Protocol of the Session on November 29, 2013

Darüber hinaus berichten die Medien auch, dass in Marburg an Drohnen geforscht wird und dass in München an Sprengstoff geforscht wird.

Zu Beginn möchte ich sagen: Drittmittelforschung, die mit militärischer Nutzung verbunden ist, führt naturgemäß immer zu heftigen emotionalen Debatten über Moral und Grundsätze der Gesellschaft. Aber zunächst einmal ist festzustellen, wenn man sich mit Drittmittelforschung befasst, dass in der deutschen Forschungslandschaft immer mehr Hochschulen ihre Budgets mit Drittmitteln aufstocken. Schon 38 % aller wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an deutschen Hochschulen sind drittmittelfinanziert.

Als Allererstes, Frau Ministerin Schulze – wir haben ja gestern hier in diesem Haus eine Haushaltsdebatte geführt –, stellen wir fest – und das ist unabhängig von dieser Debatte –, dass die Grundfinanzierung, für die Sie jetzt auch seit über drei Jahren zuständig sind, an unseren Hochschulen nicht ausreichend ist. Sie sind aufgefordert, für mehr Mittel an Grundfinanzierung an den nordrhein-westfälischen Hochschulen zu sorgen.

Bisher ist diese Debatte hier ja noch nicht aufgekommen. Aber wer immer Drittmittelforschung kritisiert, an der anderen Stelle aber mehr Forschung haben möchte, der muss auch sagen, woher das Geld ansonsten kommen soll.

Das zeigt dieser Vorgang besonders drastisch. Wir haben Ihnen in der Haushaltsdebatte viele Wege aufgezeigt, wie es möglich ist, mehr Geld für den Wissenschaftssektor zu generieren, und fordern Sie auf: Gehen Sie mit uns den Weg, mehr Geld an Grundfinanzierung für die Universitäten zu organisieren!

Dann sei aber die Frage gestellt – dann kommen wir zurück zu dem Anliegen der Piraten –: Was wäre mit dieser Aktuellen Stunde und was wäre mit den Piraten als Partei, wenn es das Internet nicht gäbe? Wer hat das Internet erfunden? Das Internet ging aus dem im Jahr 1969 entstandenen Arpanet hervor,

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Das zivile For- scher gemacht haben!)

einem Projekt auch des US-Verteidigungs

ministeriums. Insofern ist auch die Existenz der Piraten letztlich ein Ergebnis von militärisch motivierter Forschung.

(Beifall von der CDU)

Das ist so.

Zur GPS-Navigation haben wir eben schon etwas gehört.

(Zuruf: Auweia!)

Die nächste Frage stellt sich bei anderen Anwendungen: Ist die Entwicklung insektenresistenter Kleidung tabu, weil sie auch ein Soldat tragen kann? Oder sind wir nicht alle froh, dass es Kleidung auf dem Markt gibt, die auch einen Zivilisten vor Mücken schützt? Dürfen Hochschulen keine Satellitenforschung mehr betreiben, weil die Ergebnisse militärisch nutzbar sind? Wenn die Bundeswehrdrohne eingesetzt würde, um Menschen aus bedrohlichen Situationen zu retten, zum Minen räumen usw., ist dann eine rote Linie überschritten? Alles das sind Fragen, mit denen man sich schon kritisch auseinandersetzen muss.

Wir befinden uns hier also in einer Debatte, die leicht dazu führen kann, dass die Fragestellung nach möglicher Nutzung der wissenschaftlichen Ergebnisse dazu benutzt wird, um wissenschaftliche Freiheit einzuschränken.

In Art. 5 Abs. 3 unseres Grundgesetzes steht:

„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“

Unsere Verfassungsväter waren weise genug, um einerseits Eingriffen in die Hochschulfreiheit von politischer Seite einen Riegel vorzuschieben und gleichzeitig von den Forschern die Treue zur Verfassung einzufordern.

