Protocol of the Session on March 28, 2014

Sie generieren mit Ihrer Politik Standortnachteile, und diese Standortnachteile sind fatal. Andere Regierungen schlafen da eben nicht; als Beispiele sind Bayern und Hessen genannt worden. Sie sollten einen Blick auf diejenigen richten, die es besser machen, und auch eingestehen, dass man davon lernen kann, statt einfach in den Abgrund zu schauen und sehenden Auges diesem Fatalismus zu folgen.

Ihre Entscheidung, die EFRE-Mittel nicht flächendeckend für den Breitbandausbau einsetzen zu wollen, ist – so muss man sagen – ein Schlag ins Gesicht der Bürgerinnen und Bürger sowie der kleinsten, kleineren und mittleren Unternehmen. Diese Politik ist eine peinliche Posse, in der Sie weiten Teilen der Bevölkerung durch ihre Taten verdeutlichen: Sie sind nicht solidarisch; Sie lassen die Haushalte zurück, und Sie haben nicht verstanden, welches die großen, zukunftsweisenden Herausforderungen für unser Land in der infrastrukturellen Gestaltung als Rahmen für die Netz- und auch für die Wirtschaftspolitik sind.

Diese politische Kultur der Nichtwertschätzung wird uns wohl noch teuer zu stehen kommen. Es ist fünf vor zwölf, Herr Duin. Korrigieren Sie jetzt Ihre Fehlentscheidung oder verlieren Sie Ihre netzpolitische Reputation vollends! Sie haben die Wahl. – Danke sehr.

(Beifall von der CDU, der FDP und Dietmar Schulz [PIRATEN])

Vielen Dank, Herr Kollege Stein. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Duin.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Abgeordneter Stein, das Lob für den Kollegen Klingbeil aus dem Deutschen Bundestag werde ich ihm gerne übermitteln, wenn ich das nächste Mal mit ihm über diese Themen spreche.

Ich halte es auch für gut, dass sich die Fraktionen für den in ihrem Antrag genannten flächendeckenden Breitbandausbau aussprechen; das ist natürlich zu begrüßen. Mir ist jedoch schleierhaft, wie Sie darauf kommen, dass die Landesregierung hier in irgendeinem Falle irgendetwas blockiere. Das Gegenteil ist der Fall. Dass dieser Antrag wirklich gar keine sachliche Grundlage hat, sondern dass er

auch noch mit falschen Behauptungen und mit irreführenden Lösungsvorschlägen agiert, halte ich für sehr bedauerlich; das wird diesem Thema nicht gerecht.

Fakt ist: Der weltweite Datenverkehr steigt dramatisch an.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Dramatisch?)

Klar ist, dass wir eine leistungsfähige, auf Glasfaser basierende Netzinfrastruktur mit den entsprechenden Zugängen für die Endkunden brauchen und dass wir als Landesregierung ohne Wenn und Aber zu den Zielen des Koalitionsvertrages – im Übrigen auch zu den Zielen des Koalitionsvertrages auf der Bundesebene – beim flächendeckenden Breitbandausbau stehen. Dass wir mit über 97,5 % eine flächendeckende Grundversorgung haben, versuchen Sie zu ignorieren. Dass wir bei über 80 % einen Anschluss von 16 Mbit haben, versuchen Sie zu ignorieren. Dass wir auch bei rund 70 % bereits 50 Mbit haben, versuchen Sie ebenfalls zu ignorieren.

Für uns ist klar, dass wir an dem Ziel der flächendeckenden Grundversorgung mit 50 MBit für das Jahr 2018 festhalten und deswegen genau dieser Ausbau der Hochleistungsnetze mit einer entsprechenden Datenübertragungsrate Vorrang hat. Ich fand es interessant, dass in einer der vorangegangenen Reden schon einmal zum Ausdruck gekommen ist – insofern herrscht vielleicht doch nicht gänzliche Einigkeit zwischen den Antragstellern –, dass die Politik nicht der alleinige Akteur ist, sondern der Ausbau grundsätzlich erst einmal durch die am Markt agierenden Infrastrukturanbieter erfolgen muss.

