Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein letzter Satz: Dieses Gesetz wird am 1. Januar 2015 umgesetzt. Ich rufe auch die Einrichtungsträger dazu auf, im Interesse der pflegebedürftigen Personen bei der Umsetzung konstruktiv mitzuarbeiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Obwohl im Saal gerade schon die Harmonie angesprochen wurde, ist es der FDP-Fraktion wichtig – wie wohl auch allen anderen Fraktionen, die gut anderthalb Jahre an diesem Gesetz gearbeitet haben; das darf man nicht vergessen –, dass es bei aller Harmoniefreude und bei aller Liebe zu diesem neuen Gesetz, das wir alle zusammen hingekriegt haben, auch erlaubt sein muss zu sagen: Wir ruhen uns nicht darauf aus, sondern behalten es weiter im Auge und versuchen, die eine oder andere Baustelle noch zu optimieren.
Denn der demografische Wandel in diesem Land stellt unsere Versicherungssysteme, unser Gesundheits- und unser Pflegewesen bekanntermaßen vor immense Herausforderungen. In NordrheinWestfalen sind 500.000 Menschen pflegebedürftig; ihre Zahl wird weiter steigen. Bis 2050 ist nach Expertenmeinung mit einer Verdopplung zu rechnen. Etwa 160.000 Menschen leben landesweit in mehr als 2.300 Pflegeheimen. Sie werden dort gut versorgt – es wird eine gute Pflege geleistet – und bekommen alles, was sie benötigen. Dieses Angebot soll auch in Zukunft erhalten bleiben.
Für die FDP-Landtagsfraktion ist es besonders wichtig, dass die Menschen die Chance haben, in Würde zu altern. Liberal heißt hier, die Freiheit zu haben, sich für eine Pflegeform zu entscheiden. Ob zu Hause, in Pflege-WGs oder im Pflegeheim – für
jeden individuellen Fall die ideale Pflege und der optimale Pflegeort, das muss unser Anspruch sein.
Sicher klingt das Wort „Pflege-WG“ erst mal verlockend. Ein 90-jähriger Patient mit einem schweren Schlaganfall profitiert hiervon sicher nicht. Wir stellen aber auch fest, dass sich die Rahmenbedingungen geändert haben. Die Verweildauer im Heim ist auf durchschnittlich vier bis fünf Monate gesunken. Die Menschen, die in eine stationäre Einrichtung kommen, sind immer älter und haben oft multiple Erkrankungen. Immer mehr Menschen haben den Wunsch, so lange wie möglich in ihrer eigenen Wohnung gepflegt zu werden. Auch darauf müssen Antworten gefunden werden.
Viele Menschen arbeiten bereits heute in der Pflege. Sie leisten täglich eine großartige Arbeit und sorgen dafür, dass in Nordrhein-Westfalen eine gute Pflege für Pflegebedürftige garantiert wird. Auch diese Arbeitsplätze gilt es zu sichern, weiterzuentwickeln und attraktiver zu machen. Zusammen mit der FDP bin ich der Ansicht, dass auch dies in einer solchen Debatte hervorgehoben werden muss.
Ich habe in diesem Jahr viele Pflegeeinrichtungen besucht und Gespräche mit Experten geführt. Die FDP hat sich ein Bild davon gemacht, wo dringender Handlungsbedarf besteht und welche Konsequenzen gezogen werden müssen. In dem nun vorliegenden Gesetz sind Vorgaben gefasst, die zu einer Verbesserung der Betreuung und zu vielfältigen Angeboten für ältere Menschen führen: in Heimen, in WGs und zu Hause.
Wie eingangs erwähnt, wollen Menschen so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Von den derzeit Pflegebedürftigen werden ca. 120.000 in den Familien von Angehörigen und ambulanten Pflegediensten gepflegt. Die Hauptlast der Pflege tragen von daher die Familien und Angehörigen. Die Angehörigen – das wissen wir alle – sind somit der größte Pflegedienst unserer Nation. Sie sind besonders starken Belastungen ausgesetzt. Viele pflegende Angehörige sind nach einer Umfrage körperlich und seelisch überlastet. Fast jeder Zweite gab in der Befragung an, die Aufgaben daheim brächten ihn an den Rand eines Burn-outs.
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen brauchen mehr gezielte Beratung – möglichst bei sich zu Hause –, fachliche Informationen, auch was die finanziellen und rechtlichen Belange betrifft. Wenn pflegende Angehörige beispielsweise keine Schulung erhalten haben, werden pflegerische Handlungen möglicherweise gesundheitsschädigend durchgeführt, und zwar für die zu pflegende Person und den Pflegenden. Zu nennen ist etwa falsches Heben oder Wenden des Pflegebedürftigen.
Pflegende Angehörige brauchen neben den Schulungen auch mal eine Auszeit. Die Kurzzeitpflege ist hier ein sinnvolles Angebot. Die hierfür zur Verfügung stehende Platzzahl bewegt sich heute bei rund 3.500. Aufgrund vertraglicher Vereinbarungen wären bis zu 7.500 Plätze möglich, können aber bereits heute wegen der hohen Auslastung in der vollstationären Pflege nicht vollumfänglich angeboten werden.
