Protocol of the Session on June 26, 2015

wirklich Entscheidendes passiert ist. Das ist aus unserer Sicht einfach zu wenig.

Die Bewältigung der globalen wirtschaftlichen, ökologischen und politischen Umwälzungen erfordert nicht nur von den Nationalstaaten und internationalen Institutionen verstärkte Anstrengungen, sondern auch von uns als Land. Wir haben gehört, dass beim G7-Gipfel Beschlüsse gefasst wurden, und hoffen, dass sie tatsächlich umgesetzt werden. Denn zwischen dem, was man sagt, und dem, was man tut, klafft in letzter Zeit sehr häufig eine Lücke.

Sie verlassen sich hier in Nordrhein-Westfalen sehr viel auf die Bürgerinnen und Bürger, die in diesen Themenfeldern sehr engagiert sind. Aber das reicht nicht aus. Denn Sie müssen nicht nur die Bürgerinnen und Bürger bei ihrem Tun unterstützen, sondern auch für dieses Land Zeichen setzen. Ich bitte Sie, zügig mit Ghana und Mpumalanga klarzustellen, was in Zukunft passiert und wo Sie in diesem Sinne konkrete Zeichen für die Zukunft setzen. Wenn das passiert, haben Sie uns absolut an Ihrer Seite. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin von Boeselager. – Für die FDPFraktion erteile ich Herrn Kollegen Ellerbrock das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den bestehenden Zielen sind aus unserer Sicht Folgende besonders relevant: Bekämpfung von Hunger und extremer Armut, Primärschulbildung für alle, Senkung der Kindersterblichkeit, Bekämpfung schwerer Infektions

krankheiten und die globale Entwicklungszusammenarbeit.

Ehe wir neue Ziele formulieren, lassen Sie uns erst einmal überlegen: Wie sind die alten Ziele umgesetzt worden, und was leiten wir daraus ab? Ehe wir neue Ziele definieren und den Adressatenkreis von Entwicklungspolitik auch auf die Industrienationen überspielen, müssen wir doch eigentlich wissen: Was ist mit den alten Zielen geschehen? Wie haben wir die erfüllt?

Wenn ich die Redebeiträge, die sicherlich alle sehr gut gemeint waren, richtig verstehe, habe ich das Gefühl, es geht nicht um nachhaltige Entwicklungspolitik, sondern darum, zu sagen: Wir in NordrheinWestfalen setzen den Maßstab für andere. – Man kann das auch Bevormundung nennen. Ist es richtig, wenn wir möglichst viele Länder für einen gemeinsamen Weg zusammenbinden wollen, von Anfang an zu sagen: „Wir nehmen Ziele, die von euch zwar unheimlich schwer zu erfüllen sind, aber das geben wir euch vor“? Das ist eine Bevormundung, die nicht hilfreich ist.

Ich nenne mal ein Beispiel, an dem deutlich wird, dass Sie eigentlich etwas ganz anderes im Sinn haben. Sie nehmen wieder das Bürokratiemonstrum Tariftreue- und Vergabegesetz.

(Zuruf von der SPD)

Das hat doch noch nicht einmal vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand gehabt. Da gab es doch die Bundesdruckerei. Und das wollen wir jetzt auf alle anderen Länder übertragen? Das kann doch nicht richtig sein.

Meine Damen und Herren, Sie gehen davon aus, das, was wir bei uns machen, ist der Maßstab für solidarisches Handeln. Die Kyoto-Beschlüsse, die wir noch gar nicht umgesetzt haben, Clean Development Management – CDM – und JM Joint Implementation, kommen in Ihrem Antrag nicht vor, weil sie derzeit in Ihren eigenen missionarisch ummantelten Tunnelblick nicht reinpassen. Das kann nicht richtig sein.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Wenn wir wollen, dass wir weiter vorankommen, gilt es, andere Länder zu motivieren, den von Ihnen als richtig und in Teilen auch von uns als richtig erkannten Weg zu beschreiten. Das heißt, wir müssen China, die USA, die anderen Länder mit motivieren, zusammen mit den Entwicklungsländern einen Weg zu gehen. Das kann man nur durch Gespräche und nicht durch Bevormundung.

