Protocol of the Session on September 10, 2014

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/6193 an den Innenausschuss. Ist jemand dagegen oder enthält sich? – Beides ist nicht der Fall. Dann haben wir auch hier an den Innenausschuss überwiesen.

Ich rufe auf:

7 Siebtes Gesetz zur Änderung der gesetzli

chen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales sowie zur Änderung weiterer Gesetze

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/6194

erste Lesung

Auch diese Einbringungsrede von Herrn Minister Jäger wird zu Protokoll gegeben. (Siehe Anlage 3) Da auch hier keine Aussprache vorgesehen ist, kommen wir direkt zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs 16/6194 an den Innenausschuss. Jemand dagegen? – Enthaltungen? – Nein. Dann haben wir auch das an den Innenausschuss überwiesen.

Ich rufe auf:

8 Regelung der Verleihung von Körperschafts

rechten an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (Körperschaftsstatusgesetz)

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion der FDP und

der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/4151

Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags Drucksache 16/6765

Änderungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/6753

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses Drucksache 16/6708

zweite Lesung

Ich möchte Ihnen gerne mitteilen, dass die Fraktion der Piraten, ursprünglich eine der fünf Antragstellerinnen dieses Gesetzentwurfes, ihre Antragstellung mit Schreiben vom 9. September zurückgenommen hat und nicht mehr als Antragstellerin dieses Gesetzentwurfes auftreten möchte.

Nach § 84 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung ist, da bereits der Fachausschuss berichtet hat, eine solche Rücknahme nur zulässig, wenn kein Mitglied des Landtags widerspricht. Deshalb frage ich, ob jemand widersprechen möchte. – Das ist nicht der Fall. Da kein Mitglied des Landtags der Rücknahme der Antragstellung durch die Piratenfraktion widersprochen hat, ist diese zulässig, und es wird veranlasst, dass durch eine Unterrichtung mitgeteilt wird, dass die Piraten nicht mehr Antragsteller des Gesetzentwurfes sind.

Damit eröffne ich die Aussprache zur zweiten Lesung und erteile Herrn Kollegen Töns für die SPDFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir führen heute die zweite Lesung des Gesetzentwurfes zur Regelung der Verleihung von Körperschaftsrechten an Religions- und Weltanschauungs-gemeinschaften – kurz: Körperschaftsstatusgesetz – durch. Worum geht es eigentlich in diesem Gesetz? Worum geht es beim Körperschaftsstatus?

Es geht um die Verleihung hoheitlicher Rechte an Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften. Das Interesse an der Verleihung von Körperschaftsrechten ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Es ist zum einen ein Stück Integration der Zugewanderten in unser Land, zum anderen der zunehmenden Pluralität der Glaubensgemeinschaften in unserer Gesellschaft geschuldet.

Bisher sind die Verleihungen nicht durch Gesetz geregelt. Verwaltungsgerichte haben in den letzten Jahren Entscheidungen getroffen. Wir wollen dies aber nun ändern. Wir wollen es nicht den Gerichten überlassen, zu entscheiden, ob Statusrechte verlie

hen werden oder nicht. Wir wollen gesetzlich regeln, wann und wie Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Religionsgemeinschaften verliehen werden können. Wir regeln aber auch – und das muss dazugesagt werden – den möglichen Entzug von Statusrechten. Das ist erstmalig der Fall, und es ist, glaube ich, auch richtig, dass wir das tun. Denn wir wollen es nicht den Gerichten überlassen, dieses zu entscheiden.

Wir bestimmen aber nicht – und das ist ein ganz entscheidender Punkt –, was eine Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft ist. Das ist nicht unsere Aufgabe. Das ist nicht Aufgabe des Parlaments und auch nicht Aufgabe des Staates.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dieses Gesetz wird – davon bin ich überzeugt – ein Fingerzeig für andere Bundesländer sein. Ich weiß, dass sie uns schon jetzt bei diesem Gesetzentwurf über die Schulter schauen und gespannt sind, wie wir das regeln. Das ist auch einmalig in der Bundesrepublik.

