Buchstabe b) unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit der Maßgabe überwiesen wurde, dass Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgen. Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales liegen uns nun als Drucksache 16/7786 vor.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat – auch wenn Kollege Kern sich schon bereithält – nach der vorgesehenen Redeordnung Herr
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kern, ich hatte eigentlich damit gerechnet, nach Ihnen zu sprechen; aber machen wir es so herum.
Als Sie Ihren Antrag vorgelegt haben, war ich von der Überschrift her erfreut, weil das ein Thema ist, das wir im Land angehen sollten. In der Tat muss man dieses Thema betrachten; man muss es aber auch ganzheitlich betrachten. In Ihrem Antrag – das haben Sie auch in den Ausschusssitzungen gemerkt – fehlt da immer einiges.
Vielleicht waren Sie fachlich nicht allzu gut beraten, als Sie die medizinische Ausbildung beschrieben haben. Zu Ihrer Forderung, dass die Ausbildung neu geregelt werden muss, kann ich nur sagen: Sie ist gut geregelt.
Außerdem haben Sie negiert, dass das Land Nordrhein-Westfalen erhebliche Anstrengungen unternommen hat, um die Zahl der Medizinstudienplätze auszuweiten und so dem Problem der mangelnden Versorgung entgegenzuwirken. Nominell gibt es jedes Jahr über 200 Ausbildungsplätze mehr, was im Grunde einer ganzen Universität entspricht. Das bedeutet einen enormen Fortschritt. Insgesamt bilden in Nordrhein-Westfalen acht Universitäten aus. Wenn man sich die absolute Zahl anschaut, sieht man, dass NRW im Vergleich mit den anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland weit überproportional ausbildet. Wir gehen also in Vorleistung und sorgen dafür, dass es gar nicht erst zu diesem Problem kommt.
Der wichtigste Punkt ist aber – deshalb haben wir als Regierungsfraktionen auch unseren Entschließungsantrag vorgelegt –, dass das Ganze als Gesamtkonzept gesehen werden muss. Wir müssen die Pflege und die Krankenhausstruktur mit berücksichtigen. Es geht nicht, dass wir alleine die Hausärzte herausgreifen und meinen, dieses Problem in einem Aufwasch lösen zu können.
In diesem Zusammenhang brauchen wir eine Vernetzung. Wir brauchen ergänzende Strukturen, die dafür sorgen, dass selbst dann, wenn es auf dem Land weniger Hausärzte gibt, weil keine neuen
Hausärzte nachkommen – aus welchen Gründen auch immer –, sichergestellt ist, dass die Menschen auf dem Land versorgt werden. Entsprechende Instrumente, die Sie in den Forderungen des Antrags von Grün und Rot finden, sind beispielsweise Telemedizin, Vernetzungsstrukturen und ambulante Versorgung auch durch Krankenhäuser. Alle diese Dinge machen Sinn.
Sie fordern in Ihrem Antrag außerdem, das Land solle sich für die Veränderung bestimmter Strukturen einsetzen. Dazu müssen wir aber erst einmal die Erlaubnis bekommen. Auf Bundesebene müssen die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass wir in diesem Bereich tätig werden dürfen. Dann können wir das gerne machen. Wir brauchen hier also echte Mitwirkungsmöglichkeiten. Außerdem müssen die bestehenden Fehlanreize bei der ärztlichen Vergütung durch GKV und PKV beseitigt werden, die zu einem Stadt-Land-Gefälle führen.
Diese Dinge, die wir angehen müssen, finden Sie gebündelt in unserem Antrag. Damit haben wir die ideale Erweiterung Ihres Antrags, denke ich. Ein paar Sachen haben wir auch weggelassen, weil sie fachlich meines Erachtens nicht ganz zutreffend waren. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Adelmann. – Dann hat jetzt Kollege Walter Kern von der CDU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Nach dem Antrag der CDU vom 11. Juni 2013 „Hausärztliche Versorgung in allen Landesteilen sicherstellen“ und dem zehn Monate später formulierten Entschließungsantrag von SPD und Grünen vom 1. April 2014 kommen wir heute – insgesamt 15 Monate später – endlich zur Debatte. Gestern hat uns dann auch noch ein Entschließungsantrag der FDP erreicht.
