Die Kommission selbst – das als letzte Bemerkung – ist etwas zurückgerudert. Sie hat selbst gesagt, sie wolle den Meisterbrief in Deutschland weder schleifen noch infrage stellen. Die Verantwortung bleibt bei den Mitgliedstaaten.
Es gibt einen Korridor der Annäherung, den ich auch für meine Fraktion bei diesem Antrag zur Sicherstellung und zur Bedeutung der freien Berufe in Nordrhein-Westfalen und Deutschland sehe. Daher möchte ich auch von unserer Seite das Signal geben, dass es sinnvoll ist, in einen gemeinsamen Diskussionsprozess nicht nur im Ausschuss, sondern gegebenenfalls auch auf anderen Wegen für eine gemeinsame Positionierung einzutreten. – Danke.
Vielen Dank, Frau Schneckenburger. – Für die FDP-Fraktion ergreift nun Herr Kollege Bombis das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen! Sehr geehrte Herren! Zur Bedeutung der freien Berufe für die Beschäftigung und für die Ausbildung in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen ist schon viel gesagt worden. Ich möchte das nicht alles wiederholen.
Auch aus Sicht meiner Fraktion stehen die freien Berufe für hervorragende Qualifizierung, für Verbraucherschutz, für Vertrauen der Menschen in die betreffenden Berufsgruppen sowie für in der Regel qualitativ hochwertige und wichtige Dienstleistungen.
Die Anforderungen an die Freiberufler und die Voraussetzungen, die diese erfüllen müssen – das ist richtig – sind in Deutschland traditionell sehr hoch. Ich füge hinzu: Sie sind es auch zu Recht.
Niemand möchte im Krankheitsfall bei einem schlecht ausgebildeten Arzt landen. Niemand möchte in einem Haus leben oder arbeiten, dessen Architekt nichts von Statik verstanden hat. Andere Beispiele sind möglich. Auch insofern besteht in diesem Hause wohl ein deutlicher Konsens.
Deswegen verfolgt die CDU-Fraktion aus unserer Sicht ein richtiges Ansinnen, wenn sie Wege finden will, mit denen die freien Berufe gestärkt werden, und wenn sie fragt, wie das qualitativ hochwertige Niveau erhalten werden kann.
Auch richtig ist – das sage ich ebenfalls aus Sicht meiner Fraktion –, dass natürlich das europäische Semester, das im Antrag angesprochen wird, ein im Grundsatz unterstützenswertes Projekt ist. Eine stärkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik auch und gerade auf europäischer Ebene ist notwendig, um eine Voraussetzung zu schaffen, zukünftige Krisen nach Möglichkeit zu vermeiden und sie so unwahrscheinlich wie möglich zu machen.
Bei den konkret vorgeschlagenen Reformen dieses europäischen Semesters müssen wir uns aber klar darüber sein, dass wir keine Maßnahmen ergreifen sollten, die am Ende kontraproduktiv wirken. Klar ist: Eine Absenkung der Qualitäts- und Ausbildungsstandards wäre eine solche kontraproduktive Maßnahme.
Aus Sicht insbesondere eines Liberalen sage ich sehr deutlich: Maßnahmen unter dem Deckmantel der Deregulierung, die am Ende zu schlechteren Ausbildungsstandards, zu weniger Arbeitsplätzen, zu einer schlechteren Dienstleistungsqualität und damit auch zu schlechterem Verbraucherschutz führen, nutzen am Ende weder den Bürgerinnen und Bürgern noch der deutschen oder der europäischen Wirtschaft.
Insofern sagen auch wir, dass es eine Analogie zum Meisterbrief gibt, und ich freue mich, dass sich ein unaufgeregter Konsens über die wesentlichen Punkte abzeichnet.
Hohe Ausbildungsanforderungen sind in der Tat Eintrittsbarrieren in den Markt. Allerdings beinhaltet der europäische Geist nicht, dass ein Portugiese, der in seiner Heimat Rechtswissenschaften studiert hat, auch in Deutschland ohne Weiteres als Rechtsanwalt tätig sein kann – oder umgekehrt. Der europäische Geist beinhaltet vielmehr, dass es jedem europäischen Bürger möglich sein muss, in Deutschland einen Beruf nach den entsprechenden Voraussetzungen zu ergreifen. Dies gilt natürlich auch umgekehrt. Das ist unserer Ansicht nach schon heute so, und daher unterstützen wir als FDP-Fraktion den Antrag der CDU in diesem Sinne ausdrücklich.
