Protocol of the Session on January 29, 2015

Deshalb ist es gut und richtig, dass die Landesregierung eine große Betriebsrätekonferenz durchführen wird. Ja, die Betriebsräte sind für eine erfolgreiche Gestaltung der digitalen Arbeitswelt von entscheidender Bedeutung. All denjenigen, die ihnen skeptisch gegenüberstehen, sage ich: Habt keine Angst vor starken Betriebsräten! Starke Betriebsräte sind ein starkes Stück Deutschland! Die brauchen wir für die Gestaltung der Zukunft, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Arbeitsbedingungen zu verbessern, kontinuierlichen Zusammenhalt zwischen Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften zu organisieren, das muss Politik mit machen. Das hat die Ministerpräsidentin herausgestellt. Also Bildung, Qualifizierung, Weiterbildung – und das ein Leben lang –, das sind die Schlüsselfaktoren dafür, dass wir die Zukunft meistern können. 115 Milliarden € haben wir seit 2010 – die Ministerpräsidentin hat das gesagt – bisher in Bildung, in die Förderung von Kindern gesteckt und in diesem Jahr noch einmal knapp 26 Millionen €.

Meine Damen und Herren von der Opposition, wenigstens das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. So viel Geld wie wir in die Förderung von Kindern, in die Bildung und in die Forschung stecken, investiert kein anderes Bundesland. Auch da ist NordrheinWestfalen spitze, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir brauchen uns nicht zu verstecken.

Das ist im Übrigen der Unterschied zwischen uns und Schwarz-Gelb. Sie wollen, Herr Kollege Laschet, Eltern und junge Erwachsene von der Kita bis zur Uni mit Gebührenerhöhungsorgien überziehen. Wir dagegen reißen die sozialen und finanziellen

Hürden nach und nach nieder, die jungen Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschweren und die junge Menschen daran hindern, das Beste aus ihren Talenten machen zu können. Wir reißen diese Hürden nicht nur nieder, weil sie zutiefst ungerecht sind, sondern weil wir es uns gar nicht mehr leisten können, auf die Fähigkeiten und Talente auch nur eines jungen Menschen zu verzichten. „Kein Kind zurücklassen“ steht für eine richtige, eine auf Zukunft orientierte Politik, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, auch das bleibt richtig: Digitale Ökonomie verlangt nach Regeln, und sie verlangt nach Investitionen. Ohne Regeln gibt es keine Rechte, weder für Unternehmen noch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ohne Investitionen in Bildung, Forschung und digitale Infrastruktur können wir die Wachstumsmöglichkeiten der Digitalisierung nicht erschließen, schon gar nicht in Wohlstandsgewinne für alle verwandeln. Das gilt im Übrigen für die Datenschutztechnologie genauso wie für die Internettechnologie, auf deren Basis ja Handelsplattformen der Zukunft entstehen.

Wir wollen, dass unsere Unternehmen aus NRW diese selbst betreiben und bewirtschaften und nicht von den üblichen Verdächtigen der IT-Weltkonzerne abhängig sind, meine Damen und Herren. Auch das stärkt die Kraft in unserem Land. In jedem Fall dürfen wir die Investitionen in sie und den Betrieb der digitalen Infrastruktur der Zukunft nicht allein diesen Big Playern überlassen, die sich allein ihren Aktionären, nicht aber dem Gemeinwohl, der Daseinsvorsorge verpflichtet fühlen.

Da will ich einen Hinweis geben: Ohne die Forschungsinvestitionen des Staates gäbe es heute keine Mikroprozessoren, keine LCD-Bildschirme, kein GPS, kein MP3, kein Internet und damit auch nicht die exorbitanten Gewinne von Google oder Apple, die sich diese Innovationen zunutze machen.

Gleichwohl, meine Damen und Herren, danken diese Konzerne die Hilfe des Steuerzahlers schlecht, wie wir ja in Kenntnis ihrer Steuervermeidungsstrategien wissen. Auch das muss man in Erwägung ziehen,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

wenn es um die Zukunftsfragen geht.

Bei allen Unterschieden zwischen den frühen Phasen und der jetzt angebrochenen vierten Phase der Industrialisierung gibt es eine Herausforderung, die gemein ist: die Beteiligung der Menschen an den Wohlstandsgewinnen durch immense Produktivitätssteigerungen.

Es lohnt sich im Übrigen, daran zu erinnern, dass schon Henry Ford wusste: Autos kaufen keine Autos. – Im Zeitalter der digitalen Ökonomie werden zwar Maschinen mit Maschinen kommunizieren, sie

werden sich aber nicht gegenseitig kaufen und bezahlen.

Mit anderen Worten: Auch in der neuen Welt der digitalen Ökonomie stellen sich die klassischen Fragen nach einer gerechten Verteilung von Gewinnen, der Schaffung von Kaufkraft, nach angemessenen Arbeitszeiten und nach den Bedingungen sozialer Sicherheit.

Die Ministerpräsidentin hat die Chancen und auch die Herausforderungen der Digitalisierung in allen Bereichen der Lebens- und Arbeitswelt klar benannt. Wir stehen mitten in diesem rasanten Veränderungsprozess, aber wir müssen ihn nicht fürchten.

