Protocol of the Session on October 16, 2013

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Spätestens mit dem heutigen Entschließungsantrag haben wir noch einmal deutlich gemacht: Wir stehen zur Inklusion, aber auch zur Wahlfreiheit, aber auch zum Kindeswohl, aber auch – und das ist ganz wichtig – zur Konnexität.

Meine Damen und Herren, was haben Sie denn in diesem Gesetzesentwurfszeitraum von einem Jahr in Bezug auf die Kommunen wirklich erreicht? – Null!

(Beifall von der CDU)

Frau Ministerin, Sie sprachen eben von einer Bergwanderung, auf die Sie sich aufgemacht hätten. Das kann man durchaus so sehen. Sie haben sich aber an der Stelle der Einigung mit den Kommunen verlaufen.

Jetzt kommt es zur Abstimmung über den Gesetzentwurf, obwohl eine Einigung im Ergebnis immer noch nicht vorliegt. Sie wissen genau, dass Inklusion nicht zum Nulltarif zu haben ist, verweigern den Kommunen aber ihren verfassungsrechtlichen Konnexitätsanspruch.

(Beifall von der CDU)

Das tun Sie, obwohl Herr Minister Jäger zur Konnexität in der Landtagssitzung am 28. April 2004 gesagt hat – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Wenn das Land die Musik bestellt, wird es sie zukünftig auch bezahlen und dies nicht den Kommunen und Gemeinden aufbürden.“

An diese Ihre Aussage erinnere ich Sie hier und heute. Sie sind Weltmeister im Weglaufen vor der Verantwortung.

(Beifall von der CDU)

Jetzt, beim ersten wirklich konkreten größeren Anwendungsfall kneifen Sie und drücken sich um die Bezahlung. Das geht zulasten der Kommunen, zulasten der Inklusion und damit zulasten der Kinder.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Anstatt eine Einigung über die Kosten vorzulegen, wird nun das Inkrafttreten Ihres Gesetzes einfach mal um fast ein Jahr auf den 1. August nächsten Jahres verschoben. Diese Festlegung erfolgte nach Aussage der kommunalen Spitzenverbände übrigens einseitig. Das hatten die Spitzenverbände in den Gesprächen zur Kenntnis zu nehmen. Und welch Zufall mit dem Termin! Sie wollen sich also

über die Kommunalwahl retten. Ich kann es leider nicht anders deuten.

Sie haben die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht; denn in der Kommentarwelt geht man davon aus, dass bei verkündeten, aber noch nicht in Kraft getretenen Gesetzen auch ein vorbeugender

Rechtsschutz gilt. Und dieses Gesetz braucht eine Vorplanungsphase. Daher ist schon sehr offenkundig, dass hier auch rechtsmissbräuchlich gehandelt wird.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Das werden die Gerichte Ihnen demnächst sicherlich bestätigen.

(Beifall von der CDU)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Körfges?

Nein, keine Zwischenfrage.

Meine Damen und Herren, im Ergebnis bleibt festzustellen: Die Kommunen stehen im Regen. Das ist unverantwortlich gegenüber allen und insbesondere gegenüber den Kindern, die von diesem Gesetzgebungsverfahren betroffen sein werden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kuper. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Hendricks.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte, in der es darum geht, dass wir mehr Bildungsgerechtigkeit in unseren Schulen auch für diejenigen Kinder garantieren, die sonderpädagogischen Förderbedarf haben, hat in den letzten Minuten eine Polemik angenommen – damit meine ich nicht den Beitrag von Frau Löhrmann, sondern den Beitrag von Herrn Lindner –, die ich nicht unwidersprochen lassen kann.

Herr Lindner, wir sind uns wohl darin einig, dass die Inklusion in der nächsten Zeit eine der wichtigsten Aufgaben unseres Schulsystems und auch der Gesellschaft sein wird. Obwohl Ihr Entschließungsantrag erst gestern vorgelegt wurde, habe ich ihn sehr aufmerksam gelesen. Auch heute ist noch einmal

ausgeführt worden, dass ein Inklusionsplan in Nordrhein-Westfalen fehlt.

(Die Rednerin hält die Broschüre „Aktionsplan der Landesregierung. Eine Gesellschaft für alle.“ hoch.)

Wie Sie sehen, gibt es bereits einen sehr umfänglichen Inklusionsplan.

(Beifall von der SPD)

Darin kann man auf den Seiten 202 bis 213 detailliert lesen, wie die Inklusion in der Schule umgesetzt werden soll. Dort wird über das Gesetz gesprochen; dort wird schon über die Budgets gesprochen; dort wird bereits über die zusätzlichen Ressourcen gesprochen, die wir in das System hineingeben wollen; dort wird auch darüber gesprochen, welche Inklusionsquote wir bereits haben und wohin der Weg gehen soll. Darüber hinaus sind dort konkrete Maßnahmen abgebildet.

