Protocol of the Session on October 1, 2015

Schauen wir uns zum Beispiel einmal Soest an. Soest ist mein Lieblingsbeispiel. Da rührt die Zersplitterung nicht von den zwei oder drei Einzelbewerbern oder neuen Parteien her, die in den Rat gewählt worden sind, sondern geht zurück auf die Zerbröselung und Auflösung der Altparteien. SPD, CDU und Grüne – alle haben Federn gelassen. Alle haben Mandatsträger gehabt, die sich dann einer anderen Gruppierung zugewandt oder eine neue Gruppierung gegründet haben. Sie wollen einfach nur die Reihen schließen. Sie wollen nur parteiinternen Druck ausüben. Das ist alles.

(Beifall von den PIRATEN)

Das über unsere Verfassung zu machen, ist einfach unredlich.

„Die kleinen Parteien bringen übrigens auch gar nichts in den kommunalen Vertretungen“ – wie zum Beispiel die Freifunkinitiative, die die Frau Ministerpräsidentin hier so groß und breit gelobt hat. – Ohne die kleinen Fraktionen und Vertretungen in den Kommunen gäbe es diese Aktionen alle nicht. Dann würden diese Initiativen alle kein Gehör finden.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich komme jetzt auch zum Schluss – mir wird das Ende der Redezeit angezeigt –, will aber noch auf die Gespräche, die dazu in letzter Zeit hier im Landtag und extern stattgefunden haben, eingehen. Alle Staatskundler der Westfälischen Wilhelms

Universität haben sich gegen die Wiedereinführung einer Sperrklausel ausgesprochen. Deshalb sehe ich noch nicht einmal Beratungsbedarf für dieses Demokratieabbaugesetz.

Dieser Gesetzentwurf gehört einfach in den Mülleimer der Geschichte. Daher empfehle ich meiner Fraktion ausnahmsweise sogar die Ablehnung der Ausschussüberweisung.

Die Redezeit ist jetzt aber überschritten.

Ja, Frau Präsidentin. – Wir werden dieses Gesetz bis zum letzten Wort bekämpfen; und sei es, indem wir jedes einzelne Wort einem Änderungsantrag unterziehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die kommunale Neugliederung 1975 hat ein Ziel gehabt: Sie hatte das Ziel, 396 leistungsfähige Kommunen in diesem Land zu schaffen, die in der Lage sind, in einem ho

hen Kommunalisierungsgrad staatliche Aufgaben zu erledigen. Daneben steht eine kommunale Demokratie im Ehrenamt, die diese Leistungsfähigkeit durch eigene Entscheidungen der entsprechenden Gremien der Gebietskörperschaft sicherstellten muss, nämlich den Räten und den Bezirksvertretungen.

Ich glaube, dass die einzelnen Mitglieder dieses Landtags – mich eingeschlossen – seit 1999 die Erfahrung gemacht haben, dass insbesondere in den großen Kommunen Nordrhein-Westfalens die Zersplitterung der Räte in den Entscheidungsabläufen für die Verwaltung als steuerndes Gremium zunehmend problematischer wird.

Wir führen diese Diskussion seit 1999. Die Argumente sind ausgetauscht. Jetzt ist es an der Zeit, dieses Gesetz auf den Weg zu bringen, damit die nächste Kommunalwahl unter klaren und gerichtlich überprüften Voraussetzungen stattfinden kann.

(Zuruf von den PIRATEN: Alle Staatsrechtler sagen schon seit 1999, dass das nicht geht!)

Wir brauchen Klarheit, auch für das geltende Wahlrecht. Alle Fraktionen haben deutlich gemacht – aus welch unterschiedlichen Argumentationen auch immer heraus –, wie sie dieses Gesetz beurteilen.

Ich bin der Meinung, dass die Einführung einer Sperrklausel in das kommunale Wahlrecht ein politisch und auch rechtlich sensibles Vorhaben ist, aber auch, dass es lohnenswert ist, jetzt diesen Weg zu gehen. Wir werden im Ausschuss und in der Anhörung sicherlich noch interessante Gespräche und Diskussionen haben. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor und können wegen Überschreitung der Redezeiten auch nicht vorliegen. Daher beende ich die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung.

Vor der Abstimmung weise ich gerne darauf hin, dass sich die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer inzwischen unter Berücksichtigung der Empfehlung des Ältestenrates auf eine Empfehlung zur Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 16/9795 an den Hauptausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik verständigt haben.

