Protocol of the Session on September 10, 2014

(Beifall von der FDP und der CDU)

Herr Kollege Jäger, da Sie sich gerade so angeregt mit Herrn Körfges unterhalten: Ich habe noch ein schönes Zitat von Ihnen. Und zwar haben Sie im Februar 2011 hier im Landtag – das will ich Ihnen gerne vorhalten; Sie können den Satz gerne noch einmal hören; es war ein kluger Satz, den Sie da ausgesprochen haben – gesagt:

„Aber unser gemeinsames Interesse muss sein – ich hoffe, dass wir uns darin in den nächsten Wochen bei aller Schärfe im Rahmen der Haushaltsdebatten nicht auseinanderdividieren lassen –, dass der Bund stärker, als bis jetzt vereinbart, … Verantwortung übernimmt. … Nur so ist es möglich, dass wir in den nächsten Jahren tatsächlich ausgeglichene Haushalte in den nordrhein-westfälischen Kommunen wiederherstellen können.“

Lieber Herr Minister Jäger, Sie sind von ausgeglichenen Haushalten in den nordrhein-westfälischen Kommunen meilenweit entfernt. Gleichzeitig hat Ihre Partei in Berlin – das wissen Sie ganz genau – eine ganz entscheidende Chance verpasst. Sie haben hier in diesem Hause ganz große Reden geschwungen, der Bund müsse etwas tun, er müsse sich bei der Eingliederungshilfe viel stärker engagieren. – Das, was dabei herausgekommen ist, seitdem Sie in Berlin regieren, ist verdammt wenig. Fragen Sie einmal bei den Landschaftsverbänden nach. Die Landesdirektoren sind allesamt Sozialdemokraten. Sie haben sich in Berlin substanziell nicht durchsetzen können. Eine echte Entlastungswirkung wird es in dieser Bundestagswahlperiode nicht geben. Für die Kommunen und die Sozialhaushalte ist das ein schwerer Schlag. Das ist – dies ist ganz klar – Ihre Achillesferse.

(Beifall von der FDP)

Sie müssen – das ist die Schlussfolgerung – sich viel stärker

selbst mit neuen Konzeptionen bei den Kommunalfinanzen in Nordrhein-Westfalen auseinandersetzen. Das ist Ihre Verantwortung. Je weniger wir Wunschbildern folgen, desto eher vermögen wir die Realität zu erkennen. Lieber Herr Jäger, Sie sollten die Realität an der Stelle stärker in den Blick nehmen.

Jetzt, Herr Minister – weil in einer guten Debatte dem Wort immer das Widerwort folgt –, will ich etwas zu Ihrer sogenannten Roten Karte sagen.

Das ist ja auch schon ein starkes Stück. Die FiFoGutachter haben nicht vorgetragen, dass gestaffelte fiktive Hebesätze Nonsens sind. Sie haben ausschließlich vorgetragen, dass nach Abwägung der Argumente die Wahl von differenzierten Hebesätzen nicht dringlich empfohlen werden kann.

Zugleich haben die Gutachter bezüglich der Höhe der fiktiven Hebesätze zur Berücksichtigung der Steuerkraft Folgendes gesagt: Man sollte am besten – eindeutig sind die Werte wissenschaftlich nicht zu bemessen – in den Probeberechnungen zum Reformmodell einen fiktiven Hebesatz zur Gewerbesteuer von 365 und für die Grundsteuer B von 342 ansetzen.

Herr Minister, davon sind Sie aber mit Ihrem GFG meilenweit entfernt. Ich erkenne ausdrücklich an, dass Sie sich mit dem FiFo-Gutachten auseinandergesetzt haben und dass Sie nach langem Zögern auch gewillt sind, bestimmte wissenschaftliche Erkenntnisse zum Gemeindefinanzierungsausgleich zu berücksichtigen.

Die Themen „Zuschussbedarf“, „Mehrjahresbetrachtungen“ und „Auszahlung aus allgemeinen Deckungsmitteln“ haben Sie genannt.

Im Übrigen: Warum soll eigentlich die Gewerbesteuerumlage da nicht berücksichtigt werden?

