Protocol of the Session on January 30, 2015

Vielen Dank, Frau Kollegin Güler. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Körfges.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Redebeiträge haben mehrere Bestandteile, die wir bis jetzt hier zur Kenntnis genommen haben.

Ich will an der Stelle eines sagen: Ich achte jeden Wortbeitrag und jede Meinung, die uns dabei hilft, diesem Problem wirksam entgegenzutreten, und bin für jede sachliche Diskussion in der Frage der wirksamen Bekämpfung des Salafismus und des religiös motivierten Terrorismus dankbar. In vielen Wortbeiträgen war ein hohes Maß an Übereinstimmung zu verspüren, was auch den Geist im Haus insgesamt widerspiegelt, wie wir zu Beginn dieser Plenarwoche durch gemeinsames Vorgehen und durch gemeinsame Beschlüsse eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt aber ein paar Stellen, an denen es ganz offensichtlich der einen oder dem anderen nicht so richtig gelingt, diese billigen parteipolitischen Reflexe bei diesem so wichtigen Thema zu unterdrücken.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Frau Kollegin Güler, Sie wissen, dass ich Ihre Sachkunde in diesem Themenbereich eigentlich sehr hoch einschätze. Aber wer sich hier an diesem Mikrofon dazu hinreißen lässt, aus NordrheinWestfalen eine Brutstätte des Salafismus zu machen, zeigt allein mit dieser Äußerung, dass es ihm heute Morgen in erster Linie nicht darum geht, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Ihnen geht es eher darum, billige parteipolitische Rabulistik zu betreiben. Ich finde, das ist der Sache nicht angemessen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich habe im Innenausschuss ein großes Kompliment – auch das werden Sie ertragen müssen, Herr Hegemann – an die Kolleginnen und Kollegen der CDU gemacht. Ich habe im Innenausschuss ein hohes Maß an Übereinstimmung und Anerkennung für das schnelle und beherzte Handeln der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen festgestellt, als es darum ging, dass wir die notwendigen organisatorischen Konsequenzen aus der Sicherheitslage gezogen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Attentate von Paris geben tatsächlich nicht nur Anlass dazu, eine inhaltliche Diskussion über Werte wie Demokratie, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Demonstrationsfreiheit zu führen, die wir dringend führen müssen. Die Diskussion müssen wir dringend führen. Aber

wir müssen genauso dringend die notwendigen Lehren, und zwar sehr schnell, aus der geänderten Sicherheitslage ziehen. Das Vorgehen der Terroristen in Paris gibt an der Stelle tatsächlich Anlass dazu, dass wir uns hinterfragen.

Wir als regierungstragende Fraktionen bekommen nicht ohne Weiteres und leicht immer Beifall zum Beispiel von den Gewerkschaften, die sich im Polizeibereich engagieren. Ich darf Ihnen sagen: Da gilt mir die Bestätigung, die die Polizeigewerkschaften in ihren Pressemitteilungen, aber auch persönlich gegeben haben, sehr viel. Das spricht auch dafür, dass diejenigen, die uns dabei am intensivsten unterstützen, nämlich die Sicherheitsorgane, unser Vorgehen durch ihre Gewerkschaften unterstützen. Das spricht doch dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind, wenn es um den repressiven Teil geht.

Meine Damen und Herren, der Versuch, an der Stelle diesen Erfolg der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen ein bisschen kleinzureden, ist für eine Oppositionsfraktion sicherlich nachvollziehbar. Aber ich kann nur eines sagen: Wir sind stolz darauf, dass hier richtig und schnell und auch mit den richtigen Mitteln reagiert worden ist.

Das wird nicht nur von uns so gesehen. Viele von Ihnen werden wissen, dass ich Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums bin. Kollegin Schäffer hat darauf hingewiesen, dass wir jetzt öffentlich tagen. Anlässlich der letzten öffentlichen Sitzung waren zum Beispiel Vertreter des Königreichs Niederlande in der Sitzung anwesend, die sich zum Beispiel über das Projekt „Wegweiser“ informieren wollten.

Meine Damen und Herren, es geht natürlich nicht allein mit Repression. Aber Repression ist da nötig, wo es darum geht, unseren Staat und unsere demokratische Ordnung hier zu schützen. Da werden wir uns sicherlich an Entschlossenheit in NordrheinWestfalen – ich hoffe, gemeinsam – von niemandem übertreffen und überbieten lassen.

Aber das andere ist genauso wichtig: Wenn wir es schaffen – nicht alleine; denn das kann Staat nicht alleine –, junge Menschen davon abzuhalten, auf diese einfachen Lösungsansätze religiöser Fanatiker hereinzufallen, dann ist das die beste Form von Terrorismusbekämpfung. Da haben uns alle, die das auch so sehen, an ihrer Seite, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir sollten allerdings dann auch zur Kenntnis nehmen, dass das eben nichts ist, was sich mal eben verordnen lässt. Das Programm „Wegweiser“ basiert ja auf einer lokalen Verantwortung, auf einem lokalen Mitwirken. Und da will ich – sogar noch ein bisschen deutlicher als Frau Kollegin Güler – mich ganz herzlich bei den muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bedanken, die gemeinsam mit uns Verantwortung übernehmen.