In einigen Regionen des Landes sind die Kurzzeitpflegeangebote bereits heute hoffnungslos ausgebucht. So müssen beispielsweise Düsseldorfer Pflegebedürftige für das Leistungsangebot der Kurzzeitpflege immer wieder in die Nachbarstädte oder Nachbarkreise ausweichen. Gerade der Ausbau der Entlastungsangebote für pflegende Angehörige ist daher ein wesentlicher und wichtiger Baustein des neuen Gesetzes.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss noch auf den Aufbau einer kommunalen Altenberichterstattung zu sprechen. Das Altern der Bevölkerung in NordrheinWestfalen ist ein vielschichtiger und gerade auf kommunaler Ebene unterschiedlich verlaufender Prozess. Kleinräumige und differenzierte Daten zu den Lebenslagen und Bedarfen älterer Menschen sind daher eine wichtige Planungsgrundlage.
Der Nutzen und die Notwendigkeit einer kommunalen Altenberichterstattung muss aber deutlich gemacht werden. Eine aussagekräftige kommunale Altenberichterstattung und eine darauf basierende Altenplanung sind wichtig für unsere Städte und Gemeinden. Die geplante Arbeitshilfe kann die Qualität der Arbeit vor Ort fördern und zu mehr Anerkennung des Handlungsfeldes Altenhilfe und Seniorenarbeit insgesamt beitragen.
Für die Entwicklung einer Altenberichterstattung aber ist die Partizipation alter Menschen unabdingbar, um eine positive Wirkung zu entfalten. Daher ist die Thematisierung und Diskussion von Partizipation als Bedingung und zugleich Bestandteil der Altenberichterstattung geboten.
Das GEPA NRW hat durch die Auswertung der Sachverständigenanhörung und die Arbeit und Diskussion in den Ausschüssen eine Vielzahl von Verbesserungen erfahren. Von daher stimmt die FDP-Fraktion diesem Gesetz zu.
Ich möchte es ebenfalls nicht versäumen, mich zu bedanken – auch im Namen meiner FDP-Fraktion –, und zwar bei all denen, die tagtäglich alte und kranke Menschen pflegen und damit einen wertvollen Dienst in unserer Gesellschaft leisten. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Wegner das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen im Stream und auf der Tribüne! Fangen wir mit dem an, was uns Piraten an diesem Gesetz gefällt, ja, sogar sehr gut gefällt:
Wir finden es wunderbar, dass in Zukunft größere Anstrengungen unternommen werden, die Menschen zu Hause besser zu pflegen und zu versorgen. Diese Anstrengungen sind ja auch seit Langem überfällig, aber nicht, weil damit die Kosten für die Pflege gesenkt werden können, auch nicht, weil dadurch der Bedarf an stationären Einrichtungen sinken wird. Diese Ziele sind mit diesem Gesetz nicht zu erreichen.
Vielmehr wird es möglich sein, die 70 % der Pflegebedürftigen besser zu unterstützen, die heute im häuslichen Umfeld gepflegt werden und denkbar schlechte Versorgungsstrukturen und ungünstige bauliche Voraussetzungen haben.
Hier sind es in erster Linie die Menschen, die aufgrund ihrer Immobilität und Hilfsdürftigkeit zurzeit zu Hause vereinsamen und häufig auch verwahrlosen. Zu sehr vielen Menschen kommt der Pflegedienst: morgens, mittags und abends. – Mehr Kontakt zu anderen Menschen ist nicht möglich, weil die Pflegebedürftigen ihre Wohnungen nicht verlassen können. Daneben bleibt häufig nur der Fernseher. Solange die betroffenen alten Menschen keine Gefahr für sich und andere darstellen, wird ihnen auch heute meist keine Heimnotwendigkeitsbescheinigung ausgestellt. Es ist keine Ausnahme, dass die Menschen solange ambulant gepflegt werden, bis sich der versorgende Krankenpflegedienst komplett überfordert sieht, oft auch trotz der Bedürfnislage der Hilfsbedürftigen nach Kontakt und Teilhabe am Leben.
Wir sind aber bereit anzuerkennen: Menschen mit Gehbehinderung und Menschen ohne versorgende Familie werden die großen Profiteure altersgerechter WGs, Mehrgenerationenhäusern und Quartiersentwicklung sein.
Schon heute werden nur Menschen mit schwersten Erkrankungen in Altenheimen gepflegt. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt zurzeit ca. ein halbes Jahr. Die Kriterien der Heimnotwendigkeit noch weiter zu verschärfen, ist nach Meinung von Fachleuten zweifellos die preiswertere Lösung. Viele Pflegeprobleme lösen sich dann durch das Versterben der Pflegebedürftigen.
