Protocol of the Session on June 5, 2014

Dieser Aufgabe unterziehen Sie sich nicht. Sie fordern immer mehr Ausgaben, bewegen sich mittlerweile bei einem Betrag von über 3 Milliarden € und beschimpfen diejenigen, die sagen: „Nein, diese Mehrausgaben gibt es nicht“ oder „Ihr müsst eigentlich noch mehr sparen“. Das ist schizophren oder mindestens unehrlich, Rosstäuscherei und passt auch nicht zu der aktuellen Politik, die Sie bisher abgeliefert haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Noch eine Bemerkung will ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen; das betrifft einen Bereich, der mir – neben anderen – sehr am Herzen liegt: Das ist der Bereich der Kommunen. Herr Kuper und auch Herr Biesenbach versäumen keine Sekunde, die Solidarabgabe zu kritisieren. Aber Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter. Da werden jetzt wieder Zahlen zur Erhöhung der Verschuldungssituation veröffentlicht – diese Zahlen sind nicht zu bestreiten –, und Sie treten vor die Presse und behaupten, dass diese Landesregierung nicht genug für die Kommen tun würde, dass sie die Kommunen über den Stärkungspakt sogar gängeln würde, weil sie konsequent Einsparungen vor Ort fordern wolle.

Gleichzeitig sind Sie mitverantwortlich dafür, dass der Bund seine Versprechungen nur zum Teil einhält. Aber was viel schlimmer ist: Die seinerzeitige schwarz-gelbe Landesregierung hat das niedrigste GFG dieses Jahrtausends als ersten Haushalt im Jahr 2006 verabschiedet. Ihnen glaubt kein

Mensch, was Sie hier vortragen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Schulz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Wir haben eine Aktuelle Stunde zur Haushaltsentwicklung und zur Schuldenbremse 2020. Die Antizipation der Haushaltsberatung, die zu führen wir eigentlich nach der Sommerpause vorgesehen haben, können wir machen. Gut, die Aktualität ergibt sich aus den vorgelegten Zahlen zweier Wirtschaftsforschungsinstitute in Nordrhein-Westfalen. So neu und so aktuell sie sind, so erwartbar waren sie gleichwohl.

Ich könnte natürlich auch noch mal den Geschäftsklimaindex für NRW zitieren, wie es der Kollege Optendrenk gemacht hat. Dieser Index hat nur bedingt Auswirkungen auf die Entwicklung der finanziellen Lage in Nordrhein-Westfalen, weil die wiederum damit zusammenhängt, wie es bei der Zinsentwicklung weitergeht. Wir haben im Moment ein extrem niedriges Zinsniveau innerhalb Europas. Das wirkt sich auch positiv auf Nordrhein-Westfalen auf. Allerdings ist es richtig, dass – wie von Herrn Kollegen Mostofizadeh oder vom Kollegen Börschel gesagt worden ist – in die mittelfristige Finanzplanung und in den Schuldenabbaupfad zumindest eine moderate Erhöhung der Zinslast eingerechnet ist.

Nun hat der Landesrechnungshof NRW hat bereits in der vergangenen Legislaturperiode, nämlich im Januar 2012, wie folgt gewarnt: Der Landesrechnungshof hat Zweifel, ob die vorgesehene, gegenüber dem Vorjahr nochmals erhöhte globale Minderausgabe von 750 Millionen € für eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung geeignet ist.

Damit sind wir an einem Punkt, der für jeden Landeshaushälter und Finanzminister einen schönen Spielball bedeutet, nämlich bei den Globalposten, die im Haushalt eingerechnet sind. Es ist ja nicht nur zweifelhaft, dass die Globalposten für eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung geeignet sind. Die Globalposten sind auch ein Instrument der Verschleierung.

Wir Piraten haben vom ersten Tag an, als wir hier im Landtag über Haushalte mitdiskutiert haben, gesagt: Wir müssen die Globalpositionen egal ob bei

Minderausgaben oder bei Mehrausgaben offenlegen. Wir müssen sie transparent machen. Es geht um Globalausgaben von round about 800 Millionen €. Gut: für 2014 sind sie mit 672 Millionen € angesetzt. Wir müssen den Menschen sagen, wo gespart werden soll, wo die Daumenschrauben in den jeweiligen Ressorts angesetzt werden sollen.

Denn auf der einen Seite reden wir von KiBiz, von Inklusion, von Mehrausgaben, die gerade im Bereich der Bildung wichtig und notwendig sind.

Auf der anderen Seite soll teilweise in denselben Ressorts wieder eingespart werden. Das deckt sich nicht. Also, machen Sie es offen, Herr Finanzminister.

