Protocol of the Session on May 15, 2014

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist der gemeinsame Wahlvorschlag Drucksache 16/5980 angenommen und das vorgeschlagene stellvertretende Wahlmitglied gewählt. Ich gratuliere Herrn Prof. Dr. Gärditz recht herzlich zu seiner Wahl.

(Erneut allgemeiner Beifall)

Nach § 5 Abs. 2 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen leisten sämtliche Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs und ihre Vertreter vor dem Landtag den in dieser Vorschrift formulierten Eid, bevor sie ihr Amt antreten. Wir kommen deshalb nun unmittelbar zur Vereidigung des gewählten stellvertretenden Wahlmitglieds Prof. Dr. Klaus Gärditz.

Ich bitte Herrn Prof. Gärditz zu mir und die Anwesenden – soweit es Ihnen möglich ist –, sich von ihren Plätzen von erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Bitte, heben Sie die Schwurhand, und sprechen Sie mir die folgende Eidesformel nach:

„Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben werde.“

Prof. Dr. Klaus Gärditz: Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.

Vielen Dank, damit sind Sie vereidigt und in Ihr Amt eingeführt. Das Hohe Haus gratuliert Ihnen.

(Allgemeiner Beifall)

Bei einer solchen Vereidigung ist es immer relativ schwierig zu sagen, dass wir uns eine gemeinsame gute Zusammenarbeit wünschen. Denn eigentlich wünschen wir, dass wir Sie nicht so häufig benötigen und anrufen müssen. Trotzdem alles Gute und viel Glück in Ihrem neuen Amt.

(Allgemeiner Beifall – Prof. Dr. Gärditz: Vielen Dank, ich danke für das Vertrauen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit kann ich jetzt den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufen:

2 Aktionsplan der Landesregierung: „Eine Ge

sellschaft für alle – NRW inklusiv“

Unterrichtung durch die Landesregierung

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/6035

Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 21. Mai 2014 mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, zum Thema dieses Tagesordnungspunktes eine Unterrichtung vorzunehmen. Diese Unterrichtung erfolgt durch Herrn Minister Schneider, dem ich hiermit das Wort erteile.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit März 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention geltendes Recht in Deutschland. Das Ziel ist die Gewährleistung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen und Lebensphasen, und dafür müssen wir die Bedingungen schaffen. Dies ist nur in einer inklusiven Gesellschaft möglich. Die inklusive Gesellschaft ist eine Gesellschaft für alle Menschen, ob alt oder jung, ob mit Migrationshintergrund oder ohne, auch für Menschen mit und ohne Behinderung.

Die Zahl der Menschen mit Behinderungen ist nicht klein. In NRW gibt es inzwischen rund 2,6 Millionen Menschen mit Behinderungen, davon etwa 1,7 Millionen mit schweren Behinderungen.

Die Landesregierung hat deshalb unter Federführung des Sozialministeriums im Juli 2012 den Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ im Kabinett verabschiedet. Der Aktionsplan soll uns dabei helfen, schrittweise unser gemeinsames Ziel einer inklusiven Gesellschaft zu erreichen. Diese tiefgreifenden Veränderungen wirken sich auf alle Lebensbereiche aus. Deshalb ist es nur verständlich, dass alle Ressorts der Landesregierung an der Umsetzung des Aktionsplans mitarbeiten. Dabei ist uns klar, dass eine solche Veränderung nicht von heute auf morgen geschehen kann. Die Planung ist daher bis zum Jahr 2020 angelegt. Nach den ersten Erfahrungen bei der Umsetzung unseres Aktionsplans muss ich allerdings darauf hinweisen, dass es auch etwas länger dauern kann.

Mit dem aktuellen Sachstandsbericht, der Ihnen bereits zugegangen ist, will ich Sie über den Umsetzungsstand unserer über 200 Maßnahmen im Aktionsplan des Landes informieren. Da wir in den letzten Wochen aus guten Gründen viel über den wich

tigen Bereich der inklusiven Bildung in der Schule diskutiert haben, werde ich diesen Bereich heute bewusst aussparen. Unsere Bilanz nach anderthalb Jahren ist positiv. Dies kann bereits gesagt werden. Einige Maßnahmen sind bereits abgeschlossen. An über 170 Maßnahmen wird derzeit gearbeitet. Mit circa 20 Maßnahmen wurde noch nicht begonnen; sie sind in der Planung. Dabei sind nicht alle Maßnahmen und Projekte eins zu eins wie im Aktionsplan beschrieben.

