Protocol of the Session on May 15, 2014

(Armin Laschet [CDU]: Das waren die Grü- nen! Das waren nicht Sie!)

Doch, Herr Laschet, das ist so. Wir wollten eine Form der Ermöglichungspolitik. Diese Form der Ermöglichungspolitik, die wir in der Zwischenzeit im Schulkonsens umsetzen, ist das, was wir uns schon damals in der SPD gedacht haben. Wenn Sie das anders wahrgenommen haben, ist das Ihre Wahrnehmung. Das ist aber nicht das, was wir als SPD auf den Weg bringen wollten, denn wir haben nie gesagt, dass wir alle Gymnasien schließen.

(Armin Laschet [CDU]: Natürlich! – Zurufe von der SPD)

Nein. Es ist auch nicht richtig, dass Sie sich als Retter der Gymnasien hier in diesem Landtag aufschwingen.

Ich würde mich lieber darauf kaprizieren wollen, dass wir in diesem Landtag positive Beispiele einer konstruktiven Zusammenarbeit auch mit der CDU in der letzten Zeit wieder gehabt haben. Ich erinnere daran, dass wir das 10. Schulrechtsänderungsgesetz gemeinsam verabschiedet haben und es hier eine Zusammenarbeit mit der CDU gegeben hat, übrigens auch mit den übrigen Parteien in diesem Landtag. Ich glaube, dass wir über solche Gesetzesänderungen am Ende auch eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung haben werden. Denn die hochgradig kontrovers diskutierte Schulpolitik, die wir hier im Landtag führen, findet keinen Konsens an der Basis.

Meine Damen und Herren, zwei Jahre Schulkonsens auf der einen Seite sind eine Erfolgsgeschichte. Wenn man den Bericht liest, werden auf der anderen Seite aber auch Notwendigkeiten der Nachjustierung deutlich. Diese Fragen sollten wir im Aus

schuss miteinander besprechen. Diese Nachjustierungen ergeben sich unter anderem bei der Frage der Notwendigkeit des kommunalen Konsenses. Es wird sicherlich erforderlich sein, möglicherweise noch stärker über Kreissteuerungen oder über Kreisschulentwicklungsplanung zu beobachten, ob tatsächlich alle Schulträger in der Lage sind, Schulen anzubieten.

Und wir stellen auch fest, dass die Gymnasien weiterhin die höchsten Übergänge verzeichnen, während sich die Zahl der Hauptschüler halbiert hat und auch bei den Realschulen Rückgänge um 32 % feststellbar sind.

Alleine 137 Realschulen sind mit der Neugründung von Gesamt- und Sekundarschulen auslaufend gestellt. Frau Löhrmann hat eben darauf hingewiesen, dass 197 Hauptschulen auslaufend gestellt sind. Das macht nochmals deutlich, dass die Schulen, die auslaufend gestellt sind und die aufbauend arbeiten, unserer ganz besonderen Beobachtung bedürfen, weil es nämlich erforderlich ist, dass die Kolleginnen und Kollegen an diesen Standorten zusammenarbeiten. Nur da, wo die Zusammenarbeit wirklich gelingt, findet eine positive Entwicklung vor Ort statt. Auch hier noch einmal ein herzliches Dankeschön an die Kollegen, die diese Zusammenarbeit vor Ort realisieren und umsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir werden feststellen, dass der Drive zur Neugründung von neuen Schulen wahrscheinlich etwas abnehmen wird. Das hat etwas mit der demografischen Entwicklung zu tun; das hat auch etwas mit einer gewissen Form von Sättigung zu tun. Gleichwohl bedeuten die Sekundarschulen, die gegründet worden sind, auch eine Stütze der Gymnasien vor Ort, weil auf diese Art und Weise die Oberstufen der Gymnasien gesichert werden.

Wir stellen fest, dass die Frage der Gründung von Schulen in den jeweiligen Landschaften sehr unterschiedlich zu beantworten ist. Keine Schulgründung ist wie die andere. Es wird sehr genau geschaut, wie sich die kommunalen Voraussetzungen präsentieren. Hier möchte ich auf zwei Dinge ausdrücklich hinweisen.

