Protocol of the Session on July 2, 2014

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Schulz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause am Stream. Sehr geehrtes Präsidium, wir hatten vonseiten der Piratenfraktion am Montag eine Aktuelle Stunde angemeldet. Diese wurde zwar abgelehnt, aber jetzt ist sie da. Erst einmal vielen Dank, liebe Landesregierung, dass Sie uns unterrichtet haben über das, was gestern passiert ist. Ich

selbst war dabei. Ich war Kläger in diesem Normenkontrollverfahren.

Folgender entscheidender Punkt ist hier zunächst einmal zu betonen: Ich habe hier gehört, dass vier- oder fünfmal vonseiten der Landesregierung, Verfassungsbruch zu beklagen ist, und dieses von der Vorgängerregierung Schwarz-Gelb in der 14. Legislaturperiode zehnmal der Fall gewesen sein soll. Wo soll das bitte, hinführen, hier gegenüberzuhalten, wer wann und wie oft die Verfassung gebrochen hat?

(Beifall von den PIRATEN)

Entscheidend ist: Sie ist jetzt gebrochen worden.

Frau Ministerpräsidentin, Sie haben im Jahre 2013 den Beamtinnen und Beamten gesagt, sie hätten genügend Beiträge zur Sanierung des Haushalts Nordrhein-Westfalens geleistet, nämlich jährlich in Höhe von 2,4 Milliarden €, unter anderem durch Nullrunden in den Jahren 2005, 2006 und 2007 – Nullrunden, die unter der schwarz-gelben Regierung zustande gekommen sind.

Der Deutsche Beamtenbund sprach seinerzeit, sprich: 2013, von sogar 2,8 Milliarden € jährlich. Sie haben den Beamtinnen und Beamten in Aussicht gestellt, dass das so nicht wieder passieren und nicht fortgesetzt werden wird. Was ist geschehen?

Ich sage es Ihnen: Erstens Wortbruch und zweitens Verfassungsbruch mit Ansage mit der durch das Gericht festgestellten evidenten Verfassungswidrigkeit des im Jahre 2013, ziemlich genau vor einem Jahr, hier in diesem Plenarsaal verabschiedeten Gesetzes am 10. Juli 2013.

Am 10. Juli 2013 habe ich ebenfalls hier an diesem Rednerpult gestanden, Frau Ministerpräsidentin, und habe Folgendes gesagt:

„Das wird Ihnen beim Verfassungsgericht um die Ohren fliegen. Das haben die Sachverständigen auch gesagt. Sie haben nicht gesagt, dass wir den Tarifabschluss eins zu eins übernehmen müssen, um gerecht zu sein. Frau Ministerpräsidentin,“

ich zitiere wohlgemerkt –,

„Herr Finanzminister, Sie haben noch wenige Minuten Zeit. als Landesregierung diesen Gesetzentwurf zurückzuziehen.“

Das Zitat geht weiter:

„Tun Sie dieses nicht, werden Sie sich ab heute Nachmittag den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass die Sozialdemokratie Soziales und Gerechtigkeit ab der Besoldungsgruppe A13 nicht mehr sieht.“

Heute wissen wir, was vor einem Jahr bereits klar war, und dies nicht nur, weil ich das hier gesagt habe,

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

nicht nur, weil die anderen Oppositionsfraktionen das auch ausgeführt haben, sondern, Frau Ministerpräsidentin, Herr Finanzminister, weil das auch in den Anhörungsverfahren 20 von 21 Sachverständigen – super Experten; Teile davon wurden von Ihnen und den regierungstragenden Fraktionen selbst eingeladen –, gesagt haben.

(Britta Altenkamp [SPD]: Unerhört!)

Wenn Herr Kollege Laschet hier fragt, wozu wir dann noch Anhörungen bräuchten, wenn sie sowieso das, was aus den Anhörungen resultiert, vonseiten der regierungstragenden Fraktionen nicht beachten wollen, dann lassen wir das doch zukünftig bleiben. In der Tat ist der Vorschlag vielleicht gar nicht schlecht, nur noch Verfassungsrichter hierher einzuladen und uns erläutern zu lassen, wie hier Politik zu machen ist.

Eines steht jedenfalls fest: Gesetze werden hier im Parlament gemacht, und sie werden vor den Gerichten auf den Prüfstand gestellt. Das ist gestern geschehen, und dieses in einer derartigen Klarheit, wie man sie gerade von Verfassungsgerichten nicht unbedingt jeden Tag erlebt.