Was man auch herausstellen sollte und politisch richtig ist, ist insbesondere die mögliche Befassung des Landtags bei der Verleihung, die bei diesem Gesetz vorgesehen ist. Das ist politisch so gewollt, aber es ist eine Kann-Vorschrift, was so viel heißt, dass zum einen die Landesregierung den Landtag damit beschäftigten kann, wenn sie es für richtig hält. Zum anderen hat auch der Landtag die Chance, zu sagen: Wir wollen dieses Verfahren an uns heranziehen, wir wollen darüber reden und debattieren.

Das ist meiner Meinung nach ein ganz wichtiger Punkt. Denn wir müssen bei diesen Verleihungen, die in den nächsten Jahren vorzunehmen sind, versuchen, einen breiten Konsens herzustellen. Diesen breiten Konsens hatten wir damals bei der Einbringung durch fünf Fraktionen. Wir hatten bei der Beratung und bei der Verabschiedung einen breiten Konsens; jetzt ist dieser zumindest bei vier Fraktionen im Landtag gegeben. Ich sage an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für die Mitarbeit und Arbeit aller Kolleginnen und Kollegen

(Angela Freimuth [FDP]: Die fünfte hat sich enthalten!)

auch der Fraktion, die jetzt nicht mehr dabei ist. Ich sage trotzdem herzlichen Dank. Denn es war eine offene und gute Zusammenarbeit, die noch einmal gezeigt hat, dass dieses Parlament auch dann sehr leistungsfähig ist, wenn es um eine gesellschaftliche Frage geht, über die wir grundsätzlich entscheiden müssen. Dann zerstreiten wir uns nicht in den verschiedenen Fraktionen, sondern wir gehen aufeinander zu und machen das gemeinsam. Insofern ist es, ohne es an dieser Stelle zu überhöhen, eine Sternstunde des Parlaments, wenn wir diesen Gesetzentwurf heute verabschieden.

Dem Änderungsantrag der Piraten werden wir nicht zustimmen, weil er aus unserer Sicht inhaltlich falsch ist und auch nicht unseren politischen Überzeugungen entspricht.

Nichtsdestotrotz werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen. Wir werden uns heute nicht zum letzten Mal mit Körperschaftsstatusrechten beschäftigt haben. Denn dieses Gesetz sagt, dass wir es auch zukünftig tun werden. Ich glaube, das ist der richtige Weg, um dieses Thema in unserer Gesellschaft zu verankern. – Ein herzliches Glückauf.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Prof. Dr. Dr. Sternberg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Land Nordrhein-Westfalen ist das Land der religiösen Vielfalt. Nachgewiesen ist das durch ein Projekt, das unter dem Titel „Bochumer Pluralismus-Projekt“ von 2005 bis 2008 lief, seinerzeit angestoßen von dem Integrationsbeauftragten der damaligen Landesregierung, dem Kollegen Thomas Kufen.

Dort kann man nachlesen, dass es in NordrheinWestfalen weit mehr als 228 verschiedene Ströme in Christentum, Judentum, Islam, asiatischen Religionen und religionsnahen Gruppierungen gibt – alle außerhalb der großen Kirchen. Allein 200 buddhistische und 22 hinduistische Gemeinschaften existieren in Nordrhein-Westfalen. Die höchste Dichte herrscht übrigens im Ruhrgebiet und an der Rheinschiene. Da gibt es im Schnitt mehr als eine religiöse Organisation pro Quadratkilometer.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Wie geht man damit um, wenn solche Gruppen und Gruppierungen den Status einer öffentlich

rechtlichen Körperschaft haben wollen? Auf der Agenda steht ein entsprechendes Gesetz mindestens seit dem 4. März 2005, als das Bundesverfassungsgericht den Zeugen Jehovas die Voraussetzung für die Erlangung des Charakters einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft anerkannt hat. In Nordrhein-Westfalen erging zudem im vergangenen Jahr ein Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg, das dem Land aufgab, den Hindu-Tempel in HammUentrop als Körperschaft anzuerkennen.

