Protocol of the Session on March 26, 2014

schen Möglichkeiten aufgestellt sind. Wir wissen, dass mindestens 2.750 Kameras durch nordrheinwestfälische Landesbehörden betrieben werden. Das ist allerdings nur die Spitze eines immens großen Eisbergs.

Sie, liebe Landesregierung, nehmen sich fälschlicherweise aus der Pflicht, die Kommunen zu ihren zahlreichen installierten Kameras zu befragen. Sie hätten das im Rahmen der Großen Anfrage, die wir gestellt haben, machen können und sollen. So müssen wir annehmen, dass Sie sich des Themas gar nicht annehmen und die Zahlen gar nicht wissen wollen.

Wir wissen, in Bayern gibt es mindestens 17.000 staatlich betriebene Kameras. Allein der Bund betreibt zusätzlich 17.500 Überwachungssysteme. In Nordrhein-Westfalen werden es mindestens so viele sein.

Werte Landesregierung und Unterstützer der Überwacher, die Bürger wollen Transparenz darüber, inwieweit sie überwacht werden. Eine freie Gesellschaft sollte sich diese Transparenz leisten; sonst wird sie Vertrauen verlieren. Zeigen Sie uns, dass Videoüberwachung sinnvoll ist! Wir lassen uns gerne überzeugen, wenn Ihre Argumente valide und stichhaltig sind. Aber Sie verwehren sich jedweder wissenschaftlichen Einschätzung, noch geben Sie uns die Zahlen, inwieweit die Kommunen in ihren Verwaltungsgebäuden, in ihren Schulen Videoüberwachung betreiben.

Zweitens. Kameras sind oft fehlerhaft oder gänzlich rechtswidrig montiert. Hier brauchen wir die Möglichkeit, diese Kameras leichter zu melden. Kontaktdaten der verantwortlichen Stelle müssen leicht zu erhalten sein. Eine Meldepflicht würde auch ein wichtiges Signal an die Betreiber senden: Ihr könnt Videoüberwachungsanlagen nur installieren, wenn ihr euch an die Regeln haltet. – Eine Meldepflicht sorgt hier für zusätzlichen Druck.

Wenn Sie mir jetzt sagen wollen, Herr Minister, dass die öffentliche Hand natürlich die gesetzlichen Vorschriften beachtet, sage ich Ihnen: Nein, das stimmt so nicht. Ausgerechnet vor dem Justizministerium hier in Düsseldorf überwachen zwei landeseigene Kameras den öffentlichen Raum in einer Fußgängerzone ohne jedwede Hinweisschilder. Das ist klar rechtswidrig.

Die bestehenden Datenschutzregeln wurden doch nicht grundlos verfasst. Privatsphäre und Datenschutz sind kein lästiges Übel. Diese Werte dürfen nicht als Hindernis verstanden werden. Es handelt sich um Grundrechte, die zu schützen sind.

Drittens. Der technologische Wandel wird die Videoüberwachung grundlegend verändern. Softwaregestützte Videoüberwachung, die durch die Verknüpfung mit diversen Datenbanken sofort erkennen kann, wer ich bin, ist heute technisch mög

lich. Videoüberwachung, die anhand meiner Gestik, meines Gesichtsausdrucks, meiner Kleidung meine nächsten Schritte und Handlungen vorhersehen soll, wird für den großflächigen Einsatz erforscht.

Der Laie kann nicht erkennen, welche Art der Videoüberwachung ihn gerade im Visier hat. Er kann nicht erkennen, wo und wie seine Bilder verarbeitet werden. Solcherlei Technologien fördern Angst und Konformismus in der Gesellschaft. Unter ständiger Überwachung ist die Freiheit des Menschen verloren. Dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Die bereits existierende Videoüberwachung mithilfe solcher Praktiken muss zumindest offengelegt werden. Gerade wegen dieser Entwicklungen müssen wir einen schon lange notwendigen Diskurs über das Ausmaß der Überwachung führen. Wir müssen über Videoüberwachung sprechen.

