Protocol of the Session on April 29, 2015

Die Rechtsprechung von Europäischem Gerichtshof und Bundesgerichtshof hat dem Land schon vor geraumer Zeit die Notwendigkeit zur Reform auferlegt. Die Wiederinbetriebnahme der Einrichtung in Büren ist dringend erforderlich. Das berichten uns vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommunaler Ausländerämter. Darin sind wir uns mit Ausnahme der Piraten und vielleicht auch Teilen der Grünen, wenn ich die Wortmeldung von Frau Beer gerade richtig verstanden habe, parteiübergreifend einig.

Daher wird sich die CDU-Fraktion heute enthalten und nicht gegen das Gesetz und die zugehörigen Änderungsanträge von SPD und Grünen stimmen. Denn wir müssen angeordnete Abschiebungshaft auch umsetzen können und dürfen uns dabei nicht dauerhaft auf andere Bundesländer verlassen.

Aber das Wie ist leider deutlich zu kritisieren. In ihrem Fazit hat die Sachverständige den Gesetzentwurf in der Anhörung des Innenausschusses als verfassungs- und europarechtswidrig bewertet. Auch wenn nur diese eine Sachverständige zu dem Thema vorgetragen hat, die diese Abschiebungshaft grundsätzlich ablehnte, so hat sie doch Zweifel aufkommen lassen, die sich nicht ohne Weiteres beiseiteschieben lassen.

Das ursächliche Trennungsgebot wird nun befolgt, das Abstandsgebot in Form einer vom Strafvollzug deutlich unterscheidbaren Art der Unterbringung jedoch muss weiterhin als ungeklärt betrachtet werden. Wir warten weiterhin auf aussagekräftige In

formationen dazu, in welcher Form die Einrichtung in Büren umgebaut werden soll.

Zu den Details der praktischen Abläufe kam nun kurz vor Toresschluss doch noch eine Verordnung vom Innenministerium. Hier freue ich mich allein schon darüber, dass das Innenministerium überhaupt etwas geliefert hat, wo es doch sonst so zögerlich mit diesem Thema umgegangen ist. Grundsätzlich wird über den Inhalt der Verordnung für den Vollzug der Abschiebungshaft noch sorgsam zu beraten sein. Aufgrund der Kurzfristigkeit war das bislang allerdings nicht möglich.

Doch auch auf die Schnelle muss ich leider feststellen, dass die Bedenken der verfehlten Verfassungsmäßigkeit nicht ausgeräumt werden konnten. Vor allem hätten die detaillierten Regelungen zum Vollzug in das Gesetz selbst hinein gehört.

Positiv ist der Änderungsantrag von SPD und Grünen zur Laufbahnregelung der Beschäftigten zu bewerten. Denn wer mit den ehemaligen JVAMitarbeitern gesprochen hat, der weiß, dass deren Verunsicherung schon enorm ist. Diese Beschäftigten sind es aber gerade, die mit den menschlichen Schicksalen und einer Menge mehr in der Praxis klarkommen müssen. Daher dürfen wir die Beschäftigten auf keinen Fall dabei vergessen.

Einige Fragen bleiben weiterhin unbeantwortet: Warum delegieren die Fraktionen von SPD und Grünen mit ihrem Gesetzentwurf die zu treffenden Regelungen an das Innenministerium? Abschiebungshaft hat direkt mit der Wahrung von Grundrechten zu tun. Warum konnte nach einer so langen Zeit der Prüfung nicht das endgültige Gesetz vorgelegt werden? Warum gelingt es SPD und Grünen nicht, ein Übergangsgesetz ohne wesentliche verfassungsmäßige Bedenken vorzulegen?

Aus diesen Gründen können wir uns als CDUFraktion heute leider nur enthalten. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Sieveke. – Als nächste Rednerin spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Düker.

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten, dass wir hier die soundsovielte Grundsatzdebatte zur Abschiebehaft eigentlich heute nicht brauchen. Aber, Herr Sieveke, zu Ihren Äußerungen zum Thema Abschiebungshaft noch eins klargestellt werden: Dass Abschiebungshaft ein rechtsstaatliches Instrument ist, ist doch äußerst fragwürdig und stelle ich hier für meine Fraktion auch infrage.

(Beifall von den GRÜNEN)

Abschiebungshaft inhaftiert Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Ich finde es eigentlich eines Rechtsstaates unwürdig. Aber,

wie gesagt, die Grundsatzdebatte brauchen wir heute meines Erachtens nicht mehr. Sie haben sich dazu hinreißen lassen, dass die, die in Abschiebungshaft landen, alles irgendwelche Illegalen sind. Das sind auch Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben, der abgelehnt worden ist. Die sollten wir hier nicht diskriminieren.