Ich meine, der nächste Haushalt ist sicherlich ein guter Ansatzpunkt dafür, sich schon jetzt Gedanken zumindest darüber zu machen, wie die Globalpositionen offengelegt werden. Das ist eine prospektive Forderung, die wir nicht erst neuerlich, sondern seit Anfang der Legislaturperiode gestellt haben.

Nach wie vor ist auch nicht ausgewiesen, wie die Mehreinnahmen erzielt werden und woher diese kommen sollen. Auch in der aktuellen mittelfristigen Finanzplanung bis 2017 wird letztendlich – das ist teilweise auch schon angeklungen – ein wenig Schönfärberei betrieben. Denn in den Schaubildern und Grafiken sind Ausgaben in Milliardenhöhe nicht enthalten, die das Land beispielsweise für die Abwicklung der ehemaligen WestLB sicher noch wird aufwenden müssen; das hat der Finanzminister hier am Pult schon mehrfach betont. Diese Ausgaben tauchen einfach nicht auf. Wir wissen nicht, wann sie getätigt werden müssen.

Mit Recht wird behauptet, es handele sich dabei nicht um strukturelle Ausgaben, sodass sie nicht unbedingt in die Schuldenbremsproblematik hineinfielen. Aber das Geld muss ja nun einmal irgendwo herkommen. Es wird nicht irgendwo geparkt, es liegt nicht auf der Bank herum. Wenn es auf der Bank herumliegt, dann muss man es holen. Dafür muss man Zinsen zahlen. Die Zinsen, die dafür aufgewendet werden müssen, die sind immer auch struktureller Natur, und die werden selbstverständlich miteingerechnet, wenn es darum geht, 2020 die Null erreichen zu können.

(Beifall von den PIRATEN)

Lassen wir nun einfach mal alle Wirtschaftsforschungsinstitute, weil sie vielleicht politisch gefärbt sind, außen vor und nehmen nur den Landesrechnungshof. Der schreibt in seinem Bericht für 2013 mit Blick auf den von der Landesregierung aufgezeigten Verlauf der Nettoneuverschuldung, die zielorientierte Rückführung der Nettoneuverschuldung bis auf null in 2020 sei der Planung nicht zu entnehmen.

Der Landesrechnungshof hat auch in allen vorangegangenen Jahren immer wieder betont, dass der

Schuldenabbaupfad bis 2020 vonseiten der Landesregierung im Prinzip um 500 Millionen € jährlich „gerissen“ wird. Das geht ganz klar aus dem Bericht des Landesrechnungshofs hervor.

Wie schon in einer der letzten Aktuellen Stunden und auch heute wieder hat Herr Kollege Börschel angedeutet, dass die Nettoneuverschuldung ja nun mal sinkt, von 2014 auf 2015 um 500 Millionen €, von 2015 auf 2016 um 300 Millionen € und von 2016 auf 2017 wiederum um 300 Millionen €.

(Martin Börschel [SPD]: Das ist doch toll!)

Moment! – Dann sind wir 2017 bei 1,3 Milliarden € Nettoneuverschuldung. Ich erinnere mich auch an einen Debattenbeitrag vom Kollegen Hahnen, der im letzten Jahr sagte: Dann liegen wir 2020 bei null.

Also: 2017 sind wir bei 1,3 Milliarden € bei einer schrittweisen Rückführung um 300 Millionen €. Rechnen wir das weiter, bleibt einfach etwas übrig. Denn dann haben wir nur noch die Jahre 2018, 2019 und 2020. Und am Ende bleiben rund 700 bis 800 Millionen € übrig.

Das ist auch die Prognose des Landesrechnungshofs: Wenn das so weitergeht, landen wir 2020 nicht bei null, sondern bei rund 1 Milliarde € Nettoneuverschuldung. Und das muss mal geklärt werden.

Da haben wir verschiedene Dinge aber noch gar nicht miteingerechnet, die wiederum struktureller Natur sind; das wurde hier schon erwähnt. Nicht eingerechnet ist, dass aufgrund einer Verfassungsgerichtshofentscheidung möglicherweise Beamtenbesoldung nachgezahlt werden muss. Nicht eingerechnet sind möglicherweise weitere Steigerungsraten im Personalbereich aufgrund von Tarifanpassungen. Nicht eingerechnet sind aber auch die Milliardenlasten – wie ich es gerade erwähnte – aus der Konsolidierung des WestLB-Desasters.

Die Redezeit.

Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin.

Sehr schön.

