Protocol of the Session on March 27, 2014

Dieser Problematik trägt leider auch der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen nicht Rechnung. Es bleibt zum Beispiel offen, wie Sie Wettbewerbsverzerrung durch das Sonderarbeitsrecht vermeiden wollen. Die allgemeinverbindliche Erklärung eines Flächentarifvertrags für das Feld der sozialen Arbeit kann hier nicht das Allheilmittel sein.

(Nadja Lüders [SPD]: Was denn sonst?)

Die Kirchen haben ebenso wie andere Tendenzbetriebe, zum Beispiel Parteien oder politische Stiftungen, weitgehende Sonderrechte. Genauso wenig wie man etwa die Partei Die Linke zwingen kann, ein CDU-Mitglied zu beschäftigen, kann man die Kirchen verpflichten, einen Mitarbeiter zu tolerieren, der zentralen Glaubensaussagen zuwider handelt. Das stellt die FDP auch ausdrücklich nicht infrage.

In einer Güterabwägung der Grundrechte bleibt jedoch insbesondere im Bereich privatester Lebensführung die Frage, ob dies für alle kirchlichen Arbeitsverhältnisse gleichermaßen gelten kann und gleichermaßen gelten sollte. Die Übereinstimmung der privaten Lebensführung mit den Glaubenssätzen der Kirche ist doch für diejenigen, die direkt mit der Verkündung des Glaubens betraut sind, in einem ganz anderen Maße von Bedeutung als zum Beispiel für die Mitarbeiterin in einem medizinischen Labor eines kirchlichen Krankenhauses.

Wenn eine Entscheidung in privatestem Bereich wie eine Ehescheidung und Wiederheirat dazu führen kann, dass auch der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter gekündigt werden kann, dann bedeutet dies einen schweren Eingriff in die Freiheitsrechte des betroffenen Arbeitnehmers. Bei Arbeitsverträgen im ausschließlich säkularen Bereich halten wir dies für nicht angemessen. Wir können dem Antrag der CDU an dieser Stelle nicht zustimmen, weil er dieses ausblendet.

Meine Damen und Herren, hier hat aber auch ein Wertewandel in unserer Gesellschaft eingesetzt.

Auch die „Kunden“ zum Beispiel kirchlicher Dienstleistungen – vielleicht gibt es auch einen besseren Ausdruck, den man dafür verwenden kann – sind nicht mehr ohne Weiteres bereit, das alles klaglos hinzunehmen. Da haben wir zum Beispiel das Beispiel der Leiterin einer kirchlichen Kindertageseinrichtung im Rhein-Sieg-Kreis gehabt, wo sich die Eltern gegen deren Entlassung gewehrt haben.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns mit dieser Problematik intensiver auseinandersetzen wollen – ich sage: auch müssen –, dann können wir hier keinen Blankoscheck für kirchliches Arbeitsrecht ausstellen, dass das Sonderrecht für alle Zeiten und Bereiche bleibt.

Frau Kollegin.

Wir begrüßen deshalb ausdrücklich – Herr Präsident, das sind auch meine Schlussbemerkungen – auch die Überlegungen in den Kirchen, diese gesellschaftlichen Realitäten auch in ihrem Arbeitsrecht weiterzuentwickeln. Wir werden uns deshalb in Anerkennung dieser Überlegungen bei den Kirchen der Stimme enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Marsching.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren hier und Zuhause! Zunächst einmal muss ich meine Rede umschmeißen und einen kurzen Hinweis geben, nämlich darauf, worüber wir heute überhaupt reden. Herr Prof. Dr. Dr. Sternberg hat am Anfang gesagt, der Antrag wäre so allumfassend. Darin würde viel mehr vorkommen als nur das kirchliche Arbeitsrecht.

Ich möchte den Hinweis darauf geben, dass wir uns im Hauptausschuss bei der Entscheidung, über welches Thema wir in der Anhörung reden, sehr schwer getan haben und dass es gerade aus Ihrer Fraktion, aus Ihrer Richtung hin und her ging. Anscheinend waren Sie sich nicht einig, um welches Thema es bei dem Antrag überhaupt geht.

Erst hieß es, man müsse eine riesige Anhörung machen, es müsse über die Rolle der Kirchen generell geredet werden. Dann hieß es, „Nein, so groß, das wäre doch Verschwendung. Lassen Sie uns doch das Ganze kleiner machen. Lassen Sie uns über das kirchliche Arbeitsrecht reden.“ Ich finde es etwas komisch und habe ein komisches Gefühl im Bauch, wenn Sie hier sagen, ein Antrag nur zum kirchlichen Arbeitsrecht wäre vermessen.

