Protocol of the Session on September 13, 2012

Im Klartext: Macht die Gruppen größer; nehmt so viele Kinder auf wie möglich; was nicht passt, wird passend gemacht!

(Lebhafter Beifall von der CDU – Beifall von der FDP)

Frau Kraft, ich kann Ihnen nur sagen: Hätte Armin Laschet in der Zeit, in der wir regiert haben, das so gesagt, hätte ich die Proteste von Ihrer Seite nicht ertragen wollen.

(Marc Herter [SPD]: Da können wir uns vor Zustimmung Ihrer Oberbürgermeister kaum retten!)

Damals hat hier in vielen Parlamentsdebatten der Vorwurf eine Rolle gespielt, KiBiz verschlechtere die Qualität für die Kinder. Und jetzt stopfen Sie selber die Gruppen so voll, wie es eben geht, um das Problem zu lösen!

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Ich will Ihnen nur einmal einen kleinen Vorgeschmack geben. Am 19. September 2007 erklärte Frau Löhrmann hier im Landtag:

„Das KiBiz ist kinderfeindlich, weil es die Qualität der Betreuung senkt und die Gruppengrößen anhebt.“

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Armin La- schet [CDU]: Die Erzieherinnen und die El- tern sehnen sich danach zurück! 15 in einer Gruppe!)

Besser geht es ja gar nicht!

Was Sie da jetzt machen, ist in Wahrheit das Eingeständnis, dass Sie den Rechtsanspruch unter den bisherigen Kriterien in Nordrhein-Westfalen schlicht und ergreifend nicht erfüllen können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen halte ich das, was da jetzt gemacht wird, für einen Offenbarungseid. Dieser Offenbarungseid passt aber doch einfach nicht zu Ihrer Wir-lassenkein-Kind-zurück-Rhetorik.

In dieser Situation werfe ich Ihnen Ihr Vorgehen ja noch nicht einmal vor. Aber die Ehrlichkeit hätte doch ein bisschen Ehre haben dürfen. Und die Wahrheit ist, dass die Probleme, die wir in Nordrhein-Westfalen jetzt haben, vor allen Dingen an der Ignorierung dieses Problems in der Regierungszeit vor 2005 liegen.

(Armin Laschet [CDU]: Richtig!)

Die Wahrheit ist, dass das Land und die Kommunen von 2005 bis 2010 enorme Anstrengungen gemacht haben, U3-Plätze zu schaffen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das Land hat nichts getan!)

Nach Anlaufschwierigkeiten sind auch in den letzten zwei Jahren viele Plätze geschaffen worden. Aber weil Nordrhein-Westfalen im Jahr 2005 Schlusslicht in ganz Deutschland war, weil dieses in der damaligen rot-grünen Koalition nie ein Thema war. Frau Kraft, Sie und Frau Schäfer waren damals schon im Kabinett. Jetzt würde es wenigstens zur Ehrlichkeit gehören, zuzugeben, dass Sie die Dinge damals einfach verpennt haben und die Aufholjagd in diesen wenigen Jahren nicht funktionieren konnte.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Schon gar nicht verstehe ich, dass ausgerechnet in dieser Zeit, in der allergrößte fachliche Anstrengungen nötig sind, ein Seiteneinsteiger zum Amtschef des Ministeriums und zum Staatssekretär berufen wird. Ich will hier gar nicht fragen, was Herrn Neuendorf, den ehemaligen Pressesprecher der SPD, für diesen Posten qualifiziert.

(Armin Laschet [CDU]: Das interessiert doch nicht!)

Ich will hier auch nicht ansprechen, dass er über keinerlei Verwaltungs- und Führungserfahrung in großen Behörden verfügt. Die Berufung eines Journalisten und Pressesprechers zum Staatssekretär im Kinder- und Familienministerium macht doch deutlich: Der Verkauf ist wichtiger als die Sache.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Neuendorf soll das Marketing übernehmen. Er soll verschleiern, vertuschen und beschönigen. Aber das werden wir schlicht und ergreifend nicht hinnehmen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich will einen weiteren wichtigen Bereich ansprechen. Wir alle wissen seit Jahren, dass der doppelte Abiturjahrgang auf uns zukommt. Wir haben in den Fachausschüssen, im Parlament immer wieder die Frage angesprochen: Wie kriegen wir das hin, wenn auf einen Schlag so viele Studierende auf uns zukommen? – Wir haben immer wieder nachgefragt: Wie sind die Zahlen?

(Zurufe von der SPD)

Seit einigen Wochen wissen wir, dass das Ministerium von 20.000 Studierenden mehr ausgeht als noch vor einem halben Jahr und dass somit im nächsten Jahr 123.000 Studienanfänger von dieser Frage betroffen sind.