(Ralph Bombis [FDP]: Habe ich ja gesagt!)

Das habe ich ja gerade bestätigt, dass ich Ihnen zugehört habe, Herr Bombis. Wenn Sie mir auch zuhören, verstehen Sie das.

(Heiterkeit von der SPD)

Die Landesregierung kann mit den ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen lediglich unterstützend agieren. Staatliches Handeln – davon bin ich in dieser und in allen anderen Fragen überzeugt – ist nur dort sinnvoll, wo der Markt auch tatsächlich versagt.

(Ralph Bombis [FDP]: Genau!)

Wir handeln bereits und leisten sehr konkrete Hilfe beim Ausbau dieser Breitbandinfrastruktur. Wir beraten, wir fördern, zum Beispiel Gewerbegebiete, wir treiben den Breitbandzugang auf dem Lande voran, wir helfen bei der Finanzierung mit dem Darlehensprogramm der NRW.BANK „Breitband“ und haben den von Ihnen so kritisierten Runden Tisch eingerichtet. Wenn Sie der Expertenanhörung genau zugehört haben, so ist es genau das, was notwendig ist, nämlich alle Akteure zusammenzubringen. Deswegen halten wir an dieser Konstruktion fest.

Wir haben die Fördermittel allein im Vergleich von 2011 auf 2012 verdoppelt. Deswegen komme ich zu dem Ergebnis, dass wir nicht so schlecht dastehen, dass wir als Flächenland in Deutschland – das bitte ich einfach einmal zu akzeptieren; man kann sich ja die entsprechenden Karten angucken – sogar an der Spitze sind. Dennoch lassen wir nicht nach, insbesondere mit Blick auf den ländlichen Raum, und werden dort über die einzelnen Töpfe hinweg darauf achten, die entsprechenden Anstrengungen weiter zu verstärken.

Sowohl in der Anhörung im Ausschuss als auch aus den Reihen des Landtages, von der entsprechenden Wirtschaft, von den kommunalen Spitzenverbänden und vielen anderen wurde mehrfach nach der Förderung der Breitbandinfrastruktur mit Zuschüssen aus dem EFRE-Programm gefragt oder dies diskutiert. Da ist gar nichts zu korrigieren; vielmehr ist immer gesagt worden, dass es sich hier um einen Prozess der entsprechenden Rechtsetzung auf der europäischen Ebene handelt.

So war es eben richtig – wir haben das sowohl in der entsprechenden Debatte hier im Landtag als auch im Ausschuss zwei-, dreimal immer wieder aufgerufen; korrigieren Sie mich –, dass es in den Verhandlungen zur Partnerschaftsvereinbarung die EU-Kommission war, die es abgelehnt hat, stärker entwickelten Regionen in Deutschland die flächendeckende Förderung des Breitbandausbaus aus dem EFRE zu genehmigen. Auf Drängen der Bundesländer hin öffnete die Kommission schließlich doch die Tür für eine aber eben begrenzte und sehr gezielte Breitbandförderung aus dem Fonds für regionale Entwicklung, und zwar nur im Kontext des Ziels Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von KMU, um so Entwicklungshemmnisse bei der Entwicklung von KMU durch fehlende Hochgeschwindigkeitsanschlüsse zu beseitigen. Im Wesentlichen geht es dann dabei um die Anbindung von Gewerbegebieten an Hochgeschwindigkeitsnetze.

Wir haben umgehend und sehr zielgerichtet gehandelt. Wir haben das Operationelle Programm entsprechend um die Förderung von Breitbandinfrastrukturen ergänzt. Wir haben unter dem Punkt „Beseitigung von infrastrukturellen Entwicklungshemmnissen für KMU durch den Ausbau innovativer wirtschaftlicher Infrastrukturen“ in der Veröffentlichung vom 18. März diese Dinge aufgenommen und werden uns auch weiterhin in den Verhandlungen gegenüber der EU-Kommission dafür einsetzen.