Sollte sich hier eine fraktionsübergreifende Möglichkeit ergeben, sich zu verständigen, so halten wir auch dies als Signal aus diesem Hause im Sinne dieser freien Berufe für sinnvoll.
Ich möchte mir aus Sicht meiner Fraktion dann aber doch noch einen kurzen Hinweis erlauben. Die freien Berufe befinden sich in der Situation, dass nicht nur das, was sich auf europäischer Ebene abzeichnet, für sie potenziell problematisch wird. Auch wir diskutieren hier in Deutschland immer wieder Dinge – sei es in steuerlicher Hinsicht, sei es mit Blick auf die Sozialversicherungssysteme –, die gut funktionierende Einrichtungen bei den freien Berufen infrage stellen. Ich meine, wir täten gut daran, auch dies unaufgeregt, sachlich, aber in aller Klarheit zu formulieren. Denn dann täten wir eindeutig etwas für die freien Berufe.
Insofern freue ich mich auf die Befassung mit dem Antrag im Ausschuss. Der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir als Fraktion selbstverständlich zu.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und an den Bildschirmen! Es ist noch gar nicht so furchtbar lange her, da haben wir hier an dieser Stelle über einen ganz ähnlichen Fall debattiert. Die EU-Kommission wollte in einer Transparenzinitiative überprüfen lassen, ob im deutschen Handwerk der Meisterzwang auch heute noch seine Berechtigung hat – oder anders gewendet – oder ob die Qualität und der Erhalt von Ausbildungsplätzen vielleicht auch mit etwas weniger strikten Vorgaben zu erreichen sind.
Alleine die Intention – Ergebnisse lagen zu dem Zeitpunkt schließlich noch nicht vor – wurde geradezu als Ketzerei an der Zunft und ihrer 1953 eingeführten Handwerksordnung empfunden. Diese versuchte Häresie veranlasste die anderen Fraktionen, sich ohne Wenn und Aber in einem Antrag schützend vor das Handwerk zu stellen. „Veränderungen abwehren, Status quo bewahren“ – diese Absicht gefiel dem Nordrhein-westfälischen Handwerkskammertag so gut, dass die beteiligten Fraktionen mit der Floriansplakette geehrt wurden.
Heute beraten wir eine ähnliche Fragestellung. Diesmal hat die EU-Kommission in ihren länderspezifischen Empfehlungen geraten, die Hemmnisse und Hürden von freiberuflichen Dienstleistungen zu überprüfen. Wir reden also über Rechtsanwälte, Ärzte und Architekten, die eben nicht der normalen Gewerbeordnung zugeordnet sind. Vielmehr unter
Die freien Berufe sind nicht irgendwelche x-beliebigen Wirtschaftsbranchen, sondern gehören durch ihre Organisation in berufsständischen Körperschaften zur sogenannten mittelbaren Staatsverwaltung. Damit einher geht eine Zwangsmitgliedschaft in Kammern. Festgelegte Kosten- und Honorarordnungen und weitere Besonderheiten treten hinzu.
Ich bin der Meinung, wir sollten uns dieser Debatte stellen. Es tut nicht gleich weh, wenn wir gefragt werden, ob die derzeitige Ausgestaltung des Kammerwesens noch zeitgemäß ist oder vielleicht modernisiert werden muss. Denn es geht der Europäischen Kommission eben nicht um eine komplette Abschaffung des bestehenden Systems oder eine Absenkung von Standards. Es geht ihr um seine graduelle Verbesserung. Dazu schreibt sie:
„Die verschiedenen Regelungen für freiberufliche Dienstleistungen auf Länderebene weisen darauf hin, dass Spielraum dafür besteht, die mit dem geringsten Aufwand verbundenen regulatorischen Ansätze zu ermitteln und deren Anwendung bundesweit auszudehnen.“
Ist das so schlimm? Lassen Sie uns inhaltlich über die besten Gestaltungsmöglichkeiten debattieren und nicht voreilig in Konservativismus verfallen, der sich nur auf das krampfhafte Bewahren der etablierten Ordnung versteht. Wenn man die Punkte 1 bis 7 Ihres Antrags durchgeht, wird man nämlich Zeuge genau einer solchen Geisteshaltung.