Das heißt, Sie machen Rosinenpickerei. Das, was Ihnen politisch in den Kram passt, ziehen Sie raus. Das andere lassen Sie weg. Das ist jedenfalls kein komplett seriöses Gemeindefinanzierungsgesetz, was man eigentlich hätte erwarten müssen, was auch die kommunalen Spitzenverbände erwartet hätten.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir können gerne zum Thema „Schüleransatz“, zum Thema „Steuerspirale“ und zu vielen anderen einzelnen auch technischen Details in die Diskussion einsteigen, wenn wir das im Fachausschuss diskutieren. Es gibt eine ganze Reihe von Punkten, über die wir dort ja auch noch mit externem Sachverstand sprechen werden.

Eines möchte ich Ihnen aber, Herr Minister, noch mit auf den Weg geben. Wir haben ja seit etwas mehr als einer Dekade eine segensreiche Einrichtung in diesem Land. Das ist die Gemeindeprüfungsanstalt. Ich gebe Ihnen den dringenden Tipp:

Setzen Sie sich mal mit den Berichten der Gemeindeprüfungsanstalt auseinander!

Vor ungefähr einem Monat gab es einen Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt zu den kleinen kreisangehörigen Kommunen. In dem Bericht heißt es: Die höhere Gewichtung des Soziallastenansatzes im GFG hat für die überwiegend ländlich geprägten kleinen Kommunen zu einem erkennbaren Rückgang der Schlüsselzuweisungen geführt. – Damit war in der Betrachtung das GFG 2011 gemeint.

Das haben Sie ja noch verschlimmbessert. Seither ist viel Zeit vergangen. Es ist noch viel mehr Geld umverteilt worden bei einer Gesamtgemengelage, die unangenehm wird auch für die Kommunen, die derzeit eigentlich noch halbwegs mit ihren Haushalten hinkommen.

Das GFG 2015 verdient eigentlich kein Lob. Es ist nicht besser als das GFG der Jahre vorher.

Die Teilumsetzung aus dem FiFo-Gutachten ist aus unserer Sicht inkonsequent. Wenn die Steuereinnahmen in den kommenden Jahren mal stagnieren oder zurückgehen sollten, dann werden Sie erleben, was diese Umverteilungspolitik für Konsequenzen mit sich bringt. Viele Kommunen werden das bitter spüren.

Deswegen können wir Sie dabei nicht unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Abruszat. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Krüger das Wort.

Meine Damen! Meine Herren! Herr Präsident! Lassen Sie mich erst einmal auf das eingehen, was gerade von Herrn Abruszat vorgetragen worden ist, nämlich auf das Thema „Vergangenheitsbewältigung“. Herr Minister Jäger hat in diesem Zusammenhang ausgeführt: Ich will nicht auf die Jahre 2005 bis 2010 schauen. – Nur nach dem, was Herr Nettelstroth in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, konnte man gar nicht anders verfahren als hier verfahren worden ist, als Ihnen den Spiegel vorzuhalten, was an Veränderungen hinsichtlich der kommunalen Finanzausstattung vorgenommen worden ist.

Es ist Fakt, dass in Ihrer Regierungszeit durch das Vorenthalten von entsprechenden Steuereinnahmen und der Einspeisung in das Gemeindefinanzierungsgesetz den Kommunen rund 3,5 Milliarden € entgangen sind. Es ist Fakt, dass sich in Ihrer Regierungszeit die Kassenkredite von 10 auf 20 Milliarden € verdoppelt haben. Das muss man sich, wenn man sich zum Anwalt der Kommunen auf

spielt, auch immer wieder sagen lassen, auch wenn man das möglicherweise nicht hören möchte.

Herr Abruszat, Sie sprechen von der mangelnden Finanzausstattung der Kommunen und sagen, 9,61 Milliarden € seien viel zu wenig. Sie haben in diesem Zusammenhang an das Bundesteilhabegesetz bzw. die Eingliederungshilfe erinnert und an die entsprechenden Vereinbarungen, die getroffen worden sind. Da teile ich Ihre Einschätzung. Absehbar vor 2018 wird es diese entsprechende Entlastung nicht geben.

