3,2 Milliarden € sind die Summen – sowohl die Summe der Verschuldung des Nachtragshaushalts als auch die Summe, die uns nach den Berechnungen von McKinsey mehr zur Verfügung stände, wenn wir das gleiche Wachstum wie Bayern hätten. Was könnten Sie, was könnten wir alle mit dem Geld machen, das allein für die Zinsen erspart würde?
Deswegen ist die Debatte richtig und wichtig. Sie findet allerdings nicht nur heute vor leeren Rängen statt, sondern findet auch ansonsten offensichtlich innerparteilich statt. Nach außen hin wird gemauert, wie der Kollege Eiskirch es gemacht hat. Dieses Land hätte aber einen Diskurs, eine Debatte und gerne auch Streit über die Frage verdient, wie eine neue Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen aussehen kann.
Es ist ein bisschen wie beim Fußballspiel: Die Opposition läuft sich warm. Der Schiedsrichter guckt nervös auf die Uhr. Rot-Grün ist aber gar nicht erst
angetreten und verweist auf Folgendes: Wir stehen doch ganz oben. Wir sind doch überall top. Wir brauchen doch gar nichts zu tun. – 50.000 Leute im Stadion pfeifen und lachen sich kaputt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie halten die Tabelle falsch herum.
Dann wird immer irgendein Indikator herausgekramt, bei dem man toll ist. Kollege Eiskirch hat gerade gesagt: Wir sind ganz toll bei den Direktinvestitionen. – Das ist so ähnlich wie die Aussage, wir hätten die meisten DAX-Unternehmen und die meisten Bundesligamannschaften. Wenn man das größte Bundesland ist und die Summe in Euro oder Dollar nimmt, mag das stimmen. Legt man sie pro Kopf um, liegt Hessen schon vor uns. Vor zehn Jahren hatten wir noch 36 % Vorsprung auf Bayern. Jetzt sind die Bayern kurz davor, uns einzuholen. Sie liegen nur noch 5 % hinter uns. Selbst da, selbst bei dem einen Indikator, von dem Sie glauben, Sie hätten etwas gefunden, wo Sie vorne sind, sind Sie bei genauer Betrachtung wieder bestenfalls auf Platz 2 – und auch das nicht mehr lange.
Deshalb ist die große Frage: Was kann man tun, damit nicht nur Namensartikel geschrieben werden und innerparteilich etwas ergänzt wird? Ich habe Verständnis dafür: In der Vergangenheit gab es in der SPD-Wirtschaftspolitik ein bisschen viel Schwesig, ein bisschen viel Nahles. Jetzt haben beide koalitionstragenden Fraktionen im Bundestag ihre Hausarbeiten zu machen. Aber die Frage ist: Was tun wir hier? Wo war der Einsatz für mehr Breitbandausbau in den Diskussionen um die Partnerschaftsvereinbarung mit der EU?
Man war sich einig, dass man das Geld für die Zukunftsinvestition nicht wollte und hat gehofft, es würde in dem bürokratischen Verfahren schon niemandem auffallen.
Am 25. Januar, Herr Minister, haben Sie die rhetorische Frage gestellt: Wie lange wollen wir uns eigentlich noch für das Tariftreue- und Vergabegesetz kritisieren lassen? Jetzt bekommen Sie die Steilvorlage, dass Teile des Gesetzes rechtswidrig sind. Und dann sagen Sie: Wir ziehen die Evaluierung vor.
Was muss man da noch evaluieren, wenn Teile des Gesetzes rechtswidrig sind, frage ich Sie. Da gibt es nichts mehr zu evaluieren.
Im nächsten Jahr geben Sie dann 425.000 € für die Evaluierung des Tariftreue- und Vergabegesetzes aus. Für das Topthema der Regierung in der Wirtschaftspolitik – letzte Sitzung Wirtschaftsausschuss –, nämlich Digitalisierung, haben Sie
150.000 € in den Haushalt eingestellt. Das ist der Unterschied zwischen Reden und Handeln, zwischen Namensartikel und Haushaltsplan.
