Protocol of the Session on September 13, 2012

Wir wollen sagen, wie wir uns Nordrhein-Westfalen in 20 Jahren vorstellen und was dafür getan werden muss. Ich bin überzeugt, dass wir da etwas Gutes leisten können, auch wenn es aus heutiger Sicht wie eine Riesenherausforderung vor uns allen steht. Ich bin fest davon überzeugt, dass das mit der CDU unauflösbar verbundene Konzept der sozialen Marktwirtschaft

(Zuruf von den GRÜNEN: Au, au, au!)

das einzige wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ordnungskonzept ist, das grundsätzlich ohne eine expansive Schuldenpolitik auskommt.

(Beifall von der CDU und von Christof Ra- sche [FDP])

Deshalb hat es Zukunft – im Unterschied zur Landesregierung, im Übrigen auch deshalb, weil die ratlos vor der Schuldenbremse steht.

Wirtschafts- und Sozialkompetenz gehören untrennbar zusammen. Sie sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Das ist und bleibt Kernthema der CDU.

Unserer Konzeption der sozialen Marktwirtschaft liegt ein realistisches Welt- und Menschenbild zugrunde. Wir nehmen die Menschen, wie sie sind. Jeder ist frei, selbstbestimmt und verantwortlich. Gerade deshalb ist es unverantwortlich, den Einzelnen permanent zum Gegenstand staatlicher Bevormundung zu machen

(Beifall von der CDU und der FDP)

so wie es zum Beispiel die grünen Volkserzieher tun, selbst wenn das wie beim totalen Rauchverbot in vermeintlich guter Absicht geschieht.

Ich glaube, die Zukunft gehört der aktiven, ihrer Verantwortung bewussten Bürgergesellschaft, nicht einem allzuständigen Staat, der sich überall einmischt. Nur dann geht es bei uns auch in Zukunft sozial gerecht zu.

Deshalb stehen wir ohne Wenn und Aber zur Familie. Sie und keine andere Lebensform ist die Keimzelle einer guten Gesellschaft, in der jeder für sich und für andere Verantwortung übernimmt.

(Beifall von der CDU)

Familien bleiben Markenzeichen und Schwerpunkte unserer Politik.

Die CDU-Fraktion wird – beginnend mit dem Haushalt 2013 – diesem Parlament belastbare Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung und zur Einhaltung der Schuldenbremse vorlegen.

(Martin Börschel [SPD]: Belastbar?)

Diese Vorschläge werden verbunden sein mit Konzepten einer neuen Politik, die mit den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft vereinbar ist.

Bei unseren Konsolidierungsvorschlägen werden wir keinen Politikbereich unter Quarantäne stellen können. Wir wissen, dass diese Aufgabe nicht leicht wird. Auch Förderprogramme und Subventionen werden rigoros überprüft. Wir fragen uns auch: Brauchen wir jede Kommission, jeden Beauftragten und jeden Berater?

Wir sind uns unserer landespolitischen Verantwortung bewusst und haben Vertrauen in die Menschen in unserem Land, die nicht belogen und getäuscht werden wollen.

(Beifall von der CDU)

Die Befürworter einer Schuldenpolitik beschwören seit 40 Jahren, dass es bei einem Wirtschaftswachstum mit hohen Wachstumsraten leicht fallen sollte, den Haushalt wieder auszugleichen. Wir alle wissen: Es ist noch nie getilgt worden, und es wird so auch nie getilgt werden können.

Frau Kraft, Sie reden immer von der Rendite Ihrer präventiven Schulden. Sagen Sie doch einmal, mit welchem Wirtschaftswachstum Sie bis 2020 rechnen. Von welchen Wachstumsraten gehen Sie bei Ihrem Versprechen aus, dass sich präventive Schulden lohnen?

(Beifall von der CDU)

Alle Experten sind sich einig, dass wir die Wachstumsraten der 60er- und 70er-Jahre in den nächsten Jahren nicht mehr werden erreichen können. Selbst für ein geringeres und durchschnittliches Wachstum in den nächsten Jahren müssen wir uns enorm anstrengen.

Im Bundestag gibt es dazu eine Enquetekommission – im Übrigen unter SPD-Vorsitz –, die heißt: „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“. Ich kann nur empfehlen, dass wir uns mit den Ergebnissen dieser Kommission einmal beschäftigen. Wenn Sie sich mit diesen Ergebnissen beschäftigen, wird Ihnen aufgehen, wie katastrophal veraltet Ihre Schuldenpolitik ist.