(Beifall von Ali Bas [GRÜNE])

Ohne Kommunen, die da mitwirken, ohne muslimische Moscheegemeinden, die da mittun, ohne engagierte Eltern, engagierte Lehrerinnen und Lehrer, engagierte Polizistinnen und Polizisten, die auch im präventiven Bereich arbeiten, lässt sich diese „Wegweiser“-Arbeit nicht erfolgreich machen. Ich glaube, da sind wir auf einem richtigen und vernünftigen Weg. Wir sollten aber nicht in billige Reflexe verfallen.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Aber zu lang- sam!)

Das Problem der Geschwindigkeit ist keines, das wir hier allein im Landtag zu vertreten haben. Ja, es ist nötig, dass wir gemeinsam mit den Kommunen etwas machen. Wenn aber aus ganz Deutschland, aus halb Europa die Menschen nach NordrheinWestfalen schauen, weil wir einen innovativen Ansatz haben und den auch konsequent ausbreiten, sollten Sie uns dabei helfen, statt daran permanent herumzukritteln, Herr Stamp.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Sie setzen es nicht um!)

Wir haben darüber hinaus – damit will ich schließen – in einigen Bereichen noch eine ganze Menge gesellschaftlicher Potenziale, die wir gemeinsam heben können.

Von daher bin ich froh darüber, dass es in einer solchen Diskussion vor allen Dingen darum geht, gemeinsame Bekenntnisse und gemeinsame Konzepte zu diskutieren und sich von denjenigen abzugrenzen, die unsere gemeinsame Ordnung, unseren Staat, auf den wir stolz sind, unsere freiheitlichdemokratischen Rechte in Zweifel ziehen wollen. Ich denke, eine fachliche Diskussion ist allemal besser als billige parteipolitische Polemik. Ich habe an der Stelle mehr Licht als Schatten gesehen. Insofern bedanke ich mich bei allen Teilnehmern an der Debatte. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Lürbke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Herr Herrmann, klar ist: Einem terroristischen Angriff auf die Freiheit darf man nicht mit einem staatlichen Angriff auf die Freiheit begegnen. Wir dürfen nicht die Freiheit aufgeben, die wir jetzt schützen und verteidigen müssen.

Ich bin aber ganz entschieden anderer Auffassung als Sie. Sie schreiben in der Beantragung pauschal, Überwachung löse keine Probleme. Das wird der Sache nicht gerecht.

Anlassbezogene Überwachung ist ohne Frage ein notwendiger Baustein im Gesamtkonzept der Sicherheitsbehörden. Das gilt für personelle observative als auch für technische anlassbezogene – das ist der wichtige Punkt – Überwachung von bekannten Gefährdern. So erlaubt es unser heutiges Gesetz rechtsstaatlich und umfangreich. Nur so viel dazu. Wir werden gleich noch über die anlasslose Vorratsdatenspeicherung sprechen.

Zu der Debatte: Herr Innenminister, ich meine schon, dass Sie uns Ihr verändertes Gesamtkonzept für die Sicherheitsbehörden noch detailreicher aufschlüsseln müssen. Sie hatten gerade einiges gesagt, aber vieles ist dabei auch gefährlich vage im Unklaren geblieben. Sie haben angesprochen, 385 zusätzliche Beamte würden bis 2017 bei Polizei und Verfassungsschutz eingestellt. Wir müssen schon im Klartext sagen, was das an Mehrwert für unsere Sicherheitsbehörden heute bedeutet.

Sie wollen in den Jahren 2015 bis 2017 jährlich die Anwärterzahlen um 120 erhöhen. Dank der dreijährigen Ausbildung stehen uns diese Köpfe erst 2018 zur Verfügung. Das bedeutet aber, dass bis zum Jahre 2018 die Kreispolizeibehörden in NordrheinWestfalen keinen einzigen Beamten zusätzlich erhalten. Das gehört auch zur Wahrheit dazu.

(Beifall von der FDP)

Das heißt: Es finden heute, 2015, lediglich interne Verlagerungen in den Behörden statt, die durch vergütete Mehrarbeit der abgebenden Stellen abgefangen werden sollen. Ihre Lösung sind noch mehr Überstunden, um die anderen wichtigen Arbeitsfelder der Polizei wie Einbruchskriminalität, Rockerkriminalität, Demonstrationen und alles Weitere, was anfällt, weiterhin ohne Einbußen erledigen zu können.

Herr Minister, ich bin schon skeptisch. Was Sie unseren Beamtinnen und Beamten da zusätzlich auferlegen und in den Rucksack packen wollen, finde ich schon recht ambitioniert.

