Protocol of the Session on March 18, 2015

Wir sprechen beim Semesterticket von kollektiv und solidarisch eingekauften Tickets, die kaum Vertrieb und kein Marketing benötigen.

Auf den ersten Blick sind die Einnahmen natürlich höher, wenn man die Preise hier deutlich anhebt. Die Verkehrsverbünde haben der Unterfinanzierung durch Land und Bund nur überinflationäre Preissteigerungen entgegenzusetzen, die letztlich aber zum Problem werden. 44 % Preissteigerung in vier Jahren – sofern es bei den normalen zusätzlichen Preissteigerungen von 3,9 % bleibt – sind 8,11 € pro Monat, die auch die Nichtnutzer des ÖPNV mitzah

len müssen. Das ist übrigens das Doppelte der von Ihnen so gefeierten Kindergelderhöhung.

Mir geht es hier allerdings vor allem um die aktuelle Sackgassensituation und die natürliche Verantwortung der Landespolitik. Das solidarisch finanzierte Semesterticket ist eine Errungenschaft und ein wichtiger Standortfaktor für die nordrhein

westfälische Hochschullandschaft und ermöglicht studentische Mobilität zu angemessenen Preisen.

Unangemessen ist die aktuelle Praxis des VRR. Die einzige Alternative für die Hochschulen wäre die Abschaffung des Semestertickets – mit fatalen Verschlechterungen des ÖPNV-Angebotes. Beides – so oder so – kann nicht im Sinne des Landtags NRW sein.

Wir fordern die Landesregierung auf, jetzt einzugreifen und auch für Auszubildende nach einer Lösung nach dem Vorbild des Semestertickets zu suchen bzw. das zu entwickeln. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Löcker.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In keinem anderen deutschen Verkehrsverbund finden sich 40 Hochschulstandorte, und kein anderer Verbund meistert mit seinen Verkehrsunternehmen eine solche logistische Herausforderung; denn nur drei Hochschulstandorte sind direkt an den SPNV angebunden. Den weit größeren Rest leisten ja die Verkehrsunternehmen vor Ort, meine Damen und Herren.

In den letzten Jahren haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den öffentlichen Personennahverkehr signifikant verändert. Es gibt einen Spagat einerseits zwischen den Anforderungen unserer Kunden an moderne Busse und Bahnen bzw. an ein leistungsstarkes Netz einerseits sowie anderseits der Notwendigkeit, die Nutzer auch stärker in die Finanzierung einzubinden.

Unter allen Semestertickets im gesamten Bundesgebiet ist das in NRW im Verhältnis zum Leistungsangebot sicher das günstigste, meine Damen und Herren. Es wird nach dem Grundsatz ausgegeben: Für knapp 19 € von Minden bis Zülpich durchs Land. Das kann sich, meine ich, für die Studentinnen und Studenten sehen lassen. Wie ich finde, ist das eine vernünftige Leistung.

Fakt ist, dass es erhebliche Preisunterschiede zwischen dem Semesterticket und einem vergleichbaren Azubiticket gibt. Dieses Azubiticket war 1992 ein Stück weit Richtwert bei der Einführung des Semestertickets. Dass es – wenn man die so nennen will – eine Gerechtigkeitslücke gibt, ist, denke ich, klar zu sehen. Wir meinen aber, dass sich der Preis des

solidarfinanzierten VRR-Semestertickets auch nach einer Erhöhung, meine Damen und Herren, für den einzelnen Nutzer durchaus noch günstig darstellen lassen kann.

