Protocol of the Session on December 3, 2014

Dann regte jemand – der DGB – als Sofortmaßnahme die erneute Erhöhung der Grunderwerbsteuer an. Diesen Vorschlag haben sich die Regierungsfraktionen zu eigen gemacht. Herr Römer hat Krokodilstränen darüber vergossen, wie schwer das gefallen sei. Trotzdem haben Sie einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt.

Dazu hatten wir gestern im Plenarsaal eine umfassende Anhörung mit 23 Sachverständigen. Von diesen 23 Sachverständigen haben 21 auf die erheblichen negativen Auswirkungen auf die wirtschaftspolitische Struktur dieses Landes hingewiesen. Nur, der als Sachverständige ebenfalls geladene DGB – man erinnere sich, bei den Anhörungen zum Haushaltsverfahren noch der Ideengeber, der Souffleur – war erst gar nicht da. Hat da jemanden vielleicht das schlechte Gewissen eingeholt?

Klar ist nur, dieser Etat, wie er heute beraten wird, hat immer noch ein Loch in dreistelliger Millionenhöhe. Dieser Etat braucht offensichtlich, um überhaupt in die Nähe eines rechnerischen Ausgleichs zu kommen, noch Ihre Grunderwerbsteuererhöhung, die aber noch im Verfahren ist. Eigentlich ist eine zweite Lesung über einen solchen Etat nicht redlich. Denn dieser Etat ist nicht ausgeglichen.

(Beifall von der CDU)

Was sind die Ursachen? – Wir wissen, dass die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen seit Jahren unterdurchschnittlich wächst. Die Ursachen dafür sind vielfältig, aber sie liegen vor allem in einer geringeren Produktivität, in geringeren Ausgaben für Forschung und Entwicklung und geringeren Investitionen als im Bundesdurchschnitt. Die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen investiert weniger als an anderen Standorten, und das hat Gründe. Wenn das aber heute schon so ist, Frau Ministerpräsidentin, dann ist eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer ein weiterer Baustein zur Schwächung des Standorts Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Eine solche Schwächung ist nicht nur unverantwortlich, sie ist auch baupolitischer Unsinn. Herr Minister Groschek schließt ein Bündnis für Wohnen NRW, dessen Kernziele bezahlbar, generationengerecht und energieeffizient heißen. Dem kann man ja auch zustimmen.

(Beifall von Minister Michael Groschek)

Herr Minister, gerne. Dem stimmen wir gerne zu. Aber die Regierungsfraktionen machen es Ihnen jetzt mit diesem Gesetz viel schwieriger, bezahlbaren Wohnraum herzustellen. Denn alles das, was jemand in Grunderwerbsteuerzahlungen an das Land Nordrhein-Westfalen investiert, hat er nicht mehr als Eigenkapital für den Erwerb von Wohnungen, hat er nicht mehr für den energetischen Umbau von Wohnungen, und damit wird die Sanierung vieler alter Häuser unerschwinglich oder jedenfalls deutlich erschwert.

Während in Nordrhein-Westfalen Gäste mit Leitungswasser bedient worden sind und täglich aufs Neue solche wirtschaftspolitischen Fehlentscheidungen getroffen werden, verhandelt die Ministerpräsidentin nach ihrer Meinung kraftvoll für den Länderfinanzausgleich nach 2019. Mit den Problemen der Jahre 2015, 2016 und 2017, mit der zweiten Hälfte der Wahlperiode, beschäftigt sie sich schon gar nicht mehr. Denn dafür hat sie ja keine Rezepte.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist ja unterir- disch!)

Um allerdings von den Verhandlungspartnern unter den Ländern und beim Bund ernst genommen zu werden, müsste man alle Fakten auf den Tisch legen und dürfte man nicht verschweigen, dass wir von den anderen eben nicht benachteiligt worden sind, sondern gerade in den 80er-Jahren von den europäischen Strukturmitteln und von Sonderprogrammen, vom Jahrhundertvertrag, vom Kohlepfennig und von vielem anderen zu Recht in Milliardenhöhe profitiert haben.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Seit Rütt- gers nicht mehr!)

