Meine Damen und Herren, nun wollen wir aber auch nicht glauben, dass der Gesetzentwurf, der in der Tat die Revitalisierung der kommunalen Selbstverwaltung zum Gegenstand hat, ein großer Wurf ist, der am Ende alles löst. Das ist seitens der antragstellenden Fraktion sicherlich auch nicht so gemeint. Wir müssen vielmehr den Blick auch darauf lenken, dass vieles von dem, was unsere Kommunen bei der Art und Weise ihrer Leistungserbringung handlungsleitend strukturiert, bundesrechtlichen und auch europarechtlichen Vorgaben geschuldet ist. Der Aspekt der europarechtlichen und bundesrechtlichen Vorgaben führt eben auch zu einer überbordenden Bürokratie.
Aber: Der Vorstoß der Kollegen der Union ist ein Anfang; er ist ein Schritt in die richtige Richtung. Jedes Parlament, auch der Landtag von NordrheinWestfalen, sollte deshalb bei seiner eigenen Zuständigkeit beginnen.
Anders als mein Vorredner – Kollege Krüger – begrüßen wir ausdrücklich, dass der Gesetzentwurf einen wichtigen Aspekt beinhaltet, nämlich quasi das stellvertretende Antragsrecht für die kommunalen Spitzenverbände. Das ist vielleicht für eine Stadt wie Dortmund nicht das Entscheidende, weil eine Stadt wie Dortmund über einen großen Apparat verfügt, der auch vieles selbst machen kann, auch im Sinne von Bürokratieabbau, mit guten Ideen und Initiativen.
Gerade kleine und mittlere Kommunen mit engeren Personalstrukturen jedoch haben bereits heute alle Hände voll zu tun, ihr Tagesgeschäft zu erledigen. Deswegen ist es gut, wenn wir hier auch die kommunalen Spitzenverbände viel stärker einbeziehen, als das bisher der Fall gewesen ist.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Der Vorstoß der Union geht in eine richtige Richtung. Er ist nicht der Stein der Weisen, aber er ist ein guter Anstoß, um über Bürokratie, vor allen Dingen über Bürokratieabbau zu diskutieren. Entscheidend wird am Ende sein, was die Kommunen aus diesen Initiativen ableiten und machen. Entscheidend wird auch ein, wie wir uns selbst bei unserer eigenen Gesetzesarbeit an Bürokratieabbau messen lassen. Auch das ist eine Selbstverpflichtung für jedes gesetzgebendes Parlament. – Ganz herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen hier im Saal! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Rängen und natürlich auch im Livestream! Eines vorweg, Frau Thönnissen: Danke für Ihre Rede. Ich fand Ihre Jungfernrede klasse; ich konnte alles gut nachvollziehen, auch wenn ich sachlich anderer Meinung bin. Aber dafür gibt es ja dieses Plenum, in dem Rede und Widerrede gehalten werden.
Ein Hinweis an Michael Hübner: Zum Thema „Evaluation von Regeln zur Beflaggung“ können wir gerne mal ein Bierchen zusammen trinken. Da kann ich Ihnen Sachen erzählen! Es wäre durchaus wertvoll, sich hierüber einmal Gedanken zu machen. Aber das ist jetzt mehr an meine Parteikollegen gerichtet.
Kommen wir zum Gesetzentwurf. In der Überschrift steht: Gesetz zum Abbau von Bürokratie. – Ja, es geht um Bürokratie, es geht auch um Abbau, aber nicht um Bürokratieabbau. Wenn man sich den Gesetzesvorschlag weiter anschaut, stellt man fest: Es geht darum, Standards zu verändern, und zwar im Hinblick auf eine grundsätzliche Öffnung bei der Erledigung von Aufgaben, die die Kommunen zurzeit zu erledigen haben. Da soll geändert werden, nach welchen Standards dies geschehen kann, und zwar grundsätzlich. Das halte ich für falsch.
Wenn Sie ausgeführt hätten: „Bei der Aufgabenerledigung in den Kommunen hapert es an diesem Standard, dort ist jener Standard okay, hier könnten wir etwas absenken, dort müssten wir etwas verändern“, dann hätte ich das klasse gefunden. Wenn Sie sich die Arbeit gemacht hätten, eine Liste zu erstellen, um was es genau geht und was erfahrungsgemäß angekommen wäre – das wäre super gewesen. Das hätte ich als Einstieg in das Thema klasse gefunden.