Das sind zum einen die Schulgründungen in Bad Driburg und Brakel, wo das gesamte gegliederte Schulwesen zugunsten einer Gesamtschule aufgegeben worden ist, während gleichzeitig die privaten Gymnasien daneben stehengeblieben sind. Wichtig ist den Eltern in jedem Fall, dass die Schulen, die dort angeboten werden, über eine Abituroption verfügen.

Das sind zum anderen die Kooperationsvereinbarungen – Frau Löhrmann hat eben schon darauf hingewiesen – zwischen den Schulen der Sekundarstufe I und den Sekundarschulen und der Sekundarstufe II, die ausgesprochen wichtig sind. Im Ministeriumsbericht kann man nachlesen, dass hier

möglicherweise noch einmal stärkere Hinweise zu der Frage erfolgen, wie diese Kooperationsvereinbarungen zu treffen sind und wie die Qualität dieser Vereinbarungen in den Blick zu nehmen ist.

Ich denke, es ist ganz wichtig, dass wir uns auch damit noch einmal beschäftigen. Es ist gut, dass das Ministerium deutlich gemacht hat, dass es gemeinsam mit den Bezirksregierungen noch einmal einen Blick darauf werfen will, damit die Qualität der Kooperationsvereinbarungen auch trägt.

Grundsätzlich gilt, dass in allen Regierungsbezirken sowohl Sekundarschulen als auch Gesamtschulen gegründet worden sind und dass die Neugründungen überwiegend funktioniert haben. Es hat aber auch immer wieder Schulen gegeben, die die entsprechenden Anmeldezahlen zusammenbekommen haben. In den urbanen Räumen betrifft das eher die Gesamtschulen, die gegründet worden sind, und in den ländlichen Räumen eher die Sekundarschulen; darauf hat Frau Löhrmann eben auch schon hingewiesen.

Aber – das werden wir sicherlich mit der Bildungskonferenz aufgreifen müssen – wir haben in den ländlichen Räumen inzwischen Probleme, wenn Schüler zurücklaufen, die das Gymnasium nicht schaffen. Deshalb wird die Bildungskonferenz sich genau mit der Frage beschäftigen müssen, was wir zukünftig mit den Schülern und Schülerinnen machen, die auf den Schulen des gegliederten Schulsystems möglicherweise nicht verbleiben können. Sie werden eine Rücklaufoption haben und wir müssen sicherstellen, dass für diese Schülerinnen und Schüler auch ein ordnungsgemäßer Abschluss des Bildungsganges möglich ist. Das ist Aufgabe der Bildungskonferenz. Ich bin sehr froh, dass genau diese Fragen in der nächsten Bildungskonferenz behandelt werden.

Das Quroum für die Neugründung von Sekundarschulen liegt bei 75 Schülern und für die Gesamtschulen bei 100. Diese Schüler und Schülerinnen müssen bei der Neugründung gemeindeeigene Kinder sein. Es erscheint daher grundsätzlich erforderlich, dass Kommunen auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung stärker auf Planungsverbünde setzen, wenn sie zukünftig weitere Schulgründungen im Land vornehmen werden, weil sie sonst die Quoren nicht mehr erfüllen werden.

Insgesamt scheint die Frage der interkommunalen Zusammenarbeit eine zu sein, die wir verstärkt in den Fokus nehmen müssen. Ich glaube, dass die Bezirksregierung verstärkt Schulen diesbezüglich beraten müssen; denn dort, wo es in den Randstellen noch Schulgründungen gibt oder wo zusätzlich Verbünde geschaffen werden müssen, wird das häufig interkommunal erforderlich sein. Wir müssen aufhören, nur im Fokus auf jeweils eine Gemeinde Schulen aus der Wiege zu heben.