Herr Sieveke, Sie haben die Flüchtlinge in Gut und Böse eingeteilt. Die Guten dürfen hierbleiben, und die Bösen nehmen den anderen den Platz weg. Ich sage Ihnen noch einmal, und das habe ich in diesem Landtag bereits sehr häufig gesagt: Niemand verlässt seine Heimat ohne Grund und begibt sich auf eine Flucht.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Ihre Einteilung in Flüchtlinge erster und zweiter Klasse finde ich unsäglich. Das heizt nämlich die Stimmung vor Ort an, und das finde ich nicht redlich.

Jetzt zum Antrag: Die Lage ist für die Grundsatzdebatte eigentlich klar. Grüne und SPD haben da unterschiedliche Meinungen, das können wir hier auch noch zehn Mal sagen. Wir haben in unseren Programmen stehen, dass wir Abschiebehaft grundsätzlich auch ablehnen, aber wir haben einen Koalitionsvertrag. So nennt man das, wenn sich zwei Parteien zusammensetzen und darüber verhandeln, wie man gemeinsam regiert. Ich finde, wir haben in unserem Koalitionsvertrag eine gute Formulierung gefunden. Denn dort steht, dass wir Abschiebehaft als Ultima Ratio sehen und auch das Prinzip hier haben. Den Vollzug, wenn er denn angeordnet wird, können wir als Land auch nicht verhindern. Deswegen müssen auch Sie sich diesen Vollzugsfragen stellen, damit dieser Vollzug human ausgestaltet wird und da, wo es möglich ist, Abschiebehaft möglichst vermieden wird.

Ja, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz haben Landtagsbeschlüsse mit Mehrheit gefasst, dass man sich im Bundesrat dafür einsetzen wird, Abschiebehaft abzuschaffen. Das ist auch das gute Recht. Diese Mehrheit ist in diesem Landtag nicht vorhanden. Sie ist auch im Bundesrat und im Bundestag nicht vorhanden. Deswegen beenden Sie diese Phantomdebatte und lassen Sie uns darüber reden, wie wir die Menschen vor Ort konkret so unterbringen, dass wir humanitäre Gesichtspunkte berücksichtigen, wenn die Abschiebehaft von einem Richter angeordnet wird. Diese richterlichen Anordnungen können auch Sie nicht außer Kraft setzen; das geht in einem Rechtsstaat nicht.

Genau das machen wir mit unserem Gesetzentwurf. Ziel ist es, hier ein zweistufiges Verfahren – das ist mehrfach auch im Ausschuss vorgetragen worden – einzuführen. Derzeit erfolgt die Erarbeitung eines ausführlichen Gesetzentwurfes. Für die Zeit, bis dieser fertig ist und in Kraft treten kann, kann ich

Ihnen zusichern, dass in Büren ein humaner Vollzug gewährleistet ist, damit die Menschen, für die wir das ja machen – wir machen das ja nicht hier aus Spaß, sondern für die Menschen – nicht mehr nach Berlin oder Eisenhüttenstadt transportiert werden müssen. Dafür steht diese Regierung, dafür stehen die Koalitionsfraktionen. Das heißt konkret, und das hat ja auch die EU-Rechtsprechung gezeigt: Abschiebehaft kann und darf nicht Strafhaft sein. Das wird sie in Büren auch weiterhin nicht sein. Das ist unser Ziel.

Jetzt kommt gleich Herr Stamp und sagt: Das geht alles nicht schnell genug. – Ja, es könnte schneller gehen. Aber wir haben uns für diesen Weg entschieden, dass wir einen Gesetzentwurf erarbeiten, der wirklich mit einem Neuanfang in Büren gute Standards setzt.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Nullnummer!)

Dafür haben wir ein Konsultationsverfahren verabredet, das die Regierung gerade erarbeitet. Ich bin einmal gespannt, was dabei herauskommt.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Nichts!)

Und dann werden wir im nächsten Jahr über ein ausführlicheres Gesetz diskutieren. Bis zum Jahresende befristet möchten wir mit diesem Gesetz eine Grundlage schaffen, dass die Menschen humanitär und anständig untergebracht werden. Wir stellen uns hier der Verantwortung, um nicht mehr die langen Transportwege in Kauf nehmen zu müssen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Düker – Für die Piratenfraktion spricht Herr Herrmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Welcher Zeitpunkt wäre besser geeignet als jetzt, um über die Abschaffung der Abschiebehaft zu sprechen, wenn wir gleichzeitig ein Abschiebehaftvollzugsgesetz verabschieden wollen, auf dessen Basis dann die Landesregierung eine sehr teure Abschiebehaftanstalt betreiben will? Denn all das bräuchten wir nicht, wenn wir die Abschiebehaft abschafften.

Aber, Kollegin Düker, wir führen jetzt keine Grundsatzdebatte; da muss ich Sie enttäuschen.

Herr Kollege Stotko, wenn Sie den Antrag gelesen hätten, …

(Thomas Stotko [SPD]: Habe ich!)

Nein, haben Sie nicht. Sie haben den Schluss nicht gelesen.

