Protocol of the Session on July 4, 2012

Zu einem Dialog gehört eben auch, auf einer Faktenlage zu agieren, die allen Beteiligten die gleiche Augenhöhe ermöglicht. Dazu bedarf es eines solchen Gutachtens. Das hat nichts mit einer weiteren juristischen Betrachtung zu tun. Das hat nichts zu tun mit der gerichtlichen Auseinandersetzung. Das hat auch nichts mit dem aktuellen Planänderungsverfahren zu tun. Es geht vielmehr um die Organisation und um die Faktenlage in dem von uns anvisierten Dialog. Dieses kleinere Gutachten ist ein Teil, um diesen Dialog zu führen.

Ich hoffe, ein solcher Dialog wird zukünftig von allen Fraktionen in diesem Haus entsprechend unterstützt. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Remmel. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Schmeltzer um das Wort gebeten.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Ellerbrock, Sie haben versucht, Ihren populistischen Antrag zur Aktuellen Stunde mit Zündstoff anzureichern. Das ist Ihnen nicht gelungen.

Wenn Sie sich hier hinstellen und behaupten, die SPD habe immer in irgendeiner Form – ich benutze jetzt einmal meine Worte, aber so ist es herübergekommen – rumgeeiert und der ehemalige wirtschaftspolitische Sprecher Norbert Römer, jetzt Fraktionsvorsitzender, wäre zurückgerudert, dann sage ich Ihnen dazu ganz klar, dass dies die Unwahrheit ist, die Sie versuchen zu suggerieren. Aber darauf beruht ja Ihre gesamte Intention, um eine solche Aktuelle Stunde nach vorn zu bringen. Sie wissen ganz genau, dass das nicht richtig ist.

Wir haben immer dafür plädiert, ausstehende Gerichtsentscheidungen abzuwarten. Danach werden wir handeln. Wir haben Entscheidungen vom Oberverwaltungsgericht Münster und wir haben Entscheidungen vom Verwaltungsgericht Düsseldorf. Danach gibt es jetzt auch ein Gutachten. Das Gutachten leitet sich im Übrigen auch ab – so war es auch in der von Ihnen bei der Beantragung dieser Aktuellen Stunde zitierten „Rheinischen Post“ zu lesen – aus der vorgesehenen Evaluation. Dieses Gutachten werden wir abwarten. Ich empfehle Ihnen, es dann im zuständigen Fachausschuss mit uns gemeinsam sehr unaufgeregt und konstruktiv zu diskutieren.

Aber ich glaube, es geht Ihnen nicht darum, zu diskutieren. Es geht Ihnen darum – weil Sie sonst keine anderen politischen Themen haben –, hier mal wieder eine Überschrift zu setzen, um mit den Ängsten der Menschen zu spielen, so wie Sie es gerne machen. Das ist unlauter und unredlich. Das ist nicht die Art von Politik, die wir hier mit Ihnen vollziehen werden.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Da Sie hier schon Herrn Kollegen Römer bemühen und darauf hinweisen, dass er eine Rolle rückwärts gemacht habe, erinnere ich Sie an die Plenarsitzung im März 2010 – übrigens die letzte Plenarsitzung, in der wir uns mit der CO-Pipeline auseinandergesetzt haben. Kollege Römer hat hier deutlich gemacht, dass wir nach wie vor zur CO-Pipeline stehen. Er hat aber auch deutlich gemacht – das unterscheidet unsere Position ganz klar von Ihrer –, dass für uns immer der Mensch im Mittelpunkt steht, dass die Sicherheit der Menschen an erster Stelle kommt und dass wir im Gegensatz zu Ihnen den Dialog mit den Menschen suchen und führen.

Ich erinnere noch einmal an die damalige Ministerin Thoben, die gesagt hat: Wenn Sie die Bürger beruhigen wollen, geben Sie ihnen meine Rede. – Das ist für uns kein Umgang mit den Menschen. Wir sprechen mit den Menschen vor Ort, und wir sprechen mit den Vertretern der Industrie vor Ort. Das unterscheidet uns von Ihnen. Wir machen eine ordentliche, saubere Politik. Deswegen werden wir das auf einem ordentlichen Weg machen; denn Industriepolitik und Sicherheitsrelevanz stehen für uns ganz oben.