Frau Kraft verschweigt außerdem, dass wir bundesweit nur deshalb in bestimmten Statistiken bei den Pro-Kopf-Ausgaben unterdurchschnittlich dastehen, weil wir gleichzeitig den höchsten Kommunalisierungsgrad haben. Das heißt, ein großer Teil der Ausgaben, die andere in ihren Landesstatistiken bei Landesausgaben haben, tauchen bei uns bei den Kommunen auf. Das ist durchaus eines der Probleme, warum die Kommunen in NordrheinWestfalen so schlecht dran sind.

(Beifall von der CDU)

Wenn man es mal ganz plastisch an einem Beispiel deutlich macht: 34.000 Beschäftigte bei den Landschaftsverbänden erbringen im Kern Aufgaben des Landes, obwohl diese Landschaftsverbände kommunal verfasst sind, und sie werden zu einem erheblichen Teil kommunal finanziert, sodass wir aus den Schlüsselzuweisungen des Landes an die Kommunen eigentlich das herausrechnen müssten, was die über die Landschaftsumlagen zur Finanzierung von Landesaufgaben wieder nach oben abgeben.

Die Ministerpräsidentin verschweigt auch, dass wir im Haushalt 2015, wenn wir den Länderfinanzausgleich und die Bundesergänzungszuweisungen zusammenrechnen, offensichtlich – so hat es der Finanzminister vorgelegt – mit 1,6 Milliarden € rechnen. Dann ist der Umsatzsteuervorwegausgleich mit seinen Summen, die wir dann haben, nur noch dazu in der Lage, das Plus, das er sich da errechnet, auf 800 Millionen zu bringen. Eine so tolle Geberleistung, Herr Minister, ist das nicht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Ministerpräsidentin sagt auch nicht, dass Steuererhöhungen Gift für die Konjunktur sind. Denn wenn sie das sagen würde, dann dürften ihre Koalitionsfraktionen auch keinen Gesetzentwurf zur Grunderwerbsteuererhöhung einbringen. Sie sagt trotzdem aus ihrer Sicht – ich zitiere –, diese Schuldenbremse sei ein Fetisch. Ich habe mir in der Vergangenheit unter einem Fetisch etwas anderes vorgestellt.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Offensichtlich geht es dieser Landesregierung zur Halbzeit dieser Wahlperiode nur noch um Ideologie und um Machterhalt. Unserem Land fehlt damit offensichtlich eine echte Regierung. Die Ministerpräsidentin und der Finanzminister lamentieren stattdessen stundenlang vor jedem Mikrofon, das ihnen hingehalten wird. Aber lamentieren statt agieren, das ist kein gutes Regierungsmotto.

(Beifall von der CDU – Mehrdad Mostofiza- deh [GRÜNE]: Jetzt kommen die Konzepte der CDU!)

Man könnte es auch so sagen, wie es der eine oder andere ehrliche Arbeiter im Ruhrgebiet wahrschein

lich stattdessen sagen würde, nicht so akademisch, wie wir es hier sagen: Rumlabern statt anpacken, das ist weder passend zum Image eines ehrlichen Arbeiters, noch ist es aktive Zukunftsgestaltung.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Regierung ist schon zur Halbzeit am Ende. Aber um es mit Joseph Roth zu sagen: Das Ende zieht sich noch etwas – zum Schaden des Landes und der hier lebenden Menschen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Börschel das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Optendrenk, sind Sie ja ziemlich groß gestartet. Offengestanden: Wenn Sie uns wenigstens tiefere Einblicke in Ihre Fantasie von einem Fetisch gegeben hätten, hätten wir wenigstens noch etwas lernen können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Stattdessen mühen Sie sich hier sozusagen in einer Art Generalkritik an der Regierung und der Haushaltspolitik ab, ohne einmal mehr auch nur einen einzigen sachdienlichen Vorschlag dazu zu machen, wie Sie es denn besser machen würden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das, meine ich, kann man doch von einer Opposition allemal erwarten. Denn in der Tat haben Sie auch in Ihrer Rede wieder beharrlich schlicht und einfach die Fakten geleugnet und verweigert, sie zur Kenntnis zu nehmen, nämlich die Fakten dieses Landeshaushalts 2015, zu denen die Opposition – da muss ich ausdrücklich die FDP und die Piraten mit einschließen – bislang nichts nennenswertes Eigenes beigetragen hat, der trotz schwieriger Ausgangsbedingungen als weiterer Schritt in Richtung Schuldenbremse zu werten ist und dabei auch noch die richtigen inhaltlichen Schwerpunkte und Prioritäten setzt.

