schatten. Insofern werden wir das Ganze viel umfangreicher besprechen müssen.

Dass wir das hier im Landtag auch tun, finde ich übrigens gar nicht schlimm. Selbstverständlich muss es bundesgesetzlich geregelt werden. Gleichwohl bewegt sich ohne regelmäßige Antreiberei aus den Ländern auf Bundesebene sehr wenig.

Daher freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss. Wir werden allerdings auch für Renten- und Pensionssicherungen und -regelungen in Zukunft noch eigene Anträge einbringen. Ich freue mich auch auf diese Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Steffens.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit,

Emanzipation, Pflege und Alter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Ziel, dass die betriebliche und private Altersvorsorge gestärkt werden muss, ist im Grundsatz richtig. Ich glaube, das ist überhaupt keine Frage. Das ist gerade aus allen Redebeiträgen hervorgegangen.

Die Frage ist nur: Wie ist der richtige Weg? Aus Sicht der Landesregierung ist der Vorschlag, den Sie gerade machen, nicht der richtige Weg, sondern ein Weg, der uns nicht wirklich weiterhilft, sondern andere Probleme aufwirft. Die Bedeutung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge wächst – ich glaube, das ist unumstritten –, weil das Rentenniveau sinkt – das haben auch schon die Vorredner und Vorrednerinnen gesagt – und gleichzeitig die Lebenserwartung steigt. Diese Herausforderung ist eine, der wir uns gemeinsam stellen müssen.

Der Antrag spricht die höhere Belastung von Renten der betrieblichen Altersvorsorge mit Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung an. Auch dazu haben schon viele Vorredner etwas gesagt, nämlich zu der Frage, wieso im November 2003 das GMG beschlossen worden ist. Die Idee, die beim GMG dahinterstand, war ein Gesamtpaket, und zwar ein Gesamtpaket zur Stärkung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Ich glaube, dass man sich dabei nicht nur den einen Teil, nämlich den Lastteil, ansehen kann. Herr Alda, Sie haben eben gesagt, wie viele Millionen Menschen das betrifft. Wenn man das Ganze umkehren

und den Beschluss von damals zurücknehmen würde, wären sehr viel mehr Menschen betroffen, nämlich alle gesetzlichen Krankenversicherten, weil bei dem damaligen Paket gleichzeitig viele Leistungseinschnitte gemacht worden sind. Die OTC-Arzneimittel sind herausgenommen worden, weshalb die Menschen plötzlich nicht verschreibungspflichtige Medikamente, die sie dringend brauchen, selbst bezahlen müssen, die Sehhilfen sind herausgenommen worden, die Fahrtkosten sind herausgenommen worden, und die Praxisgebühr ist dazugekommen.

Die Konsequenz wäre: Wollten wir jetzt das Mehr an Beiträgen, das in der Krankenversicherung durch das Schließen dieser Ungerechtigkeitslücke entstanden ist, herausnehmen, müssten Leistungen für sämtliche Versicherten in Deutschland gestrichen werden oder Leistungen wieder zusätzlich selbst finanziert werden.