Frau Kollegin Beer, es gibt eine weitere Zwischenfrage, dieses Mal des Kollegen Herter. Würden Sie die zulassen?
Frau Kollegin Beer, herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Können Sie sich entsinnen, dass es meine persönliche Einladung in Anwesenheit der Piraten während der Hauptausschusssitzung war, sich an diesem Gesetzentwurf zu beteiligen? Und können Sie auch nachvollziehen, dass der Parlamentarische Ge
schäftsführer der Piraten eine entsprechende Mail bekommen hat, die er mit dem Hinweis „Wir haben zwar nichts dagegen, aber wir können es nicht mittragen“ beantwortet hat?
Ja. Das kann ich uneingeschränkt mit Ja beantworten. Der Änderungsantrag ist rübergegeben worden. Wir hatten eine mündliche Einladung bereits ausgesprochen. Sie haben das persönlich gemacht, Herr Herter, und wir haben auch hier am Rednerpult mehrfach betont, dass wir gerne möchten, dass das breit getragen ist.
Nach dem, wie der Gesetzentwurf der Piraten beurteilt worden ist – auch in der Anhörung –, wäre es sicherlich wünschenswert gewesen, sich noch mal zusammenzusetzen. Die Initiative ist von den Piraten dann nicht aufgenommen worden.
Ich will eines noch mal betonen, und zwar den Hinweis darauf, welche Erfahrungswerte wir haben. Die Mandatszeit im Landtag dauert im Schnitt zehn Jahre. Und es gibt ein Leben vor dem Mandat und in der Regel auch ein Berufsleben nach dem Mandat. Deswegen muss Berufstätigkeit gewährleistet sein: damit man wieder anschlussfähig ist. Denn in der Tat haben nicht alle von uns einen freigehaltenen Arbeitsplatz, zum Beispiel weil sie aus einem Beamtenverhältnis oder aus anderen Zusammenhängen kommen. Freiberuflerinnen, Unternehmerinnen, alle, die in diesem Parlament versammelt sind: In dieser Breite wollen wir zusammen sein, in dieser Breite setzen wir ein Zeichen für mehr Transparenz.
Und wir sind damit – da stimme ich dem Kollegen Herter uneingeschränkt zu – in der Bundesrepublik bei der Reform des Abgeordnetengesetzes auch weiter an der Spitze, nicht nur in der Frage, wie die Abgeordnetenbezüge geregelt werden, sondern jetzt auch bei der Transparenz.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Übernahme der bisher in den Verhaltensregeln des Parlaments kodifizierten Anzeige- und Veröffentlichungspflichten in das Abgeordnetengesetz und der Erweiterung dieser Vorschriften unternimmt der Landtag Nordrhein
Westfalen einen Schritt in Richtung einer höheren Transparenz der Nebentätigkeiten von Abgeordneten.
Die Regelungen des Änderungsgesetzes – wie auch von den vier Fraktionen, deren Vertreter hier gerade schon gesprochen haben, vorgetragen – sind auch aus Sicht der Sachverständigen so aus
gewogen, dass die Abgeordneten eine berufliche Tätigkeit in Einklang mit der Wahrnehmung des Mandats im Parlament bringen können.
Für die FDP-Fraktion war in der ganzen Beratung wichtig, dass wir ein offenes Parlament sind und bleiben, in dem sich Menschen aus allen Berufsgruppen unserer Gesellschaft engagieren können und für das sie kandidieren können, ohne damit ihre berufliche Existenz aufs Spiel zu setzen.
Wichtig war für uns auch, dass die Transparenzregeln das freie Mandat nicht einschränken und dass wir in den Gesetzestext ausdrücklich die Klarstellung mitaufgenommen haben, dass eine Tätigkeit im Beruf und andere Nebentätigkeiten neben dem Mandat zulässig sind und bleiben.
Meine Damen und Herren, Interessenkonflikte entstehen nicht aus einer Berufstätigkeit oder einer Nebentätigkeit per se, sondern durch eine etwaige Verknüpfung der aus dieser Tätigkeit folgenden Interessen mit der Wahrnehmung des Mandats. Und um derartige Verknüpfungen zu vermeiden, die sich zum Beispiel aus ausufernden hohen Honorarzahlungen ergeben könnten, schreibt das Gesetz zukünftig vor, dass die Erträge aus solchen Betätigungen anzuzeigen und vom Präsidium zu veröffentlichen sind. Wichtig ist mir dabei, dass nicht die Nebentätigkeit als solche das Übel darstellt und Transparenz erwarten lässt, sondern eine möglicherweise daraus entstehende Interessenkollision.