Im Ausschuss für Kommunalpolitik fanden zu ähnlichen Themen – Christian Dahm wird es gleich wahrscheinlich auch noch mal sagen – bereits Anhörungen statt. Da haben die Vergleiche mit den anderen Ländern gezeigt, dass es diese grundsätzlichen Versuche gab, dass sie aber nichts gebracht haben.
Welche Standards sind denn überhaupt gemeint? Erst einmal grundsätzlich: Was sind die Standards, nach denen vergeben werden kann? – Das sind Sicherheitsstandards, das sind Qualitätsstandards, das sind aber vielfach auch Lohnstandards.
Gerade bei den Lohnstandards sieht man doch: Wenn wir diese grundsätzliche Öffnung betreiben, dann werden die Kommunen immer denjenigen mit der billigsten Lohnstruktur nehmen müssen. Ich sage dabei absichtlich „billigste“ Lohnstruktur. Wir öffnen bei dieser grundsätzlichen Öffnung das Tor zum Lohndumping bei externen Vergaben. Das dürfen wir auf keinen Fall tun.
Die Kommunen aber werden das gar nicht vermeiden können, denn sie müssen dann den Billigsten nehmen. Das wird aber nicht derjenige sein, der seine Angestellten entsprechend ausgebildet hat, denn er muss ja billig einkaufen.
Wir stellen uns vor, Sie haben betreiben ein Schwimmbad kommunal. Sie betreiben das als Kommune selbst, und Sie haben Standards, die Sie einhalten müssen, zum Beispiel, welche Ausbildung die Mitarbeiter benötigen, etwa unter anderem Erste-Hilfe-Kurse. Das ist sinnvoll.
Jetzt geben Sie Standards grundsätzlich frei. Das meint: Muss der Mensch, der dort arbeitet, wirklich noch einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert haben? – Nein, grundsätzlich nicht. Ich kann also den Auftrag fremdvergeben und habe hinterher einen Schwimmmeister da, der mit ein wenig Glück selber schwimmen kann, der aber keinen Erste-Hilfe-Kurs gemacht haben muss. Oder, um die Logik auf die krasse Spitze zu treiben: Durch eine Standardfreigabe können durchaus Menschen zu Schaden kommen. Das ist es doch nicht, was wir wollen.
Wir werden das im Ausschuss bei Anhörungen usw. weiter besprechen. Wir müssen jedoch unbedingt darauf achten, dass wir uns an dieser Lohnspirale, die global sowieso nach unten geht – wie das die International Labour Organization vorgestern erst wieder veröffentlich hat –, nicht beteiligen. Das ist eine Globalisierung, die wir nicht wollen, und hier dürfen wir an den Standards nicht grundsätzlich rütteln. Wenn Sie allerdings Einzelstandards meinen, können wir gerne darüber sprechen.
Kommen wir jetzt zur Effektivität in den Kommunen. Wie kann Verbesserungen erreichen, ohne grundsätzlich an die Standards heranzugehen? Man könnte zum Beispiel einfach überlegen – wir haben jetzt ein Konnexitätsausführungsgesetz, das nur einen kleinen Teil der Aufgaben betrifft, die die Kommunen erledigen –: Was war denn vor dem Konnexitätsausführungsgesetz?
Die Kommunen erhalten bis jetzt nach einer Verteilregel aufsummiert Geld, um diese Aufgaben zu erledigen. Wenn man das wirklich einmal prüfen würde, müsste man das, ähnlich wie beim Konnexitätsausführungsgesetz, nach und nach durchgehen und fragen: Reicht denn für diese einzelne Aufgabe die Ausstattung mit finanziellen Mitteln aus der Landes- und Bundeskasse? Das müsste man haarklein und explizit untersuchen. Das wäre eine Lösung, die man hier anstreben könnte.
Wenn man an die Effektivität der Ausgründungen von Unternehmen in Kommunen geht und da etwas besser machen möchte – ich versuche es einmal vorsichtig –, wäre es vielleicht sinnvoll, die Führungsebene dieser Unternehmen nach Eignung zu besetzen, und zwar nur nach Eignung. Vielleicht überlässt man, wenn man das an die Unternehmen ausgründet, die Findung der eigenen Unternehmensköpfe dem Unternehmen selbst und nicht der
Auch wenn ich es mir jetzt mit Rot und Schwarz gleichzeitig verscherze: Was die SPD in Dortmund seit Jahrzehnten betreibt – immer den aussichtsreichsten Bürgermeisterkandidaten der CDU mit einem hervorragenden Posten bei einer kommunalen Ausgründung zu beglücken –, hat nicht dazu geführt, dass die kommunalen Unternehmen in Dortmund besser aufgestellt wären.