Unser politischer Wille bleibt es, auch in Zukunft unseren Studentinnen und Studenten möglichst eine preisgünstige Mobilität zu ermöglichen. Es soll auch – damit das klar ist – keine finanzielle Überforderung geben, sondern es muss dem Solidaritätsprinzip entsprechen. Das heißt im Grunde genommen auch, dass alle mitfinanzieren müssen, dass aber jeder unterschiedlich nutzen darf. Nur so kann das Semesterticket auch im Rahmen der Mischfinanzierung günstiger als vergleichbare Monatstickets angeboten werden. Dieses Prinzip hat sich, meine ich, auch bewährt. Unsere Haltung in dem Zusammenhang ist im Übrigen nicht neu. Wir haben sie schon im letzten Jahr deutlich gemacht.

Ich will es einmal so formulieren: Ein Semesterticket in NRW gibt es, wenn sich die verfasste Studentenschaft mit den Verkehrsunternehmen über die Inhalte verständigt und einen Vertrag schließt. Es geht nicht, dass die Politik Vorgaben macht, sich aktiv in die Preisgestaltung einmischt und hinterher die Zeche im Landeshaushalt abgebildet werden muss. Wir halten davon – das sage ich sehr deutlich – wenig.

Wir halten auch nichts davon, dass weitere Akteure wie die IHK im späteren Prozess weitere Debatten darüber führen sollen, wie die Preisgestaltung von Azubi- und Schülertickets in Zukunft aussehen soll. Wir brauchen – um es einmal so auszudrücken – vielleicht nicht weniger Beteiligung, sondern insbesondere, meine Damen und Herren, eine auskömmlichen Finanzierung im ÖPNV. Das ist unseres Erachtens das Thema. Es ist auch in die entsprechende Enquetekommission überführt worden.

Dass man in dem Zusammenhang einzelne Themen herauspickt, kann man vielleicht mit der Situation begründen, die sich zurzeit darstellt. Es braucht aber auch Zeit, sich um dieses Thema zu kümmern. Da kann man eben nicht je nach Gusto einzelne Themen herauspicken. Davon halten wir auf jeden Fall nichts. Deshalb ist die Antwort auf Ihren Antrag aus unserer Sicht auch ziemlich klar: Wir halten nichts – wenn man das so sagen darf – von einem Eingriff über Rechtsaufsicht in die Verhandlungen.

Tariferhöhungen sind Sache der Verkehrsunternehmen, meine Damen und Herren, und ihrer Zweckverbände. Das muss klar sein. Ein Eingriffsrecht des Landes ist zurzeit nicht vorgesehen. Wir wollen das auch nicht. Dies gilt insbesondere auch für das Semesterticket, weil es sich dabei um einen Vertrag auf Gegenseitigkeit handelt, meine Damen und Herren. Vorgaben unsererseits würden unweigerlich – damit das auch klar ist – zu Ausgleichszahlungen führen.

Wir halten also fest: Die Piraten machen hier Vorschläge mit weitreichenden Folgen für die ÖPNVFinanzierung, picken sich dabei einzelne Nutzergruppen heraus und fordern für diese auch noch direkte Eingriffe in die Preisgestaltungshoheit der Verkehrsunternehmen – und das auch noch ohne rechtliche Grundlage. Das ist aus unserer Sicht schlicht unseriös und auch kein Beitrag, das Problem zu lösen, meine Damen und Herren.

Unser Rat ist da eher: Facebook ausmachen, Shitstorm beenden, Studentenforen abschalten und bis nach Mitternacht – so würde ich es formulieren – mal verhandeln! Dass das geht, weiß man auch auf EU-Ebene und woanders bereits. Morgens zwischen vier und fünf Uhr werden da die besten Ergebnisse erreicht, meine Damen und Herren.

Ergebnisse erzielt man am Verhandlungstisch und nicht über die Zeitung mit den vier großen Buchstaben bzw. über eine Empörungswelle bei Facebook. In diesem Sinne werten wir auch den gestrigen Presseartikel des neugewählten Vorsitzenden der ASten in Nordrhein-Westfalen, der sagte, er werde sich jetzt einmal vorrangig um dieses Thema kümmern und versuchen, einen Kompromiss herzustellen. Darauf warten wir gerne. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Löcker. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Rehbaum.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der uns vorliegende Antrag der Piraten zum Semesterticket ist, wenn man es einmal kabarettistisch darstellt, so überflüssig wie ein Sandkasten in der Wüste.

