Protocol of the Session on July 2, 2014

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Da müssen in der Pose der tiefen Selbstüberzeugung starke Worte wie „Verfassungsbruch“ und „Täter“ bemüht werden. Herr Lindner hat das an diesem Platz schon mit der Frage gleichgesetzt, ob ein Uli Hoeneß, der vor einem Gericht steht, anders zu bewerten ist als ein Finanzminister. Das ist interessant, sagen Sie das ruhig noch mal. Ich glaube nicht, dass Ihre Empörungskunst die Glaubwürdigkeit bringt, die Sie sich davon erhoffen. Jedenfalls kann ich mir das nur schwer vorstellen.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Was Sie als „Verfassungsbruch“ ausmachen, das war für das Verfassungsgericht Anlass zu einer sehr differenzierten Auseinandersetzung mit der Frage der Besoldungsanpassung. Die Richter haben erkennen lassen, dass sie die Überlegungen des Landesgesetzgebers durchaus nachvollzogen haben und eine Eins-zu-eins-Übertragung des Abschlusses für die Tarifbeschäftigten eben nicht für zwingend halten.

Das klang bei der CDU vor nicht allzu langer Zeit noch ganz anders. Ich habe Zitate vom März letzten Jahres, als wir die Entscheidung zu diesem Anpassungsgesetz bekanntgegeben haben, noch im Ohr. Damals hat Herr Laumann noch wortstark die Einszu-eins-Übertragung gefordert. Im August dann hat er in einem Interview gesagt, er habe sie nie gefordert. – Genau diesem Widerspruch begegnen wir bei Ihnen immer wieder.

Nicht nur eine Anpassung unterhalb eins zu eins, sondern auch eine nach den Besoldungsgruppen sozial gestaffelte Anpassung ist – so das Gericht – mit der Verfassung vereinbar.

Die negative Entscheidung des Gerichts bezieht sich gerade nicht auf unsere grundsätzlichen Erwägungen. Im Gegenteil: Die werden bestätigt. Die negative Entscheidung bezieht sich auf die konkrete Ausgestaltung.

Man kann sich ja mal anschauen, was daran ausgesetzt worden ist. Verworfen hat das Gericht eine seiner Auffassung nach zu stark abfallende Staffelung in drei Stufen. Das ist der Ausgangspunkt. Nach einer Eins-zu-eins-Anpassung für die unteren Besoldungsgruppen – das ist indirekt aus dem Urteil zitiert – sei es nicht gestattet, die Grundgehaltsätze für die Besoldungsgruppen A11 und A12 auf 2 % zu beschränken und jedenfalls nicht ab A13 auf null.

Heute ist in einigen Zeitungen zu lesen, dass ich nach dem Richterspruch enttäuscht gewesen sei. Ich gestehe Ihnen gerne ein: Ja, das war ich. Und das bin ich auch noch. Wir haben uns nämlich von der Überzeugung leiten lassen, dass es vertretbar ist, wenn ein Beamter im höheren Dienst – etwa ein Regierungsdirektor – statt 20 % lediglich 15 % mehr netto verdient als ein Angestellter in der gleichen Funktion und dafür in den unteren Besoldungsgruppen, in denen ein deutlich höherer Anteil des Einkommens für die grundlegenden Lebensbedürfnisse wie Miete benötigt wird, die gleiche Erhöhung greift wie bei den in etwa gleich bezahlten Angestellten.

Wir haben bis gestern gesagt, dass das unter allen Alternativen die sozial gerechteste Art ist, die Beamten anständig zu bezahlen und zugleich Weichen dafür zu stellen, dass das Verfassungsgebot der Schuldenbremse eingehalten wird, und vor allem dafür, dass der öffentliche Dienst auch in Zukunft attraktiv und finanzierbar bleibt. Das gilt auch heute noch.

Die Richter haben aber anders entschieden, und das ist zu akzeptieren. Konkrete Schlussfolgerungen setzen allerdings noch eine tiefere Analyse der Begründung voraus, die wir gestern erhalten haben.

