Protocol of the Session on July 3, 2014

Und die Darstellungen über die Gefährderansprache mit einem bekannten Neonazikader klingen leider so, als hätte man sich auf diese Aussagen berufen.

Solche Formulierungen sind fatal, weil sie das Vertrauen von demokratischen Bürgerinnen und Bürgern in Polizeiarbeit beschädigen, weil sie Fronten aufmachen zwischen Demonstrantinnen und Demonstranten auf der einen und Polizei auf der anderen Seite.

Das eigentlich Erschreckende dieses Berichtes und dieser ganzen Diskussion darüber ist, dass wir in der Diskussion, die wir in den letzten Jahren geführt haben, zurückgeworfen sind, weil es diese Empörung gibt, die zu Recht da ist. Ich meine, wir müssen jetzt wieder nach vorne arbeiten gemeinsam mit der Zivilgesellschaft, weil die Gefahr durch Rechtsextremismus für unsere demokratische Gesellschaft vorhanden ist und wir alles daran setzen müssen, dieses Phänomen zu bekämpfen.

Der Kampf gegen den Rechtsextremismus kann aber nur gemeinsam, kann nur mit Zivilgesellschaft gelingen. Wir können die Polizeiarbeit stärken. Wir können den Verfassungsschutz entsprechend ausrichten. Wir können den Opferschutz stärken – das haben wir auch durch die Beratungsstellen gemacht. Wir können Präventionsmaßnahmen auflegen. Wir können Aussteigerprojekte fördern. Aber demokratische Werte und das tägliche Einstehen für Demokratie, für Rechtsstaatlichkeit muss durch die Bürgerinnen und Bürger, durch uns alle jeden Tag auch gelebt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Gerade in Dortmund haben wir so eine aktive Zivilgesellschaft, die sich am Wahlabend mutig vor das Rathaus in Dortmund gestellt hat.

Die rechtliche Lage ist im Innenausschuss dargestellt worden. Ja, die Neonazis hatten das Recht, an diesem Abend die Wahlparty zu betreten, weil es eine öffentliche Veranstaltung war. Ja, das ist so. Man hätte sich vielleicht im Rathaus früher auch einmal Gedanken darüber machen können, inwie

fern man beispielsweise eine nichtöffentliche Veranstaltung durch die Fraktionen macht, aber das ist etwas anderes.

Klar ist: Die rechtliche Situation ist so, wie ich sie gerade geschildert habe. Natürlich ist es so, dass durch das Hindern am Betreten der Wahlparty der Straftatbestand der Nötigung erfüllt sein kann. Das ist die rechtliche Ebene. Es gibt aber noch eine andere Ebene, es gibt eine politische, es gibt eine moralische Ebene.

(Zurufe von der FDP)

Die politische Ebene ist,

(Weitere Zurufe von der FDP – Unruhe – Glocke)

dass es meiner Meinung nach richtig war, dass sich Menschen schützend vor dieses Rathaus gestellt haben. Ich kann sagen – ich glaube, da spreche ich zumindest für einige Kolleginnen und Kollegen auf der linken Seite des Parlamentes –: Viele von uns hätten sicherlich dasselbe getan, wenn Rechtsextreme versucht hätten, in das Rathaus in der eigenen Heimatstadt hineinzukommen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Ich meine aber auch, dass wir in den letzten Jahren in der Polizeiarbeit im Bereich Rassismus und Rechtsextremismus viel bewegt haben. Es gibt die Sonderkommissionen. Es gibt das Kompetenzzentrum beim LKA. Es gibt die gesonderte Erfassung der Straftaten der Allgemeinkriminalität durch Neonazis. Es gibt die feste Verankerung des Themenkomplexes in der Aus- und Fortbildung.

Jetzt muss es darum gehen, zum einen aus solchen Diskussionen zu lernen, mit der Zivilgesellschaft in Kontakt zu treten und den Bericht nachzubereiten. Aber es muss zum anderen auch darum gehen, die fraktionsübergreifende Beschlussempfehlung des Bundestags-Untersuchungsausschusses zum NSU umzusetzen.

Gerade für diejenigen, die sonst nicht im Innenausschuss sind, sage ich: Wir befinden uns weder am Anfang der Debatte noch am Ende, sondern wir sind eigentlich mittendrin in der Auseinandersetzung darüber, wie Polizeiarbeit besser werden kann, gerade bezogen auf dieses Themenfeld. Daran sollten wir alle als Demokratinnen und Demokraten für die Zukunft anknüpfen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Schäffer. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Jäger.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr ver

ehrten Kolleginnen und Kollegen! In unserer demokratischen Gesellschaft darf kein Platz sein für rechtsextremistische Gewalt oder rechtsextremistische Parolen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Ich setze darauf, dass es in dieser Frage eine Einigkeit in diesem Landtag geben muss. Da darf es keine zwei Meinungen geben.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der CDU)

Ich bin mir ziemlich sicher: Die Diskussion über das, was am 25. Mai in Dortmund geschehen ist, und auch der Streit – das muss man offen sagen –, der darüber geführt wird, dürfen uns von diesem Weg nicht abbringen.

Allerdings, Herr Kruse – ich habe Ihnen sehr genau zugehört –, frage ich mich: Was ist eigentlich Ihre Motivation? Warum beantragen Sie diese Aktuelle Stunde?

(Theo Kruse [CDU]: Habe ich doch erzählt!)