(Beifall von der SPD)

Es ist bereits mehrfach angeklungen – ich bin dem Kollegen Löcker dankbar, dass er diese klaren Worte gefunden hat –, dass das Land hier keine Entscheidungskompetenz hat. Außerdem geht es darum, dass sich die Enquetekommission für die Zukunft bzw. die Finanzierung des ÖPNV mit diesem Thema beschäftigen wird. Vonseiten des Vorsitzenden dieses Ausschusses wird immer wieder darauf hingewiesen, dass wir einen festen Fahrplan mit Themen, die wir uns setzen, haben.

(Beifall von der CDU)

Genau dieses Thema wird kommen. Es steht schon auf dem Plan. Deshalb ist es etwas unverständlich, dass wir jetzt plötzlich hier einsteigen, dieses Thema öffentlich zu debattieren. Das ist wirklich sehr interessant. Der Vorsitzende der Kommission ist Herr Bayer. Es mag eine zeitliche Überschneidung gewesen sein. Vielleicht lag der Antrag schon vor, als wir in der Enquetekommission darüber gespro

chen haben, dass wir damit sehr sorgsam umgehen wollen. Glücklich ist das so nicht.

Das Semesterticket ist ein Erfolgsmodell. Seit 1992 gibt es das im VRR. Über 200.000 Studierende profitieren davon. Es handelt sich um ein Solidarmodell, wie es im Buche steht. Die Vorteile für die Studierenden liegen auf der Hand. Es gibt einen günstigen ÖPNV im ganzen Jahr, vielleicht sogar so günstig, dass sich der eine oder andere noch ein Semester länger einschreibt. Davon habe ich mal etwas gehört.

Ein Thema ist auch: Es gibt natürlich Studierende, die nicht mit dem ÖPNV fahren. Aber bei einem Solidarmodell gibt es Profiteure und andere, die das Solidarmodell stützen.

Es besteht ebenfalls die Sorge, dass das Semesterticket in Zukunft teurer wird. Wer hat es schon gerne, wenn die Lebenshaltungskosten steigen? Diese Sorgen muss man aber ernst nehmen – völlig klar.

Aber auch die Unternehmen haben – das möchte ich klar sagen – durch das Semesterticket Vorteile. Sie haben einen weiteren Deckungsbeitrag für ihre Kosten, die nun mal da sind. Es gibt aber auch bei den Unternehmen die Sorge, nicht nur zusätzliche Einnahmen zu erhalten, sondern dort, wo man starke Studentenpendlerströme hat, auch zusätzliche Fahrzeuge in Umlauf bringen zu müssen, sodass die Fixkosten steigen.

Insgesamt haben aber die Studenten und die Unternehmen Vorteile durch das Semesterticket. Es ist eine so genannte Win-win-Situation, an der wir grundsätzlich interessiert sind.

Dass Preisanpassungen kommen müssen, liegt zum Beispiel auch an Kostensteigerungen. Wir haben im Nahverkehr etwa 50 % Lohnkosten. Wenn wir vernünftige Tarifsteigerungen für die Bus- und Straßenbahnfahrerinnen und -fahrer umsetzen, müssen irgendwann die Preise im Nahverkehr steigen. Wir haben Barrierefreiheit umzusetzen. Wir haben Erneuerungsinvestitionen gerade in den Stadtbahnsystemen durchzuführen. Überall haben wir große Kostenprobleme im Nahverkehr, sodass es nicht mehr als recht ist, gelegentlich eine Preisanpassung für das Semesterticket wie für alle anderen Sortimente zu fordern.

