Protocol of the Session on March 19, 2015

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Optendrenk, ich möchte mit Letzterem beginnen. Wer kommunalpolitisch seine Zukunft hinter sich gelassen hat, sollte in der

Frage vielleicht ein bisschen leiser sein. Ich bitte um ein bisschen mehr Respekt vor dem, was heute erreicht worden ist.

Wir haben hier schon häufiger dezidiert darüber gesprochen, was zwischen 2005 und 2010 vorgefallen ist. Wir haben schon einmal deutlich gemacht, was CDU und FDP in diesen Jahren mit den 396 Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gemacht haben. Sie haben in die kommunalen Kassen gegriffen, um zu versuchen, den Landeshaushalt annähernd auszugleichen. Das war absolut nicht in Ordnung. Wir haben Ihnen nachgewiesen, dass Sie den Kommunen 3,5 Milliarden € in dieser Zeit entzogen haben. Deshalb will ich noch einmal betonen: Ihre kommunalpolitische Zukunft liegt hinter Ihnen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Von daher dürfen Sie durchaus zur Kenntnis nehmen, dass es in der Bundespolitik jetzt offensichtlich eine andere Sicht der Dinge auf die Situation in Nordrhein-Westfalen gibt.

Herr Kollege Kuper, ich habe versucht, Ihnen zuzuhören. Auch das war ein finanzwirtschaftlicher Offenbarungseid. Sie haben strukturelle Entlastungen mit dem nun vorgelegten Investitionspaket verglichen. Das ist völlig an den Haaren herbeigezogen. Teilweise betrifft das auch den Kollegen Abruszat. Sie haben vergessen, die strukturellen Entlastungen, die für das Jahr 2017 in Höhe von 2,5 Milliarden € auf den Weg gebracht werden, mit den investiven Entlastungen in Höhe von 3,5 Milliarden € zu vergleichen. Die können Sie nicht auf der einen Seite ansetzen und auf der anderen Seite wieder gutschreiben. Von daher hoffe ich, dass Sie in Stemwede einen guten Kämmerer finden, der Ihnen das erklärt.

(Beifall von der SPD – Zurufe)

Herr Kollege Abruszat, ich habe gehört, Sie sind auch von der CDU aufgestellt worden. Ich glaube, die FDP hätte in Stemwede alleine nicht die Kraft gehabt; aber Sie haben ja die Unterstützung der CDU vor Ort. Von daher werden Sie sicherlich einen guten Kämmerer finden.

Herr Optendrenk, ich will zu einem Punkt etwas sagen, von dem Sie sagen, er sei im Kabinett eingebracht worden. Natürlich hatten wir heute eine Unterrichtung zu einem Beschluss des Bundeskabinetts. So viel sollte auch bei Ihnen angekommen sein. Sie haben gerade noch einmal etwas zum Schlüssel gesagt und hinterfragt, ob die Kollegen Mehrdad Mostofizadeh oder Hans-Willi Körfges etwas zum Schlüssel betonen dürften.

Ich will Ihnen sagen: Das Bundeskabinett hat einen Schlüssel vorgeschlagen. Dieser Schlüssel hebt explizit auf die Kosten der Arbeitslosigkeit, auf Bevölkerung – also auf Soziallasten – und drittens auf den Bereich der Kassenkredite ab. Das ist etwas, was wir beim Stärkungspakt auch zur Grundlage

gemacht haben. Natürlich steht es uns als Parlamentarier zu, daraus Rückschlüsse zu ziehen. Wir können daraus auch Rückschlüsse für unsere Kommunen ziehen. Gerade diese Städte, die wir breit im Städtepakt unterstützt haben, bedürfen wieder erhöhter Aufmerksamkeit. Natürlich sind

Schlüsselzuweisungen ein geeignetes und probates Mittel, um diese Mittel weiterzugeben, wie Kollege Mehrdad Mostofizadeh vorgetragen hat.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Die Ausgangslage ist aber die, Herr Optendrenk: Die Bundesregierung hat es schon hineingeschrieben. Von haben wir allenfalls, um es technisch auszudrücken, einen Operationalisierungsvorschlag für das Land Nordrhein-Westfalen gemacht.

Wir bleiben bei einem System in drei Schritten: Wir stehen zu der Eigenverantwortung der Städte, die ihre Haushalte auszugleichen haben. Wir stehen zu unseren Landeshilfen, Herr Minister Jäger. Nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz sind es knapp 10 Milliarden €. Bis zum Jahr 2021 stellen wir perspektivisch Stärkungspaktmittel in Höhe von

5,76 Milliarden € zur Verfügung.

Wir freuen uns über das Einsehen aufseiten der Bundesebene, diese Leistungen zum wiederholten Male anzuerkennen und insofern zu honorieren.