Innerhalb eines halben Jahres also wurden die Zahlen um 20.000 korrigiert. Dass man in dem Ministerium nicht zählen kann, das haben wir ja schon bei anderen Vorfällen erlebt. Aber hier geht es darum, kein Kind zurückzulassen. Hier geht es um die Frage, ob diejenigen, die mit viel Mühe in acht Jahren zum Abitur geführt worden sind, dann, wenn sie dieses Abitur haben, auch eine Chance auf eine qualifizierte akademische Ausbildung haben. Das ist eine ziemlich wichtige Frage für die betroffenen Menschen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vor diesem Hintergrund fragen wir, was getan wird. Frau Schulze legt jetzt ein Monitoring über die Bauvorhaben an den Hochschulen vor. „Monitoring“ bedeutet auf Deutsch: beobachten, überwachen, erfassen. Sie schauen also nur auf das, was sich im Hochschulbau entwickelt. Ich finde, das ist etwas wenig. Ich finde, es ist jetzt an der Zeit, Lösungen zu erarbeiten, damit diese jungen Menschen im Herbst nächsten Jahres eine faire Chance haben, in Nordrhein-Westfalen zu studieren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Und da nützt es gar nichts, Frau Kraft, dass Sie – wie gestern wieder – nach dem Geld des Bundes rufen. Glauben Sie allen Ernstes, dass der Bund dafür da ist, Ihre Wahlgeschenke, nämlich die Abschaffung der Studiengebühren, zu finanzieren?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn wir dieses Problem in Nordrhein-Westfalen für die Betroffenen nicht gut gelöst bekommen, dann wird eine ganze Generation von jungen Akademikern in ihrem Staatsverständnis schwer belastet. Das sind junge Menschen, die den Umschwung in den Gymnasien, in acht Jahren Abitur zu machen, erlebt haben. Sie wissen, dass dies am Anfang mit vielen Schwierigkeiten verbunden war.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Das ha- ben Sie doch organisiert! – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Ja! Aber trotzdem sagen heute bis auf zwei oder drei Gymnasien alle: Das ist richtig, wir bleiben bei dem Konzept. – Das müssen Sie auch mal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von der CDU)

Diese jungen Leute wissen, dass wir als Politiker den ganzen Tag sagen, wir hätten in Wahrheit zu wenige junge Leute. Unser Problem ist zu wenig Nachwuchs. Sowohl die Wirtschaft als auch wir sagen immer, dass es einen Fachkräftemangel gibt. Wenn wir uns jetzt nicht sputen, wird im nächsten August wahrscheinlich ein Großteil des doppelten Abiturjahrgangs keine verantwortbaren Studienbedingungen an nordrhein-westfälischen Hochschulen vorfinden.

Um dieses große Ziel doch noch zu erreichen, brauchen die Hochschulen in Zukunft nicht mehr Gängelung, sondern mehr Freiheit. Vor allem aber bräuchten Sie das Geld aus den Studiengebühren, um das in einer hohen Qualität zu machen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Für diese Entwicklung tragen Sie die Verantwortung.

Ich hoffe, dass wir gemeinsam noch einiges erreichen können, um diese Situation so weit abzumildern, wie es eben geht.

An den Beispielen, die ich genannt habe, sehen Sie, dass Sie trotz höchster Verschuldung Ihr Versprechen, für jedes Kind eine präventive Politik zu machen, nicht halten können und dass das, was Sie vorgeben, schlicht und ergreifend nicht der Realität unseres Landes entspricht.

Aber das gilt auch für andere Bereiche. Sie haben gestern das Mittelstandsgesetz gelobt. Sie haben gestern gesagt, es sei gut, den Mittelstand von Bürokratie zu entlasten. Da haben Sie recht. Sie haben das Mittelstandsgesetz als ein innovatives Gesetz dargestellt, das beispielhaft für viele andere Bundesländer war. Mit allem einverstanden!

Aber was machen Sie dann? Sie machen ein Vergabegesetz, sodass jetzt jeder kleine Handwerksmeister Bögen ausfüllen muss, die laut Gesetz vorgeschrieben sind. Es wird sogar gefragt, ob er Produkte aus Zwangsarbeit verwendet. Erklären Sie mir mal, wie ein Heizungsinstallateur, der elektrische Module austauscht, wissen soll, ob in seinem Modul eine seltene Erde ist und wie diese seltene Erde gefördert worden ist?

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie es mit der Entbürokratisierung ernst meinen, dann entlasten Sie bitte den Heizungsmeister in meinem Heimatdorf, der die Heizungsanlage der Grundschule pflegt, von diesem Wirrwarr an Antragsformularen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von den GRÜNEN)

Wir haben es ja nicht gemacht.