Die schwarz-gelbe Koalition mit Wissenschaftsminister Pinkwart hat diesen Ansprüchen exakt Rechnung getragen. Im Hochschulfreiheitsgesetz ist klar festgelegt, dass Hochschulen selbstständig und autonom darüber entscheiden können, welche Drittmittelforschung sie durchführen wollen. Wir sagen klar: Solange sich Hochschulen an national und international gültige Gesetze halten, sollen sie das auch tun dürfen.

Tragischerweise für Nordrhein-Westfalen – das gehört an dieser Stelle auch ausdrücklich in die Debatte – beschreitet Rot-Grün einen für die Wissenschaftslandschaft bedenklichen Weg.

Zunächst – darüber haben wir vorgestern schon diskutiert – sollen in Nordrhein-Westfalen politisch verbindliche Hochschulentwicklungspläne gelten, die den Universitäten vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben und worüber geforscht werden soll. Es geht noch weiter: In dem Gesetz sollen un

ter dem Deckmantel von Zivilklauseln ideologische Tabuzonen errichtet werden.

Deswegen stellt sich die Kernfrage in der aktuellen Diskussion anders. Es geht darum – auch Ihnen geht es darum –, wer festlegt, welche Forschung akzeptabel ist, und wer festlegt, welche Forschung tabuisiert werden soll. Das ist hier in NordrheinWestfalen ganz einfach, Frau Ministerin: Sie wollen festlegen, was Ihrer Meinung nach wertvoll bzw. nicht wertvoll ist, und deshalb haben Sie den Referentenentwurf auch in dieser Form konzipiert. Würde man Ihrer Logik Ihres geplanten – so nenne ich es jetzt einmal – „Hochschulentmündigungsgesetzes“ folgen und es historisch anwenden, so wäre das Internet, da es anfangs aus militärischer Motivation heraus entwickelt wurde, wahrscheinlich gar nicht entstanden, und damit wäre auch die Piratenpartei als politische Gruppierung wahrscheinlich gar nicht existent.

Also, betrachtet man die Ergebnisses der Hochschulfreiheitsgesetzes, so lässt sich für NordrheinWestfalen beobachten – und das darf man schon sagen –, dass sich unsere Forschungslandschaft ausgeweitet und verbessert hat und auch international wettbewerbsfähiger geworden ist. All das ist ein Ergebnis von autonomen Entscheidungen.

Die Kernbotschaft der Debatte, die heute in dieser Aktuellen Stunde vom Parlament ausgehen sollte, müsste unserer Ansicht nach doch folgende sein: Wissenschaft muss frei bleiben. Wissenschaft muss in den Hochschulen bleiben. Und die Politik weiß es nicht besser.

Frau Schulze, Sie haben sich mit Ihrem neuen Gesetz verführen lassen. Rot-Grün steht mit diesem Gesetzentwurf für die Anmaßung des Wissens oder – besser gesagt – des Besserwissens. Aber die ganze Debatte zeigt auch bei allen Schwierigkeiten der Diskussion letztendlich, dass Freiheit ein absolutes Gut ist und nicht relativiert werden darf. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Berger. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Dr. Seidl.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Berger, kommen wir doch noch einmal zum aktuellen Anlass zurück. Tatsache ist doch, dass 22 Hochschulen in Deutschland offensichtlich für das Pentagon Auftragsforschung übernommen haben, und darüber – das haben Sie eben selbst zitiert – haben in den vergangenen Tagen etliche Medien berichtet. Dabei wurden auch drei nordrhein-westfälische Hochschulen genannt.

Tatsache ist auch, dass Deutschland bei den weltweiten Rüstungsexporten ganz oben im Ranking steht. Auch darüber wurde in den vergangenen Wochen viel berichtet. Es mutet schon zynisch an, wenn die Universität München davon spricht, sogenannten sauberen Sprengstoff für die Militärforschung zu entwickeln. Es gehe schließlich darum, Sprengstoff umweltverträglicher zu machen. Das ist natürlich Auftragsforschung für das US-Verteidigungsministerium. Insofern stellt sich doch die Frage, wie wir mit dieser Tatsache umgehen.