Bei der Anhörung haben wir Folgendes feststellen müssen:

Erstens muss man die Frage stellen: Wer kann die Grundversorgung an den Leistungen, die Caritas und Diakonie auch erbringen, am besten ausfüllen? Wer kann das am besten sicherstellen? Wir haben unisono gesehen, dass sich die Fraktionen einig sind, dass die Kirchen wichtige Beiträge für das gesellschaftliche Leben leisten. Wir erkennen auch alle gemeinsam die diakonischen Leistungen der Kirchen an, denn sie sind sehr wichtig.

Aber wir müssen in dem Moment, wo es tatsächlich ums kirchliche Arbeitsrecht geht, zwei verschiedene Verfassungsgüter gegeneinander abwägen. Wir müssen sehen, dass die Sonderstellung der Kirchen, dass der dritte Weg von den Grundrechten heutzutage so einseitig einfach nicht mehr getragen werden kann. Die besonderen Loyalitätsanforderungen, die an die Mitarbeiter gestellt werden, sind einfach nicht mehr zeitgemäß.

Das ist – das hat Kollege Sommer im Hauptausschuss schon zu Protokoll gegeben – ein Arbeitsrecht, das aus der Zeit gefallen ist. Das kann gerne im Kernbereich der Lehre, im Verkündungsbereich so bleiben. Aber sobald Caritas und Diakonie, sobald kirchliche Gesellschaften am Markt agieren, muss das Betriebsverfassungsgesetz gelten. Da müssen Mitarbeiter eine bessere Vertretung bekommen als sie im Moment haben.

Und das haben sie bei den Kirchen erkannt. Auch das haben wir in der Anhörung gehört. Selbst die Kirchen sagen: Es besteht Modernisierungsbedarf. Wir müssen da ran.

Die Evangelische Kirche hat sogar Reformen angestoßen. Als Piraten sagen wir nur eines dazu: Das finden wir sehr gut. Aber bitte, die Geschwindigkeit scheint uns etwas zu langsam. Vielleicht sind wir ungeduldig – das können Sie uns vorwerfen. Aber wir finden es gut, dass dieser Prozess angestoßen wurde. Wir würden uns mehr Geschwindigkeit in dem Bereich wünschen.

(Beifall von den PIRATEN)

Es ist immer schwierig, als Letzter zu reden. Ich möchte keine Argumente wiederholen. Deswegen versuche ich noch etwas zu dem rot-grünen Entschließungsantrag zu sagen. Wir finden die Grundrichtung gut. Das möchte ich hiermit betonen. Wir hätten uns allerdings etwas mehr „Pfeffer“ gewünscht. Sie hätten einige Dinge ruhig noch etwas klarer ausdrücken können. Das ist ein bisschen Wischiwaschi. Aber gut, wir können diesem Entschließungsantrag aus einem ganz bestimmten Grund nicht unsere Zustimmung geben. Ich schlage meiner Fraktion vor, dass sie sich der Stimme enthält. Da geht um den Feststellungsteil, Punkt 1. Da schreiben Sie – ich habe das Gefühl, Sie sind sich nicht ganz einig – auf der einen Seite:

„Die Kirchen … sind … unverzichtbar Bestandteil des Gemeinwesens“.

Dies schreiben Sie sicherlich auch aufgrund der vorher angeführten entsprechenden philosophischen Betrachtungen.

Dann schreiben Sie – das hat mich milder gestimmt – im letzten Teil des Punktes:

„Als Träger der sozialen Daseinsvorsorge füllen sie direkt wie auch durch ihre Wohlfahrtsverbände – Diakonie und Caritas – das Sozialstaatsgebot mit aus.“

Dieses „mit“ hat mich wieder sehr fröhlich gestimmt. Aber der erste Satz – na, ja. Unserer Überzeugung nach sind die Kirchen eben nicht unbedingt unverzichtbar. Das können wir auch offen so vertreten. Wir werden uns also bei Ihrem Entschließungsantrag der Stimme enthalten. Wir haben unseren eigenen gestellt.

Abschließend möchte ich sagen: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Caritas und Diakonie leisten eine Superarbeit. Aber sie werden im Moment – das ist unsere Auffassung – durch das besondere kirchliche Arbeitsrecht an vielen Stellen diskriminiert.