Die EU bleibt jedoch – dieser Punkt ändert daran auch nichts – bei ihrer grundsätzlichen Position, dass in Deutschland eine umfassendere, sogar vielleicht flächendeckende Breitbandförderung aus dem EFRE für sie nicht infrage kommt. Manches, was hier an Unkenntnis über die europäischen Verfahren zum Ausdruck gekommen ist, ist wirklich erschreckend. Die Breitbandversorgung auf dem Lan

de, im ländlichen Raum, mit dem EFRE zu fördern ist nicht möglich.

Hier kommen andere Förderprogramme zum Einsatz: ELER mit seinen Möglichkeiten oder auch die Gemeinschaftsaufgabe GAK. Auch über die Mittel der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ bestehen nicht überall, aber in abgegrenzten ländlichen Regionen wie zum Beispiel Ostwestfalen-Lippe entsprechende Fördermöglichkeiten.

Ich will grundsätzlich festhalten, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine sehr klare Strategie – das ist durch die Berufung des Beauftragten für die digitale Wirtschaft noch einmal deutlich geworden – in dem Bereich haben.

Die Redezeit.

Frau Präsidentin, letzter Satz. – Wem, wie der Opposition, zum Thema „Breitband“ außer dem EFRE nichts anderes einfällt, der hat die Breite, die dieses Thema bietet, nicht verstanden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wüst für die CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist eben gefragt worden: Warum führen wir diese Debatte eigentlich?

(Beifall von Matthi Bolte [GRÜNE] – Daniela Schneckenburger [GRÜNE]: Richtig!)

Wir führen Sie deshalb, weil wir Ihnen eine Chance geben wollten, Herr Duin, den gewonnenen Erkenntniszuwachs aus dem Expertengespräch des letzten Ausschusses umzusetzen. Aber Sie haben das Gegenteil getan. Sie haben gerade gesagt, Sie hätten nichts zu korrigieren. Mir ist ziemlich wurscht, ob Sie etwas zu korrigieren haben oder nicht, weil mir die Motive für diese Aussage nicht klar sind. Gerade sagten Sie, auf Drängen der Bundesländer hätte man dann doch ein kleines Fenster für EFREFörderung geöffnet. Am 15. Januar haben Sie im Ausschuss das Gegenteil erklärt: Alle Bundesländer seien sich einig gewesen, dass es nicht geht.

Sie tragen hier, genau wie Herr Schmeltzer, nichts Neues vor. Dass die EU-Kommission EFREFörderung für Breitband, für die Infrastruktur insgesamt nicht möchte und das auch so ausführt, ist uns allen sattsam bekannt. Aber Sie wissen spätestens seit den mündlichen Ausführungen der Experten – wir haben es vor der letzten Ausschusssitzung auch

schon schriftlich bekommen –, dass die Parlamentsvertreter im Trilog in Brüssel im Sommer des vergangenen Jahres – wie der eine Sachverständige so schön sagte – das „legislative Fenster“ breit geöffnet haben.

Im Plenum am 18. Dezember und auch noch in zwei folgenden Ausschusssitzungen in diesem Jahr haben Sie immer wieder gesagt: Es geht nicht. Wenn Sie jedes Mal gesagt hätten: „Die EUKommission will nicht, und wir kriegen es nicht hin“, dann hätten Sie in der Tat nichts zu korrigieren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es hätte Ihnen heute gut angestanden, zu sagen, dass der Sachstand damals eben überholt war.

Jetzt kommen wir zu der Frage: Haben Sie das im Dezember nicht gewusst, haben Sie es gewusst, oder wollten Sie es nicht wissen? Das ist mir, ehrlich gesagt, auch wurscht. Als ehemaliger Europaabgeordneter kennen Sie die europäischen Regeln wahrscheinlich besser als viele andere und haben deswegen ein Auge darauf.

