Zukunft der Geburtshilfe, der Vor- und Nachsorge für Mütter sowie ergänzende und unterstützende Angebote für Eltern und Familien durch Hebammen sichern – Wahlfreiheit für werdende Mütter erhalten
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Piratenfraktion Herrn Abgeordneten Wegner das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen im Stream und auf der Tribüne! Endlich beschäftigt sich der Landtag mit der beruflichen Situation der Hebammen. Nach uns sind auch noch SPD und Grüne sowie die FDP und heute auch noch die CDU aufgewacht. „Hebamme“ – ein Beruf von Frauen, ausgeübt für Frauen. Ich möchte hier gar nicht so tun, als wüsste ich am besten, wie Frauen ihre Kinder zur Welt bringen sollen. Genau aus diesem Grund bin ich dafür, dass Frauen den Weg frei wählen können, den sie für ihre Schwangerschaft und für die Geburt ihrer Kinder am besten geeignet halten.
Der Europäische Gerichtshof kommt im Jahre 2010 zu dem Ergebnis, dass die Wahl einer Schwangeren, sich für eine Hausgeburt zu entscheiden, nicht beschränkt werden darf. Die aktuelle Lage von freiberuflichen Hebammen wird bald dazu führen, dass dieses Wahlrecht von Frauen deutlich eingeschränkt wird, ja praktisch aufgehoben wird, wenn nicht bald etwas geschieht.
Die Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen ist in den letzten Jahren derart teuer geworden, dass die finanzielle Belastung für viele Hebammen praktisch nicht mehr tragbar ist.
Laut dem Deutschen Hebammenverband wird sich die Nürnberger Versicherung zum 1. Juli 2015 aus dem bisher bestehenden Versicherungskonsortium zurückziehen. Der Anstieg der Versicherungsbeiträge für Hebammen wird nicht durch eine ansteigende Zahl von Schadensfällen bedingt, sondern aufgrund des medizinischen Fortschritts werden die großen Schadensfälle für die Versicherungen immer teurer.
Unhaltbar an dieser Situation ist für mich vor allem, dass selbst die Sozialversicherungsträger Hebammen und deren Versicherer zunehmend mit immer höheren Summen erfolgreich in Regress nehmen. Die Schadensersatzleistungen für Pflegekosten steigen stetig an. Schadensersatzforderungen zum finanziellen Ausgleich für Schwerstgeschädigte kommen die Versicherungen immer teurer zu stehen.
Wenn die freiberuflichen Hebammen keine Geburtshilfe mehr anbieten, werden die Frauen wohl zunehmend auf andere Möglichkeiten zurückgreifen müssen. Dabei kommt selbst der Europäische Gerichtshof in seinem bereits angesprochenen Urteil zu dem Schluss, dass die geburtshilflichen Ergebnisse bei Hausgeburten nicht schlechter sind als in klinischen Einrichtungen.
Wir Piraten forderten die Landesregierung vor zwei Wochen in unserem Antrag auf, sich der Bundesratsinitiative aus Schleswig-Holstein anzuschließen, und freuen uns natürlich, dass sich die Landesregie
rung bereits einsichtig gezeigt hat und der Bundesratsinitiative mittlerweile freiwillig beigetreten ist.
Wir begrüßen es, dass auf Bundesebene die Beteiligung der Krankenkassen zur Erreichung einer gerechten Lohnsituation und auch die Möglichkeit eines Haftungsfonds geprüft werden sollen. Die Situation der Hebammen und die Wahlfreiheit für Schwangere müssen abgesichert werden.
Insofern kommt der Antrag von SPD und Grünen entsprechend selbstbewusst daher. Der eingerichtete Runde Tisch Geburtshilfe wird auch noch schnell in den Himmel gelobt. Es ist ja nicht so, als wäre es nicht schon ein wenig zu spät für einen solchen Runden Tisch. Aber gut, dass wir auch einmal darüber geredet haben werden.
„Wir“? Na ja, die Landesregierung veranstaltet Runde Tische ja auch gerne, ohne kritische Stimmen einzuladen.
Die FDP macht in ihrem Antrag sehr gut auf den vollen Umfang des Problems aufmerksam und bietet interessante Lösungsansätze.
Steigende Haftpflichtversicherungsbeiträge betreffen letztendlich nicht nur freiberufliche Hebammen, sondern auch immer mehr fest angestellte Hebammen. Auch kleinere Krankenhäuser mit Geburtshilfestationen sind betroffen. Setzen wir uns alle für eine nachhaltige und möglichst zeitnahe Lösung ein! – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Situation spitzt sich zu. Bis heute hat sich die Anzahl der Hebammen in einigen Regionen Nordrhein-Westfalens bereits halbiert. Einer der letzten drei verbliebenen Haftpflichtversicherer für Hebammen hat angekündigt, die bestehenden Verträge 2015 auslaufen zu lassen. Das bedeutet praktisch ein Berufsverbot für Hebammen. Das können wir alle nicht wollen.
Wir brauchen Lösungen. Daher lade ich Sie alle ein, ein gemeinsames Ziel anzugehen. Dieses gemeinsame Ziel kann doch nur sein, dass wir die Bundes
regierung gemeinsam auffordern, schnellstmöglich zu handeln und die Bundesratsinitiative umzusetzen. Denn ich weiß aus den Diskussionen, die wir in den Ausschüssen schon geführt haben: Wir wollen eigentlich ein und dasselbe Ziel erreichen.
Der Entschließungsantrag des Bundesrates wird in unserem Antrag noch einmal deutlich aufgeführt. Heute fordern wir unsere Landesregierung auf, noch weiter Druck aufzubauen, damit die Beschlüsse des Bundesrates von der Bundesregierung zeitnah umgesetzt werden.