Unser Antrag lädt Sie dazu ein, über Videoüberwachung und ihre Auswirkungen auf unsere Gesellschaft ernsthaft zu diskutieren. Nehmen Sie sich die Zeit und schauen Sie sich auf den Straßen um! Überlegen Sie sich „Wie soll unsere Gesellschaft in Zukunft aussehen?“! Kann es sich eine freie Gesellschaft leisten, solcherart Überwachungstechnologie derart zahlreich in und an Gebäuden, Bussen und Bahnen oder Geschäften zu dulden? Es gibt gute Gründe für diese Diskussion und für eine Meldepflicht für Videoüberwachungssysteme.

Lassen Sie mich bitte zum Schluss noch anmerken, es ist uns sehr wohl bewusst, dass wir auf Landesebene nur Regeln für die Landes- und die Kommunalverwaltung aufstellen können. Aber wir sollten mit gutem Beispiel vorangehen, das Thema „Videoüberwachung“ auf die Tagesordnung setzen und ein transparentes Register über den Einsatz von Videoüberwachung der öffentlichen Hand in Nordrhein-Westfalen schaffen.

Sie, liebe Kollegen von der SPD, können das fertige Projekt gerne mit nach Berlin nehmen und das dringend notwendige Register der Videoüberwachung der Privatwirtschaft im Bundestag beschließen.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Marquardt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Videoüberwachung ist ein sensibles Thema. In der Regel werden Personen aufgenommen, die sich treu nach Recht

und Gesetz verhalten und nie etwas anderes im Sinn hatten. Für den seltenen Fall, dass Personen von dieser Regel abweichen, gibt es vereinzelt Videoüberwachung von öffentlichen und privaten Plätzen und Einrichtungen.

Bei jeder Art von Überwachung muss grundsätzlich der Schutz der Privat- und Intimsphäre der betroffenen Personen absoluten Vorrang haben. Die SPDLandtagsfraktion steht grundsätzlich für eine gewissenhafte Einhaltung der bestehenden datenschutzrechtlichen Vorschriften und Regelungen. Datenschutz hat eine überragende Bedeutung.

Gleichzeitig bekennen wir uns aber auch zur Videoüberwachung als notwendiges und effektives Mittel im Rechtsstaat. Sie dient der Prävention und Aufklärung von Straftaten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Piratenfraktion fordert im vorliegenden Antrag die Einführung eines öffentlichen Registers für Videoüberwachungskameras in Nordrhein-Westfalen, also quasi eine Überwachung von Überwachung.

(Zuruf von den PIRATEN: So ist es!)

Wir sehen die Einführung eines solchen Registers jedoch mit einiger Skepsis, und zwar aus folgenden Gründen:

Sowohl die öffentliche Hand als auch private Betreiber müssten einen enormen bürokratischen und finanziellen Aufwand betreiben,

(Zurufe von den PIRATEN: Och!)

um die entsprechenden Informationen bereitzustellen und zu überprüfen.

(Zuruf von den PIRATEN: In Bayern kein Problem!)

Es würde ein bürokratisches Monster geschaffen. Der Mehrwert eines solchen Überwachungsregisters ist ohnehin nicht ersichtlich. Schon heute begrenzen strenge bundes- und landesgesetzliche Vorschriften die Videoüberwachung.

(Zuruf von den PIRATEN: Dann kann ja gar nichts schiefgehen!)