Herr Finanzminister, sagen Sie den Menschen in NRW, dass sie bei Bildung, Sozialem, Daseinsvorsorge und nicht zuletzt bei der Restaurierung der Infrastruktur weiterhin Einbußen werden hinnehmen müssen. Oder sagen Sie den Menschen, wie Sie es hinbekommen wollen, auf der einen Seite mit Ihrem Schuldenabbaupfad die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse bis 2020 zu erreichen und auf der anderen Seite dafür Sorge zu tragen, dass den Menschen in Nordrhein-Westfalen entsprechende Leistungen zugutekommen. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Jetzt spricht der fraktionslose Abgeordnete Stein.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Wir reden heute wiederholt über die Schuldenbremse, und wir reden auch zu Recht darüber, wie ich finde.

Herr Dr. Walter-Borjans, auch wenn Herr Mostofizadeh und Herr Börschel gerade etwas abgewiegelt haben: Sie sollten schon ernst nehmen, was die beiden Wirtschaftsforschungsinstitute RWI und IW Köln als Stellungnahme veröffentlicht haben. Denn das Haushaltsloch, welches immer noch in Ihrem Landeshaushalt klafft, lässt sich im Hinblick auf die Schuldenbremse – Herr Schulz hat das gerade ausführlich ausgeführt – nicht verleugnen bzw. verneinen und auch nicht kleinreden.

Die „Rheinische Post“ – daraus wurde heute schon öfter zitiert – hat in ihrer Ausgabe vom 2. Juni 2014 darüber berichtet. Ich zitiere Herrn Michael Hüther, den Präsidenten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Er sagt dort:

„Insgesamt ist noch kein überzeugender Abbaupfad für das Defizit erkennbar, mit dem sichergestellt wäre, dass Nordrhein-Westfalen 2020 die Schuldenbremse einhalten kann.“

Ganz ähnlich äußerte sich auch der Landesrechnungshof in seiner Stellungnahme zum Gesetz zur Vorlage einer verbindlichen Finanzplanung bis 2020. Dort heißt es – ich zitiere –:

„Nach Auffassung des LRH wäre die Aufstellung eines jährlich fortzuschreibenden und bis in das Jahr 2020 reichenden Finanzplans ein erster, allerdings wichtiger Schritt, um die Verpflichtungen für das Land aus der Schuldenregel des Grundgesetzes einzuhalten.“

Andere Länder haben eine solche Verbindlichkeit und damit Transparenz längst geschaffen – siehe Baden-Württemberg, siehe Hessen, siehe Niedersachsen oder siehe Schleswig-Holstein. Sie als NRW-Finanzminister hingegen agieren getreu der Devise: Morgen, morgen, nur nicht heute. – Dieses „Morgen“ kommt allerdings immer schneller auf uns zu.

Angesichts der nun schlechter werdenden Prognosen für die Konjunktur – Herr Dr. Optendrenk hat diese Problematik in seinem Redebeitrag sehr ausführlich beschrieben – drohen nun auch die Steuereinnahmen zurückzugehen. Dabei ist es nicht ihr finanzmathematisches oder ihr haushälterisches Geschick, welches Sie noch hoffen lassen kann, die Kriterien der Schuldenbremse einhalten zu können. Nein, es ist die konjunkturelle Situation, die im Ge

samteffekt immer noch so positiv ist, dass der Haushalt noch nicht ins absolute Chaos gestürzt ist.

Hören Sie auf, den selbstverschuldeten Niedergang einfach nur zu verwalten, sondern packen Sie die Dinge an! Fangen Sie an, hier transparent und verantwortungsvoll nach vorne über die mittelfristige Finanzplanung hinauszublicken, um den Menschen klarzumachen, was auf sie noch zukommen mag, wie Ihre Planungen für die Zukunft aussehen!

Bricht die Konjunktur jetzt ein, dann wird die Haushaltsproblematik, die hier aus der Opposition heraus kritisiert worden ist, deutliche Spuren negativer Art hinterlassen. Ein strukturell ausgeglichener Haushalt – das sage ich – rückt dann in so weite Ferne wie der erfolgreiche Verkauf der Portigon Financial Services GmbH.

Nun, bald debattieren wir den kommenden Haushalt. Dann sind Sie am Zuge, einfach einmal seriöse strukturelle Sparmaßnahmen über die 300 Millionen € jährlich hinaus zu tätigen …

Die Redezeit.

– ich komme sofort zum Ende – und nicht nur die globalen Minderausgaben aufzublähen und irgendwelche globalen Mehreinnahmen anzusetzen. Angesichts der deutlich über 2 Milliarden € schweren Lücke im aktuellen Haushalt ist es höchste Eisenbahn. – Danke sehr.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Stein. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Walter-Borjans.