Ich erinnere auch an den Entschließungsantrag der SPD-Landtagsfraktion aus dem März 2010, in dem alle Punkte aufgeführt waren. – Herr Ellerbrock, nicken Sie schön weiter. Sie haben den Antrag, in dem all dies drinstand, abgelehnt. Das ist Ihre Politik: hier groß herumtönen, anders entscheiden und die Menschen hinters Licht führen. Das brauchen wir hier nicht. Deswegen werden wir hier weiterhin eine ordentliche Politik machen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das war Herr Kollege Schmeltzer von der SPD-Fraktion. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Kollege Wüst.

Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Schmeltzer, wenn Sie sich so aufregen, habe ich immer Zweifel, ob das, was Sie zur Sache sagen, korrekt ist. Das war es diesmal auch nicht.

(Beifall von der CDU)

Noch einmal zur Erinnerung: Vor fünf Jahren waren alle der Überzeugung, dass diese Pipeline eine gute Geschichte ist – eine gute Geschichte für den Industriestandort und auch unter ökologischen und Sicherheitsaspekten die beste damalige Transportalternative. In allen Fraktionen gab es einige, die das ein bisschen kritisch sahen. Aber im Grunde genommen waren wir uns fast alle einig.

Sie sagen zu Recht: Wir warten ab, bis die Gerichtsverfahren abgeschlossen sind. – Okay, das ist Ihr Politikstil. Man sieht auch am Beispiel Datteln, dass Sie, während die Gerichte entscheiden, irgendwie die Politik einstellen.

(Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

Es steht nirgendwo geschrieben, dass man als Politiker nicht mehr sagen darf, was man möchte, wenn Gerichte unterwegs sind. Aber sei‘s drum, das ist Ihr Stil. Aber dann muss man, wie ich eben schon gesagt habe, die Verantwortung auch tragen.

Wenn man sagt, die Gerichte entscheiden darüber, muss man es auch akzeptieren, wenn ein rechtliches Verfahren sauber abgeschlossen ist, alle Argumente gegeneinander abgewogen sind und eine

Entscheidung vorliegt. Dann kann man eben nicht sagen: Ich lasse noch einmal ein Gutachten zu den wirtschaftlichen Gegebenheiten machen; vielleicht fällt uns noch etwas dazu ein, wie wir als Staat Bayer vorschreiben können, es anders zu machen.

Irgendwann muss es gut sein. Irgendwann müssen in einem Rechtsstaat verlässliche Rahmenbedingungen herrschen. Das ist der entscheidende Punkt. Um den können Sie mit all Ihrer Rhetorik nicht drum herumreden. Das ist das, was Sie jetzt tun: Sie akzeptieren nicht, dass ein Verfahren irgendwann zu einem Ende kommen muss, sondern Sie legen immer noch einen nach.

Ich glaube, dass Sie das in Ihrem Inneren gar nicht machen wollen. Aber das ist genau das Problem Ihrer SPD-Generation. Leute wie Steinbrück und Clement haben noch den Streit gesucht; sie haben noch für Industrie, Wirtschaft und Arbeitsplätze gekämpft. Sie dagegen lassen sich von den Grünen am Nasenring herumziehen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Remmel, wenn Sie schon mit Asterix kommen, sage ich Ihnen: Sie sind am Ende der Erlaubnix. Ich hoffe nicht, dass dieser Wirtschaftsminister wie sein Vorgänger wird. Der war nämlich ein Bewegnix oder ein Tunix. Herr Schmeltzer, da muss man ansetzen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie sind ein Gehtnix!)

Herr Schmeltzer, stärken Sie einmal Ihren Minister, statt immer dem Koalitionsfrieden zu dienen und Herrn Remmel auf den Leim zu gehen. Irgendwann muss es entschieden sein, und dann muss man als Politiker eine solche Entscheidung zumindest akzeptieren. Dann muss man den Rücken gerade machen, sich vor die Leute stellen und sagen: So ist es jetzt, und jetzt wird es auch gemacht.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich die Aktuelle Stunde.

Ich rufe auf:

2 Zusammen lernen – zusammenwachsen

Eckpunkte für den Weg zur inklusiven Schule in NRW

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/118

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/168

Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/172

Ich eröffne die Beratung und erteile für die SPDFraktion der Frau Abgeordneten Hendricks das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der 2009 erfolgten Ratifizierung des Abkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat der Grundsatz der Inklusion nationale Gesetzeskraft erhalten. Inklusion ist dabei mehr als Integration. Es ist das verbriefte Recht. Dieses verbriefte Recht muss nun in Nordrhein-Westfalen in das Landesgesetz aufgenommen werden.

