Frau Schulze Föcking, Sie haben eben so eine Darstellung von Tierhaltung und Landwirtschaft gegeben, als ob dort alles zum Besten stünde. Ich stimme Ihnen völlig zu, als Sie mich zitiert haben: Natürlich ist es im überwiegenden Bereich in Ordnung; das ist überhaupt keine Frage. Natürlich haben Bauern kein Interesse daran, Tiere zu quälen.
Aber die Kehrseite müssen wir doch auch diskutieren. Wir haben jetzt erfahren, dass gerade in der Landwirtschaft 1.700 t Antibiotika eingesetzt werden. Die ehemaligen und ursprünglichen Schätzungen sind noch nicht einmal von der Hälfte ausgegangen. Das zeigt doch, dass dieser „Treibstoff der Massentierhaltung“ permanent eingesetzt werden muss, um die Tiere überhaupt noch in diesen Stallanlagen überleben zu lassen. Daher können Sie doch hier nicht sagen, dass alles in der Landwirtschaft zum Besten steht.
Wir alle kennen doch die immer wieder auftauchenden Bilder und Fernsehberichte von Missständen in der Tierhaltung. Da sage ich Ihnen ganz ehrlich: Auch ich war schockiert über die Bilder, was zum Beispiel in Bioställen möglich ist. Da können wir doch nicht sagen, dass alles in Ordnung ist. Das geht doch nicht.
Daher: Wenn man so etwas sieht, muss man das doch ernst nehmen. Dann muss man alle Möglichkeiten ausschöpfen, um Tieren überflüssiges Leid zu ersparen.
Wir haben dem Tierschutz in Deutschland Verfassungsrang gegeben. Da ist es doch eine konsequente Schlussfolgerung, wenn wir dann am Ende diese Klagemöglichkeit einräumen.
Ich möchte noch eine Sache zum Tierschutz sagen: Wenn ich sehe, wie Puten am Ende der Mast in den Ställen kriechen, nicht laufen können und da liegen – das ist eine Katastrophe –,
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Mi- nister Guntram Schneider – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)
Mir hat eben absolut missfallen, Frau Schulze Föcking, wie Sie die Tierschützer diskreditieren – Sie haben sie „Laien“ genannt –, die als „Laien“ in den Kommissionen sitzen.
Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass Sie sie so diskreditiert haben. Wenn ich mit Tierschützern rede, bin ich immer wieder erstaunt, wie viel fachliches Wissen da vorhanden ist. Laien sind sehr wohl in der Lage, in solchen Prozessen mit zu urteilen und diese mit zu beurteilen.
Ich halte das auch für einen Affront gegen eine aktive Bürgergesellschaft, wenn man solche Laien so diskreditiert.
Wir sollten an jeder Stelle in dieser Gesellschaft froh sein, wenn sich Bürgerinnen und Bürger aktiv einbringen. Das ist eine richtige und wichtige Maßnahme.
Wichtig finde ich auch Folgendes: Immer wieder wird suggeriert, dass wir ein Verbandsklagerecht machen und sich dann alles für die Tierhalter verschärft. – Das ist völliger Quatsch. Hier wird lediglich eine Rechtslücke geschlossen. An den grundsätzlichen Bedingungen von Tierhaltung ändert sich nichts. Die gesetzlichen Normen werden überhaupt nicht verschärft.
Herr Rüße, Sie haben eben diese angeblichen oder vielleicht tatsächlichen Zustände in Putenmastställen geschildert. Wenn das so ist, frage ich Sie: Wissen Sie, warum dann Ihr
Minister da offenbar überhaupt nichts unternimmt und das alles so geschehen lässt? Er müsste unmittelbar eingreifen, wenn die Zustände so wären. Können Sie uns erklären, wie lange Sie warten wollen, bis ein Verbandsklagerecht Auswirkungen auf diese Haltung hat?
Vielen Dank, Herr Deppe, für die Frage. – Das lässt sich relativ leicht klären. Sie wissen, dass die Besatzdichten aus Sicht der Tiergesundheit völlig überhöht sind. Sie sind aber gesetzlich legitimiert. Sie können die Hähnchen- und Putenmastställe mit Tieren vollpacken. Dann müssen Sie zu Antibiotika greifen, und dies geschieht ständig.
Der Minister ist in NRW hingegangen und hat genau das überprüfen lassen. Ohne die Studien aus NRW wüssten wir doch heute noch nicht, dass Antibiotika der permanente Treibstoff sind, der da eingesetzt wird und mit dem die Tiere vollgedröhnt werden, damit sie überhaupt diese Haltungsform überleben können. Daher können Sie Herrn Remmel an der Stelle überhaupt nichts wollen.
Die Frage stellt sich andersherum. Ein Klagerecht bringt die Möglichkeit, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob es aus Tierschutzgründen akzeptabel ist, dass Tiere so eng aufeinander gepackt werden, und ob man das Tieren zumuten kann.
Dann werden die geltenden gesetzlichen Normen überprüft. Dabei wird ein Gericht vielleicht feststellen, dass diese Normen falsch sind und dass man mit halben Besatzdichten arbeiten muss. Dann – das wissen Sie auch – würde sich der Antibiotikaeinsatz erheblich vermindern, wenn nicht gar ganz vermeiden lassen.
