Protocol of the Session on September 2, 2015

(Beifall von der CDU)

An dieser Stelle zunächst einmal herzlichen Dank an die Ausbildungsbetriebe und auch an die Berufskollegs! Noch heute gilt: Etwa 9.000 Schülerinnen und Schüler und damit rund 11 % der Abiturienten machen ihr Abitur, also die allgemeine Hochschulreife, an einem Berufskolleg, und etwa 24.000 haben an einem Berufskolleg ihre Fachoberschulreife und davon 52 % mit Qualifikationsvermerk für die gymnasiale Oberstufe erworben. Da wird Großartiges geleistet.

Aber wichtig in unserem Zusammenhang ist: Hier spielt die berufliche Orientierung eine wichtige Rolle. Hier wird aber auch deutlich: Eine gute berufliche Orientierung macht den Weg für einen Aufstieg durch Bildung frei.

Mit diesem Antrag wollen wir das Augenmerk auf die Chancen und Möglichkeiten bei der dualen Ausbildung lenken. Denn wir wissen, dass wir vor einem eklatanten Fachkräftemangel im technischen Bereich stehen. Es macht Sinn, vor dem Hintergrund der Abbrecherquoten an den Universitäten den jungen Menschen das klare Signal zu geben: Duale Ausbildung und Studium sind zwei Seiten einer Medaille. Der Weg in eine gute und sichere berufliche Zukunft führt eben nicht allein über ein Studium, sondern es gibt mindestens gleich gute und gleich

erfolgreiche Wege im dualen System. Darum werden wir auch zu Recht international beneidet.

Jedoch können wir in der öffentlichen Wahrnehmung feststellen, dass dies nicht im allgemeinen Bewusstsein ist. Wir nehmen zur Kenntnis, dass insbesondere die technische Grundbildung an den allgemeinbildenden Schulen der Sekundarstufe I und sogar den Grundschulen zu kurz kommt. Wir hatten ja letzte Woche eine sehr anregende Anhörung zu dem Thema.

Wenn nicht schon in früher Jugend das Fundament für ein technisches Verständnis gelegt wird, ist es auch nicht verwunderlich, dass die technischen Berufe nicht als erstrebenswert auf der Berufswahlagenda der jungen Menschen erscheinen.

Deshalb ist die Frage der Bildungsqualität, wie wir sie in unserem Antrag 2 zur Bildungsqualität zum Thema machen, wichtig, um die berufliche Ausbildung zu stärken.

Armin Laschet hat recht, wenn er in einem programmatischen Fachbeitrag fordert: Hier brauchen wir in Zukunft ein Umdenken. Wir müssen weg von der Vorstellung, dass ein Master in Philosophie mehr wert ist als ein Maschinen- und Anlagenführer oder Mikrotechnologe, nur weil Letztere nicht über einen Hochschulabschluss verfügen.

Natürlich sind die Maßnahmen zur Verbesserung der Berufsorientierung der Schülerinnen und Schüler zu begrüßen. Orientierung in einem Beruf ist jedoch maximal ein Schnuppern. Technische Grundbildung schafft aber ein Grundverständnis für technische Fragestellungen. Deshalb muss dies integraler und verpflichtender Bestandteil unserer Lehrpläne in der Sekundarstufe I werden. Es ist ein Armutszeugnis für das Technikland NRW, wenn wir bei den IQB-Rankings in Deutschland in Mathematik den drittletzten Platz, in Chemie den zweitletzten Platz und in Physik den letzten Platz belegen.

Ein kurzer Blick in die Quantita des Schulministeriums macht eines deutlich: Wenn von 90.000 Abiturienten etwa 608 einen Informatik-LK, 3.068 einen Chemie-LK, 4.444 einen Physik-LK besuchen und an zehn Schulen für 164 Schülerinnen und Schüler ein Technik-LK angeboten wird, dann ist das für unser Technikland Nummer eins ein Armutszeugnis.

(Beifall von der CDU)

Wir wissen – da ist der Ansatz –, Angebote sind die Vorbildung, zum anderen ist es der Lehrermangel in dem Bereich. Deshalb setzt da unser Antrag an. Frau Löhrmann, zuallererst muss Problembewusstsein entstehen, dann das Vorhandensein von Problemen zugegeben und anschließend gehandelt werden. Der erste Schritt muss sein: Lehrerinnen und Lehrer müssen für dieses Studium gewonnen werden, sie müssen qualifiziert werden, entsprechende Angebote müssen da sein. Wir müssen also alles tun, dass in diese Richtung der Schwerpunkt

gesetzt wird; wir müssen da entsprechende Akzente setzen.