Angemahnt wird auch, dass bei den Fragen der Teilstandorte möglicherweise die Lehrer- und Leistungsressourcen problematisch sind. Auch darüber werden wir uns unterhalten müssen, um sicherzustellen, dass wir auch an Teilstandorten zukünftig eine ausreichend gute Schulqualität auf den Weg bringen.

Mit Bedauern stellen wir fest, dass in den letzten Jahren kleine Kommunen Schwierigkeiten hatten, ein öffentliches Schulangebot aufrechtzuerhalten. Die Probleme treten insbesondere dann auf, wenn die Kommunen ein Gymnasium unterhalten, das einen großen Einzugsbereich hat, gleichzeitig keine interkommunale Zusammenarbeit gesucht wird oder möglich ist.

Die Schwierigkeiten bei der interkommunalen Zusammenarbeit lässt den Schulträger dann auf einen privaten Anbieter zurückgreifen, der unter anderem das Schulgebäude zur Verfügung gestellt bekommt. Es ist für private Schulträger möglich, Schulen zu gründen, die für öffentliche Schulträger nicht zulässig sind, solange sie im Hinblick auf Klassenfrequenzen und die Zügigkeiten, die dem staatlichen Schulträger nicht erlaubt sind, den Anforderungen gerecht werden.

Die Ersatzschulgründungen sind in NordrheinWestfalen verfassungsmäßig gesichert. Dennoch hat auch der Landesrechnungshof darauf hingewiesen, dass Kommunen ihre Haushalte entlasten, indem sie originäre Aufgaben im Bildungsbereich auf Ersatzschulträger und die Finanzierung damit auf die Landesebene verlagern. Es ist sehr zu begrüßen, dass im Bericht des Ministeriums für Schule und Weiterbildung diese Problematik noch einmal in aller Deutlichkeit angesprochen worden ist.

Der Schulkonsens ist aus unserer Sicht ein Erfolg, nicht nur, weil wir im ländlichen Raum Schulen erhalten können, sondern weil wir insgesamt Lernangebote verändert und die Schulentwicklung von innen heraus in den Schulen ermöglicht haben. Es ist nicht nur eine strukturelle Veränderung, sondern eine inhaltliche Neuaufstellung. Es ist außerdem ein Beitrag zur Qualitätsentwicklung der Schulen in Nordrhein-Westfalen.

In diesem Sinne sollten wir den Schulkonsens weiter begleiten. Ich setze hohe Hoffnungen darin, dass das, was wir mit dem Schulkonsens begonnen haben, am Ende auch konsensual zu einer guten Schullandschaft in Nordrhein-Westfalen führt. – Ich bedanke mich fürs Zuhören.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Hendricks. – Nun spricht für die FDP-Fraktion der Fraktionsvorsitzende Herr Lindner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist eine beachtliche Debatte, die wir verfolgen können. Sie beginnt mit der Schulministerin, die eine Unterrichtung auf die Tagesordnung hat setzen lassen. Sie hat das Kunststück fertiggebracht, in ihrer Unterrichtung über eine erste Bilanz des Schulkonsenses zu allen praktischen Umsetzungsproblemen zu schweigen. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall von der FDP, der CDU und Robert Stein [fraktionslos])

Danach kommt Kollegin Hendricks, die unter „Unterrichtung“ gleich ganz „Unterricht“ versteht, die sie den Damen und Herren von der Opposition erteilen möchte.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP, der CDU und Robert Stein [fraktionslos])

Der Herr Oppositionsführer hat der FDP noch einmal ganz genau die Regierungspolitik erklärt. Lieber Armin, ich habe dir genau zugehört, ich bin trotzdem noch nicht vollständig überzeugt.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP, der CDU und Robert Stein [fraktionslos])

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine ehrliche Bilanz des sogenannten Schulkonsenses. Wenn ich allein auf den Titel dieser Unterrichtung schaue, Frau Ministerin – „Motor der Veränderung der regionalen Schulangebote“ –, stelle ich einen grundlegenden Dissens für meine Fraktion gegenüber der Landesregierung fest. Denn vor Ort von Angeboten und von Wahlfreiheit zu sprechen, das entspricht immer weniger der Realität in unserem Land.