Ich will gar nicht weiter auf den Landesentwicklungsplan, auf flächendeckende Gewerbesteuererhöhungen durch das Gemeindefinanzierungsgesetz, auf die gutachterliche Prüfung eines Kohleverstromungsverbots im Rahmen des Klimaschutzplans eingehen. All das ist die Realität, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Da können Sie noch viele schöne Namensartikel in ehrenwerten Zeitungen schreiben, das bringt das Land nicht einen Schritt voran. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist nicht nur einer der Anträge, mit denen uns die FDP immer gerne auf ihre ideologische Rüttelstrecke mitnimmt, es ist auch ein Antrag, der in seltener Weise substanzlos ist und lediglich davon zeugt, dass die Pressestelle der FDP besetzt ist und ihre Arbeit macht.
Denn worum geht es? – Es geht darum, sich an dem Namensbeitrag des Ministers abzuarbeiten, der erkennbar auf eine innerparteiliche Auseinandersetzung zielt. – Herr Wüst, das wäre auch der richtige Ort, an dem Sie das noch einmal miteinander austragen könnten. Es geht erkennbar um die Bundesebene und die Frage, wie die Große Koalition miteinander harmoniert, wie sich die Parteien, die die Große Koalition tragen, auseinandersetzen und ihre Richtungsdebatte miteinander führen. Innerparteiliche Auseinandersetzungen kennt man häufiger von Parteien, auch dass die Richtungen miteinander streiten und es Kursdebatten gibt.
So weit die Parteiarbeit. Aber was hat der Landtag von Nordrhein-Westfalen eigentlich damit zu tun? Das ist die Frage an der Stelle.
Nun kann man die Gelegenheit nutzen und eine grundsätzliche Debatte um Wirtschaftspolitik und die wirtschaftspolitische Ausrichtung des Landes führen. Ich habe wenige Vorschläge gehört, von der FDP keinen Vorschlag. – Herr Brockes, ich habe mir einmal den Spaß gemacht, durchzuzählen, womit sich die FDP wirtschaftspolitisch in den vergangenen zwei Jahren beschäftigt hat: Das war das Ta
riftreue- und Vergabegesetz, das war das Tariftreue- und Vergabegesetz, und das war das Tariftreue- und Vergabegesetz. Und dann war da noch die Auseinandersetzung mit der Studie.
Dann gab es noch drei oder vier weitere Anträge. Aber in der Substanz gab es keinen einzigen Vorschlag, von dem man hätte sagen können: Er ist zwar von der Opposition, aber wir nehmen ihn dankend auf und diskutieren ihn weiter nach vorne.
Ich will Ihnen noch einmal deutlich sagen: Es war noch nicht einmal Ihre Initiative – Herr Wüst hat es eben angesprochen – zu Breitband. – Der Breitbandausbau ist in das operationelle Programm aufgenommen, Herr Wüst. Sie wissen, dass das so ist.
Ihre Kritik hat nichts mit der Realität der Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen zu tun, aber sehr viel mit ideologischen Spiegelfechtereien, die insbesondere die FDP führt.
Was tun wir tatsächlich? – Gucken Sie doch mal in unseren Koalitionsvertrag. Das Land sorgt dafür, dass energieeffiziente Produktionsweisen in Nordrhein-Westfalen vorankommen. Wir sorgen für den Ausbau erneuerbarer Energien. Wir sorgen dafür, dass die Kreislaufwirtschaft in Nordrhein-Westfalen vorankommt. Wir nehmen das Thema „Unternehmensverantwortung“ auf. Wir sorgen für Bildung und Qualifikation, damit Unternehmen auch qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung stehen. Wir unterstützen kleine und mittlere Unternehmen durch unterschiedliche Maßnahmen. Wir fördern das Handwerk in Nordrhein-Westfalen und damit die breite Wertschöpfungsbasis in diesem Land. Ich frage Sie: Wo sind Ihre vorwärtsweisenden Initiativen?
Lassen Sie mich, weil ich mir im Vorhinein den Spaß gemacht habe, die Freiburger Thesen zu lesen, noch in Richtung FDP sagen: Ihre einzige wirtschaftspolitische Antwort ist die Entfesselung des Marktes, Freiheit um der Freiheit willen. – Das ist nicht unsere Vorstellung von Wirtschaftspolitik. Das ist auch nicht unsere Vorstellung von den Grundlinien der Politik. Unsere Vorstellung ist Freiheit in Verantwortung. Da sind wir, glaube ich, wesentlich näher bei den Freiburger Thesen, als es die FDP heute ist.