Zunächst einmal müssen wir gemeinsam feststellen: Unser Gesundheitssystem ist international führend, ebenso wie unser medizinisches Angebot in Deutschland. Die Anerkennung des Arztberufes in unserer Gesellschaft ist unverändert hoch. Der Arztberuf ist für junge Menschen unverändert attraktiv. Das zeigen die hohen Bewerberzahlen für ein Medizinstudium und die damit verbundene Notwendigkeit des Numerus clausus.
Aber, meine Damen und Herren, es sind Veränderungen notwendig, weil wir deutlich zu wenig Studienplätze haben und weil das Durchschnittsalter von Vertrags- und Hausärzten steigt. Die hausärztliche und fachärztliche Versorgung im ländlichen Raum ist infrage gestellt wegen der Nachfolgeprob
Veränderte tarifliche Arbeitszeiten in den Kliniken und mehr Teilzeitarbeit sind ein weiteres Anforderungsprofil. Die Work-Life-Balance junger Medizinerinnen und Mediziner muss berücksichtigt werden. Viel zu wenig Nachwuchs haben wir, Herr Dr. Adelmann, bei den Allgemeinmedizinern. Die Benachteiligung westfälisch-lippischer und nordrheinwestfälischer Ärzte bei den Honorarleistungen ist ein weiteres Thema.
Diese veränderten Rahmen- und Lebensbedingungen bringen einen dramatischen Ärztemangel mit sich, der unserer Meinung nach die Lebensqualität zukünftig beeinträchtigt und der nach Lösungen schreit. Es ist Zeit, zu handeln, zunächst einmal in der Medizinerausbildung, und zwar durchaus selektiv. Die Wahrheit ist: Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, sondern der Zeitpunkt des rechtzeitigen Handelns ist bereits überschritten.
Da sind die zusätzlichen 200 Studienplätze, die seit 2011 jährlich generiert werden, oder zukünftig die 60 Plätze des Bochumer Modells nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Hinzu kommt, dass viele unserer jungen Mediziner nach ihrem Studium wegen der Arbeitsplatzbedingungen ins attraktive Ausland abwandern, oder sie bleiben in der Wissenschaft bzw. gehen in administrative Berufe. Wir haben das Problem zu lösen: Wie halten wir diese jungen Mediziner in NordrheinWestfalen? Der deutliche und schnelle Ausbau der Studienplätze in Medizin ist überlebensnotwendig. Es muss schnell gehandelt werden, weil wir zehn bis zwölf Jahre brauchen, bis die Ärzte in die Praxis kommen. Deshalb ist die entstehende Lücke bereits heute ablesbar. Faktisch ist sie da, und sie ist dramatisch.
Der bestehende Numerus clausus zum Medizinstudium, die zunehmende Feminisierung des Arztberufes – die Mädchen machen eben das bessere Abitur – und Work-Life-Balance-Aspekte machen einen zusätzlichen Bedarf aus. Für jeden ausscheidenden Mediziner brauchen wir wegen dieser Situation etwa 1,6 neue Kräfte.
Heute läuft das Auswahlverfahren schwerpunktmäßig nach kognitiven Fähigkeiten, nach dem Numerus clausus. Das ist für den Medizinerberuf kontraproduktiv, und das ist inzwischen ja auch erkannt. Deshalb muss Nordrhein-Westfalen den zusätzlichen Ausbau der Studienplätze genauso konsequent verfolgen wie die notwendigen Veränderungen des Auswahlsystems.
Deshalb heute nochmals vonseiten der CDUFraktion: Seit dem Ende der 14. Legislaturperiode beschäftigen wir uns schon mit der wichtigen Idee
einer Medizinischen Fakultät in OWL, in Ostwestfalen-Lippe. Frau Ministerpräsidentin, Ostwestfalen ist nicht der Ferne Osten. Die Menschen in Ostwestfalen machen sich berechtigte Sorgen um ihre gesundheitliche Versorgung, die ihnen zusteht.