Klar ist jedoch eines: Das Gericht hat die Erhöhung der Beamtenbesoldung in den unteren Gruppen so bestätigt, wie der Landtag das beschlossen hat, nämlich plus 5,6 % für die zwei Jahre in zwei Stufen. Wenn jetzt die folgenden Abstufungen von dieser Erhöhung aus weniger rapide und insgesamt geglätteter ausfallen müssen, als das vom Landtag beschlossene Anpassungsgesetz es vorsieht, dann wird das die Personalkosten nach der gegenwärtigen Einschätzung spürbar nach oben treiben. Das wird in einem Nachtragshaushalt für 2014 und gegebenenfalls in einer Ergänzungsvorlage für 2015 auch abzubilden sein.

Lieber Herr Laschet, anders als Sie das behaupten, sind Abweichungen auf der Einnahmenseite kein Grund für Nachtragshaushalte. Das ist nicht der Fall. Hier geht es darum, dass sich Veränderungen auf der Ausgabenseite ergeben werden. So schlimm es ist, sollte es bei den Einnahmen Ausfäl

le geben: Das ist kein Grund für einen Nachtragshaushalt. Das ist auch kein Grund für eine Haushaltssperre. Am Ende wird das mit den Kreditermächtigungen aus vergangenen Jahren abzudecken sein. Das würde ich allerdings nicht voraussetzen, wenn ich ein Halbjahr vor mir und eines hinter mir habe; denn hier gilt nicht: Ich verdoppele einfach das, was im ersten Halbjahr war, dann habe ich die Zahl für das gesamte Jahr. – Da gibt es sehr große Unterschiede. Die Ergebnisse der Steuerschätzung machen deutlich, dass es im Jahr 2014 etwas verhaltener aussehen wird als in den Jahren danach. Das ist aber eben nicht die Grundlage. Sie möchten da gerne ein Gerücht in die Welt setzen. Das werden Sie aber nicht lange durchhalten.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Gucken wir mal!)

Unsere Aussage, dass die Schuldenbremse gilt und dass wir sie einhalten werden, bedeutet: Es muss ein Paket geben, das die Beamtenbesoldung entsprechend den Leitplanken, die das Verfassungsgericht gesetzt hat, und die Erreichung eines ohne Kredit ausgeglichenen Haushaltes 2020 in Einklang miteinander bringt. Darüber werden die Koalitionspartner in den nächsten Wochen miteinander reden, und sie werden auch mit den Gewerkschaften reden.

Bis zu einer angepassten Regelung haben wir weder Zeit zu verschenken noch Finanzierungsspielräume, die für eine solide Regelung unter veränderten Rahmenbedingungen gebraucht werden. Deshalb habe ich gemäß § 41 der Landeshaushaltsordnung gestern eine Haushaltssperre verhängt und die Ausgaben des Landes vorerst auf das zwingend notwendige Maß beschränkt. In dieser Zeit werden nur gesetzlich verpflichtende oder aus anderen Gründen unabweisbare Ausgaben zulässig sein.

Wir stehen aber auch in dieser Zeit zu unserer Verantwortung für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes. Wir werden Ausnahmen machen, beispielsweise da, wo Kofinanzierungsmittel ansonsten nicht abgerufen werden können. Ausnahmen werden wir auch insofern machen, als wir Anwärter natürlich übernehmen und nicht auf der Straße stehen lassen. Wir werden Ausnahmen machen, damit der Unterricht weiter fortgesetzt werden kann und hier nicht unverantwortbare Ausfälle entstehen.

Ich habe dazu gestern die schnelle Reaktion des CDU-Fraktionsvorsitzenden gehört, der sagte: Jetzt müssen wir in ganz großem Stil Personal abbauen. – Sie sollten vielleicht neben den vielen pauschalen Forderungen mal konkret sagen, wo Sie das machen wollen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir kennen ja das Rezept: dass Sie sehr konkret werden, wenn Sie mehr fordern und wenn Sie auf Mangel hinweisen, und dass Sie immer sehr pauschal sind, wenn Sie Ideen haben, wie man mit weniger Geld auskommen und Stellen sparen kann,

dass man dann irgendeine Struktur ändern muss, wie auch immer das aussehen soll.