Der Gesetzentwurf der Piraten hat nicht nur manifeste verfassungsrechtliche Bedenken bei den Sachverständigen hervorgerufen, sondern hat auch sehr deutlich gemacht, dass ihm ein Verständnis zugrunde liegt, wonach Abgeordneten jegliche berufliche und andere Nebentätigkeit neben dem Mandat mehr oder weniger faktisch untersagt werden soll. Das entspricht aber nicht unserem Verständnis von einem freien Mandat, weil wir eben nicht den Funktionärsabgeordneten wollen, sondern freie Abgeordnete, die in der Gesellschaft verankert sind.
Gleichwohl – darauf ist auch hinzuweisen – haben wir einen Aspekt in diesem Gesetz noch nicht geregelt und werden ihn vielleicht auch niemals regeln können: Keinem – oder mir zumindest noch nicht – ist bis jetzt eingefallen, wie man zum Beispiel den ideellen Konflikt mit Blick auf Entscheidungen eines Abgeordneten im Parlament wird gesetzlich regeln können. Dieser Konflikt ist häufiger – das ist in der Anhörung durch die Sachverständigen deutlich unterstrichen worden – vielleicht noch wesentlich größer als bei materiellen oder finanziellen Konfliktlinien.
Jeder von uns ist aber vor dem Hintergrund seiner Wertvorstellungen und seiner wertegebundenen Ziele auch Mitglied in diesem Parlament und bringt diese ideellen Hintergründe in die Arbeit ein, wie wir diese Gesellschaft voranbringen wollen.
Wunschbild, ebenso wenig wie Transparenz ein Selbstzweck ist. Nicht die Transparenz ist entscheidend, sondern die Gewährleistung einer möglichst von inneren und äußeren Konflikten freien eigenverantwortlichen Entscheidung eines jeden Abgeordneten.
Aus unserer Sicht wird diesen Punkten mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der vier Fraktionen inklusive der Änderung Rechnung getragen. Deswegen werden wir ihm auch zustimmen. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Wir diskutieren also abschließend die Änderungen am Abgeordnetengesetz, um damit mehr Transparenz über die Nebeneinkünfte von Abgeordneten zu erhalten.
Wir haben schon seit Längerem auf Gängen, bei informellen Gesprächen und kleinen Treffen in diesem Haus darüber geredet, wie eine solche Regelung eigentlich aussehen könnte. Man kann sich als Abgeordneter aussuchen, seine Nebeneinkünfte offen und frei heraus zu sagen. Man kann aber auch weiterhin versuchen, seine Einkünfte zu verschleiern und zu verstecken.
Ausgelöst wurde das Ganze – ich glaube, ohne Frage – durch die Berichterstattung über die Kapriolen rund um den 25.000-€-Talk des SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück. Da haben wir uns hier getroffen – einmal sogar ganz offiziell – und darüber geredet, was wir ändern könnten. Das war im Oktober 2012. Dann gab es im Januar 2013 ein Hearing der Präsidentin zu diesem Thema.
Daraufhin passierte 16 Monate lang nichts mehr, bis auf immer wiederkehrende Pressemitteilungen – und diesmal werde ich Sie nicht zitieren, Frau Kollegin Beer.
Aber im Grunde haben Sie gesagt, das sei alles total dringend und ultrawichtig, und bald, ja bald, da käme dann irgendwas, da sollten die Leute sich ruhig sicher sein.
Im Mai 2014 haben wir Piraten dann einen Gesetzentwurf vorgelegt. Da war dann Holland in Not: Was bilden sich diese Piraten eigentlich ein, hier so sehr aufs Gaspedal zu treten? Und da stellt sich dieser Marsching doch tatsächlich hierhin und sagt, sein Entwurf solle eine Lokomotive sein. Unglaublich!
Im Hauptausschuss hatten wir im August eine Anhörung zu diesem Thema, und alle Experten haben noch einmal betont, dass es eben keine verfassungsrechtlichen Bedenken gibt, und zwar zu beiden Entwürfen, sowohl zu unserem als auch zu Ihrem.
Und verbieten, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir hier entgegen Ihrer suggestiven Aussagen genau gar nichts.