Ich habe aber auch nicht den Glauben, dass wir bei einer Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition statt der Großen Koalition mit der FDP einen Anwalt gehabt hätten, der relativ zügig und schleunigst ein Bundesteilhabegesetz eingesetzt hätte mit einer Entlastungswirkung von 5 Milliarden €.

(Zuruf von Kai Abruszat [FDP])

Ich habe noch – dann sind wir beim Thema „Gewerbesteuer“ und deren Entwicklung bezogen auf die Hebesätze – die Diskussion zum Thema „Gewerbesteuerreform“ sehr gut in Erinnerung. Sie haben diese Einnahmequelle abschaffen wollen. Sie waren nicht bereit, Herr Abruszat – das gilt auch für die CDU –, durch eine größere Verbreiterung der Einbeziehung von Freiberuflern, von Architekten, von Ingenieuren, von Ärzten, von Anwälten etc. hier eine größere Bemessungssituation zu haben. Dazu waren Sie nicht bereit.

Hätten wir das damals gehabt, dann würden wir uns wahrscheinlich über die Höhe der Hebesätze und deren Steigerungsraten nicht mehr unterhalten, die wir zum heutigen Zeitpunkt haben.

Dass diese uns nicht gefallen, das ist klar. Aber schauen Sie sich mal die Situation in den einzelnen Städten an! Beispielsweise Wuppertal: Minus 25 Millionen im Zusammenhang mit Steuergestaltungsmodellen. Essen verliert in diesem Zusammenhang entsprechende Einnahmen, die kalkuliert worden sind. Dann bleibt den Kommunen bezogen auf die Frage, wie sie ihre Einnahmesituation gestalten können, gar nichts anderes übrig als die Hebesätze anzuheben.

Wir nehmen mittlerweile die Entwicklung wahr – das gilt insbesondere für den Bereich der Stärkungspaktkommunen –, dass trotz angehobener Hebesätze die Gewerbesteuereinnahmen stagnieren. Sie kennen die Hochrechnung, die die kommunalen Spitzenverbände im Juli bezogen auf die Frage, mit welchen GFG-Zuweisungen zu rechnen ist, gemacht haben. Es ist unter anderem ausgeführt worden, wie sich die Gewerbesteuereinnahmen im Land entwickelt haben. Dabei stelle ich fest – das ist besorgniserregend –, dass die Schere zwischen strukturstarken und strukturschwachen Gemeinden bezogen auf die Gewerbesteuereinnahmen immer größer wird bzw. auseinanderklafft.

Ich möchte Ihnen hier ein paar Beispiele nennen: Bochum hat bezogen auf die zweite Jahreshälfte 2013 und die erste Jahreshälfte 2014 Pro-KopfEinnahmen in Höhe von 275 € über die Gewerbesteuer erzielt. Wenn man den mittleren fiktiven Hebesatz zugrunde legen würde, dann wären es nur 238 €. Die Gewerbesteuer-Ist-Einnahmen von Gelsenkirchen liegen bei 191 €. Bei Oberhausen sind es 266 €. Ein letztes Beispiel: Bottrop liegt bei 220 €.

Vergleichen wir das einmal mit anderen Gemeinden: Düsseldorf 1.370 €, Halle in Westfalen 2.360 €, Harsewinkel 1.650 €. Diese Daten beziehen sich alle auf die tatsächlichen Ist-Einnahmen, die in der zweiten Jahreshälfte 2013 und in der ersten Jahreshälfte 2014 erzielt worden sind. Sie machen deutlich, wie groß die Kluft bei den Einnahmen im Bereich der Gewerbesteuer ist.

Insofern ist die Diskussion, inwieweit wir hier zu gestaffelten fiktiven Hebesätzen kommen, die dann auch noch entsprechende Umverteilungseffekte auslösen, völlig kontraproduktiv.

In diesem Zusammenhang würde ich gerne an Ihre Ausführungen anknüpfen, Herr Nettelstroth. Sie hatten den damaligen Verbundsatz mit 28 Punkten – heute sind es 23 Punkte – in Erinnerung gerufen und in diesem Zusammenhang deutlich gemacht, dass das einen Mehraufwand von etwa 2,1 Milliarden € ausmachen würde, der den Kommunen vorenthalten würde. Sie müssen Ihrem Fraktionsvorsitzenden einmal erklären, wie er angesichts der Haushaltssituation des Landes zusätzlich 2,1 Milliarden € aus dem Landeshaushalt herausholen will, um die Gemeinden entsprechend auszustatten. Das ist völlig illusorisch.