Die Landesregierung macht sich unverzüglich an die Arbeit. Dass wir uns eine Bestätigung des bestehenden Gesetzes gewünscht hätten, das ist doch gar keine Frage. Dass die Besoldung der Beamten durch die Verfassungsrichter ein Stück weiter geklärt worden ist, das ist gut. Es zeigt aber gleichzeitig, wie viel Klärungsbedarf auch in einem Gericht zu dieser Frage noch besteht. Wir werden zu diesem Thema mit Sicherheit noch eine Menge zu beraten haben. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Walter-Borjans. – Ich eröffne die Aussprache zur Unterrichtung der Landesregierung. Den ersten Redebeitrag leistet der Kollege Laschet von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Ich schwöre, dass ich meine ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, … Verfassung und Gesetze wahren …“

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ja, das löst bei Ihnen Unruhe aus. Aber das haben alle, die auf der Regierungsbank sitzen, mal geschworen. Das ist die Eidesformel, auf die sie verpflichtet sind.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD)

Es ist ein erstaunlicher Vorgang, dass es bei Ihnen Unruhe auslöst, wenn man die Eidesformel der Ministerpräsidentin hier zitiert.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Bemerkenswert! Das ist wirklich in hohem Maße bemerkenswert!

(Unruhe – Glocke – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Ich verstehe doch, dass Sie nervös sind.

(Beifall von der CDU – Widerspruch von der SPD und den GRÜNEN)

Also: Wenn man im Landtag von NordrheinWestfalen die Eidesformel der Verfassung zitiert, löst das bei Sozialdemokraten Unruhe aus. Ich verstehe Ihre Unruhe: weil man Ihnen was anderes erklärt hat und Sie jetzt auszubaden haben, was die Ministerpräsidentin und der Finanzminister angerichtet haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das passiert doch in jedem Jahr: Der Finanzminister ist im Amt, wenige Monate später macht er einen Nachtragshaushalt. Dann schreiben deutsche Gerichte Rechtsgeschichte, indem sie eine einstweilige Verfügung erlassen – das machen Gerichte nämlich so gut wie nie –, weil Sie so dilettantisch gearbeitet haben. Das war im Jahre 2011 so, das war im Jahre 2012 so. Dieser Minister sitzt doch mehr in Münster vor dem Verfassungsgericht als auf der Regierungsbank. Das muss Ihnen doch mal zu denken geben!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die nächste Frage ist: Wie geht man mit so was um? – Ja, man kann auch mal einen Prozess verlieren. Das kann passieren.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Wissen Sie: Wir haben Fälle, in denen eine 52jährige Kassiererin entlassen worden ist, weil sie ein paar Bons mitgenommen hat. Hier bricht ein Minister in jedem Haushalt die Verfassung, und Sie regen sich nicht darüber auf! Haben Sie die Relationen verloren?

(Beifall von der CDU, der FDP und Robert Stein [fraktionslos])

Verstehen Sie nicht, dass es viele Leute im Land aufregt,

(Jochen Ott [SPD]: Ach Quatsch!)

wie mit diesen Dingen umgegangen worden ist? Ich habe noch nie gelesen – bei keinem Ministerpräsidenten: nicht bei Jürgen Rüttgers, nicht bei Wolfgang Clement, nicht bei Peer Steinbrück, nicht bei Johannes Rau –, dass eine Richter- und Staatsanwaltsvereinigung mit 3.800 Mitgliedern nach einem solchen Urteil äußert, die Ministerpräsidentin müsse zurücktreten. Sie nehmen gar nicht mehr wahr, was die Menschen im Lande bewegt.

(Beifall von der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Die Menschen? – Weitere Zurufe)

Dann stellt sich der Finanzminister hier hin und sagt: Das Gericht habe so hin und her gewogen. Es habe sich die Entscheidung schwergemacht. Auch einem Gericht falle es nicht einfach, da genau den Maßstab zu finden. – Nein, das war gestern völlig anders.

(Zuruf von der SPD: Ach!)

Einige Kollegen von Ihnen waren in Münster dabei. Das Gericht hat gesagt: Dieser Vorgang ist evident verfassungswidrig. – Das heißt: Jeder hätte das vorher wissen können. – Ich frage mich in der Tat: Wir haben in Nordrhein-Westfalen neben Bayern die exzellenteste Finanzverwaltung in ganz Deutschland.