Was Sie nicht wegdiskutieren können, ist doch der Umstand, dass sich die Nettoneuverschuldung in diesem vorgelegten Haushalt mit Stand zweite Ergänzung und zweite Lesung von 3,2 Milliarden € auf 2,25 Milliarden € reduziert. Das ist nun wirklich eine nennenswerte Leistung, und das, obwohl die ursprünglich von der Regierung beabsichtigten Einsparungen durch das Beamtenbesoldungsgesetz in Höhe von 700 Millionen € bekanntermaßen nicht realisiert werden konnten. Das ist nun einmal so.

Trotzdem hat es der Finanzminister vermocht, diese Neuverschuldung auf einen historisch niedrigen

Stand in Nordrhein-Westfalen zu reduzieren. Ich finde, dafür gebührt Ihnen, Herr Finanzminister, und der gesamten Landesregierung unser Respekt.

(Beifall von der SPD)

Insgesamt werden in diesem Haushaltsentwurf 2015 etwa 1,5 Milliarden € eingespart. Die verschiedenen Elemente, aus denen sich das zusammensetzt, sind im Prinzip sattsam bekannt. Ich möchte trotzdem zumindest das eine oder andere noch einmal benennen: Die Personaleinsparungen verschiedenster Herkunft betragen insgesamt etwas mehr als 500 Millionen €, also beispielsweise durch die Besoldungsanpassung 2013/2014 bei den Personalausgaben im Allgemeinen oder auch durch den Abbau von Stellen im Haushalt.

Hinzu kommen Einsparungen bei den Förderprogrammen in Höhe von etwa 145 Millionen €, weitere etwa 30 Millionen € bei den Landesbetrieben durch Einsparungen bei Mietausgaben oder auch durch die vom Finanzminister vorgeschlagene und umgesetzte Zusammenlegung von Oberfinanzdirektionen sowie weitere 830 Millionen € durch sparsames Haushalten in den Ministerien insgesamt. Dadurch ergibt sich diese Summe von 1,5 Milliarden €.

Ich hatte gerade gesagt, dass die Regierung es trotz dieser Einsparungen vermocht hat, auch noch die richtigen Schwerpunkte und Prioritäten zu setzen. Bildung und Betreuung für Kinder und Jugendliche sind und bleiben der rote Faden nicht nur in der Haushaltspolitik, sondern in der Politik dieser Regierung insgesamt.

Knapp 16 Milliarden € fließen allein in die schulische Bildung, etwa 2 Milliarden € in die frühkindliche Bildung, inklusive des Ausbaus der U3-Betreuung auf etwa 166.000 Plätze – eine Zahl, die sich die schwarz-gelbe Vorgängerregierung nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hätte vorstellen können –,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

und etwa 7,7 Milliarden € fließen in Wissenschaft und Forschung.

Damit will ich summa summarum sagen: Mehr als jeder dritte Euro des Landeshaushalts fließt in die Bereiche Kinder und Bildung. Das ist eine Leistung, auf die wir verflixt stolz sind und auf die auch eine Opposition stolz sein sollte,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

wenn sie das ehrlich zugeben würde.

Hinzu kommt – das haben wir bereits zur dritten Lesung angekündigt –, dass wir 91 Millionen € zur Verfügung stellen wollen, um die größte humanitäre Herausforderung seit Jahrzehnten, nämlich die Aufnahme von Flüchtlingen in den Städten und Gemeinden unseres Bundeslandes, zu finanzieren. Dies wollen wir durch Leistungen an Kommunen, durch eine bessere Gesundheitsbetreuung und andere Dinge mehr gewährleisten, die alle mit dieser

riesigen, humanitären Aufgabe zugunsten von Flüchtlingen und der Integration von Flüchtlingen in unsere Gesellschaft zusammenhängen. Auch das ist ein absolut wichtiger und richtiger Schritt.

Auch in dieser Hinsicht möchte ich nicht nur der Landes-, sondern auch der Bundesregierung danken, dass sie, wenn auch reichlich spät, auf Druck der Sozialdemokratie

(Zurufe von der CDU: Oh!)

jetzt doch für zwei Jahre 1 Milliarde € bereitgestellt hat, um tatsächlich Flüchtlinge und die Kommunen in unserem Land zu unterstützen.