Wer möchte gegen diese Überweisung stimmen? – Das sind die Piraten. Wer stimmt für die Überweisung? – SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist dieser Gesetzentwurf Drucksache 16/9795 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis – ich glaube, zum ersten Mal seit langer Zeit

wieder streitig – an die beiden Fachausschüsse überwiesen worden.

Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 6 und rufe auf den vormaligen Tagesordnungspunkt 8 und jetzigen Tagesordnungspunkt

7 Stärkung der betrieblichen und privaten Al

tersvorsorge – Entlastung bei den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/9789

Ich eröffne die Aussprache und erteile als Erstem Herrn Alda für die antragstellende FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser Antrag macht ein Thema öffentlich, von dem über 8 Millionen Bürgerinnen und Bürger in diesem Land direkt betroffen sind. Indirekt – wenn man Ehepartner, Lebenspartner und Kinder dazuzählte – wären es round about 15 Millionen.

Worum genau geht es? Es geht um die betriebliche Altersvorsorge. Es geht aber auch um die Schnittstelle zwischen privater und betrieblicher Vorsorge. Die gesetzliche Rente kann bekanntlich vielen Menschen nicht den Lebensstandard sichern. Daher sind private und betriebliche Vorsorge unverzichtbar.

Lassen Sie mich in dieser komplexen Thematik mit einem Terminus beginnen, den fast alle kennen: Direktversicherung durch Entgeltumwandlung – ein Instrument, das seit den 1980er-/1990er-Jahren intensiv beworben wurde. Ich habe damals als junger Personalverantwortlicher den Arbeitnehmern stets davon abgeraten; denn Entgeltumwandlung bedeutete letztlich, dass der Arbeitnehmer auf einen Teil seines Gehalts verzichtet und der Arbeitgeber von der daraus resultierenden Sozialabgabenfreiheit profitiert und sich so den Arbeitgeberanteil spart. So weit, so gut – oder so schlecht; denn es kommt noch dicker.

Von Rot-Grün wurde 2004 mit schwarzer Unterstützung mit dem sogenannten GMG, dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung – wieder so ein Wortungetüm – die volle Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung eingeführt. Das bedeutet heute: Knapp 18 % von dem, was die Leute selbst erspart haben, sind an die Kassen abzuführen – und dies auch auf Kapitalauszahlungen, ohne Bestandsschutz für Altverträge und ohne Übergangsregelung. Meine Damen und Herren, Sie haben richtig gehört: rückwirkend und ohne Vertrauensschutz.

Der geneigte Zuhörer oder die geneigte Zuhörerin wird messerscharf erkennen, dass der Arbeitnehmer damit auch noch die Arbeitgeberbeiträge für die Krankenkasse übernehmen muss. Besonders ungerecht ist dies für Altverträge, bei denen die Beiträge aus dem Nettoeinkommen angespart wurden, für das man eigentlich schon Sozialbeiträge abgeführt hat. Sie waren dann eben nicht sozialversicherungsfrei.

Abgesehen von der Zahlung über den Arbeitgeber, der ja nur die Abwicklung macht und ansonsten nichts dazutut, entsprechen diese Verträge eigentlich einer privaten Kapitallebensversicherung. Die Krankenkassen und die Rechtsprechung der Sozialgerichte haben aber auch Auszahlungen aus diesen Verträgen beitragspflichtig gestellt. Hier brauchen wir unbedingt eine Klarstellung.

Ein weiteres Problem der betrieblichen Altersvorsorge sind die niedrigen Zinsen. Unternehmen müssen in der Folge in ihrer Bilanz Pensionsrückstellungen erhöhen – je weniger Zinsen man erwirtschaftet, umso mehr muss man einzahlen, um den Arbeitnehmern ihren Anteil geben zu können. Dadurch gehen aber Gewinne und Liquidität verloren. Einige Betriebe sind bereits existenziell bedroht.

Die Landesregierung hat zwar aktuell im Bundesrat das Problem hinsichtlich der Handelsbilanz aufgegriffen. Allerdings soll der steuerliche Rechnungszins bei 6 % festgesetzt bleiben. So können die höheren Rückstellungen die Steuerlast nicht reduzieren. Noch einmal: 1 % Zinsen, maximal vielleicht 1,2 %; aber ich zahle weiterhin 6 %, die ich an Steuern dafür abführen muss.