In unserem Antrag – ich gehe auf die einzelnen Punkte aus Zeitmangel nicht mehr ein – gibt es verschiedene Alternativen, wie zum Beispiel ein duales Abitur oder die Evaluation im Bereich von KAoA, „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Das müssen wir uns genau ansehen. Ich glaube, die Anhörung, die wir beantragen werden, geben Chancen. Wir sollten den Fokus darauf richten. Wir sind es unseren jungen Menschen schuldig. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Spanier-Oppermann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Ich werde – wir haben das gerade schon gehört – auf den doch sehr umfangreichen Antrag der CDU-Fraktion in vollem Umfang gar nicht eingehen können und auch nicht wollen. Vieles ist bekannt. Es ist ein Bauchladenantrag: von jedem ein bisschen, aber nichts Ganzes,

(Klaus Kaiser [CDU]: Eben nicht!)

verschiedene Anträge der letzten drei Jahre wieder aufgenommen und in eine neue Verpackung gebracht.

Die in Ihren Anträgen immer wieder vorgenommene Trennung der Bildungslandschaft – das muss man vorab sagen – wird von uns so nicht geteilt. Das ist auch kein Geheimnis. Wir müssen aufhören, den alten Bildern von Schule zu folgen. Gymnasien tragen ebenso zur beruflichen Bildung bei, wie es alle anderen Schulformen tun, genauso, wie alle anderen Schulformen dem pädagogischen Auftrag nachkommen. Sie schreiben selbst in Ihrem Antrag: Die Zahl derer, die den Weg des Abiturs und anschließend zur Hochschule gehen, steigt stetig.

Aber Sie machen es vor, indem Sie zum Beispiel in dieser Antragsreihe das Gymnasium erneut aus dem Gefüge herausnehmen. Denn der erste Antrag von Ihnen in einer Reihe von Anträgen war nicht übertitelt „Schulen in ihrem pädagogischen Auftrag stärken“, sondern „Gymnasien in ihrem pädagogischen Auftrag stärken“.

(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])

Das unterstützt doch die Gedanken der Eltern, ihr Kind könne nur erfolgreich sein, wenn es den gymnasialen und im Anschluss den akademischen Weg einschlägt.

Ich denke, über die Bedeutung der dualen Ausbildung für den Wirtschaftsstandort Nordrhein

Westfalen sind wir uns einig. Der drohende Fachkräftemangel ist ein Thema, das wir bereits seit

Langem intensiv diskutieren. Richtigerweise angesprochen, auch von meinem Kollegen Kaiser, wurde die Wertschätzung und Bedeutung einer dualen Ausbildung in unserer Gesellschaft. Gott sei Dank haben wir – das ist auch Aufgabe von Politik – einen Diskussionsprozess angestoßen, mit dem wir versuchen, bestimmten Mangelerscheinungen im Ausbildungsmarkt entgegenzuwirken.

Ihren Vorschlag zur Zusammenfassung der Schulaufsichten nehmen wir mit Interesse zur Kenntnis. Es ist sicher dem Zeitmangel geschuldet, dass wir dazu hier noch nichts gehört haben. Wir werden auch an anderer Stelle Gelegenheit haben, das zu diskutieren.

Einen interessanten Weg – über den wir auch sprechen sollten – schlägt übrigens die Handwerkskammer zu Köln ein, die in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule des Mittelstands mittlerweile ein triales Studium anbietet, eine Kombination aus Gesellenbrief, Meisterprüfung und Bachelorstudium.

Ich teile die Einschätzung, dass ein reiner Fokus auf ökonomische Bildung in der schulischen Ausbildung falsch ist. Erinnern wir uns doch alle an das Thema „Verbraucherbildung“ bzw. „Wirtschaft an Realschulen“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es besteht in der Tat die Tendenz, dass immer mehr Schüler den Weg des Abiturs mit Studium gehen. Das ist auch nachvollziehbar. Den Eltern wird gebetsmühlenartig vorgetragen, dass ihr Kind nur eine Chance im Berufsleben haben wird, wenn es den gymnasialen Weg plus Studium geht. Deshalb haben wir mit dem Landesprogramm „Kein Abschluss ohne Anschluss“ genau den richtigen Weg eingeschlagen.

Nicht nachvollziehen kann ich Ihre Behauptung, dass die Potenzialanalyse im Rahmen dieses Landesprogramms zu früh angesetzt ist. Sie liefert doch gerade zur richtigen Zeit einen wichtigen Grundstein für die weiteren Schritte. Auf der einen Seite ist Ihnen die Potenzialanalyse zu früh, auf der anderen Seite fordern Sie, dass die Berufsorientierung auch dahin gehend gestärkt werden soll, dass bereits nach dem mittleren Schulabschluss eine duale Ausbildung aufgenommen werden kann. Das ist schon sehr widersprüchlich.