Ich kann nur aus den Freiburger Thesen zitieren – mit Erlaubnis des Präsidenten –: „Umweltschutz hat Vorrang vor Gewinnstreben und persönlichem Nut
zen.“ – So weit damals die Feststellung der FDP. Davon sind Sie heute meilenweit entfernt. Das ist ein Erbe, das die FDP insgesamt ausgeschlagen hat. Den Preis dafür zahlen Sie. Wir entwickeln entlang dieser Linie die Wirtschaftspolitik und auch die Umweltpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen nach vorne. – Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream! Kaum redet der Wirtschaftsminister mal Tacheles, wird es spannend. Mit einer Art Hauruckrede in Form eines Zeitungsartikels im „Kölner Stadt-Anzeiger“ versucht Minister Duin, die alte Tante SPD aus ihrem wirtschaftspolitischen Tiefschlaf zu holen. Wachstum müsse entfesselt werden, Verbotspolitik und Volkspädagogik gelte es abzuwenden. Zugleich wirft er allerlei Bullshit-BingoBuzzwords aus dem digitalen Bereich in den Raum.
Aber wie die Ruckrede des ehemaligen Bundespräsidenten Herzog wird auch dieser Versuch letztlich versanden. Was bleibt, ist die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Das wird deutlich, wenn man die Worte des Wirtschaftsministers an seinen Taten misst. Wirtschaftsminister Duin möchte, dass Deutschland nicht länger Mittelmaß ist. Er kündigt an, NRW zum digitalen Wachstumsland Nummer eins zu machen. Das klingt toll. Aber worauf warten Sie eigentlich noch? Seit Jahren unterbreiten wir Vorschläge dafür.
Schauen wir einmal in den Haushaltsentwurf des Wirtschaftsministeriums für die Stärkung digitaler Wirtschaft. Raten Sie einmal, in welcher Höhe, in welchem Prozentsatz gemessen am gesamten Wirtschaftshaushalt der Wirtschaftsminister dort Mittel vorgesehen hat. 10 %, 5 % vielleicht 1 %? – Nein, es sind 0,04 %. Und die sollen auch noch primär zur Erzeugung von totem Papier ausgegeben werden. So sieht keine glaubwürdige Prioritätensetzung aus.
Was will der Wirtschaftsminister noch, außer sich in der Nachfolge eines Gerhard Schröder als vorgeblicher Modernisierer der SPD zu empfehlen? – Natürlich schnelles Internet. Doch in der Realität bremsen der Minister und seine Partei dieses Thema im Landtag konsequent aus. Unser Antrag, Breitbandausbau zur Chefsache zu machen, wurde abgelehnt, obwohl in der damaligen Anhörung viele posi
tive Anregungen kamen. Geschlagene anderthalb Jahre nach Einbringung unseres Antrags wurde ein runder Tisch eingesetzt. So geht die alte Tante SPD mit Zukunftsthemen um: Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis. – Viel zu spät, viel zu wenig.
Tacheles redete Herr Minister Duin einzig beim Thema Datenschutz, leider muss man sagen. Denn er schreibt, er wolle Investitionen in digitale Fabriken nicht am Datenschutz scheitern lassen. An dieser Stelle wird klar, wie Wirtschaftswachstum geschaffen werden soll: durch die Absenkung von Datenschutzstandards. Willkommen in der Welt von Google, Facebook und Co., Herr Minister. Aber nicht mit uns!
Wie es besser geht, zeigen unsere Anträge. Schauen Sie in unseren Antrag zur digitalen Agenda, Herr Minister. Wenn Ihre Partei auch nur die Hälfte der Forderungen mittragen würde, wären wir ein ganzes Stück weiter. Davon würden Bürger und Wirtschaft in NRW wirklich profitieren. Natürlich bietet die Digitalisierung Chancen für unsere Wirtschaft. Ich warne aber davor, sich von einer naiven WachstumsEntfesselungs-Rhetorik des Wirtschaftsminister und seiner FDP-Vorbilder beeindrucken zu lassen.
Was wir Piraten wollen, ist ein gesellschaftlicher Aufbruch und keine New-Economy-Blase. Entfesselte Märkte und ewiges Wachstum sind nicht die Lösung. Wir brauchen ein gesundes Verhältnis zwischen Mensch und Markt, eine Nachhaltigkeit ohne ewiges Wachstum, eine Demokratisierung der Wirtschaft und eine Stärkung des Gemeingedankens.