Neben dem Prinzip der generellen Datensparsamkeit sind erstens eine regelmäßige Überprüfung der Zweckbindung der Maßnahme, zweitens eine Überprüfung der Erforderlichkeit sowie drittens eine Interessenabwägung zwischen den berechtigten Interessen der Betreiber und schutzwürdigen Interessen der Betroffenen vorgesehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Piratenfraktion, bei der Datenschutzaufsicht des Landes geht es meines Erachtens nicht darum, sämtliche Datenverarbeitungssysteme im Land zu überwachen. Es geht vielmehr darum, die Aufsicht im Einzelfall stichprobenartig oder anlassbezogen, nicht aber flä

chendeckend auszuüben. Hinweise auf möglichen Missbrauch können dem Landesdatenschutzbeauftragten und den zuständigen Ermittlungsbehörden jederzeit gemeldet werden.

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kern zulassen?

Nein. Ich möchte erst zu Ende sprechen. – Gleichzeitig setzen wir auch auf die behördlichen und betrieblichen Datenschutzbeauftragten, die für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen vor Ort zuständig sind. Datenschutz muss in erster Linie dort vor Ort sichergestellt werden, wo die Daten auch gesammelt werden.

Darüber hinaus sieht Ihr Antrag vor, dass eine Überprüfung der Videoüberwachung durch die, wie Sie es nennen, interessierte und aktive Zivilgesellschaft erfolgen soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, das geht zu weit. Ihr Transparenzgedanke ist zwar löblich, verkennt an dieser Stelle aber die Notwendigkeit von demokratischer Legitimation der überwachenden Stellen. Bei Kontrolle der Videoüberwachung geht es nicht alleine darum, diese nur infrage zu stellen. Ein verantwortlicher Datenschutz setzt sich auch mit den Motiven der datenverarbeitenden Stelle auseinander und berät, wie die Videoüberwachung gesetzeskonform ausgestaltet werden kann. Dies alles kann nur von einer demokratisch legitimierten Institution wie dem Landesdatenschutzbeauftragten gewährleistet werden und nicht von einer interessierten und aktiven Zivilgesellschaft, wie Sie es nennen.

Unsere Vorbehalte habe ich Ihnen genannt. Wir stimmen dennoch der Überweisung in den zuständigen Ausschuss zu. Ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen. – Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege Marquardt, für die Fraktion der Piraten hat sich der Abgeordnete Kern zu einer Kurzintervention gemeldet. – Herr Kollege Kern, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Marquardt, Sie sprachen davon, dass die Videoüberwachungssysteme ja von den Behörden bzw. vom Landesdatenschutzbeauftragten überprüft werden können. Ich frage Sie aber: Wie soll er dieser Aufgabe nachkommen, wenn überhaupt kein Überblick darüber besteht, welche Überwachungskameras im ganzen Land im Einsatz sind?

Flächendeckend überwachen kann der Landesdatenschutzbeauftragte sicherlich nicht. Das hatte ich ja gesagt. Er kann aber stichprobenartig überprüfen und im Einzelfall, wenn es ihm zugetragen wird, Überprüfungen anordnen. Warum muss er denn flächendeckend im gesamten Land diese Datenschutzaufsicht generell übernehmen? Das ist überhaupt nicht machbar.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Warum muss flächendeckend überwacht werden? Das ist die Frage! – Gegenruf von Minister Ralf Jä- ger: Wer überwacht denn flächendeckend?)

Herr Kollege Kern, ich gehe davon aus, dass die Frage beantwortet ist.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Nein! Aber ich kann ja nicht noch einmal nachfragen!)

Sie haben Ihre Frage gestellt. Der Kollege Marquardt hat die Antwort gegeben. – Bitte schön.

Ja. Ich habe meine Rede auch beendet. – Schönen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Marquardt. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Golland das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag der Piratenfraktion soll in NordrheinWestfalen eine gesetzliche Meldepflicht für Kameras und Kameraattrappen eingeführt werden, die von öffentlichen, also staatlichen, Stellen betrieben werden. Die auf diese Weise gemeldeten Kameras sollen dann in ein öffentliches Register eingetragen werden, das über das Internet einsehbar sein soll. In einem weiteren Schritt soll per Bundesratsinitiative die Erfassung privater Kameras erfolgen.