Protocol of the Session on November 27, 2013

Werter Herr Dr. Optendrenk, wenn Sie massive Kürzungen in den Förderprogrammen, nämlich mindestens 20 %, fordern, zum Beispiel beim Landesjugendplan, bei der Jugendarbeit, bei Kulturprogrammen, bei der Sportförderung und bei der Inklusion, sage ich Ihnen: Eigentlich hatte ich Sie immer für einen vernünftigen Menschen gehalten

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

und nicht für denjenigen, der Drehbücher für Horrorfilme schreibt.

(Beifall von der SPD)

Dann bin ich – Gott sei Dank – aus meinem Albtraum aufgewacht und habe gesehen, was Realität ist. Realität ist, meine Damen und Herren, dass wir eine gute Landesregierung haben, dass wir mit SPD und Grünen gute Parteien haben, die hier in Nordrhein-Westfalen diese Regierung tragen. Wir haben gegenüber der von Herrn Linssen noch für 2014 vorgesehenen Nettoneuverschuldung von 6,6 Milliarden € nur noch eine Neuverschuldung von 2,4 Milliarden €.

Zu all dem, was Sie beklagen, nämlich dass globale Minderausgaben und globale Mehreinnahmen nicht realistisch wären, sage ich Ihnen: Schauen Sie sich die letzten Haushalte im Haushaltsvollzug an, und Sie werden sehen, dass es realistisch war. Die Absenkung der Nettoneuverschuldung gegenüber den Plänen von Herrn Linssen von 6,6 Milliarden € auf 2,4 Milliarden € ist unser Weg der Konsolidierungslinie für Nordrhein-Westfalen.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, Herr Dr. Optendrenk: „Hätte“, „wäre“, „wenn“ waren Ihre Schlagworte quer durch die ganze Rede. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Mit Leuten, die von „hätte“, „wäre“ und „wenn“ reden, kann man Häuser neben psychiatrischen Kliniken füllen. Damit meine ich nicht Sie persönlich.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: „Hätte, hätte, Fahrradkette“!)

Statt eines Horrortrips haben wir eine solide Finanzierung in Nordrhein-Westfalen. Das soll so bleiben. Ersparen Sie bitte uns allen Horrornachrichten. Ersparen Sie uns allen Albträume und damit auch einen solchen, wie ich ihn in der letzten Nacht angesichts Ihrer Anträge leider einen hatte. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Hahnen. – Für die FDP-Fraktion spricht der Herr Abgeordnete Witzel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den Träumereien meines Vorredners – man könnte auch „Traumtänzereien“ sagen – kommen wir nun zu den harten Fakten der Haushaltspolitik in Nordrhein-Westfalen zurück.

(Beifall von der FDP)

Die, Frau Kollegin Löhrmann, sind nun wirklich bitter genug, wie man feststellt, wenn man sich die Fakten anschaut.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Sie haben sich doch noch nie um Fakten gekümmert!)

Sie führen bei uns, der Opposition, natürlich zu der Bewertung, dass der Finanzminister ein haushaltspolitischer Geisterfahrer ohne Navigationssystem ist, der volle Fahrt voraus fröhlich weiter in den Schuldensumpf fährt.

(Beifall von der FDP)

Meine Herren, warum wir zu dieser Einschätzung gelangen, geht aus den nackten Zahlen und Fakten hervor. Herr Finanzminister, bei Regierungsübernahme durch Sie vor drei Jahren hatten Sie im Haushalt 2010 Gesamteinnahmen von 48,3 Milliarden €. Sie haben heute, Ende 2013, 57,1 Milliarden € Gesamteinnahmen. In drei Jahren sind das Mehreinnahmen von 8,8 Milliarden €.

Wenn man sich auf der anderen Seite die von Ihnen getätigte Nettokreditaufnahme anschaut, stellt man fest: Sie haben 2010 einen Haushalt mit einer NKA von 4,8 Milliarden € übernommen und legen für 2014 einen mit einer NKA von 2,4 Milliarden € vor. Das heißt, 8,8 Milliarden € Mehreinnahmen führen dazu, dass Sie um 2,4 Milliarden € absenken wollen.