Ich bedaure sehr, dass das bei der Opposition nicht angekommen ist. Manchmal bildet Lesen einfach.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Übrigens ist, anders als Sie das gerade in Ihren Reden dargestellt haben, die Akzeptanz des

9. Schulrechtsänderungsgesetzes in den letzten Wochen und Monaten in der Öffentlichkeit deutlich gestiegen. Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir über die Maßnahmen und die Ressourcen, die hinterlegt worden sind, besser informiert haben.

Gerade in der letzten Woche hatte ich noch eine Veranstaltung in Bonn. Als die Teilnehmer anschließend den Saal verließen, haben sie gesagt: Ja, das ist eine gute Grundlage, auf der wir arbeiten können.

Es wird Zeit, dass wir das 9. Schulrechtsänderungsgesetz verabschieden, weil – anders, als es die FDP fordert – nach dem Motto „Zurück zur Baustelle“ die Menschen draußen darauf warten, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine gesetzliche Grundlage haben, auf der wir dann die Weiterentwicklung der Inklusion vornehmen können.

In den Debatten heute wurde immer wieder angesprochen: Wir beginnen nicht bei null, sondern wir haben eine 30-jährige Erfahrung in NordrheinWestfalen.

Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, einmal darauf hinzuweisen, was in diesen 30 Jahren von Lehrern und Lehrerinnen in NordrheinWestfalen auch in Richtung Integration und Inklusion geleistet worden ist. Denn auf den Erfahrungen dieser Lehrer und Lehrerinnen bauen wir heute auf und fangen deshalb nicht bei null an.

Ich finde, es gilt den Pionierschulen, aber auch all den anderen Schulen, die sich auf den Weg gemacht haben, auch von hier aus ein herzliches Dankeschön auszurichten, weil wir ohne ihre Erfah

rungen heute nicht da stehen würden, wo wir stehen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kuper, Ihre Rede eben habe ich nicht so ganz verstanden. Im Gegensatz zu dem, was Sie im Rahmen von KiBiz alles gemacht haben, wo Sie versucht haben, die Kosten schlicht und einfach auf die Kommunen abzuwälzen, gibt es hier ein sehr geordnetes Verfahren, ein Stillhalteabkommen gemeinsam mit den Kommunen, in dem wir versuchen wollen zu evaluieren.

In der Anhörung hat es mit dem Gutachten von Prof. Schwarz noch einmal sehr deutliche Hinweise darauf gegeben, dass auch den Kommunen die Zahlen fehlen, mit denen wir eine Kostenfolgenabschätzung zurzeit überhaupt vornehmen können. Um Kosten abzuschätzen, muss man aber wissen, wie man sie abschätzen will. Genau das ist der Prozess, in den wir jetzt mit den Kommunen hingehen wollen. Wir können ja nicht irgendwelche Zahlen greifen, wir können auch keinen Blankoscheck ausstellen – das würden auch Sie nicht tun –, sondern wir wollen in ein geordnetes Verfahren mit den Kommunen gehen. Dafür haben wir jetzt die Grundlage geschaffen.

Meine Damen und Herren, die Eltern draußen warten darauf – übrigens die Kommunen auch. Eine Recherche im Internet in den letzten Tagen, was in den Kommunen eigentlich passiert, hat Erstaunliches ergeben. Anders, als Sie es heute hier dargestellt haben, haben sich die Kommunen längst auf den Weg gemacht – ob Köln, Dortmund, Münster oder Bonn. Da sind Inklusionspläne entwickelt worden, da sind Fortbildungen entwickelt worden, da ist die inklusive Stadt Münster entwickelt worden.

Mit anderen Worten: Auch die Kommunen haben längst verstanden, dass sie als wichtige Akteure vor Ort diesen Prozess begleiten sollen. Sie tun dies auch. Erkennen Sie doch auch mal an, welche Leistungen von den Kommunen in der Zwischenzeit erbracht worden sind!

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

Das tun wir durchaus, Herr Stamp.

Jetzt lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen. Sie haben die ganze Zeit davon gesprochen, dass wir Qualitätsstandards haben müssen, dass wir Standards bei einer völlig unterschiedlichen und sehr diffizilen Ausgangslage in Nordrhein-Westfalen setzen müssen. Gleichzeitig kommen Sie heute an, Herr Stamp, und reden hier vom „Schulfreiheitsgesetz“, mit dem Sie möglichst viele Freiheiten in die Schulen und in die Kommunen geben wollen. Es würde mich interessieren, ob das eigentlich miteinander übereinstimmt. Ist das FDP-Logik, oder ist das die Logik eines normal denkenden Menschen?