Die Kirchen arbeiten daran. Wir sollten auch sie darin unterstützen, dass das Arbeitsrecht außerhalb des Verkündungsbereiches reformiert wird. Dass das nicht mehr haltbar ist, haben anscheinend alle eingesehen. Wir werden die Entwicklung genau beobachten. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Schneider.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, die Diskussion über den CDUAntrag hat uns gezeigt, dass sich seine Kernthesen nicht erhärten lassen. Im Übrigen, die Landesregierung denkt nicht daran, die Zuschüsse an die kirchlichen Wohlfahrtsverbände zu kürzen. Niemand legt Axt an das Arbeitsrecht im kirchlichen Sektor.

Diakonie und Caritas leisten unbestritten gute soziale Arbeit – und dies über Generationen hinweg. Dies gilt im Übrigen auch für die anderen Träger der Freien Wohlfahrtspflege, deren Arbeit ebenfalls weiterhin – Sie können ja die Haushaltsentwicklung nachvollziehen – aus Landesmitteln erheblich unterstützt wird.

Wenn ein Wohlfahrtsverband aus einer politischen Bewegung heraus später gegründet worden ist, ist das ein Faktor, der nichts damit zu tun hat, dass kirchliche Wohlfahrtsverbände – so wichtig sie auch sind – einen Alleinvertretungsanspruch haben.

Zum kirchlichen Arbeitsrecht ist festzustellen, dass die Landesregierung das Selbstverwaltungsrecht der Religionsgemeinschaften innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes anerkennt und würdigt.

Dennoch muss das kirchliche Arbeitsrecht weiterentwickelt werden, wie dies auch im Entschließungsantrag der Regierungskoalitionen zum Ausdruck kommt. Er stellt den gesellschaftspolitischen Hintergrund der kirchlichen Träger des Arbeitsrechts und der Arbeitnehmerrechte aus unserer Sicht sehr sachgerecht dar. Die Entschließung betrachtet das Zusammenspiel von Kirchen und Gesellschaft, rückt die Rechte der Kirchen und ihrer Arbeitnehmer und Gewerkschaften in das richtige Lot und beschreibt eine vermittelnde Rolle des Landes, wenn es darum geht, diese unterschiedlichen Interessenlagen auszutarieren.

Mit der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Selbstbestimmungsrecht der Kirchen hat auch aufgrund geänderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen ein Prozess der Fortentwicklung des kirchlichen Arbeitsrechts begonnen. Davon war eben schon die Rede. Diese spiegelt sich in einer Reihe von gerichtlichen Entscheidungen der letzten Jahre wider.

Nicht zuletzt angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels, auch im sozialen Bereich, bin ich eigentlich zuversichtlich, dass sich die Anliegen der Kirche, ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihrer Vertretungen weiter aufeinander zubewegen. Ich denke, dass Arbeitnehmerrechte genauso wie die Bezahlung wirkungsvolle Instrumente sind, um Fachkräfte zu gewinnen. Diese Entwicklung wird auch an den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden nicht vorbeigehen.

Meine Damen und Herren, aus der Sicht des Landes ist der Entschließungsantrag von SPD und Grünen schlicht und einfach der bessere.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich warne davor, diese Diskussion dafür zu nutzen, so etwas wie einen weiteren Kulturkampf zu eröffnen. Das haben die Kirchen, das haben die kirchlichen Wohlfahrtsverbände, das hat unsere Gesellschaft nicht verdient, und für parteipolitische Auseinandersetzungen ist dieses sensible Thema schon gar nicht geeignet. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Schneider. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Doch!)

Herr Kollege, Sie haben noch sieben Sekunden Zeit. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Das reicht mir. – Ich habe das Allerwichtigste vergessen: Liebe Fraktion, ich empfehle euch, den Antrag der CDU abzulehnen. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Verehrte Kollegen, nun liegt mir wirklich keine Wortmeldung mehr vor. Wir sind am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen erstens über den CDU-Antrag Drucksache 16/2632 ab. Der Hauptausschuss empfiehlt in Drucksache 16/5297, den Antrag Drucksache 16/2632 abzulehnen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dem nicht zu? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und den Piraten gegen die Stimmen der CDU und des fraktionslosen Abgeordneten Stein bei Enthaltung der FDP abgelehnt.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Drucksache 16/5305 der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dem nicht zu? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der CDU und des fraktionslosen Kollegen Stein angenommen.