Nordrhein-Westfalen ist auf die kommenden Herausforderungen bestens vorbereitet. Unsere Stärke ist die dichteste Industrielandschaft Europas, die sich mit einer der größten, innovativsten Wissenschaftslandschaften verbindet. Herr Kollege Laschet, und diese Stärke verdanken wir nicht zuletzt der Politik von Johannes Rau.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Seine Regierungen haben in den 80er- und 90erJahren die Basis für den kommenden Aufbruch in der nordrhein-westfälischen Wirtschaft geschaffen. Ja, auch hier noch einmal an die Kurzatmigkeit derjenigen, die jetzt auf den Oppositionsbänken sitzen: Gute Politik verlangt nach langen Linien, und sie braucht langen Atem.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Die Digitalisierung verlangt neue Antworten auf alte Fragen, und ich bin mir sicher, dass wir die Antworten auf diese Fragen finden werden und dass wir sie in Nordrhein-Westfalen finden werden, dem Land des rheinischen Kapitalismus, der sozialen Demokratie, der Sozialpartnerschaft, dem Mitbestimmungsland Nummer eins. Das macht mich zuversichtlich. Glück auf für unser Land!

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Ministerin Sylvia Löhr- mann)

Vielen Dank, Herr Römer. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lindner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Digitalisierung verändert alle Lebensbereiche. Sie verändert die Art unseres Miteinanders in Wirtschaft und Gesellschaft. Sie bietet großartige Chancen für Teilhabe und ein enormes Potenzial, zu neuem Wohlstand zu kommen. Das ist nicht die Erkenntnis dieser Debatte, sondern das ist gemeinhin bekannt. Die Frau Bundeskanzlerin ist vor zwei Jahren regelrecht belächelt worden, als sie vom Internet als dem Neu

land gesprochen hat. Diese Debatte wird also schon länger geführt.

Frau Ministerpräsidentin, Sie haben heute gesagt, Sie wünschen sich smarte Wirtschaft, smartes Arbeiten, smartes Wohnen, smarte Bildung für Nordrhein-Westfalen. – Eine wichtige Voraussetzung dafür wäre eine smarte Regierung, Frau Ministerpräsidentin,

(Beifall von der FDP und der CDU)

die das Thema engagiert angeht, und zwar nicht nur heute. Ich habe mir die Mühe gemacht, mir Ihre Initiativen dieser Legislaturperiode genau anzusehen: 124 Gesetzentwürfe der Landesregierung, mit den Koalitionsfraktionen gemeinsam sind es 133, null zur digitalen Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft, 80 Anträge der Koalitionsfraktionen,

(Zuruf von der Regierungsbank: Falsch!)

null zum digitalen Wandel. Zu Ihrer Ehrenrettung: Es gibt einen einzigen Antrag, den Sie mitgezeichnet haben. Da sind Sie einer Initiative der Opposition beigetreten.

(Zuruf von den GRÜNEN: Da haben Sie schlecht gezählt!)

Also: Frau Ministerpräsidentin, inzwischen regieren Sie seit vier Jahren und haben so gut wie keine messbare Initiative, keine von Ihnen ausgehende Debatte hier im Hause vorzuweisen.

Sie haben von NRW 4.0 gesprochen. Geliefert haben Sie in den vergangenen vier Jahren viermal null, Frau Kraft.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die heutige Überschrift lautet: „MegaBits. MegaHerz. MegaStark“. MegaEnttäuschend war das, was Sie geboten haben.

(Beifall von der FDP)

Denn heute hat nicht die Regierungschefin gesprochen – wir haben nichts gehört über die langen Linien Ihrer Politik, über eine Strategie –,

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

sondern das Wort hatte die Vorsitzende einer Enquetekommission, die mit viel Fleiß unterschiedliche Initiativen zusammengebunden hat. Aber das ersetzt eben nicht einen konzeptionellen strategischen Ansatz in Fragen der Digitalisierung. Das, was wir heute gehört haben, war Maßnahmenhuberei, aber keine Gestaltung. Und die bräuchten wir, die vermissen wir von Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Im Übrigen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ist das Motiv für die heutige Regierungserklärung klar. Das vergangene Jahr war eine Enttäuschung für die Koalition: Flüchtlingsskandal, Besoldungsskandal, skandalöse Haushaltssperre. Das gesamte Jahr

2014 war ein Krisenjahr. Da liegt es nahe, dass in der Staatskanzlei überlegt wird: Wir brauchen jetzt einen neuen Start. Wir brauchen einen neuen Anfang. Wir brauchen ein neues Thema. Die Kommunikationsklempner würden sagen: Wir brauchen einen Agendawechsel in der Landespolitik, Frau Ministerpräsidentin. Wir müssen etwas Neues anschieben, um neuen Gesprächsstoff zu haben.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wir sind doch nicht bei der FDP! – Minister Johannes Remmel: Wir brauchen hier nicht die eigene Geschich- te zu erzählen! – Weitere Zurufe von Sigrid Beer [GRÜNE])

Aber Frau Beer, ich habe noch gar nicht angefangen; ich komme noch. Sparen Sie sich noch ein paar Nerven auf!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Also: Der neue Agendawechsel soll kommen. Nur, Frau Ministerpräsidentin, Sie haben bei all dem, was Sie heute vorgetragen haben, ein Problem. Vernetzen kann man Industrie und Handwerk nur, wenn man sie überhaupt noch hat. Auch für das autonome Fahren braucht man intakte Landesstraßen. Programmierunterricht in der Schule macht nur Sinn, wenn es qualifizierte Lehrer gibt und die Schüler zumindest minimale Mathematikkenntnisse haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)