(Beifall von der CDU)

Frau Kraft, Ihre ganze Haushaltsrechnung ist durch und durch unseriös.

Das Wort, mit dem Sie diese Politik verteidigen, heißt Prävention. Das ist zynisch. Aus Ihrem Mund ist das ein bloßes Wort; denn in der Sache tun Sie nicht sehr viel für diese Prävention. Sie brechen sogar Versprechungen – unter anderem die Versprechung, kein Kind zurückzulassen.

Ich will einmal drei Beispiele nennen. Wie ist denn die Situation bei der Inklusion in unserem Land heute? – Dabei handelt es sich um eine gewaltige Aufgabe. Denken Sie nur daran, dass wir zurzeit 120.000 behinderte Schülerinnen und Schüler haben. – Seit drei Jahren ist die UN-Konvention in Kraft. Und wie ist die reale Situation im Land?

Lehrer berichten uns, dass die Kinder jetzt in einer Regelschule sind, aber Förderlehrer für die Doppelbesetzung im Unterricht nicht zur Verfügung stehen.

Wir wissen von Lehrerkollegien, die jetzt inklusive Schule machen, bei denen es an Fortbildung fehlt.

Wir hören immer noch von Eltern, die die inklusive Einschulung ihres Kindes nur über die Androhung von Klagen erreichen.

Und selbst dann, wenn Kinder schon viele Jahre in inklusiven Schulen waren, gibt es keinen Plan, was diese nach der Schule machen. Zum Beispiel wurde in einem Fall im Regierungsbezirk Arnsberg den Eltern mitgeteilt, die Berufsschule sei für diese Kinder nicht vorgesehen.

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage, die wir hierzu gestellt haben, heißt es lapidar – ich zitiere –: „Die Entwicklung des Bedarfes bleibt zu beobachten.“

(Lachen von der CDU – Christian Möbius [CDU]: Das ist Prävention!)

Wenn ich mir die öffentlichen Verlautbarungen zu diesem Thema anhöre, kann ich nur sagen: Eigentlich müssen die Betroffenen den Eindruck haben, als könnten wir schon im nächsten und übernächsten Jahr für einen Großteil der 120.000 Kinder, von denen ich gesprochen habe, inklusiven Unterricht anbieten.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Ich ha- be das Gegenteil gesagt!)

Wir sollten mit sehr realistischen Schritten auf diese Entwicklung eingehen

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Ja! Das habe ich gestern auch gesagt!)

und uns hüten, in den Parlamentsdebatten Erwartungen zu wecken, die weder die Kommunen noch das Schulsystem verantwortungsvoll erfüllen können.

(Lebhafter Beifall von der CDU – Beifall von der FDP)

Ich nehme das Thema „U3-Betreuung“.

Das zentralste Wahlkampfversprechen der SPD lautete: Wir lassen keinen zurück. – Aber wie sieht die Realität vier Monate später aus? Das beitragsfreie Kindergartenjahr, auf Pump finanziert, ist umgesetzt. Wir alle wissen heute aber sehr genau, dass wir die U3-Plätze für 30.000 Kinder in Nordrhein-Westfalen im August nächsten Jahres wahrscheinlich nicht fertig haben werden.

Es gibt Kommunalpolitiker wie Ihren Oberbürgermeister Roters in Köln, die sagen – ich zitiere –:

„Wir wissen, dass wir in den Großstädten mit der Versorgungsquote von 33 Prozent nicht hinkommen, die muss doppelt so hoch sein.“

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Deswegen das Be- treuungsgeld?)

Auch der Städte- und Gemeindebund hat Alarm geschlagen. Und wie lautet die Antwort der zuständigen Ministerin? Nach dem Krippengipfel ließ sie verlauten – ich zitiere –:

„Wenn die räumlichen Voraussetzungen stimmen und entsprechend mehr Personal eingestellt wird, dürfen auch mehr Kinder in eine Gruppe aufgenommen werden.“

Oder – wörtlich –:

„Es spricht nichts dagegen, statt 10 auch 12, 13 oder 14 Kinder aufzunehmen.“

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Bei mehr Personal! – Jochen Ott [SPD]: Danke für das Betreuungsgeld!)