Wenn Sie eine solche Zahl in die Welt setzen, sollten Sie auch deutlich machen, dass wir bezogen auf die Frage der diversen Förderprogramme damals eine ganz andere Landschaft gehabt haben als zum heutigen Zeitpunkt. Wir bewegen etwa 30 % der Landesmittel in Richtung kommunale Familien. Das läuft über das GFG sowie die verschiedenen Förderprogramme bzw. andere Maßnahmen.

Zum Thema „Kassenkredite“. Herr Abruszat, ich gehe völlig d’accord mit Ihnen, dass wir mit der Entwicklung nicht zufrieden sind wir. Wir sehen aber auch, dass bezogen auf die Frage der Entwicklung der Kassenkredite die großen Zuwächse insbesondere unter Schwarz-Gelb erheblich abgenommen haben. Der Zuwachs ist nicht mehr der, den wir in früheren Jahren kennengelernt haben, und das ist unter anderem eine der Auswirkungen des Stärkungspaktes.

(Kai Abruszat [FDP]: Und das Zinsniveau!)

Nein, aus dem Stärkungspakt.

Wenn man das Thema „Kassenkredite“ wirksam angehen möchte, greift man auf, was auf der Bun

desebene zu diskutieren ist, und zwar zu der Frage: Wie geht es mit dem Soli weiter? Wie kann eine entsprechende Nachfolgeregelung aussehen?

Wir haben uns dafür eingesetzt, dass ein Entschuldungsfonds initiiert wird, in dem der Bund sozusagen die entsprechenden Situationen übernimmt, und dass die Kommunen über übernommene Zinsen entlastet werden. Das wäre eine kluge Antwort, die der Situation Rechnung trägt, wie mit den steigenden Kassenkrediten umzugehen ist.

Mit dem GFG, das heute eingebracht wird, haben wir eine Finanzsumme von 9,61 Milliarden € zu verteilen. Das ist die höchste Summe, die wir jemals hatten. Es ist eine Kraftanstrengung sondergleichen für das Land, diese Gelder bereitzustellen. Durch den Einbruch der Körperschaftssteuer wird es ohne Zweifel wahrscheinlich etwas weniger werden. Wir wissen aber auch, dass es im Bereich der Grunderwerbssteuer Mehreinnahmen gibt. Schauen wir einmal, wie hoch die Summe letztendlich sein wird. Zum Oktober dieses Jahres werden uns genauere Zahlen vorgelegt.

Das wird von den Gemeinden entsprechend anerkannt. Das ist gut so. Die Befrachtungen, die Sie seinerzeit vorgenommen haben, haben wir komplett herausgenommen. Bei der Grunderwerbssteuer haben wir alles so belassen bzw. diese wieder einbezogen. Allein das macht rund 240 Millionen € aus. Das erkennen die Gemeinden an. Insofern freue ich mich auf die Diskussion, die wir in den Fachausschüssen führen werden, und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Hans-Willi Körfges [SPD])

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Piratenfraktion spricht der Abgeordnete Schulz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal! Ich möchte mit einer Entschuldigung beginnen. Denn in der Grußformel meiner letzten Rede habe ich doch tatsächlich den sitzungsleitenden Präsidenten, Herrn Vizepräsident Uhlenberg, vergessen, was ich zutiefst bedaure. Ich möchte mich an dieser Stelle förmlich dafür entschuldigen und bitte Herrn Präsidenten Dr. Papke, ihm dies zu überbringen. Weil er leider nicht im Saal ist, wird er es im Protokoll lesen können. Das ist umso bedauerlicher, als meine erste Rede hier im Plenum unter der Sitzungsleitung von Herrn Uhlenberg stattgefunden hat und meine letzte Rede, so denn mein Name in den Redeprotokollen aufgeführt worden ist, die einhundertste war.