Die Vertragspartner für das Semesterticket sind nicht das Land, nicht das Parlament, auch nicht die einzelne Uni. Es sind die verfassten Studierenden, die ASten, die sich zusammentun. Auf der anderen Seite haben wir, quasi stellvertretend für die Unternehmen, den VRR. Das sind die beiden Vertragspartner, die sich um die Zukunft des Semestertickets kümmern müssen und kümmern. Wir glauben, diese beiden Vertragspartner sind weise genug, diese Verhandlungen nicht vor die Wand zu fahren. Denn beide haben ein Interesse, dass es weitergeht.

Diese Weisheit sollte das Hohe Haus nicht beeinflussen wollen. Denn ich glaube, wenn wir diesem nicht weisen Antrag zustimmen würden, wäre das eine Einflussnahme auf Vertragsverhandlungen, die an einem runden Tisch stattfinden und nicht in diesem runden Saal hier. Von daher, ganz klares Votum …

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Bayer, wenn ich es richtig sehe?

Dann gerne. Bitte sehr.

Bitte schön, Herr Bayer.

Vielen Dank, Herr Rehbaum, dass ich die Zwischenfrage stellen darf. – Die Enquetekommission beschäftigt sich im Augenblick nicht mit dem Semesterticket, das ein sehr aktuelles Thema ist.

Die Landespolitik verweist auf VRR und Studierende. Aber der VRR verweist auf die politischen Gremien des VRR, und die politischen Gremien verweisen wieder auf die Finanzlage in den Städten und die Landespolitik. Wie soll man diesen Kreis durchbrechen?

Sie haben es selber schon gesagt: Der VRR ist auch ein politisches Gremium mit Fraktionen und allem Drum und Dran. Dahinter stecken die Städte und Gemeinden. Es ist doch völlig klar, dass dort die Kommunen mit im Boot sind. Dass es den Kommunen so schlecht geht – darüber haben wir seit Jahren Debatten geführt –, liegt daran, dass das Land finanziell vor dem Abgrund steht. Das können wir gerne gemeinsam lösen. Wenn Sie unseren Anträgen zur Haushaltskonsolidierung folgen, können wir da etwas tun.

(Jochen Ott [SPD]: Was für Vorschläge habt ihr denn gemacht?)

Das hat aber an dieser Stelle wirklich nichts zu suchen. Lasst die Leute beim VRR und bei den verfassten Studierenden ihre Arbeit machen! Dann kommen wir der Sache näher. Wir sollten nicht in die Verhandlungen dieser beiden Vertragspartner eingreifen. Denn so schlimm läuft es noch nicht. Wenn irgendwann ein Schlichter erforderlich ist, können wir immer noch überlegen, wer das wohl sein könnte.

Bis dahin lehnen wir den Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Rehbaum. – Als nächster Redner spricht für die grüne Fraktion Herr Kollege Beu.

Werter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Antragsteller! Wir haben großes Verständnis dafür, dass die vom VRR vorgeschlagenen Preiserhöhungen auf Vorbehalte seitens der Studierenden stoßen. Wir teilen die Auffassung, dass die Preiserhöhungen vor allem in Kombination der außergewöhnlichen Erhöhungen mit den normalen Tariferhöhungen für viele Studierende zu einer spürbaren Mehrbelastung führen.

Ein nicht unkritischer Punkt des Solidarmodells ist, dass es für Studierende, die direkt an der Hochschule wohnen, häufig das Fahrrad nutzen und selten mit Bus und Bahn fahren wollen, ärgerlich ist, wenn die Preise für Leistungen deutlich erhöht werden, die sie nicht oft in Anspruch nehmen. Nur, das ist der Grundpfeiler des Solidarmodells Semesterticket. Es ermöglicht im Sinne der Solidarität sehr niedrige Preise für Studierende, die auf den ÖPNV angewiesen sind. Denn natürlich ist darauf hinzuweisen, dass für Personen, die den ÖPNV regelmäßig nutzen, ein Ticketpreis von unter 30 € pro Monat sehr günstig ist.