Hier geht es um Prüfungsaufträge in Bezug auf alle Haftungsmodelle. Ich sage es extra noch einmal: alle Haftungsmodelle. Das ist ganz wichtig.
Minister Gröhe hat am 20. März 2014 in der Bundestagsdebatte erklärt, dass der Abschlussbericht der interministeriellen Arbeitsgruppe für April erwartet wird und auf dieser Basis dann konkrete Lösungen erarbeitet werden sollen. Dies wollen wir mit unserem Antrag deutlich unterstützen und damit auch zu einer Beschleunigung des Verfahrens beitragen; denn es drängt.
Mit dem Antrag, den die Piraten gestellt haben, wollen sie eigentlich dasselbe wie wir mit unserem Antrag. Sie haben ihren Antrag eher gestellt und wussten noch nichts von dem Beitritt NordrheinWestfalens zur Bundesratsinitiative. Deswegen fordere ich Sie auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu!
Auch die FDP, Frau Schneider, will mit ihrem Antrag ja in diese Richtung gehen. Ich kann gut verstehen, dass Sie eine Überweisung beantragt haben – der werden wir auch zustimmen –; denn es geht dabei noch einmal um Landesinitiativen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Von daher würde es mich freuen, wenn wir hier eine große Gemeinsamkeit für einen Antrag finden könnten.
Zurück zum Thema, das uns allen am Herzen liegt: Hebammen. Zuerst einmal geht es nicht nur um eine kleine Randgruppe von freiberuflichen Hebammen, wie man häufig hört, sondern um die gesamte Geburtshilfe in Deutschland – auch die klinische –, also um 100 % der Geburten. Die häufig zitierte Haftpflichtproblematik bezieht sich auch auf die in Krankenhäusern tätigen Hebammen. Zahlreiche Hebammen sind nicht aufgrund mangelnder Einsatzmöglichkeiten gezwungen, ihren Beruf aufzugeben, sondern aufgrund exorbitant hoher Versicherungsbeiträge. Das ist paradox.
Wir wollen dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Wir haben einen reellen Bedarf: Ohne unser Einschreiten werden einige Tausend Hebammen arbeitslos werden. Das können wir nicht zulassen. Hebammen sind ein wichtiger Baustein während und nach der Schwangerschaft. Ihre Vor- und Nachsorge ist einer der Eckpfeiler innerhalb der sich
rasant verändernden Lebenssituation werdender Eltern. Es steht ohne Zweifel fest: Die werdenden Eltern werden durch Hebammen entlastet.
Die Hebammenhilfe ist im Sozialgesetzbuch V in § 24d rechtlich verankert. Hierbei wird klar geregelt, dass die gesetzlich Versicherte während der Schwangerschaft, bei und nach der Entbindung Anspruch auf ärztliche Betreuung sowie auf Hebammenhilfe einschließlich der Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft und zur Schwangerenvorsorge hat. Ebenso gibt es einen Anspruch darauf, den Ort einer Geburt frei wählen zu können. Ausdrücklich sind hier Hebammenpraxen sowie Hausgeburten wörtlich im Sozialgesetzbuch aufgeführt. Geltendes Recht würde verletzt, wenn die Hebammenhilfe wegbräche. Die Bundesregierung ist dafür verantwortlich, diesen gesetzlich verankerten Ansprüchen gerecht zu werden.
Fakt ist, dass sich die Versicherungsprämien, die die Hebammen entrichten müssen, in den letzten Jahren mehr als verdoppelt haben. Die Hebammen haben deutlich gemacht, dass durch die Steigerung der Vergütungen der Krankenkassen, damit die Hebammen in der Lage sind, die höheren Versicherungsbeiträge zu zahlen, zwar erst einmal die Situation gerettet erscheint, aber dass dies nichts weiter bedeutet, als dass Hebammen schon seit Jahren und somit auch weiterhin keinen Anstieg ihrer Entlohnung haben.
Wir brauchen daher eine schnelle und eine langfristige Lösung. Darum bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Stimmen Sie unserem Antrag zu! – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Kollegin Maaßen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden hier über das Überleben des Berufsstandes der Hebammen und Geburtshelfer, und wir reden hier über die Wahlfreiheit der werdenden Mütter und Eltern beim existenziellsten Ereignis ihres Lebens, nämlich bei der Geburt ihres Kindes.
Die Haftpflichtversicherungsprämien für Hebammen – wir haben es eben schon gehört – haben sich in den letzten zehn Jahren vervielfacht. Seit 2003 stiegen die Beiträge, die vor allem freiberufliche Hebammen für ihre Haftpflichtversicherung zahlen müssen, von 500 auf 5.000 € jährlich. Zudem wollen in diesem Jahr und perspektivisch im nächsten Jahr auch noch die letzten verbleibenden Versicherungsanbieter abspringen.
Ebenso muss man in diesem Zusammenhang die Vergütungsfrage stellen. Die Hebammen konnten ihre hohen Versicherungsprämien nicht zuletzt auch deshalb nicht zahlen, weil sie schlecht vergütet werden. 280 € für eine Geburtsbegleitung, die oft Stunden dauern kann, ist wahrlich nicht viel.
Aber es geht uns nicht nur um den Beruf der Hebammen; es geht auch um die Wahlfreiheit der Eltern. Sie ist ein hohes Gut. Zu den Alternativen gehören die Hausgeburt, die Geburt im Geburtshaus und die Geburt in der Klinik. Von daher ist es etwas zu billig, wenn Frau Scharrenbach von der CDU im Ausschuss behauptet, Herr Gröhe beschäftige sich schon sehr lange mit dem Thema. Richtig ist, dass es das Problem schon lange gibt, und richtig ist, dass lange nichts passiert ist.