(Thomas Stotko [SPD]: Doch!)

Dort heißt es: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich der Initiative der Landesregierung von Schleswig-Holstein anzuschließen und die Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Abschiebungshaft mit zu erarbeiten und mitzutragen.“

Über all das werden wir im Ausschuss sprechen. Denn wir stimmen heute ja nicht direkt ab, da es sich ja um eine Überweisung handelt. Deswegen komme ich jetzt zum Gesetzentwurf zum Abschiebungshaftvollzug.

Nach wie vor ist das etwas, was wir als völlig untauglich ansehen, um eine Abschiebungshaft, das Wegsperren von Menschen, zu regeln, weil in dem Gesetz eklatant Europarecht verletzt wird, das Abstandsgebot nicht eingehalten und auf das Strafvollzugsgesetz verwiesen wird, das völlig untauglich ist und nach Europarecht die Abschiebungshaft nicht regeln darf.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Landesregierung hat im Dezember den Gesetzentwurf vorgelegt. Aus irgendwelchen Gründen konnten wir erst im Februar eine Anhörung dazu beantragen. Vorher gab es die Möglichkeit im Ausschuss nicht. Keine andere Fraktion hatte ein Interesse daran. Keine andere Fraktion hat einen Sachverständigen für die Anhörung genannt. Alle wollten diesen Ein-Blatt-Gesetzentwurf möglichst schnell durchwinken.

In der Anhörung am 14. April wurde der Gesetzentwurf für völlig unzureichend erklärt. Das Fazit der Sachverständigen war, das Gesetz nicht zu beschließen, da es in mehrfacher Hinsicht verfassungs- und europarechtswidrig ist. Daran hat sich bis jetzt nichts geändert.

Es liegen nun zwei Änderungsanträge vor, mit denen versucht wird, das Gesetz zu flicken, aber sie machen die wenigen Regeln noch schlechter. Dass die Laufbahnregelung für die Beamten vergessen wurde, ist peinlich genug. Dass mit dem zweiten Änderungsantrag sogar das Taschengeld der Gefangenen gekürzt werden soll, ist eine Unverschämtheit, finde ich.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Verfassungsmäßigkeit hatten wir bei der Auswertung der Anhörung thematisiert. Sie haben das infrage gestellt, weil dann andere Landesgesetze in anderen Bundesländern auch verfassungswidrig sein würden. Ich habe eine Studie gefunden, die genau das besagt, und zwar die Halleschen Studien zum Migrationsrecht. Ein Aufsatz von Matthias Haag benennt nämlich nur drei verfassungsgemäße Vollzugsgesetze in Deutschland für den Abschiebungshaftvollzug. Das sind die Gesetze in Bremen, Berlin und Brandenburg. Das finde ich sehr bemerkenswert. Das Problem bei der Feststellung der Verfassungsmäßigkeit ist, dass es dafür einer Klage bedarf. Diese können leider nur die Gefangenen

einreichen. Und naturgemäß wird es ihnen sehr schwerfallen, weil sie ganz andere Sorgen haben.

Es ist sehr traurig, dass die regierungstragenden Fraktionen – ich denke: wissentlich – ein verfassungswidriges Gesetz beschließen werden. Übrigens ist es auch sehr traurig, dass ein Gutachten von Prof. Huber, das auf der Innenministerkonferenz vorgestellt wurde, hier überhaupt nicht zum Tragen kam, das auch aussagt, dass die Haft nicht über Richtlinien, über Verordnungen geregelt werden darf, sondern dass die Regelungen im Gesetz vorgesehen werden müssen, was hier nicht der Fall ist. Sehr schade!

Sie haben ein Dreivierteljahr Zeit gehabt, ein ordentliches Gesetz vorzulegen. Büren ist im Juli letzten Jahres geschlossen worden. Sie legen wissentlich ein verfassungswidriges Gesetz vor. Das ist bitter. Wir bleiben bei unserer Ablehnung.

Ein letztes Wort zur Gewahrsamsordnung, die Sie gestern verschickt haben. Sie sagen seit drei Monaten, dass Sie diese vor der zweiten Lesung versenden. Das haben Sie tatsächlich eingehalten – 24 Stunden vorher! Wir werden, glaube ich, im Ausschuss darüber sprechen.

Sie haben eben gesagt, Inhalt wäre, die Abschiebungshaft so human wie möglich zu gestalten. Ihre tatsächliche Handlungsweise aber ist: Nicht die Frage, wie wir es den Menschen so gut wie möglich machen können, stand im Vordergrund, sondern die Frage, wie wir den Gefängnisaufenthalt so wenig rechtswidrig wie möglich gestalten können. Das strahlt diese Gewahrsamsordnung aus. Ich finde es eine Unverschämtheit, dann hier auch noch mit der Aussage aufzuwarten, dass man hier einen humanen Abschiebungshaftvollzug gestaltet. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Herrmann. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Wedel.