Ich will noch einmal das Thema der Grundsicherungsentlastung nach dem SGB XII für Menschen im Alter aufgreifen. Im Jahr 2011 wurde es abgepresst. Im Jahr 2014 wurden die Leistungen erstmalig zu 100 % durch den Bund übernommen. Dies geschah aber basierend auf klarem Regierungshandeln und klarer politischer Willensbildung hier im Landtag Nordrhein-Westfalen.

2015 kommt die sogenannte Zwischenmilliarde hinzu. Sie wird bis zum Jahr 2017 auf 2,5 Milliarden € ausgebaut. Das ist offensichtlich zunehmend der Einsicht geschuldet, dass es in der kommunalen Finanzsituation ein riesiges Problem gibt, sodass wir es gegenüber dem Bund gar nicht mehr so stark abpressen müssen.

Was offen bleibt, das will ich ausdrücklich sagen: Wir sind nicht am Ende der Verbesserung der kommunen Finanzsituation, das können wir auch gar nicht sein. Wir haben hier gestern die Debatte darüber geführt, dass wir die Flüchtlingskosten in einer anderen Art und Weise auch zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe erklären müssen.

(Beifall von der SPD)

Selbstverständlich muss der Bundes-Steuerzahler aus Berlin dafür geradestehen. Wir müssen aber auch die Frage der Eingliederungshilfe, die Sie bei uns im Entschließungsantrag zum heutigen Tagesordnungspunkt finden, aufgreifen. Hier stellen wir uns natürlich eine dynamische Übernahme der Eingliederungshilfe vor, weil es nicht sein kann, dass

eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zulasten der Kommunen ausgetragen wird.

Ich freue mich da schon auf Ihre Mithilfe und auf Ihre Jubelorgien, die hier abgefeiert werden, wenn Sie zu einer vernünftigen Lösung beigetragen haben, und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Hübner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Krüger.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lassen Sie mich zunächst auf die Beiträge meiner Vorredner eingehen. Herr Kuper, Sie hatten vorhin ausgeführt, das Land solle doch erst einmal seinen eigenen Verpflichtungen nachkommen,

wenn es darum gehe, die Kommunen mit entsprechenden Finanzen auszustatten.

Herr Kuper, Sie sollten sich vor Augen führen, wie Sie denn in Ihrer damaligen Regierungsverantwortung diesen Verpflichtungen nachgekommen sind. Ich erinnere hier nur – Herr Abruszat mag das nicht hören, aber dennoch ist es richtig – an die Übertragung der Versorgungsämter zulasten der kommunalen Familie, an die Übertragung der kommunalen Umweltverwaltung oder an die Abrechnung zum Thema Einheitslastenabrechnungsgesetz bzw. die Einbeziehung der Kommunen zur Finanzierung der deutschen Einheit und an die Herangehensweise, die Sie an den Tag gelegt haben, indem Sie den Kommunen Gelder entzogen haben.

Und dann fordern Sie, Herr Kuper, das Land soll seinen Verpflichtungen nachkommen? Sie sind Ihren Verpflichtungen in Ihrer Regierungszeit nicht nachgekommen!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Alleine durch die Einbeziehung der Grunderwerbsteuer, durch die Herausnahme der Befrachtungen, die wir, SPD und Grüne, seit 2010 vorgenommen haben, hat es eine entsprechende Entlastung bzw. Mehreinnahmen zugunsten der kommunalen Familien in einer Größenordnung von 1,8 Milliarden € gegeben. Das zu der Frage, wer seinen Verpflichtungen nachkommt.

Sie, Herr Abruszat, reden davon, dass Sie im Rahmen der schwarz-gelben Koalition auf der Bundesebene bei den Themen Grundsicherung im Alter und Übernahme der Bundeskosten Ihrer Verantwortung nachgekommen seien.

(Minister Ralf Jäger: Haben die Länder be- zahlt!)

Wer hat denn damals im Rahmen der Diskussion zum Fiskalpakt die Verhandlungen geführt? – Ich erinnere mich noch ganz gut an eine Situation Mitte

2012, als unter anderem die rot-grünen Bundesländer gesagt haben: Wir stimmen diesem Fiskalpakt nur zu, wenn die Kommunen zum einen im Rahmen der Grundsicherung im Alter und zum anderen durch eine teilweise Übernahme der Aufwendungen im Rahmen der Eingliederungshilfe entlastet werden.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Es ist zugesichert worden, ab 2014 das Paket Eingliederungshilfen anzugehen. Leider hören wir in dem Zusammenhang: „Das klappt nicht“ bzw. „Geduldet euch mal bis 2018!“

Wenn Sie, Herr Optendrenk, von einer Fahrlässigkeit sprechen, die gestrige Entscheidung des Bundeskabinettes im Rahmen einer Unterrichtung diesem Landtag zur Kenntnis zu bringen, dann frage ich mich allen Ernstes, warum Sie Sie überhaupt einen Entschließungsantrag gestellt haben, in dem Sie unter anderem ausführen: Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Bund 3,5 Milliarden € im Rahmen einer Investitionsförderung zur Verfügung stellen will.