(Beifall von der FDP)

Jetzt schon zu sagen, wir stimmen den Zielen, die die UN-Klimakonferenz festlegt, begeistert zu, wäre ein Blankoscheck. Wir müssen die Ziele erst mal haben.

Frau Kollegin Boeselager, Ihren Antrag habe ich gerade bekommen. Wir werden ihn aus zwei Gründen ablehnen:

Es ist keine Umgangsform, uns nicht einmal eine Chance zu geben, ihn zu lesen. Ich kann nur Stichworte herausfiltern.

Mit Ihrer Formulierung „der eigenen Rolle als Bundesland in der Entwicklungszusammenarbeit“ stimmen wir nicht überein. – Das ist eine Aufgabe des Bundes.

(Beifall von der FDP)

Überheben wir uns nicht!

All das passt in die Überlegung, dass NordrheinWestfalen der Maßstab für die anderen und der Maßstab für die Welt ist. Das kann nicht richtig sein. Das nehmen die anderen als Bevormundung auf.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Frau Asch, ich unterstelle Ihnen überhaupt nicht, dass Sie das nicht gut gemeint haben. Aber das Gegenteil von gut ist nicht schlecht, sondern gut gemeint. – Ich wünsche frohe Ferien. Danke schön.

(Beifall von der FDP – Minister Johannes Remmel: Frohe Pfingsten war schon!)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Bevor wir uns wechselseitig in die Sommerpause verabschieden, liebe Kolleginnen und Kollegen, debattieren wir weiter. Das heißt, als nächster Redner hat Herr Kollege Kern für die Piratenfraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Die Millennium Development Goals von 2000 laufen dieses Jahr aus, und deren Umsetzung ist, vorsichtig ausgedrückt, nicht gerade eine Erfolgsgeschichte.

Die neuen Entwicklungsziele, die SDGs, werden zurzeit auf UN-Ebene erarbeitet. Sie sollen eine Weiterentwicklung hin zu verbindlichen, auch die Industriestaaten verpflichtenden Zielen darstellen. Das begrüßen wir Piraten ausdrücklich.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir wollen – mein Vorredner hat das eben schon erwähnt – aber auch eine punktgenaue Auswertung der nicht erreichten alten Ziele. Fakt ist doch: Die Erfolgsaussichten der neuen MDGs werden aufgrund ihrer Unverbindlichkeit doch niemals besonders hoch sein. Diese Verbindlichkeit fordern wir bei den neuen Zielen also ein.

Doch davon will die Landesregierung ausweislich des rot-grünen Antrags gar nichts wissen. Der vorliegende Antrag beschreibt eine schöne heile Welt, Frau Asch, in der die übrigens noch gar nicht formulierten SDGs mit der Hilfe aus NRW erreicht werden können. Er ist voll wohlklingender Allgemeinplätze bezüglich sozialer und Klimagerechtigkeit, Frieden und nachhaltigem Wirtschaften. Der Antrag wird dabei nicht ein einziges Mal konkret. Auch thematisiert er nicht die Verantwortung der Landesregierung beim Erreichen der hehren Ziele.

Wie sieht es denn mit der Einhaltung der ILOKernarbeitsnormen von in NRW ansässigen Multis wie Bayer oder RWE aus? Wo ist Ihr Einsatz gegen Pharmapatente, Umweltverschmutzung und die Kommerzialisierung natürlicher Ressourcen? Wieso tut die Landesregierung selber noch immer nicht genug bei fairen und nachhaltigen Beschaffungen? Diese Fragen können Sie doch allesamt nicht glaubhaft beantworten.

Ich komme zu Ihrem Lieblingsthema, der berüchtigten Eine-Welt-Strategie. In Ihrem Antrag sprechen Sie auch davon, diese entlang der neuen SDGs weiterentwickeln zu wollen. Schön wäre es, wenn Sie überhaupt einmal eine substanzielle Eine-WeltStrategie entwickeln und umsetzen würden; denn die bisherige ist in meinen Augen eine bloße Ansammlung von entwicklungspolitischen Buzzwords,

schön verteilt auf zehn Seiten Broschüre. Das Auslaufen der beiden Partnerschaftsabkommen mit Ghana und Mpumalanga spricht – da hat meine Vorrednerin doch völlig recht – doch Bände über Ihr Engagement in dem Bereich.