Wer die Menschen, um die es geht, wirklich beteiligen will, muss auch auf ihre Änderungswünsche eingehen. Wir nehmen den Grundsatz „Nichts über uns ohne uns“ sehr ernst. Deshalb haben wir bereits im Dezember 2012 den Landesinklusionsbeirat gegründet. Dieser und die sechs Fachbeiräte begleiten die Umsetzung des Aktionsplans und entwickeln ihn an einigen Stellen nach Bedarf weiter. Die Fachbeiräte gliedern sich in folgende Themenfelder: Barrierefreiheit, Zugänglichkeit und Wohnen, Arbeit und Qualifizierung, Partizipation, inklusive schulische Bildung, Gesundheit sowie Kinder und Jugendliche mit Behinderung.

Mit einer breiten Beteiligung der Betroffenen dauert die Umsetzung manchmal länger, aber dafür ist das Ergebnis dann im Allgemeinen besser.

Ein gutes Beispiel für ein Gesetz, welches so nicht im Aktionsplan enthalten ist, aber den Geist der UNKonvention widerspiegelt, ist das Erste allgemeine Gesetz zur Stärkung der sozialen Inklusion, das wir in wenigen Wochen einbringen werden. In einem Artikelgesetz wollen wir allgemeine und grundsätzliche Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention in Landesrecht übertragen.

Das betrifft zum Beispiel auch die Verpflichtung aller Träger öffentlicher Belange auf die Grundsätze der Behindertenrechtskonvention und den Abbau von Sonderregelungen und Einrichtungen. Wir verankern damit gesetzlich, dass Menschen mit Behinderungen beteiligt werden müssen.

Die auch im Aktionsplan angekündigte Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes werden wir ebenfalls im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung der sozialen Inklusion vollziehen. Die Begriffe Benachteiligung und Diskriminierung müssen wir dringend an die Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention anpassen.

Aber auch der Begriff der Barrierefreiheit wird so umgestaltet, dass er besser auf die verschiedenen Arten von Barrieren abstellt. So soll das Behindertengleichstellungsgesetz etwas stärker als bisher auf die Kommunikationsbedarfe von Menschen abzielen, die Lernschwierigkeiten haben. Barrieren sollen auch dadurch abgebaut werden, dass wir die Regelungen zu Kommunikationshilfen und zu barrierefreien Dokumenten für Menschen mit Behinderungen weiter verbessern.

Barrierefreiheit beginnt bekanntlich im Kopf. Es ist sehr wichtig, dass wir diese Barrieren in vielen Köpfen einreißen. Aber auch andere, bauliche Barrieren sollten natürlich zukünftig nicht außer Acht gelassen werden. Ganz wichtig sind hier auch Änderungen des Ausführungsgesetzes zum Sozialgesetz

buch XII. Damit wollen wir eine dauerhafte Lösung für die Förderung des Prinzips „ambulant vor stationär“ herbeiführen. Daher entfristen wir die Regelung der Zuständigkeit für beide Wohnformen bei den Landschaftsverbänden und bauen Schnittstellenprobleme, die bislang bestehen, im Zuge dieser Neuregelung ab.

Wir haben mit der Zuständigkeit für beide Wohnformen in einer Hand gute Erfolge erzielen können. Die Zahlen beim stationären Wohnen stagnieren bei ca. 43.300 Plätzen seit 2004. Beim ambulanten Wohnen dagegen ist es uns gelungen, den Umbau der Wohnangebote von stationär zu ambulant erfolgreich zu vollziehen, von ca. 9.000 im Jahre 2004 auf etwa 51.800 im Jahre 2013.

Natürlich werden wir auch zukünftig stationäres Wohnen für Menschen mit Behinderungen benötigen. Aber die Tendenz hin zu ambulanten Wohnformen ist außerordentlich erfreulich. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei den freien Trägern bedanken, die diese Politik an entscheidender Stelle mitgetragen haben.

Meine Damen und Herren, eine ganz wesentliche Stellschraube für das Gelingen von Inklusion ist die Reform der Eingliederungshilfe. Daher setzt sich das Land für die Schaffung eines Bundes-Teilhabegesetzes ein, das einerseits die Kommunen finanziell entlastet und andererseits die Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen stärkt. Beides ist notwendig und erforderlich.

Das Bundesteilhabegesetz muss den Ansprüchen der Behindertenrechtskonvention genügen. Die Beteiligungsrechte der Menschen mit Behinderungen müssen gestärkt werden. Vor allem müssen die Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderungen, soweit es irgend möglich ist, endlich aus dem System der Sozialhilfe herausgelöst werden. Für die Landesregierung ist dies ein ganz großer Schritt zur Stärkung der Teilhabe und damit ein wichtiger Schritt in Richtung Inklusion.