Herr Berger, Sie haben den Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz genannt: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Die sogenannte Wissenschaftsfreiheit sichert unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein individuelles Recht, auf dem Gebiet zu forschen, auf dem sie forschen wollen. Das lässt sich nicht per Gesetz verbieten, und das hat hier in Nordrhein-Westfalen auch niemand vor.

Es besteht in Deutschland jedoch ein Grundkonsens über eine friedliche Ausrichtung der Gesellschaft. Dieses Ziel ist auch im Grundgesetz an vielen Stellen verankert. Aus der Friedensfinalität des Grundgesetzes und dem herrschenden gesellschaftlichen Meinungsbild leiten wir unsere Forderung nach einer allgemeinen Zivilklausel im Hochschulgesetz ab.

Flankiert werden soll diese Selbstverpflichtung mit einer strikten Transparenzpflicht auch für Drittmittelströme. Auch das ist in der Kombination wichtig, und auch das wollen wir im neuen Hochschulgesetz verankern. Forschungsthema, Fördervolumen und Geldgeber von Drittmittelprojekten müssen öffentlich gemacht werden, auch wenn die Hochschulen das nicht immer so gerne wollen. Die Öffentlichkeit und der Gesetzgeber haben ein Recht darauf zu erfahren, auf welchen Gebieten die öffentlich finanzierten Hochschulen tätig sind; das gilt auch für Drittmittelprojekte. Insofern können wir im Hochschulgesetz einen klaren Auftrag festlegen, der die Gewissensfreiheit von Forscherinnen und Forschern respektiert, aber die Verantwortung mit der Auftragsforschung gleichermaßen großschreibt.

Die Ausgestaltung des Friedens- und des Nachhaltigkeitsauftrags überlassen wir der Autonomie der Hochschulen, Herr Berger. Die in der Tat bestehende Problematik, dass es eine Grauzone gibt, die sogenannte Dual-Use-Problematik, in der Forschungsergebnisse sowohl zu zivilen als auch militärischen Zwecken genutzt werden können, muss dann im konkreten Fall diskutiert werden. Hier gibt es keine Patentlösung. Ich gehe allerdings davon aus, dass die Hochschulen festlegen werden, dass solche Diskussionen auch künftig im Senat geführt und dort entschieden werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die aktuelle Diskussion wirft eigentlich noch weitergehende Fragen auf. In den letzten Jahren haben wir verschiedent

lich Diskussionen über die Finanzierung von Drittmittelprojekten und Tätigkeiten von Stiftungsprofessuren geführt. Unter dem Strich sind wir uns doch alle einig, dass die Wissenschaftsfreiheit nicht durch unzulässige Einflussnahme privater Förderer beeinträchtigt werden darf – weder bei der Besetzung der Stellen noch bei der Auswahl von Forschungsthemen oder Lehrangeboten, noch bei der Entscheidung darüber, was veröffentlicht werden soll. Darüber haben wir im Ausschuss ausführlich diskutiert, und auch der Stifterverband hat sich mit diesem Thema beschäftigt.

Unabhängigkeit, Freiheit von Forschung und Lehre, Transparenz, Schriftform und Verzicht auf Beeinflussung – das sind die Kriterien der Empfehlung des Stifterverbandes bezüglich der Einrichtung von Stiftungsprofessuren durch private Förderer. Dies gilt es an allen Hochschulen nach gleichen Standards umzusetzen, damit die Wissenschaftsfreiheit auch an dieser Stelle nicht beeinträchtigt wird.

Im Übrigen – das möchte ich in diesem Zusammenhang auch erwähnen – hat auch der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht 2011 dazu Stellung bezogen. Unter anderem hat er sehr deutlich gemacht, die Grenze des Zulässigen werde überschritten, wenn die Stifter derart weitreichenden Einfluss auf Forschung und Lehre nehmen könnten, dass sich die Tätigkeit der Stiftungsprofessur einer Auftragsforschung zugunsten der Stifter annähere. Eine Beeinträchtigung der Wissenschaftsfreiheit müsse insbesondere dann befürchtet werden, wenn die Stifter von Anfang an entscheidenden Einfluss auf die Einrichtung der Professur hätten.