Insgesamt, meine Damen und Herren, können wir feststellen, wenn man sich den Gesetzentwurf anschaut, dass das ein sehr ausgewogener Gesetzentwurf ist, der überhaupt nicht Tierhalter oder Wissenschaft und Forschung überfordert. Er gleicht die Interessen zwischen Tierhaltern, Wissenschaft und Tierschutz ausgewogen aus.
Ich glaube, dass die Anhörung – da bin ich auch anderer Meinung als Sie von der CDU – damals sehr wohl ergeben hat, dass eine Verbandsklage ein erheblicher Fortschritt für den Tierschutz in NRW und in ganz Deutschland wäre.
Ich komme zurück auf das Zitat vom Anfang aus dem CDU-Grundsatzprogramm. Ich sage noch einmal: Wenn das wirklich unser gemeinsames ehrliches Anliegen wäre, Tiere zu schützen und das Leiden zu beenden, das es da immer wieder gibt, sollten wir alle zusammen diesen Gesetzentwurf verabschieden und uns alle gemeinsam hinter die Verbandsklage stellen.
Ich zitiere noch einmal einen Tierarzt aus der Anhörung: Der gesetzestreue Tierhalter hat vom Verbandsklagerecht überhaupt keine wirtschaftlichen Nachteile zu erwarten.
Sie, Frau Schulze Föcking, als Vertreterin der Landwirtschaft könnten also gut mit diesem Gesetzentwurf leben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich zu Beginn eine Feststellung machen. Sie ist im Vergleich zu meinen Vorrednern leider – ich falle ein bisschen aus dem Raster – kein Zitat, sondern kommt von mir selbst.
Ich möchte vorwegschicken: Für die Freien Demokraten und für mich persönlich war und ist der Tierschutz eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Darin sind wir uns einig. Darum ist der Tierschutz mit Unterstützung der FDP Staatsziel geworden.
Aber das ist mir auch wichtig: Auch als Unterstützer des Tierschutzes in dieser hervorgehobenen Stellung ist es durchaus möglich, den hier vorgelegten Gesetzentwurf kritisch zu beleuchten und zu hinterfragen.
Erlauben Sie mir eine kurze grundsätzliche Bemerkung, bevor ich inhaltlich in dieses Hinterfragen einsteige. Ich darf heute zum dritten Mal im Landtag NRW sprechen, zum dritten Mal zu einem Gesetzentwurf aus dem grünen Umweltministerium. Bei jedem dieser Entwürfe, zu denen ich bisher gesprochen habe – Dichtigkeitsprüfung, Klimaschutzgesetz und nun Verbandsklagerecht –, bestehen mindestens berechtigte Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Landes und damit an der Verfassungsmäßigkeit eines möglicherweise so beschlossenen Gesetzes.
Wenn ich mich nun der inhaltlichen Bewertung dieses Gesetzentwurfes zuwende, wird eines offensichtlich. Es fällt auf, dass die Landesregierung ein ganz besonderes Menschenbild vor Augen hat, wenn sie Gesetzentwürfe vorbereitet. Es scheint so, als ginge sie immer vom Schlimmsten aus. Sie gehen immer davon aus, dass die Menschen mit bösen Absichten an etwas herangehen. Sie denken offenbar, der Großteil der gewerblichen Tierhalter führt etwas Böses im Schilde. Das unterscheidet uns. Ich bin davon überzeugt, es ist die Regel und eben nicht die Ausnahme, dass sich die Tierhalter ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind und entsprechend handeln.
Es wäre falsch, so zu tun, als ob es in NordrheinWestfalen heute ohne ein entsprechendes Verbandsklagerecht keinen Tierschutz geben würde. Schon heute gibt es zahlreiche Möglichkeiten sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch für Vereine, Tierschutz einzufordern. Das geschieht zum Beispiel durch Fach- und Dienstaufsichtsbeschwerden. Das geschieht durch das Petitionsrecht und strafrechtliche Überprüfung mit Staatsanwaltschaften und Gerichten. Damit werden bereits heute effektiv die schwarzen Schafe enttarnt und im Zweifelsfall zu Recht bestraft.
Ganz offensichtlich misstrauen Sie aber nicht nur den Tierhaltern. Mit diesem Gesetzentwurf zeigen Sie, dass Sie auch Ihren eigenen Beamten vor Ort nicht trauen. Die Kontrolle der Einhaltung des Tierschutzes findet in den Kommunen statt. Die Veterinärämter üben diese wichtige Kontrollfunktion bereits heute verantwortungsvoll und mit den nötigen Konsequenzen aus. Durch die Einführung eines Verbandsklagerechtes wird die bisher meist kooperative Zusammenarbeit von Tierschutzbehörden und Tierschutzverbänden um eine rein konfrontative Säule ergänzt. Eine solche Säule ist meiner Meinung nach nicht unbedingt im Interesse des Tierschutzes; denn es darf nicht darum gehen, die beteiligten Akteure gegeneinander auszuspielen, indem Säbelrasseln provoziert und dazu ermuntert wird.