Sie gehen darin auch auf die Zahlen ein und fordern, dass die Landesregierung sich dafür stark machen solle, dass der für Nordrhein-Westfalen vorgesehene Anteil von 32 % bzw. 1,1 Milliarden € dann auch zum Tragen kommt. Dann sprechen Sie von Fahrlässigkeit? – Ganz im Gegenteil: In Ihrem Antrag haben Sie deutlich gemacht, dass diese Angelegenheit sehr wohl heute auf die Tagesordnung kommen und entsprechend debattiert werden muss.

Gestern Abend erhielt ich Kenntnis von einer Musterpresseerklärung einer mir und Ihnen bekannten Landesgruppe zur Entscheidung des Bundeskabinetts. Da ist die Rede davon, dass wieder einmal ein großer Erfolg vorzuweisen sei und die beschlossenen finanziellen Entlastungen ein weiterer Beweis für die Verlässlichkeit unserer Vorhaben sei.

Ich will diese gewährten Finanzhilfen überhaupt nicht kleinreden. Die für das Jahr 2017 geplante einmalige Entlastung durch das 1,5-Milliarden-Paket führt zu Mehreinnahmen von 375 Millionen €, so der Landkreistag in seiner Stellungnahme. Die Soforthilfen aus dem 1-Milliarden-€-Programm führen für die Jahre 2015 bis 2017 zu Haushaltsentlastungen von 133 Millionen € im Bereich der Kosten der Unterkunft und durch die höheren kommunalen Umsatzsteueranteile von weiteren 120 Millionen € pro Jahr. Das macht in der Gesamtsumme 1,1 Milliarden €, verteilt auf drei Jahre.

Hinzuzurechnen sind die Aufwendungen im Bereich der Investitionshilfen von 1,1 Milliarden €, wiederum verteilt auf drei Jahre. Summa summarum sind das, Herr Abruszat, 700 Millionen € und keine 280 Millionen €. Selbst wenn wir – und das bedauere ich auch – die Steuerausfälle im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zur Anhebung des Kinderfreibetrages, des Grundfreibetrages, des Kin

dergeldes und des Kinderzuschlages von 120 Millionen € berücksichtigen müssen – wir sind uns durchaus einig, dass das die entsprechenden Mindereinnahmen sind –, sind es immerhin noch weitere 580 Millionen €, die pro Jahr im Gesamtpaket für die NRW-Kommunen insgesamt zum Tragen kommen.

Das sind sicherlich stolze Zahlen. Aber man muss auch die Kehrseite der Medaille betrachten, nämlich, wie die kommunale Welt aussieht. Alleine in Essen reden wir – so der Kämmerer der Stadt Essen – über soziale Transferaufwendungen in einer Größenordnung von 1,01 Milliarden €. Das ist ein Aufwand, der weiter steigen wird.

Wir haben alleine im Kreis Unna Aufwendungen von etwa 97 Millionen € für die Kosten der Unterkunft; das sind 25 % aller Einnahmen, die hier eingesetzt werden müssen. Das wird finanziert über kreisangehörige Gemeinden und führt dazu, dass wir nicht ohne Grund mit Schwerte, Bönen und Werl alleine im Kreis Unna drei überschuldete Gemeinden haben.

4,5 Milliarden €, das sind die Aufwendungen, die die Eingliederungshilfen in den beiden Landschaftsverbänden ausmachen. Auch das wird zulasten der NRW-Kommunen finanziert. In meiner Heimatstadt Dortmund sind das allein 173 Millionen €.

Sicherlich haben Sie recht bezogen auf die Einschätzung: „Wir müssen einmal abwarten, wie denn die Verhandlungen im Bundesrat aussehen.“ – Da haben sich schon Baden-Württemberg und Bayern positioniert.

Eines muss man aber auch deutlich machen: Die NRW-Kommunen haben einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung der deutschen Einheit gezahlt. Allein Essen hat in diesem Zusammenhang in den letzten 20 Jahren mehr als 650 Millionen € bereitgestellt, und das Ganze wurde über Kassenkredite finanziert. Das zur Solidarität der NRW-Kommunen gegenüber den neuen Bundesländern!

Wir hatten gerade eine längere Diskussion zum Thema „Verteilungsmaßstab“. Mit dieser Anmerkung will auch zum Ende meiner Rede kommen. – Was wir nicht machen werden, ist, mit der Gießkanne zu verteilen. Wer sich ansieht, dass RhedaWiedenbrück allein im Bereich Finanzerträge Überschüsse von 1,3 Millionen € erzielt und die Stadt Schwerte – überschuldet – Zinsausgaben von 4 Millionen € hat, sieht, dass der Handlungsbedarf nicht in Rheda-Wiedenbrück, sondern in Schwerte besteht.

Insofern ist die Herangehensweise, sich mit bewährten Verteilungsparametern auseinanderzusetzen; solche haben wir im Gemeindefinanzierungsgesetz.