Dann kommen wir zu der hier vonseiten der Regierungsfraktionen wie aber auch des Finanzministers fast gerügten Situation, dass es keine Vorschläge von der Opposition gäbe oder gegeben habe. Ich sage Ihnen: Das stimmt so nicht!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – La- chen von Britta Altenkamp [SPD])

Das ist schlicht und ergreifend falsch. Ich selbst habe in einer der relevanten, maßgeblichen Ausschusssitzungen des Haushalts- und Finanzausschusses – Frau Kollegin, da können Sie gerne lachen; Sie können das dann im Protokoll nachlesen – vorgeschlagen, dass man das Geld, was erforderlich sein wird, um gemäß dem Gesetzesvorschlag die Beamtinnen und Beamten höher zu besolden, insgesamt nehmen und sich mit den Vertretern der Beamtenschaft an einen Tisch setzen und darüber beratschlagen möge, wie man die ganze Chose, sprich das gesamte Budget, das etwa 410 Millionen € pro Jahr ausmacht, auf alle Besoldungsstufen – durchaus dann von mir aus auch sozial abgestuft – verteilt.

Ich habe mit den Spitzenvertretern der Beamtenschaft im Lande Nordrhein-Westfalen gesprochen. Diese haben mir schon seinerzeit im Jahre 2013 signalisiert dass sie durchaus bereit dazu sind. Die Landesregierung hat sich aber nicht mit den Vertretern der Beamtenschaft an einen Tisch gesetzt, um eine derartige Möglichkeit zu erörtern. Hier ist einfach eine Politik ex Cathedra gemacht worden nach dem Motto: von oben herab, top down. Nehmt es, fresst und sterbt! – So sieht es aus. Das ist falsch, wie wir heute wissen.

Und was haben wir heute? Eine Haushaltssperre! Die ist sicherlich notwendig, aber es wäre nicht notwendig gewesen; denn die Rückstellungsfrage, die auch im letzten Jahr gestellt worden ist, wurde vonseiten des Finanzministeriums in einer Weise beantwortet, die einen wirklich nur schaudern lassen kann; denn seinerzeit – wie hier im Plenum von den regierungstragenden Fraktionen später so dargestellt – antwortete auf bestimmte Fragen der Staatssekretär des Finanzministeriums, Dr. Rüdiger Messal, bezogen auf die Frage der Rückstellung für zukünftige Erhöhungen der Beamtenbesoldung für den Fall, dass das Verfassungsgericht zu einer anderen Auffassung kommt als die regierungstragenden Fraktionen und die Landesregierung, dass man bezüglich der Besoldungs- und Versorgungsanpassung weder wisse, wann der Verfassungsgerichtshof entscheide, noch wisse, wie die Entscheidung aussehe.

Die Landesregierung vertrat seinerzeit die Ansicht, verfassungskonform gehandelt zu haben, und dieses angesichts des deutlichen Credos von 20 Experten in der Anhörung, die allesamt gesagt haben: Dieses Gesetz ist in der Form, wie es vorgelegt ist, verfassungswidrig.

Wenn wir so weitermachen – das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen – wird die Haushaltssperre natürlich, wie der Finanzminister angekündigt hat, nicht das Letzte sein. Es wird zu einem Nachtragshaushalt kommen.

Und, wie wir hier festgestellt haben, ist bereits das Personalroulette anscheinend eröffnet. Es geht aber zunächst einmal gar nicht um die Frage des Personals bzw. der Einsparung desselben, sondern es geht um die Aufrechterhaltung der sozialen Standards, der Standards in Bildung, in Forschung, in Infrastruktur usw.

Diese gelte es aufrechtzuerhalten und dann zu prüfen, wie man dem Urteil des Verfassungsgerichts gerecht werden kann. Das ist doch das Entscheidende.

Sie haben, Herr Finanzminister, im Haushalt 2013 bereits erhebliche Summen eingestellt, prospektiv die Eins-zu-Eins-Anpassung der Beamtenbesoldung. Es geht gar nicht darum, eins zu eins anzupassen, das hat das Verfassungsgericht so bestätigt, das hatten auch wir von der Piratenfraktion gesagt, sondern darum, durchgängig durch alle Besoldungsstufen gerecht anzupassen. Das setzt voraus, dass man mit den Betroffenen spricht. Das, was Sie bisher versäumt haben, können Sie nunmehr nachholen, dafür werden Sie die Zeit benötigen, in der die Haushaltssperre läuft.

Ich fordere Sie vonseiten der Piratenfraktion auf, unverzüglich einen angepassten Gesetzentwurf vorzulegen, der die Verfassung nicht bricht, sondern einhält und Ihren Ankündigungen, Frau Ministerpräsidentin, aus dem Jahr 2013 gegenüber der Beam

tenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen entsprechend gerecht wird.