So können die höheren Rückstellungen die Steuerlast nicht reduzieren. Da wollen Sie – auch RotGrün hier – weiter aus fiktiven Gewinnen abkassieren, die im Prinzip nicht da sind.

Erlauben Sie mir, zum Abschluss noch zwei Punkte hervorzuheben, damit die Bedeutung der ganzen Sache im Raum bleibt. Wenn jemand von seinem Geld über 24 oder 25 Jahre beispielsweise 100.000 € zusammengespart hat – die hat er höchstwahrscheinlich nicht im Lotto gewonnen, sondern erarbeitet –, muss er davon bei der Auszahlung 18.000 € abgeben. Ich sage das nur, damit einmal greifbare Summen im Raum sind.

Jeder sollte sich die Frage stellen, ob in unserer Gesellschaft eigentlich noch der Vertrauensschutz gilt, gerade für normale Arbeitnehmer, weil es nur die trifft, die unter der Beitragsbemessungsgrenze liegen. Es betrifft also nicht die Spitzenverdiener, sondern den normalen, durchschnittlichen Arbeitnehmer.

In diesem Zusammenhang freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss und hoffe auf die Solidarität aller Fraktionen mit den betroffenen Menschen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Spanier-Oppermann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Lieber Herr Alda, seit der Gesundheitsreform 2004, auf die auch mein Vorredner hingewiesen hat und die von einer breiten Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat verabschiedet wurde, müssen gesetzlich krankenversicherte Rentner unter anderem auf Betriebsrenten und Direktversicherungen den vollen Kassenbeitrag zahlen.

Bis zu dieser Neuregelung waren diese Bezüge bei den pflichtversicherten Rentnern mit dem halben Krankenkassenbeitrag und bei freiwillig versicherten Rentnern mit dem vollen Beitragssatz belegt. Ziel der Neuregelung war es, verschiedene Alterseinkünfte möglichst gleich zu behandeln. Dies gebietet der Anspruch, in einem sozialen Versicherungssystem Beiträge auch solidarisch aufzubringen.

Das GKV-Modernisierungsgesetz stellte mit Sicherheit, wie wir es gerade schon gehört haben, eine Zäsur dar, wurden doch nun alle Kapitalleistungen, die der Altersversorgung dienten, bei pflichtversicherten Rentnern der vollen Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterworfen. Viele Menschen, die von dieser Veränderung betroffen waren, klagten dagegen. Doch das Bundesverfassungsgericht hat die gesetzlichen Regelungen bestätigt. Die Verfassungsrichter entschieden, dass der volle Beitragssatz zugemutet werden könnte. Weder sei der allgemeine Gleichheitsgrundsatz noch der Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt.

Angesichts der Bemühungen des Gesetzgebers, das gesetzliche Versicherungssystem zu stabilisieren – ich denke, wir alle erinnern uns da noch an die heftigen Diskussionen –, hätten die Versicherten in den Fortbestand ihrer privilegierten Regelungen nicht uneingeschränkt vertrauen dürfen. Das Gemeinwohlziel zur Erhaltung des Systems der gesetzlichen Krankenkassen stand über allem.

Ich zitiere aus der Urteilsbegründung:

„Während auf das Arbeitsentgelt und die Renten schon seit langem der volle allgemeine Beitragssatz erhoben werde, habe für Versorgungsbezüge [bei pflichtversicherten Rentnern] nur der halbe Beitragssatz gegolten, weil der Gesetzgeber darauf Rücksicht habe nehmen wollen, dass auch Arbeitnehmer nur die Hälfte der Beiträge aus ihrem Arbeitsentgelt zu tragen hätten. Unausgewogen sei diese Regelung insbesondere im Verhältnis zu den freiwillig Versicherten gewesen, die auch auf Versorgungsbezüge stets Beiträge nach dem vollen allgemeinen Beitrags

satz hätten zahlen müssen. … Die Erhöhung der Beitragslast für Versorgungsbezüge sei durch das legitime Ziel gerechtfertigt, Rentner mit Versorgungsbezügen in angemessenem Umfang an der Finanzierung der Leistungsaufwendungen zu beteiligen, …“

Es stand auch immer das Damoklesschwert der Lohnnebenkosten durch weitere Beitragssatzanhebungen im Raum.