Wir stehen vor einer politischen Entscheidung. Wir können unsere Nebeneinkünfte transparent machen oder transparenter. Wollen Sie eine Bagatellgrenze, die sich an den Hinzuverdienstgrenzen aus dem SGB orientiert, oder eine fünfmal höhere? Wollen Sie eine kurze Anzeigefrist von einem Monat nach Verdienst oder nur eine Frist, die bis zu anderthalb Jahre Zeit gibt, eine Nebentätigkeit überhaupt anzuzeigen?
Wollen Sie eine Veröffentlichung auf Heller und Pfennig für jeden Hinzuverdienst, oder wollen Sie nur eine Stufenlösung, die nicht nur ein Zurückrechnen von Ihren Einkünften erfordert, sondern den Verdienst auch noch mit dem Wischfinger weichzeichnet und vor allen Dingen vor einem schnellen Einblick verschleiert? Denn seien wir mal ehrlich: Wenn man erst nachschauen muss, welche Stufe eigentlich was bedeutet, das ist keine Transparenz.
Zu guter Letzt: Wollen Sie eine Auflistung der aufgewendeten Zeit und dass die Landtagsarbeit des Abgeordneten wirklich im Mittelpunkt steht, oder ist Ihnen das völlig egal? Ist Ihnen völlig egal, was ein Abgeordneter mit seiner steuerbezahlten Zeit so alles anstellt? Das ist die Entscheidung, die heute hier gefällt wird: „transparent oder transparenter?“.
Am Ende freuen wir uns, dass wir das Thema in die Hand nehmen durften, aber mit dem Ergebnis sind wir nicht zufrieden. Die Menschen wollen wissen, was wir mit unserer Zeit anfangen. Sie wollen uns wieder dahin gehend vertrauen, dass Politik eben kein Selbstbedienungsladen ist und nicht nur ein Sprungbrett zu großen Vortragshonoraren. Sie wollen, dass Politik die Probleme der Menschen löst.
Wir lehnen ein Stufenmodell ab. Wir lehnen hohe Bagatellgrenzen ab. Wir lehnen eine fehlende Mittelpunktregelung ab.
Ich wiederhole das: Man kann sich als Abgeordneter aussuchen, seine Nebeneinkünfte frei heraus offenzulegen, aber auch weiterhin versuchen, die Einkünfte irgendwie zu verschleiern und zu verstecken. – Vielen Dank.
Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Abgeordnete Bernhard Schemmer hat um die Möglichkeit gebeten, nach § 47 der Geschäftsordnung eine Erklärung zur Abstimmung abzugeben. Ich erteile ihm hierzu das Wort und weise darauf hin, dass diese Erklärung nicht länger als drei Minuten dauern darf. – Herr Abgeordneter Schemmer, Sie haben das Wort.
Schönen Dank – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der jetzige Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes greift an einigen Stellen in indiskutabler Form in die Privatsphäre von Abgeordneten ein. In anderen Bereichen bleibt das Informationsbedürfnis der Bürger völlig außen vor. Man kann zum Beispiel dem Abgeordnetenhandbuch nicht einmal entnehmen, welche Berufsausbildung und welche Berufsabschlüsse die einzelnen Abgeordneten haben.
Es gibt keine verbindliche Mitteilung über die Beschäftigung vor Beginn der Abgeordnetentätigkeit. Also: Hat er von Erwerbseinkommen gelebt, oder hat er aus öffentlichen Kassen gelebt? Man weiß es nicht. Hat der Abgeordnete, wenn nicht als abhängig Beschäftigter, in Vereinen oder Verbänden oder Parteien ehrenamtlich gegen Aufwandsentschädigung gearbeitet? Arbeitet er da noch? Wie hoch sind diese Aufwandsentschädigungen? Wichtige Fragen, deren Beantwortung der Transparenz dienen würde. Fehlanzeige.
Natürlich muss auch Transparenz hergestellt werden, welche Tätigkeiten der Abgeordnete neben seinem Mandat wahrnimmt. Während ein Abgeordneter, der Angestellter oder insbesondere Beamter ist, regelmäßig nach dem Ende seiner Abgeordnetentätigkeit in seinen alten Beruf zurückkehren kann, sieht das bei einem Selbstständigen schlicht anders aus. Wird ein Abgeordneter von seiner Partei nicht wieder aufgestellt, in seinem Wahlkreis nicht wiedergewählt, oder zieht die Reserveliste nicht, scheidet er aus. Und was dann?