Das wäre ein Punkt, den man anpacken müsste, weil an dieser Stelle der Fisch wirklich vom Kopf her stinkt. Ich bezweifle aber, dass es da eine Systemänderung geben wird, weil nämlich in diesem Plenum 92,2 % der Menschen dagegen sind. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Thönnissen, Glückwunsch zu Ihrer Jungfernrede. Es ist hier im Parlament Brauch, mit denen, die eine Jungfernrede halten, möglichst milde umzugehen. Daran will ich mich auch halten. Jungfernreden dürfen aber trotzdem nicht Wahrheit und Redlichkeit entbehren,
Frau Thönnissen, Sie hatten im Zusammenhang mit der Einbringung eines Gesetzes über den Bürokratieabbau in den Kommunen wortreich den Stand der Kassenkredite der 396 Kommunen in NordrheinWestfalen genannt. Die inhaltlich-kausale Verbindung ist mir dabei nicht ganz klar. Ich glaube nicht, dass die Höhe der Kassenkredite, wie sie sich in Nordrhein-Westfalen darstellt, etwas mit Bürokratie zu tun hat, sondern eher damit, dass Kommunen in diesem Staat insgesamt nicht auskömmlich finanziert sind.
Aber – Sie können es nicht wissen, weil Sie in diesem Parlament neu sind –: Der Sprung von 10 Milliarden € auf über 20 Milliarden € ist in der Zeit von 2005 bis 2010 entstanden. Das mögen Sie als Hinweis dafür mitnehmen, dass möglicherweise Landesregierungen mit einer anderen politischen Konstellation die Tatsache zu verantworten haben, dass es einen extremen Zuwachs bei den Kassenkrediten in Nordrhein-Westfalen gegeben hat.
Ich will gerne darauf hinweisen, dass wir mit den kommunalen Spitzenverbänden in der Tat einen intensiven Diskussionsprozess darüber haben, wie hoch denn eigentlich der Kostendeckungsgrad bei der Unterbringung von Flüchtlingen in NordrheinWestfalen ist. Da reicht die Spannweite der Aussagen von: „Es sind nur 25 %“, bis hin zu „Das sind über 100 %“.
Weil das so schwierig zu ermitteln ist – das hat sehr viel damit zu tun, dass die Kommunen überwiegend die Kosten für die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen in einem Kapitel buchen und eine Trennung der Kosten für Flüchtlinge, Asylbewerber und Geduldete gar nicht vornehmen können –, sind wir dabei zu versuchen, hier einen Wirkungsgrad, einen Kostendeckungsgrad festzulegen.
Die Tatsachenbehauptung, es gebe tatsächlich nur einen Kostendeckungsgrad, der bei 50 % liegt, kann seriös also niemand wirklich aufrechterhalten.
Kommen wir zum Thema „Bürokratieabbau in den Kommunen“. Der eine oder andere Redebeitrag hat mich daran erinnert, dass es hier einmal Debatten gab wie: „Privat vor Staat“. Was ich in den Diskussionen ein wenig vermisse, sind Hinweise darauf, welche Bürokratie überhaupt gemeint ist. Welche Bürokratie soll denn eigentlich abgebaut werden?
Im deutschen Sprachgebrauch wird Bürokratie in der Tat – Herr Hübner hat darauf hingewiesen – gleichgesetzt mit Trägheit, mit zu wenig Tempo, mit einer Belastung für Entscheidungsprozesse.
Bürokratie dergestalt, dass die Verfahren innerhalb von staatlichen Ebenen einer bestimmten Bearbeitung unterliegen, hat auch sehr viel mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. Bürokratieabbau darf nie mit dem Abbau von Rechtsstaatlichkeit verwechselt werden.
Rechtsstaatlichkeit brauchen wir in unserem Land. Darauf sind wir stolz. Das ist übrigens ein wesentlicher Standortvorteil für Unternehmen, die uns immer wieder sagen: Wir haben hier eine verlässliche Rechtsstaatlichkeit. Wenn wir eine Genehmigung für eine Betriebsstätte haben, können wir diese im Rahmen dessen betreiben, was genehmigt ist; das kann uns hier niemand kaputt machen. – Das ist übrigens in anderen Ländern nicht so üblich. Deshalb muss man mit der Begrifflichkeit „Bürokratieabbau“ sehr sorgfältig umgehen und genau überlegen, was man damit eigentlich meint.