Es ist durchaus nicht eindeutig, wann es sich um eine Religionsgemeinschaft handelt. Wichtig ist, dass die Religionsausübung und die Pflege der Weltanschauung Hauptzweck sein müssen. Es darf nicht primär um Politik oder die Pflege ethnischer Geselligkeit gehen. Es darf sich auch nicht um eine wirtschaftliche Tarnorganisation handeln.

Wenn man die Frage der Anerkennung von Glaubensgemeinschaften nach Art. 140 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 137 Weimarer Reichsverfassung nicht den Gerichten überlassen will, ist der Landesgesetzgeber gefordert. Dann geht es nicht nur um allgemeine Regeln für die Grundlagen der Anerkennung, der Verleihung und des Entzugs des Status. Es geht darum, über den verfassungsrechtlichen Rahmen des Grundgesetzes hinaus Regelungen zu formulieren. Das ist nicht nur möglich, sondern auch geboten. – Dies als Anmerkung zum zweiten Passus des Antrags der Piraten.

Nun sind wir heute in der zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs. Wir haben ihn fraktionsübergreifend vorgelegt. In solchen religionspolitischen Fragen gibt es traditionell keine politischen Auseinandersetzungen. Das ist auch gut so. Es gab eine gute Zusammenarbeit.

Wir hatten eine sehr aufschlussreiche und gute Anhörung, aus deren Erkenntnissen Veränderungen hervorgegangen sind. Zudem haben wir mit Verbänden und Organisationen gesprochen. Wir haben mit den muslimischen Organisationen und anderen diskutiert.

Die Voraussetzungen sind konkretisiert worden. So ist bezüglich der Dauerhaftigkeit der Organisationen jetzt davon die Rede, dass sie „generationenübergreifend bestehen sollen und zur Ausübung der ihnen mit der Verleihung übertragenen Rechte im Stande sein müssen“.

Die Mitgliedschaft ist in geeigneter Weise nachzuweisen.

Die Rechtstreue ist als unklarer Begriff auslegungsbedürftig. Zunächst war die Erläuterung dieses Begriffs nur in der Begründung vorgesehen. Jetzt wird sie auch im Gesetzestext stehen. Die Rechtstreue muss sich in der Satzung und im tatsächlichen Verhalten ausdrücken. Das heißt natürlich nicht, dass ein einzelnes Mitglied ständig rechtstreu sein muss. Die Gemeinschaft muss aber die Grundprinzipien des freiheitlichen Staates achten und respektieren.

Der mögliche Entzug der Eigenschaft bezieht sich auf die Insolvenz einer solchen Körperschaft. In diesem Zusammenhang gibt es leidvolle Erfahrungen aus Bayern, wo man allerdings auch Untergliederungen der großen Kirche Körperschaftsrechte zugesprochen hatte.

Strittig ist unter anderem die Verleihung durch das Parlament geblieben. Wenn das Parlament künftig den Abschluss eines rechtlichen Prüfungsverfahrens feststellt, ist das keine Einschränkung, sondern unterstreicht die hohe Bedeutung, die die Verleihung von Körperschaftsrechten hat.

Diskussionen gab es auch um den Bestandsschutz der bestehenden Körperschaften, insbesondere der Kirchen und der jüdischen Kultusgemeinden. Für die jüdischen Gemeinden wird das noch einmal im

Änderungsblatt verdeutlicht. Die nationalsozialistischen Maßnahmen waren unwirksam. Wir halten den Bestandsschutz angesichts der Bedeutung der Kirchen und des Judentums für die Geschichte und die Kultur des Landes, für die Grundlegung der Verfassung und für die Gegenwart für eine Selbstverständlichkeit.