Und wenn Sie jetzt wieder – das haben Sie ja eben gemacht, Herr Berger – mit Ihrer notorischen Klage über die Unterfinanzierung der Hochschulen um die Ecke kommen – auch Frau Freimuth macht das wahrscheinlich gleich –, dann kann ich nur sagen: Es ist mitnichten so, dass unsere Hochschulen auf diese Drittmittel, von denen in diesem Beitrag die Rede war, existenziell angewiesen sind. 10 Millionen US-Dollar verteilt auf 22 Hochschulen und 13 Jahre, das sind nicht einmal 26.000 € pro Jahr und Hochschule.

Die Drittmittelfinanzierung ist für die NRW-Hochschulen in der Tat ein wichtiges Standbein. Aber – auch in Richtung Piraten – der Stifterverband, die DFG und das Statistische Bundesamt geben ja regelmäßig die Zahlen zum Anteil der Drittmittel an Hochschulen heraus. Für das Jahr 2011 können wir festhalten: Bezogen auf die gesamten Einnahmen der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen machen Drittmittel 27 % aus, jedoch stammt nur ein knappes Viertel der Drittmittel aus privaten Quellen. Das heißt, private Drittmittel machen rund 7 % der gesamten Hochschulmittel aus, die Hochschulmedizin eingeschlossen.

Dass das Land auch in finanzieller Hinsicht seiner Verantwortung gerecht wird, das haben wir bereits

in der Haushaltsdebatte am Mittwoch ausführlich diskutiert. Der Gesamtetat im Wissenschaftsbereich – ich muss das eigentlich nicht ständig wiederholen – wächst in diesem Jahr auf fast 8 Milliarden €. Davon erhalten die Hochschulen über 4,8 Milliarden €, die Innovationsförderung in Höhe von knapp 730 Millionen € noch nicht eingerechnet. Über 1 Milliarde € kommt für die Medizin noch hinzu. Die Hochschulen haben zur Verbesserung von Studium und Lehre so viel Geld wie nie zuvor. Vor diesem Hintergrund kann also die Wissenschaftslandschaft in NRW auf das Geld des Pentagon gut verzichten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Für die FDP-Fraktion spricht die Frau Kollegin Freimuth.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine grundsätzliche Anmerkung vorab: Populismus, pauschale Schuldzuweisungen und Verdächtigungen ohne Sachverhaltsklärung sind keine geeignete Grundlage, die verfassungsmäßigen Grenzen der Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit in Art. 5 Abs. 3 und/oder die Verantwortung aus dieser Forschungsfreiheit zu diskutieren.

(Beifall von der FDP)

Wir dürfen unsere Hochschulen und unsere Forschungsinstitute nicht leichtfertig in Misskredit bringen.

Die verfassungsrechtlich garantierte Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit ist wie die Presse- und Meinungsfreiheit Ausdruck und Eckpfeiler einer freiheitlichen Gesellschaft. In unserem Grundgesetz wird die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre in Art. 5 Abs. 3 ohne Einschränkungen garantiert. Sie unterliegen eben auch nicht der Beschränkung durch die Vorschriften allgemeiner Gesetze, sondern die Beschränkung der Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit bedarf verfassungsimmanenter Schranken. Diese werden aber von dem Antrag der Piratenfraktion zu dieser Aktuellen Stunde in keiner Weise auch nur im Ansatz gestreift. Deshalb zum Antrag der Piraten auch nur drei Bemerkungen:

Erstens. Die Hochschulen haben erklärt, es gibt bei ihnen keine militärische Forschung.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Dann ist ja alles gut!)

Zweitens. Das US-Verteidigungsministerium unterstützt Grundlagenforschung wie bei uns in Deutschland zum Beispiel die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Kollege Schultheis hat gerade darauf