Dann wollen Sie – das steht in Ihrem Antrag – noch allen Ernstes ein Votum vom Landtag für einen millionenschweren Exklusivvertrag mit der GIZ zum Ausrichten der „Bonn Conference for Global Transformation“. Das ist also Ihr Verständnis von nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit.

Es ist – das sage ich ausdrücklich – wichtig, NRW eine wichtige Rolle beim Post-2015-Prozess zukommen zu lassen. Doch dafür müssen die Ziele konkret genannt und das Engagement NRWs zu jedem einzelnen Ziel muss ausgeführt werden. Sonst – das ist meine Befürchtung – ist das Einzige, was nachhaltig geschützt wird, der Zahlungseingang auf dem Konto der GIZ.

Herr Kollege Kern, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Ellerbrock zulassen?

Herr Kollege Kern, Sie hatten eben Ausführungen zu Ghana und Mpumalanga gemacht. Wenn ich mich recht erinnere, hatten wir im Ausschuss unter Ihrer Leitung auch über diesen Problemkreis gesprochen. Sie haben das jetzt dargestellt, als wenn das ein Versäumnis der Landesregierung sei, sich da nicht um entsprechende Vereinbarungen bemüht zu haben.

Meine Wahrnehmung der Realität ist, dass deutlich wurde, dass vor Ort aufgrund politischer Verhältnisse auf diese Zusammenarbeit kein Wert gelegt wurde, dass es eine mangelnde Wertschätzung gab. Ich bin immer bereit, die Landesregierung kritisch mit zu begleiten, aber hier habe ich eine andere Wahrnehmung der Realität. Wieso unterscheiden wir uns da in der Wahrnehmung? Sie sind doch Ausschussvorsitzender.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Ellerbrock, danke für die Frage. – Mir kommt es darauf an, zu hinterfragen, was sich auf dem Gebiet tut. Wenn Sie sagen, es liege an der Gegenseite, will ich dem gar nicht widersprechen. Fakt ist aber, dass dort Stillstand herrscht. Und dann muss man sich doch überlegen, ob das Ganze noch sinnhaft ist. Wenn der eine Partner nicht will, dann erledigen sich doch alle weiteren Überlegungen. Dann soll man nicht daran festhalten. Es gilt immer noch das Sprichwort: Wenn du merkst, dass das Pferd tot ist, steige ab!

Ich war eigentlich schon am Ende meiner Rede. Ich gebe noch kurz zu Protokoll, dass ich meiner Fraktion empfehle, den Antrag aus den genannten Gründen abzulehnen. Bei der Abstimmung über den Antrag der CDU können wir uns aufgrund der kurzen Zeit lediglich enthalten. Ich will es dabei bewenden lassen. – Vielen Dank. Schöne Sommerpause!

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Post-2015-Agenda kommt genau zur richtigen Zeit. Jetzt, drei Monate vor dem UN-Gipfel zur Post-2015-Agenda in New York, kann der Landtag ein wichtiges Zeichen setzen: Wir in Nordrhein-Westfalen bekennen uns zu unserer Verantwortung für die nachhaltige Entwicklung im globalen, aber auch im nationalen und regionalen Kontext gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.

Die Ziele der Post-2015-Agenda wurden hier schon hinreichend vorgestellt. Ich möchte nur unterstreichen, dass der entscheidende Fortschritt darin besteht, dass sich die Staatengemeinschaft mit den SDGs erstmals auf universell gültige nationale Verpflichtungen einigt, die sich nicht nur an die sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländer richten, sondern auch die Industriestaaten in die Pflicht nehmen.

Worum geht es? – Will man die SDGs auf ihre zentralen Themen herunterbrechen, dann geht es um Folgendes:

Selbstverständlich geht es um den weltweiten Kampf gegen Armut und Hunger. Da gibt es Fortschritte. Wir haben dabei aber längst nicht die Ziele erreicht.

Weiter geht es um den Zugang zu Gesundheit, Bildung und Wissen für alle Menschen – ganz besonders für Frauen und Mädchen.