Damit sind wir an dem Punkt, der uns Piraten an diesem Gesetz nicht gefällt, genaugenommen: überhaupt nicht gefällt. Es wird nämlich immer wieder damit argumentiert, dass durch die angestrebte Verbesserung der Lebensqualität in der häuslichen
Pflege der Bedarf beziehungsweise die Nachfrage an stationärer Pflege abnehmen wird. – Aber die vorgebrachten gesetzlichen Anstrengungen werden den stationären Bedarf höchstens ein wenig verringern. Eine andere Schlussfolgerung ist – das ist auch die Meinung von Experten – schlichtweg falsch.
Solange die Personengruppe der über 75-Jährigen weiter anwächst, wird auch der Bedarf an stationären Pflegeeinrichtungen weiter ansteigen.
Es ist bekannt, dass derzeit in der stationären Pflege zwischen 70 und 80 % Menschen mit Orientierungsproblemen leben. Diese Menschen können ihren Tagesablauf nicht selbstständig strukturieren. Selbstbestimmung ist dann weniger nützlich als Schutz und vertrauensvolle Pflege.
Die Anzahl der Menschen mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen wächst, und die fachpflegerische Unterstützung wird mit zunehmenden altersbedingten Erkrankungen unverzichtbar. Immer mehr Menschen brauchen aufgrund von Multimorbidität eine 24-stündige intensive fachpflegerische Versorgung.
Die Argumentation stützt sich auf die Ergebnisse einer Umfrage. Dort haben die meisten Menschen angegeben, dass sie lieber zu Hause statt im Heim gepflegt werden möchten. Soweit, so richtig! Die Umfragen dazu zweifeln wir nicht an.
Nur ist die Fragestellung schlicht falsch. Es wurde nicht gefragt: Wie möchten Sie leben, wenn Ihr Partner und Ihre Freunde verstorben sind und Sie niemanden mehr in Ihrer Straße kennen? Oder auch: Wie möchten Sie leben, wenn Sie Angst und Schmerzen an einem normalen Tagesablauf hindern? Und besonders: Wie möchten Sie leben, wenn Sie sich ständig verlaufen und Ihnen alles fremd erscheint? Möchten Sie dann durch die Stadt irren und von der Polizei zurück nach Hause begleitet werden?
Nun zum Umgang mit den Umfrageergebnissen: Mit den Gesetzen wird der Bevölkerung suggeriert, dass man sich an ihren Wünschen aus den Umfragen orientiert. – An ihren Wünschen schon, aber nicht an ihren Pflegebedürfnissen. Natürlich möchte jeder Mensch lieber zu Hause gepflegt werden. Es fällt ja auch mehr als schwer, sich vorzustellen, dass man sich in einer Lebenslage befinden könnte, in der das Leben in einem Heim würdevoller als das Leben zu Hause ist.
Doch die Aussage hinter dem Gesetz lautet: Wir lassen weniger Pflegeheime bauen, weil ihr sie ja gar nicht wollt! Weiterhin wird gesagt: Wenn wir mit diesem Gesetz die Qualität der häuslichen Pflege verbessern, braucht man keine Heimnotwendigkeit mehr.
Schlimmer noch: Sie spielen mit den Ängsten der Menschen. An diesem Punkt stellen wir Piraten uns die Frage: Können wir diesem Gesetz unter diesen Umständen zustimmen? – Wir möchten eben nicht mittragen, dass mit diesem Gesetz unrealistische Hoffnungen geweckt werden, die mit der derzeitigen Teilkaskoversicherung – das ist die Pflegeversicherung, wie Sie wissen – nicht umgesetzt werden können.
Im Klartext führt das Gesetz dazu, dass die stationären Pflegeplätze so knapp werden, dass sie für die vielen kranken Menschen, die eine Rundumversorgung brauchen, nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen werden. Das planen Sie aufgrund Ihrer Umfrage, also angeblich auf Wunsch der zukünftigen Pflegebedürftigen.
Aufgrund dieses Täuschungsversuchs treten wir Ihrer Suggestion entgegen. Wir Piraten treten weiter für den realen Bedarf in der Pflege ein.
Deswegen empfehle ich meiner Fraktion, sich bei den Abstimmungen zu diesem Gesetz zu enthalten. Dem Änderungsantrag werden wir als Mitantragsteller natürlich zustimmen, weil er aus unserer Sicht einige wichtige Verbesserungen enthält. Ohne diese Verbesserungen hätte ich meiner Fraktion empfohlen, dem Gesetz nicht zuzustimmen.
Ganz zum Schluss möchte ich mich allerdings auch noch einmal mit meinem Dank an alle Ausschussmitglieder und Mitarbeiter richten. Die Zusammenarbeit war wirklich gut, auch wenn wir uns nicht unbedingt mit unseren Vorstellungen so durchsetzen konnten, dass wir dem Gesetz zustimmen können. Trotzdem ist zu sagen: Die Zusammenarbeit bei diesem Gesetz – vor allen Dingen bei den Änderungsanträgen – war im Ausschuss vorbildlich. – Vielen Dank!