Damit sehen Sie auch schon das Problem Ihrer Haushaltspolitik: Die bereinigten Gesamtausgaben haben sich nämlich zwischen 2010 und Ihren Planungen für 2014 von 53,7 Milliarden € auf 62 Milliarden € erhöht. Wenn also in drei Jahren Einnahmeverbesserungen von 18 % vorhanden sind und trotzdem eine so hohe Neuverschuldung bleibt, heißt das: Wir haben in diesem Land kein Einnahmeproblem, weshalb man immer wieder mehr Abgaben und immer mehr Steuern fordern müsste, sondern ein Ausgabenproblem, weil diese Landesregierung den Landeshaushalt nicht in den Griff bekommt.

(Beifall von der FDP)

Hätten Sie, Herr Finanzminister, den schwarzgelben Konsolidierungspfad fortgesetzt,

(Lachen von der SPD)

hätten Sie dem Land in diesen drei Jahren 7 Milliarden € Neuverschuldung ersparen können. Dann hätte es aber nicht so viele Wahlgeschenke auf Pump gegeben, wie Sie das hier praktiziert haben.

(Zuruf von der SPD: Das wäre eine Geister- fahrt gewesen!)

Die Investitionsquote und die absolute Höhe der eigenfinanzierten Investitionen sinken trotz aller steigenden Einnahmen kontinuierlich.

Zur Zinssteuerquote inklusive aller Nebenhaushalte ist festzuhalten, dass in einer historischen Niedrigzinsphase jeder siebte Euro für den Kapitaldienst ausgegeben wird. Schlechter steht sich – auch nach gutachterlichen Befunden – kein einziges anderes Flächenland in Deutschland.

So werden Sie die Schuldenbremse selbst zum spätestmöglichen Termin 2020 nicht einhalten können. Genau das wird auch in Ihrem sogenannten Nachhaltigkeitsbericht der Landesfinanzen auf Seite 82 ff. angedeutet. Dort geht aus den Unterlagen hervor, im Basisszenario – also wenn der Status quo fortgeschrieben wird, ohne dass es zu neuen strukturellen Korrekturen in der Haushaltspolitik kommt – ist ein ausgeglichener Haushalt, den uns das Grundgesetz glücklicherweise vorschreibt, im Jahr 2020, also selbst zu diesem späten Termin, nicht erreichbar.

Selbst wenn Sie dort Ihre Better- und Best-CaseSzenarien entwerfen: Mehr Wachstum und eine höhere Demografierendite allein reichen für ein Ende des Schuldenstaates nicht aus.

Deshalb sagen wir: Es fehlt ein von dieser Landesregierung entworfener konkreter Abbaupfad, unterlegt mit Etappenzielen und Maßnahmen, wie unser Land aus eigener Kraft das Neuverschuldungsverbot spätestens 2020 zuverlässig einhalten kann.

Die von Ihnen erhofften Steuererhöhungen im Bund wird es so schnell nicht geben; daran ändert auch die große Enttäuschung auf Ihrer Seite nichts. Stark steigende Zuwendungen aus Bundesergänzungszuweisungen und dem Länderfinanzausgleich sind nur vordergründig erfreulich; in Wahrheit sind sie ein Indikator für die strukturelle Schwäche des Bundeslandes NRW im Bundesländervergleich.

Da haben Sie für den Haushalt des Jahres 2013 einen Mittelzufluss von 250 Millionen € einkalkuliert. Für das nächste Jahr gehen Sie von 760 Millionen € und für 2015 ff. von 800 Millionen € aus.

Ihr bundesweiter Sonderweg der vermeintlich guten Staatsverschuldung ist deshalb nicht rühmlich. Sie setzen auf Elemente spekulativer Finanzpolitik. Insbesondere sieht man das bei dem Thema „globale Mehreinnahmen in dreistelliger Größenordnung“. Diese kann das Land nämlich nicht steuern. Könnten Sie die Entwicklung präzise beeinflussen, müssten Sie das aus Gründen der Klarheit und Wahrheit

in der Haushaltspolitik auch im Haushalt titelscharf nachweisen.

Haushaltskosmetik existiert insbesondere auch beim Umgang mit den Lasten der WestLB. Im Frühjahr 2013 lassen Sie von diesem Parlament eine mittelfristige Finanzplanung beschließen, die für die drei Jahre 2014 bis 2016 WestLB-Lasten von stolzen 2,5 Milliarden € vorsieht. Heute, fünf Monate später, streichen Sie diese komplett auf null. Das sind 2,5 Milliarden €, die einfach so verdunstet sind, obwohl Sie selbst bei jeder Gelegenheit sagen, auch Sie gingen davon aus, dass das Land für diese Garantien noch wird aufkommen müssen.