Im Hinblick auf die Zeit möchte ich nur kurz das Netzwerk „MINT SCHULE NRW“ mit insgesamt 76 Schulen in NRW hervorheben, und die Zahl ist steigend. Wie Herr Kaiser ausführte, gab es zur Lehrerversorgung letzte Woche eine Anhörung, deren Auswertung wir abwarten sollten, um dann weiter darüber zu sprechen.

In diesem Sinne freue ich mich auf eine weitere Beratung im Ausschuss. Es gibt noch viele Punkte. Darüber können wir debattieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich danke Ihnen, Frau Kollegin, und erteile für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin SchmittPromny als nächster Rednerin das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der CDU-Antrag verweist auf die Bedeutung des dualen Systems in unserem Bildungswesen und für die Wirtschaft, aber er tut diesem nichts Gutes. Er argumentiert eindimensional, ja, er ist handwerklich schlecht gemacht.

So benennt er die berufliche Bildung lediglich für den Bereich des Handwerks, obwohl Industrie und Handel ebenso in das duale System eingebunden sind.

Er zeigt Probleme und scheinbare Lösungsansätze auf, die bereits seit Langem auch im Ausbildungskonsens diskutiert werden und für die es bereits eine Vielzahl von Aktivitäten der Landesregierung gibt.

Er qualifiziert ohne Not die akademische Bildung ab. Ist der CDU nicht bewusst, dass Unternehmen heute auf die heterogene Ausrichtung ihrer Teams setzen, dass auch der Philosoph in der Ideenschmiede eines großen Unternehmens durchaus hilfreich sein kann?

Das Gegeneinander-Ausspielen ist anachronistisch.

Für die CDU kann nur die Schule durchgängig und nachhaltig technische Grundlagen vermitteln und Interesse für Technik entfachen. Die CDU verkennt die Relevanz der Elementarbildung in dieser Frage. Der erste institutionelle Schritt zur technischen Grundbildung erfolgt in den Kitas. Hier sind die Neugier und die Freude der Kinder am Entdecken und Verstehen gegeben. Vielleicht sollten wir uns mehr Gedanken darüber machen, wie diese Motivation auch in die Schulen hinüber gerettet und dort weiter entwickelt werden kann.

Die CDU äußert sich kritisch zur Bildungserwartung der Eltern. Eltern wollen die Bildungswege für ihre Kinder offenhalten – aus gutem Grund. Kinder und Jugendliche brauchen Offenheit für ihre Entwicklung. Schule soll sie in ihrem Bildungsweg unterstützen und fördern. Nach der 10. oder 9. Klasse sollen Sie in der Lage sein, aus ihren Interessen und Fähigkeiten heraus ihren Weg zu bestimmen hin zu einer beruflichen Ausbildung oder in eine weitere Schulbildung bis zum Abitur.

Oder kommt für die CDU wieder der handwerklich begabte Junge, der in der Hauptschule richtig platziert ist, in den Fokus? Diese Frage kann man sich ja stellen. Will sie zurück zu einem festgefügten Begabungsbegriff der Kinder und Jugendlichen?

Hat die CDU nicht mitbekommen,

(Klaus Kaiser [CDU]: Hören Sie doch zu, was ich gesagt habe!)

dass auch im Handwerk für viele Ausbildungsberufe höhere technologische Anforderungen gestellt werden, da die Arbeitsinhalte viel komplexer geworden sind, und dass dementsprechend im Handwerk höhere Ansprüche an die schulische Bildung von Auszubildenden gestellt werden?

Wir diskutieren die Erweiterung der MINT-Bildung an Schulen. Diese Anforderung richtet sich aber an alle allgemeinbildenden Schulen. Und allen Schulen der Sekundarstufe I den Schwerpunkt MINT als Zielrichtung zu verordnen, widerspricht ihrem Auftrag, Schülerinnen und Schüler offen zu fördern und ihnen Chancen für ihre jeweilige Entwicklung zu bieten. Man könnte fast meinen, dass hier die Hauptschule wieder durch die Hintertür ins Spiel gebracht werden soll.

(Klaus Kaiser [CDU]: Jetzt passt aber alles zusammen, alle Klischees, die es gibt!)

Ja, ich bin noch nicht ganz fertig. Ihr Antrag hat so viele Fragen bei uns aufgeworfen, dass wir uns darüber Gedanken machten, die ich gerne weiter vortragen möchte.

Eine MINT-Förderung ohne akademische Ausbildung geht nicht. Wie will die CDU denn zu Lehrern und – das haben wir in der letzten Woche auch gehört –, insbesondere auch zu Lehrerinnen, kommen, die diese Fächer unterrichten können? Wie will sie denn den notwendigen Nachwuchs in den Studienfächern der Ingenieur- und Naturwissenschaften gewinnen, wenn den MINT-Fächern nicht auch in der Sekundarstufe II Rechnung getragen wird?