Nur eine Frage bleibt noch offen: Von welcher Kammer erhalten Sie dieses Mal eine Medaille, sehr geehrter Herr Kollege Wüst? Gleich, ob es die Architekten- oder die Ärztekammer ist: Ich bin sicher, es wird sich schon jemand finden, der sich für diesen Antrag zu bedanken weiß.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon von den Rednern unterschiedlicher Fraktionen betont worden, dass in diesem Antrag sehr viel Richtiges steht; Herr Wüst hat es auch begründet. Leider – und das ist keine Kritik an dem Antragsteller – enthält er wenig Neues.
Die Ursache dafür ist aber in der Tat die, dass es sich um eine gepflegte Wiedervorlage seitens der EU-Kommission handelt, die immer wieder mit sol
chen Themen auf uns zukommt. Mit schöner Regelmäßigkeit stellt die Kommission immer wieder die in Deutschland geltenden Regeln für den Zugang zu bestimmten Berufen infrage. Das betrifft, wie schon erwähnt, den Meisterbrief genauso wie die freien Berufe.
Und wie schon im Vorjahr hat die Kommission auch in diesem Jahr wieder ihre Stellungname zum Nationalen Reformprogramm der Bundesregierung mit einem entsprechenden Hinweis versehen. Damit wird die Bundesregierung aufgefordert, ehrgeizigere Maßnahmen zur Belebung des Wettbewerbs im Dienstleistungsbereich zu entwickeln, heißt es. Zwischendurch, im Oktober des letzten Jahres, hat die Brüsseler Verwaltung sogar noch einen Arbeitsplan zur Evaluierung der Berufszugangsregeln in den Mitgliedstaaten auf den Weg gebracht.
Meine Damen und Herren, ich bin trotzdem immer wieder erstaunt, mit welcher Halsstarrigkeit die Verfasser dieser Vorstöße die für diesen Bereich geltenden Spielregeln missachten. Denn die Kompetenz zum Erlass von Regeln über den Berufszugang liegt ausschließlich bei den Mitgliedstaaten. Das hat der nordrhein-westfälische Landtag zuletzt im Dezember 2013 auf Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in Sachen Meisterbrief festgestellt.
Wenige Tage zuvor hatte auch der Deutsche Bundesrat auf Initiative von NRW, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Bayern die nationale Zuständigkeit für Berufszugangsregeln bekräftigt. In diesem Beschluss heißt es unter anderem zu der erwähnten Evaluation, dass sie nicht zum Basar für Qualifikationen und Berufsbildungssysteme werden dürfe. Im Übrigen hat sich der Bundesrat klar zur berufsständischen Selbstverwaltung der freien Berufe bekannt. Auch das ist gerade schon erwähnt worden.
Ich habe mich sehr gefreut, dass auch der Mittelstandsbeirat der Landesregierung am 10. Februar 2014 die Beschlüsse des Landtages und des Bundestages ausdrücklich begrüßt. Damit ist, glaube ich, eine große Mehrheit auch hier im Hause dafür vorhanden, dieses noch einmal zu unterstreichen. Angesichts der Hartnäckigkeit, mit der die Kommission uns diese Debatte immer wieder aufzwingt, ist es wohl auch noch einmal erforderlich, ein starkes deutliches und wahrnehmbares Signal zu setzen.
Da das Thema „Meisterbrief“ in den Debatten schon häufiger als eine Blaupause beschrieben worden ist: Ich kann Ihnen aus den vielfältigen Besuchen nur berichten, dass es eine enorm positive Resonanz auf das damalige Abstimmen hier im Landtag gegeben hat. Das hat das Vertrauen auch in das Selbstverständnis dieses Parlaments und in die wirtschaftspolitische Vernunft dieses Parlaments auch mit seinen Äußerungen gegenüber der EU-Kommission deutlich gestärkt. Das war ein wirklich starkes Signal, was nicht nur durch die entsprechende Anerkennung beim Handwerk zum Ausdruck ge
kommen ist, sondern das ist wirklich ein nachhaltiges Signal für die Qualität auch der Diskussionskultur in diesen Fällen.
Deswegen würde ich mich und würde sich die Landesregierung sehr freuen, wenn ein ähnlich starkes Signal zumindest von vielen Fraktionen hier im Hause in dieser Frage betreffend die freien Berufe erneut ausgehen könnte. Die Diskussion hat gezeigt, dass wir dort auf einem guten Weg sind. – Vielen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 16/6134 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – federführend –, an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, an den Ausschuss für Europa und Eine Welt sowie an den Rechtsausschuss; die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt dem zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung so angenommen.
Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/6203
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und vor den Bildschirmen!