Aber es ist auch ohne diese wichtige Reform bereits jetzt möglich, die Beteiligungsrechte zu stärken. Im Auftrag des Sozialministeriums, des Innenministeriums und des Landesbehindertenbeauftragen werden gegenwärtig von der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe die realen Formen der politischen Partizipation von Menschen mit Behinderungen in den Kommunen überprüft. Ziel ist es, nicht nur die vielen vorhandenen Partizipationswege zu erheben, sondern daraus Handlungsempfehlungen zur Verbesserung eben der politischen Partizipation zu entwickeln.

Wir haben darüber hinaus mit unserer im März veröffentlichten Handreichung „Inklusive Gemeinwesen Planen.“ Kommunen Wege aufgezeigt, wie Inklusion vor Ort umgesetzt werden kann, natürlich immer unter Beteiligung der Betroffenen.

Meine Damen und Herren, ein weiterer für mich sehr bedeutsamer Bereich ist die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt. Arbeit ist mehr als reiner Broterwerb. Die Beteiligung an Arbeit, vor allem auch an Erwerbsarbeit, ist der Schlüssel zur Teilhabe an Gesellschaft schlechthin.

Unsere Bilanz in diesem Feld kann sich sehen lassen. Das neue Übergangssystem „Kein Abschluss ohne Anschluss“ wirkt inklusiv. Es ist eben für alle Schülerinnen und Schüler gedacht.

Daher überprüfen wir und überführen wir das Programm „STAR: Schule trifft Arbeitswelt“ auch in das neue Übergangssystem.

Wir machen noch mehr. Über die Aktion „100 zusätzliche Ausbildungsplätze“ haben seit 2007 schon 890 junge Menschen mit Behinderungen eine Ausbildung begonnen.

Besonders das Programm „Integration unternehmen!“ ist mir wichtig, da sich diese Integrationsunternehmen am Markt behaupten müssen und auch behaupten. Sie müssen profitabel wirtschaften und dies ist auch gut so. In unseren inzwischen 250 Integrationsunternehmen arbeiten zwischenzeitlich 5.600 Beschäftigte, davon fast 3.000 mit Behinderungen.

Einen Übergang von der Werkstatt in reguläre Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt gestalten wir seit Anfang 2013 mit dem Programm „1.000 Außenarbeitsplätze“. Seit Beginn, also 2013, haben wir schon 430 Außenarbeitsplätze geschaffen. Diese Menschen bleiben formal bei den Werkstätten, aber arbeiten eben in Außenarbeitsplätzen und werden über diesen Weg auch mit dem allgemeinen Arbeitsmarkt bekannt.

Sie sehen also: Es ist auch hier Bewegung. – Trotzdem müssen wir weiter gemeinsam daran arbeiten, dass Ängste vor der Beschäftigung von behinderten Menschen abgebaut werden.

Deshalb an dieser Stelle mein Appell an alle Beteiligten, vor allem an die Arbeitgeber: Stellen Sie Vorbehalte gegenüber der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen zurück! Stellen Sie diese Menschen ein! Angesichts einer drohenden Fachkräftelücke können wir auch nicht auf dieses Reservoir verzichten.

Gerade gestern hat Ernst & Young eine Untersuchung publiziert, wonach dem deutschen Mittelstand 31 Milliarden € Umsatz pro Jahr verloren gehen, weil es nicht genügend Fachpersonal in bestimmten Bereichen gibt. Diese Zahlen sprechen für sich.

Meine Damen und Herren, eine möglichst selbstständige Lebensführung soll auch über den Aktionsplan zur Vermeidung unnötiger Betreuungen, der federführend im Justizministerium erarbeitet wird, gefördert werden. Auch dieser Aktionsplan wird ressortübergreifend erarbeitet. Ziel dieser gemeinsamen Kraftanstrengung ist es, dass Menschen möglichst lange ohne gesetzliche Betreuung selbstständig ihr Leben in die Hand nehmen können.

Dies ist auch eine sozialpolitische Herausforderung. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hinter mancher Betreuung auch das Interesse des Gelderwerbs steht. Ich will mich hier besonders zurückhaltend ausdrücken. Viele Menschen meinen, hier sei ein Markt vorhanden, den man schnell bedienen muss, um den schnellen Euro zu machen.

Daher ist es uns möglich, die Beratungs- und Anlaufstellen für Menschen mit Behinderungen, die wir durch zum Beispiel unsere Kompetenzzentren für selbstbestimmtes Leben in Dortmund und Köln geschaffen haben, auch auszuweiten. Wir werden mit dem Beginn des Jahres 2015 dieses umfassende Angebot in allen Regierungsbezirken etablieren. Wir können dies, weil wir in der nächsten Förderperiode auch Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds einsetzen, um hier zu einer Stärkung im Interesse der Menschen mit Behinderungen zu kommen.