(Zurufe von der SPD)

Selbst wenn sich die Leistungszeitpunkte abhängig von Marktentwicklungen etwas verschieben mögen und vielleicht sogar auch einzelne Risiken abnehmen, ist dieser fundamentale Bruch, dieses Wegradieren von 2,5 Milliarden € absolut nicht plausibel.

(Beifall von der FDP)

Die Idee dieser Landesregierung ist ganz offenbar: Wenn wir die Risiken ignorieren, können wir mit umso besserem Gewissen weiter kräftig das Füllhorn vermeintlich sozialer Wohltaten unbeschwert über das Land ausschütten.

Jeden Monat werden neue skandalöse Vorgänge bei der Aufarbeitung der WestLB bekannt, zuletzt der Verlust mehrerer Hundert Konten, dubiose Offshore-Praktiken oder die Falschberatung zahlreicher argloser Kommunen, denen windige SwapGeschäfte empfohlen wurden. Wir sind hoffentlich bald, auch durch die Erkenntnisse und Expertisen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses WestLB, an dieser Stelle weiter.

Die Rechtsnachfolgerin Portigon AG macht in diesem Jahr wieder einen Milliardenverlust. Es gibt außerdem noch enorme Lasten durch Pensionen und den Personalabbau, und auch die Portfolien bei der Bad Bank EAA sind noch zu schultern.

Herr Finanzminister, wann präsentieren Sie diesem Haus mal messbare und nachprüfbare Erfolge bei der Vermittlung von Portigon-Personal in andere Landesaufgaben? Wann präsentieren Sie diesem Parlament mal messbare Erfolge für erstrittene Schadenssummen im Zusammenhang mit der Subprime-Krise, so, wie andere Institute das vorweisen können?

Herr Finanzminister, wo ist Ihre Strategie eines sinnvollen Personalkonzepts für die Ressorts dieser Landesregierung insgesamt als Konsequenz aus Bürokratieabbau und Aufgabenkritik?

(Beifall von der FDP)

Stellenabbau findet bei Ihnen beispielsweise an Berufskollegs zulasten der schwächeren Schüler mit Verweis auf eine vermeintliche Präventionsrendite, die die Landesregierung auf unsere Nachfrage hin

dann aber selber nicht belegen kann, statt. Hingegen gibt es einen massiven Stellenaufbau im Umfang von mehreren hundert Stellen in der Umweltbürokratie oder neue Planstellen für das bürokratische Monster „Kontrollstelle für das Tariftreue- und Vergabegesetz“.

Andere Bundesländer wie zum Beispiel das Saarland weisen den Weg. Dort gibt es im Zusammenhang mit der Aufgabenkritik einen 11%igen Stellenabbau. Dafür erhalten alle Bediensteten eine Tarifanpassung. DGB wie auch Deutscher Beamtenbund loben den diesbezüglich geschlossenen Pakt.

Davon sind Sie, Herr Finanzminister, nach den Massenprotesten der Landesbeamten in NordrheinWestfalen weit entfernt. Eine Absenkung der Personalausgabenquote in NRW auf die saarländische Relation würde unseren Landeshaushalt um 1,1 Milliarden € entlasten.

Bei strukturellen Einsparungen agiert Rot-Grün in NRW fantasielos. Ihr sogenanntes Effizienzteam ist in Wahrheit ein Ineffizienzteam, das nämlich seit 2012 zwar dabei ist, Strukturen zu überprüfen, aber für den Haushalt 2014 keine substanziellen Ideen zugeliefert hat. Oder Sie verschweigen uns die hier. Offenbar ist die viele heiße Luft raus. Kein Wunder also, dass die Landesregierung um diese Einrichtung eine solche Geheimniskrämerei betreibt.

Es wird Zeit, meine Damen und Herren, dass dieses Parlament die Landesregierung endlich dazu verpflichtet, für Nordrhein-Westfalen einen verbindlichen Konsolidierungspfad mit überprüfbaren Wegmarken vorzulegen, wie der grundgesetzlich vorgeschriebene Schuldenstopp spätestens im Jahre 2020 zuverlässig und aus eigener Kraft erreicht werden kann.