Die CDU hat in der Haushaltsdebatte einen seriösen Vorschlag gemacht, nämlich 25 Millionen € aus dem BAföG-Topf jährlich nachhaltig zum Ausbau einer Medizinischen Fakultät zur Verfügung zu stellen, quasi auf einem Silbertablett serviert. Sie haben dieses Angebot schlicht und einfach abgelehnt, trotz besseren Wissens. Ich nenne das fahrlässig.
Die Medizinische Fakultät OWL ist der Herzkatheter für die gesundheitliche Versorgung der Region und ganz Nordrhein-Westfalens. Wir erwarten von der Landesregierung hier deutlich mehr Umsetzungskraft. Wir brauchen umgehend zusätzliche Medizinstudienplätze.
Herr Kollege Kern, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Adelmann würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Zum einen: Ist Ihnen bekannt, dass der Numerus clausus und der Erfolg des Studiums eine eindeutige Korrelation aufweisen und keine Ärztekammer und kein Ärzteverband dies bestreitet?
Das Andere ist: Sehen Sie das Problem in der Quantität der Ausbildung in NRW – wo wir ja überdurchschnittlich ausbilden – oder eher in der späteren Überführung in den eigentlichen Beruf, wo wir die Bedingungen bei uns in NRW im Vergleich zu anderen Bundesländern verbessern müssen, was jedoch Aufgabe der Bundesebene ist?
Danke schön, Herr Kollege Adelmann. Bevor Herr Kollege Kern antwortet, will ich Sie, Herr Kollege Adelmann, höflichst noch einmal darauf hinweisen: „Zwischenfrage“ heißt „ein Gegenstand“. Sie haben dezidiert zwei benannt. Jetzt kann sich Herr Kollege Kern natürlich aussuchen, welche Ihrer beiden Fragen er beantworten möchte.
Herr Adelmann, ich weiß, dass Sie auch als Mediziner eine hohe Fachkenntnis haben. Deswegen will ich es ganz kurz machen; wir werden uns ja sicherlich im weiteren Prozess noch darüber unterhalten können.
Zunächst zum Auswahlverfahren: Ich bin selbst jahrelang Abteilungsleiter in der Personalentwicklung gewesen. Ich stelle mir vor, dass wir AssessmentCenter-Lösungen einführen, die nicht nur die kognitiven Fähigkeiten, sondern auch die emotionalen Fähigkeiten der Bewerber berücksichtigen und damit auch eine höhere Qualität sozusagen in der Wärme an den Patienten bringen. Das will ich sehr deutlich sagen.
Was die Überleitung in den Beruf angeht, haben wir dadurch mit sehr großen Gefahren zu tun, als wir den Ärztemangel in der Breite haben und die Medizinerausbildung ja auch die klinische Ausbildung voraussetzt. Bei der klinischen Ausbildung kommt es dann zu Bindungsstrategien der Kliniken. Beim Hausarzt kommt dann letztlich nichts mehr an. Darüber müssen wir dringend auch noch einmal sprechen: Wie stellen wir sicher, dass dort durchgesteuert werden kann?
Meine Damen und Herren, zum Abschluss will ich sagen, dass die desolate Haushaltssituation des Landes sehr schwierig ist, wir aber in der gesundheitlichen Versorgung ein finanzpolitisch antizyklisches Verhalten brauchen. Sonst wird es in den Regionen lebensgefährlich.
Sie setzen aus unserer Sicht in der Politik dort falsche Schwerpunkte. Außerdem handelt es sich bei den von uns vorgeschlagenen 25 Millionen € aus den BAföG-Mitteln eindeutig um Bundesgeld, vom ersten bis zum letzten Cent.
Wir werden Ihren Antrag heute ablehnen, weil er spät kommt, weil Sie nicht die nötige Geschwindigkeit haben, weil Sie die konstruktiven Vorschläge zur Medizinischen Fakultät nicht berücksichtigt haben und weil Sie im insbesondere Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen nicht sagen, …