Inklusion geht von einer gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen in allen Lebensbereichen aus. Deshalb kann sich die Inklusion nicht auf die Schule beschränken, sondern sie bedeutet eine umfassende Gesamtstrategie für die Gesellschaft. Deshalb hat die Landesregierung gestern auch einen Gesamtinklusionsplan vorgelegt.

Speziell in der Schule bedeutet Inklusion einen umfassenden Paradigmenwechsel und damit erhebliche Veränderungen im System. Die Verpflichtung zur Inklusion ist kein einfacher Programmsatz, sondern das einklagbare Recht des Einzelnen, das das Bildungssystem gewährleisten muss.

Diese Zusage bedeutet, dass die schulrechtlichen Voraussetzungen in NRW geändert werden müssen. Der vorliegende Antrag beauftragt das Schulministerium, dem Landtag einen entsprechenden Referentenentwurf vorzulegen, auf dessen Grundlage der Landtag dann die parlamentarischen Beratungsverfahren durchführen wird.

Meine Damen und Herren, bereits im Dezember 2010 hatte sich der Landtag mit der UN-Behindertenrechtskonvention beschäftigt. Damals wurde die Landesregierung vom Parlament einstimmig beauftragt – bei Enthaltung der FDP –, ein Konzept für die Umsetzung der Inklusion mit wissenschaftlicher Unterstützung zu entwickeln.

In dem damaligen Beschluss heißt es unter anderem: Wir wollen, dass der Bettelgang der Eltern um einen Integrationsplatz ein Ende hat. – Gleichzeitig hat der Landtag bereits 2010 festgehalten, dass der Regelförderort zukünftig die allgemeinbildende

Schule sein wird.

In der Zwischenzeit haben wir über die Änderung der Ausbildung für die Förderschulen den Bettelgang der Eltern aufzufangen und möglich zu machen versucht, dass sie bereits jetzt mit ihren Kindern auch die allgemeinbildende Schule erreichen können.

Insbesondere im letzten Jahr wurden mit allen Fraktionen im Rahmen der Minderheitsregierung intensive Gespräche geführt, aber auch mit den Verbänden, den Beteiligten, den Eltern, der Wissenschaft, um sozusagen den Weg herauszufinden, wie wir Inklusion in Nordrhein-Westfalen in den Schulen umsetzen können.

Intensive Gespräche mit der CDU haben in der Sache eine Annäherung gebracht. Und so schreibt die CDU in ihrem Text, den sie im Dezember 2011 veröffentlicht hat – „Auf dem Weg zur Inklusion in der Schule“ –: „Die CDU-Landtagsfraktion bekennt sich zum Ziel eines inklusiven Bildungssystems.“ Und weiter heißt es dort:

„Kinder mit Behinderungen haben einen Anspruch auf die rechtliche Umsetzung der UNBehindertenkonvention in Nordrhein-Westfalen und damit das Recht auf einen Regelschulplatz wie jedes Kind ohne Behinderung auch.“

Dieses Bekenntnis der CDU begrüßen wir ausdrücklich. Wir möchten an dieser Stelle zugleich die Hoffnung und die Bitte äußern, dass wir den Weg zur Umsetzung der UN-Konvention in NordrheinWestfalen auch weiterhin gemeinsam gehen können – mit Sorgfalt und Umsicht.

Wir wollen deshalb so schnell wie möglich den Rechtsanspruch auf inklusive Bildung mit der Novelle des Schulgesetzes in Landesrecht umsetzen und damit die Entwicklung zu einem inklusiven Schulsystem ermöglichen.

Aus unserer Sicht, meine Damen und Herren, eignet sich dieses Thema nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen, sondern muss von einer gemeinsamen Verantwortung und Sensibilität gegenüber den Menschen getragen sein. Anders als ursprünglich von den Gutachtern Klemm und Preuss-Lausitz vorgeschlagen, haben sich die Regierungsfraktionen entschlossen, zum jetzigen Zeitpunkt keine Förderschultypen generell auslaufen zu lassen, sondern wir wollen in einen behutsamen Prozess der Veränderung eintreten, der dem Willen der Eltern und den Ausgangslagen der Kommunen geschuldet ist.