Offen bleibt doch, inwieweit diese Beamten nicht schon viele Überstunden vor sich herschieben und in welchem Umfang darüber hinaus zusätzliche Arbeit überhaupt möglich ist.

Ich erinnere einmal an den Krankenstand. Immerhin müssen wir bei der Polizei schon heute rund 10 % Personalausfall im täglichen Dienst in den Direktionen kompensieren.

Sie haben weitere 150 Spezialisten für den Ausbau von Fahndungen und Observationen angekündigt, aber nicht genau gesagt, woher die kommen. Kommen sie jetzt sofort oder aufwachsend hinzu, oder werden sie verlagert? Auch beim Objektschutz sollen zusätzlich 100 Polizisten eingesetzt werden. Auch da haben Sie noch nicht klar erläutert, woher diese kommen.

Es ist einfach zu gefährlich, die Personallage nicht offen anzusprechen, sie nicht ganz deutlich zu machen und womöglich sie gar noch schönzureden.

Alle angekündigten 360 zusätzlichen Beamten werden erst ab dem Jahr 2020 für die Polizei zur Verfügung stehen. In dem Fenster der Jahre 2018 bis 2020 haben wir sogar einen Rückgang. Sie dämpfen mit Ihren Maßnahmen den von Rot-Grün eingeleiteten Personalabbau bei der Polizei also nur etwas ab, aber stoppen ihn nicht.

Herr Minister, wir erwarten ja keine Wunder. Wir wissen, dass Sie diese nicht vollbringen werden. Es wäre aber auch keine Zauberei nötig gewesen. Sie hätten nur dem von meiner Fraktion, den Freien Demokraten, diesem Hause zu den Haushaltsberatungen 2015 vorgelegten Antrag zustimmen müssen, in dem wir die sofortige Erhöhung der Zahl der Anwärterstellen für Polizeibeamtinnen und -beamte um jährlich 300 auf 1.800 gefordert haben. Dem hätten Sie nur zustimmen müssen.

(Beifall von der FDP)

Stattdessen haben Sie leider wieder nur hektisch reagiert, statt vorausschauend zu regieren.

Was die Personalankündigung angeht, kann man also feststellen: Für heute ist es nichts und für die Zukunft zu wenig. Es ist aber auch besser als nichts; das will ich durchaus zugestehen.

Wenn wir über das Gesamtkonzept reden, müssen wir neben dem Personal aber natürlich auch Ausstattung und Einsatztaktiken im Blick haben. Auch hier fragen wir uns: Wie geht es weiter? Ich will daran erinnern, dass man beispielsweise nach dem Amoklauf in Erfurt 2002 die Ausbildung umgestellt hat. Polizeibeamte haben nun mehr Befugnisse, wenn sie selbst eingreifen und nicht auf das SEK warten. Die Frage ist: Haben wir angesichts der neuen Qualität der Bedrohungslage jetzt ebenfalls eine veränderte Ausstattung oder Einsatztaktik für die normalen Beamten auf der Straße zu erwarten? Was ist hier nötig? Da sind viele Fragen offen – auch die Frage, ob die Beamten beim Objektschutz gegen skrupellose Attentäter ausreichend gewappnet sind.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. 100 % Sicherheit – da sind wir uns sicher einig; das hat die Debatte auch gezeigt – wird es nicht geben. In verschiedener Hinsicht sind allerdings noch Fragen offen und ist Optimierungsbedarf nicht geklärt.

Eines ist aber auch klar – da bin ich bei Herrn Körfges, der das angesprochen hat –: Populismus in die eine oder andere Richtung wird uns nicht helfen. Helfen wird uns eine sachliche Befassung mit diesem Thema. Daran werden sich die Freien Demokraten sehr gerne beteiligen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Fraktion der Grünen spricht Herr Kollege Bas.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine kurze Anmerkung zu der von Frau Güler geäußerten Kritik an der politischen Linken. Wie Sie sicherlich wissen, hat Frankreich eine linke Regierung und schärfere Terrorgesetze als

Deutschland. Das hat die Radikalisierung von bestimmten jungen Menschen auch nicht verhindert. – Nur so viel an dieser Stelle noch einmal in Richtung von Frau Güler.

Die heutige Aktuelle Stunde ist, gedanklich gesehen, ein wenig die Fortsetzung der Debatte rund um die überfraktionell verabschiedete Resolution zur offenen und friedlichen Gesellschaft vom Mittwoch dieser Woche, in der wir alle zusammen festgestellt haben, dass wir das Problem mit Hass, Intoleranz und Radikalismus jeglicher Art nur als Gesamtgesellschaft lösen können. Es ist deshalb auch wichtig, dass wir am Mittwoch den Zusammenhalt aller Menschen, gleich welchen religiösen oder weltanschaulichen Hintergrundes, beschworen haben. In diesem Geiste müssen wir auch die Konsequenzen beraten, die sich aus dem Umgang mit den Gefahren ergeben, die unsere friedliche und offene Gesellschaftsordnung bedrohen.