Ich frage Sie: Wollen Sie sich mit uns gemeinsam darüber auseinandersetzen, wie wir Rechtsextremismus in dieser Gesellschaft bekämpfen wollen? Oder wollen Sie politische Geländegewinne erzielen, Herr Kruse?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Diese Frage müssen Sie beantworten. Ich glaube, dass wir in dieser Frage schon längst eine Linie gefunden haben. Ich kann für Sie diese Frage nicht beantworten. Ich finde es gut, wenn Sie das für Ihre Kolleginnen und Kollegen der CDU noch einmal deutlich machen würden.

(Armin Laschet [CDU]: Sagen Sie doch etwas zum Bericht! – Weitere Zurufe)

Wir haben uns letzte Woche im Innenausschuss sehr intensiv, sehr sachlich mit diesen Vorgängen am 25. Mai auseinandergesetzt. Mir ist wichtig, meine Damen und Herren, dass im Nachgang zu dieser Diskussion im Innenausschuss das Parlament eine klare Botschaft in die Öffentlichkeit gesandt hat: Gemeinsam danken wir den acht Polizeibeamtinnen und -beamten,

(Beifall von der SPD und der CDU)

die als erste am Rathaus ankommend einer größeren, einer aggressiven, einer gewalttätigen Gruppe gegenübergestanden haben. Die Acht haben genau das getan, was sie tun sollen: Sie haben nämlich deeskaliert. Sie haben ausufernde Gewalt verhindert. Und sie haben damit im Rahmen dessen, was ihnen möglich war, die Menschen, die vor dem Rathaus standen, zu diesem Zeitpunkt in der Weise, wie sie da waren, geschützt. Verstärkung kam. Die Lage beruhigte sich in kürzester Zeit. Viele Beam

tinnen und Beamte sind an diesem Abend im Einsatz gewesen. Ich danke ihnen ausdrücklich.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der CDU und der FDP – Theo Kruse [CDU]: Wir auch!)

Ich meine, ich habe im Innenausschuss letzte Woche eine klare, auch politische Bewertung dieses Abends vorgenommen.

(Theo Kruse [CDU]: Nein, das haben Sie nicht!)

Ich will an diese Stelle noch einmal ausdrücklich betonen: Ich finde es erschreckend, ich finde es empörend, ich finde es wutemotional nachvollziehend, dass es Rechtsextremen gelingt, mit legalen Mitteln in unsere Parlamente und in unsere Räte einzuziehen. Das ist ein nur schwer zu ertragender Zustand, Herr Kruse.

Ich habe für jeden großes Verständnis, der einen solchen Zustand nicht hinnehmen will, der etwas dagegen tun und das ändern will. Ich kenne – Frau Schäffer hat zu Recht darauf hingewiesen – die besondere Situation in Dortmund. Nirgendwo in Nordrhein-Westfalen haben wir eine so verfestigte, aggressive und gut organisierte neonazistische Szene wie in Dortmund.

Gott sei Dank macht es der Entschließungsantrag von Rot-Grün noch einmal deutlich, dass das nicht erst am 25. Mai aufgetreten ist, sondern dass das eine jahrzehntelange schlimme Tradition in Dortmund hat. Das zu sehen, ist wichtig für diese Diskussion.

Wichtig, um die Diskussion zu verstehen, ist auch, zu erkennen, was das Ziel von Rechtextremisten und Neonazis ist. Sie wollen provozieren, sie wollen verbal Hass schüren. Das tun sie am 1. Mai, am Antikriegstag, den sie für ihre Zwecke mit ihren Aufmärschen missbrauchen. Ich habe für die Wut der Dortmunder über diese Aufmärsche allergrößtes Verständnis, weil es mich selbst auch wütend macht. Deshalb hat der Polizeipräsident lange zu Recht alle rechtlichen Mittel genutzt, diese NeonaziAufmärsche zu verbieten.

(Beifall von der SPD)

Deutsche Gerichte haben anders entschieden. Das müssen wir als Demokraten akzeptieren. Aber wir müssen jedes Mittel, das rechtstaatlich zulässig ist, gegen diese Neonazis nutzen, meine Damen und Herren.

Sich in solchen Situationen wie an dem 25. selbst in den Griff zu haben, besonnen und souverän zu reagieren, fällt schwer. Ich habe den Wahlabend im Rathaus Duisburg verbracht. Vier Mitglieder von PRO NRW und ein Mitglied der NPD haben leider ausreichend Stimmen erzielt, um zukünftig Mitglied im Rat der Stadt Duisburg zu sein. An einem Wahlabend diese Ergebnisse zur Erkenntnis nehmen zu

müssen, während die am Nebentisch feiern, ist emotional für einen Demokraten nur schwer zu ertragen. Deshalb habe ich großes Verständnis für das Entsetzen in Dortmund über den Einzug dieses Rechtsradikalen.

Bei allen ehrlichen, redlichen Motiven muss aber auch eines klar sein: Bei allen Protesten gegen Rechtsextremisten müssen sich Demokraten an demokratische Gesetze halten,

(Allgemeiner Beifall)

weil wir sonst selbst in die Kritik derer geraten.

Um aber auch das deutlich zu sagen: Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich die Menschen, die sich an dem Abend im Rathaus vor die Tür gestellt und den Einzug der Rechten verhindert haben, sehr wohl im Recht gesehen haben, meine Damen und Herren.

(Unruhe – Glocke)