(Beifall von den PIRATEN und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerpräsidentin Kraft.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Landesverfassungsgericht hat das hier zu diskutierende Gesetz teilweise für verfassungswidrig erklärt. Ich bedauere das und kann nur sagen, wir haben politisch ein Gesetz auf den Weg gebracht, von dem ich immer noch sage, es hatte für mich eine ganz wesentliche Eigenschaft: Es war sozial gerecht. Dazu stehe ich nach wie vor.

Das Gericht hat uns jetzt Leitplanken gegeben. Lieber Kollege Laschet, ich bin absolut nicht Ihrer Meinung. Es gab offene umstrittene Rechtsfragen, und es gibt sie immer noch. Nicht zuletzt aus diesem Grund gibt es Klagen gegen die unterschiedlichen Regelungen der Länder. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie Sie hier bei der Verabschiedung, uns immer wieder Bayern und Hessen vorgehalten haben, die eins zu eins umsetzen würden.

Ich empfehle Ihnen, das Laptop aufzuschlagen. In Hessen gibt es für das Jahr 2015 eine Nullrunde. Auch dort wird es Klagen geben. Dort hat die Landesregierung unter einem CDU-Ministerpräsidenten eine Kompetenz ausgeschöpft, die den Ländern über die Föderalismuskommission gegeben worden ist. Dafür, wie das auszufüllen ist, gab es keine Leitplanken. Deshalb muss man einen Vorschlag machen, der politisch ausgewogen ist, hinter den man sich politisch stellen kann. Das haben wir getan. Dann gab es Anhörungen. Ich empfehle sehr, ein Stückchen von dem hohen Ross herunterzukommen, nur ein kleines bisschen.

Ich erinnere nicht mehr an die zehn Urteile, die Sie kassiert haben. Auch da gab es jeweils Anhörungen mit vernichtenden Urteilen und mit Warnungen darüber, dass das alles nicht verfassungskonform sei.

Und Rechtsgeschichte, meine lieben Kollegen von der FDP, hat Ihr Kollege Wolf geschrieben, als sogar ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht gesprochen werden musste.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das lassen wir alles einmal weg.

Auch in diesen Anhörungen haben Experten andere Positionen vertreten. Wenn ich noch einmal rückblickend auf die Anhörung zum Besoldungsgesetz schaue, dann hat uns eine ganze Reihe von Experten sehr deutlich gesagt, etwas anderes als Eins-zuEins-Anpassung geht nicht. Eine ganze Reihe von Experten hat gesagt, man darf auf keinen Fall nach

Besoldungsgruppen unterschiedlich erhöhen. Das Gericht hat uns jetzt andere Leitplanken gegeben. Darüber bin ich sehr froh, es ist aber keine konkrete Anleitung für künftige Besoldungsanpassungen. Das ist übrigens auch nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts.

Aber die Begründung liefert uns doch jetzt wichtige Hinweise, in welchem Rahmen die Länder, die durch die Föderalismuskommission übertragene Kompetenz nutzen können. Auch der Verfassungsgerichtshof stellt fest, dass der Landesgesetzgeber hier einen großen Gestaltungsspielraum hat. In der Anhörung bei den Experten hörte sich das vollkommen anders an. Der Verfassungsgerichtshof stellt auch fest, dass wir uns nicht an der Höhe der Bezüge der Bundesbeamten oder anderen Ländern orientieren müssen. Auch das ist in der Expertenanhörung mehrfach anders gesagt worden, wenn ich mich richtig erinnere. Die Beamtenbesoldung darf sich also durchaus zwischen Bund und Ländern und zwischen den Ländern auseinanderentwickeln.

Auch eine weitere Feststellung des Verfassungsgerichtshofs bestätigt grundsätzlich unseren Ansatz. Es heißt unter Ziffer 74 - ich zitiere -

„Aufgrund seines großen Gestaltungsspielraums ist der Gesetzgeber weder verpflichtet, die Tarifabschlüsse für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes spiegelbildlich auf die Bezüge der Beamten und Richter zu übertragen, noch muss er die Bezüge für alle Beamten und Richter gleichermaßen anpassen.“

Der Verfassungsgerichtshof, das ist für uns auch wichtig, hat erlaubt, die Notwendigkeit der Haushaltssanierung zu berücksichtigen. Er stellt aber fest - ich zitiere -:

„Er“

gemeint ist der Landesgesetzgeber

„darf aber zur Haushaltssanierung in Ausübung seines weiten Gestaltungsspielraums die Bezüge der Beamten und Richter auf die Mindestalimentation zurückführen…“