Dann stellt sich die Frage, warum Sie nicht wollen, warum Sie es nicht tun, wenn es doch geht, wenn das „legislative Fenster“ seit einem halben Jahr offen ist. Wenn man in die Verfahren unterhalb der EU-Ebene schaut, dann muss man den Eindruck haben, Sie waren mit der Partnerschaftsvereinbarung, die uns der Staatssekretär sehr frühzeitig zur Kenntnis gegeben hat, und mit dem Prozess, den die Länder gemeinsam mit dem Bund steuern, schon so weit, dass Sie das Fass einfach nicht mehr aufmachen wollten. Es war der bequemere Weg, zu sagen: Ich gehe da jetzt nicht mehr ran; wir haben unter den Ministerien alles austariert, deswegen lasse ich die Finger davon, ihnen noch, wie von der Opposition gefordert, 10 oder 5 % oder auch nur 1 € abzunehmen. – Dann hätten Sie nämlich den Kollegen im Kabinett sagen müssen, dass Sie von ihnen 10 % aus den anderen Punkten brauchen.

Der wahrscheinlichste Grund, warum Sie uns bis Dezember erzählt haben, es ginge nicht, ist, dass Sie es nicht wollten. Die Chance, das heute zu korrigieren, haben Sie verpasst.

Wenn Sie dann vortragen, dass unter anderem 97,5 % grundversorgt seien, dann ist das so – Sie haben ja auch die anderen Zahlen genannt –, als wenn Sie den Leuten, die eine Autobahn brauchen, sagen würden: Ihr habt doch den Anschluss an einen Schotterweg. – Das sind 2 MBit. Viele Leute können damit nichts anfangen. Das ist heute längst nicht mehr ausreichend, weder für Privatnutzer noch für die gewerbliche Entwicklung.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Matthi Bolte [GRÜNE])

Sie haben die Notwendigkeit, etwas zu tun, nie bestritten; denn Sie haben selber in der Koalitionsarbeitsgruppe Wirtschaft die 1 Milliarde € gefordert

und auch bedauert, dass sie nachher herausgeflogen ist. Ich bedauere das auch. Aber wenn man die Notwendigkeit nicht bestreitet, dann muss man doch die eigenen Chancen, die man hat, beherzt nutzen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: So ist das!)

Wenn man den Tonmitschnitt abhört – ein schriftliches Protokoll liegt ja noch nicht vor –, dann muss man sagen – so ist das mit Experten und Sachverständigen, jeder zitiert das, was ihm gerade gefällt –, dass Ihnen unter anderem Herr Dr. Kaack, der von Rot-Grün bestellte Gutachter, keine positiven Äußerungen ins Stammbuch geschrieben hat. Er hat sinngemäß gesagt: „Es gibt keine Strategie“ und ausgeführt, ein Runder Tisch sei eine schöne Sache, aber man müsse schon wissen, was man da wolle, sonst sei das am Ende eine Kaffeerunde.

Genau auf dem Stand sind wir heute. Das Land Nordrhein-Westfalen hat keine Breitbandstrategie. Wir haben einen Runden Tisch. Daraus kann sich vieles entwickeln. Ich hoffe, dass sich das dann auch so vollzieht.

Ich will noch etwas zur Bedeutung sagen: Es geht nicht darum, wie mir gestern jemand von Rot-Grün sagte, noch den letzten Bauernhof an die Autobahn anzuschließen – das ist überhaupt nicht das Thema –, sondern es geht darum, Wachstumspotenziale für das gesamte Land zu nutzen. Das ifo-Institut weist aus, dass wir, wenn wir 10 % Breitbandnutzer hinzugewinnen, 0,9 bis 1,5 Prozentpunkte zusätzliches Wirtschaftswachstum generieren. Dieses zusätzliche Wirtschaftswachstum hat Nordrhein

Westfalen dringend nötig, nötiger als alle anderen westdeutschen Flächenländer; denn McKinsey oder auch das IW Köln weisen uns unsere Wachstumsschwäche nach, seit 2008 8 % Wachstumslücke auf Bayern. Die NRW-Wirtschaft schrumpft immer viel schneller als die anderen, wächst aber seit 1989 Jahr für Jahr unterdurchschnittlich.

Deswegen hätten wir eine Riesenchance, mit der Breitbandförderung Wachstumspotenziale zu nutzen und damit – Sie kennen die Zahl – 3,2 Milliarden € Steuermehreinnahmen, wenn wir die Wachstumslücke schließen würden, für das Land und die Kommunen zu generieren. McKinsey weist bei Schließen der Wachstumslücke zudem 300.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigte aus.