Bei den Förderschulen beklagt inzwischen selbst die CDU, dass über den Inklusionsprozess ein Drittel vor Ort gefährdet ist. Frau Löhrmann, Sie konzentrieren die Ressourcen und die Aufmerksamkeit Ihres Ministeriums – so, wie heute auch Ihre Redezeit hier am Pult – auf die Schulen des Gemeinsamen Lernens. Dort sind 23 % unserer Schülerinnen und Schüler. Für die anderen 77 % gab es hier heute keine angemessene Redezeit und Aufmerksamkeit der Schulministerin.

(Beifall von der FDP und der CDU)

In Kreisen wie Höxter und Warendorf – berichten sie fröhlich – gebe es bei bestimmten Angeboten vor Ort überhaupt nur noch öffentliche Schulen – wie Sie sagen – des Gemeinsamen Lernens.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Nein!)

Doch. In Höxter und Warendorf ist das in Kürze der Fall. Dann gibt es bei einzelnen Bildungsgängen nur noch Schulen des Gemeinsamen Lernens. Sie haben hier heute wieder das Hohelied des Elternwillens gesungen. Welchen Elternwillen gibt es denn eigentlich noch, wenn man sich nur für eine Schule

des Gemeinsamen Lernens entscheiden kann, Frau Löhrmann?

(Beifall von der FDP, der CDU und Robert Stein [fraktionslos])

Der Schulkonsens bedeutet also in der Praxis weniger Wahlfreiheit und gezielte Benachteiligung einzelner Schulformen.

Wenn Sie sagen, der Streit sei durch diese wegweisende Übereinkunft von Rot-Grün und CDU beendet worden, dann muss ich sagen: Der Streit konnte deshalb beendet werden, weil seinerzeit die Kolleginnen und Kollegen der CDU offensichtlich Kurs auf eine Große Koalition in Nordrhein-Westfalen nehmen wollten und deshalb wichtige eigene Programmbestandteile nicht hinreichend verteidigt haben.

Deshalb konnte der Union auch entgehen, dass es eine klare ideologische Zielsetzung in Ihrer Politik gibt, Frau Löhrmann. Das mache ich Ihnen nicht zum Vorwurf. Sie haben auf Ihren Landesparteitagen in den letzten Jahren niemals ein Geheimnis daraus gemacht. Sie haben immer beschlossen, das Ziel Ihrer Regierungsarbeit, das langfristige Ziel Ihrer Bildungspolitik sei eine einheitliche Schulform für alle. Das haben Sie immer in aller Klarheit und Offenheit öffentlich gesagt.

Dieses Ziel finden wir jetzt auch in dem Bericht, den Sie uns zugeleitet haben, wieder. Beispielsweise heißt es auf Seite 61:

„Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung des Schülerpotentials ist die Einbringung auch des örtlichen gymnasialen Angebots in die Gesamtschulerrichtung.“

Damit ist klar, wohin die Reise gehen soll, Frau Löhrmann. Sie geht über die Strukturen hinaus. Es gehört auch zum Schulkonsens, wie Sie die Schulformen, die pädagogische Arbeit organisieren. An den Sekundarschulen wird Differenzierung unterbunden. An den Gesamtschulen wird Differenzierung abgeschafft.

Sie loben in Ihrem Bericht, dass an den Schulen des Gemeinsamen Lernens bis zur Klasse 9 in der Regel die Versetzung nicht geprüft wird, sondern automatisch versetzt wird.

Sie haben PRIMUS gelobt. Da ist gleich weitgehend von Klasse 1 bis 10 auf jede Note und jede Versetzungsnotwendigkeit verzichtet worden.

Es ist klar, wohin die Reise gehen soll. Sie wollen Bildungsgerechtigkeit und opfern dafür Bildungsqualität. Sie werden aber keine Chancen verbessern, wenn Sie das Leistungsprinzip aufgeben, Frau Löhrmann.