Protocol of the Session on July 11, 2013

Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. – Für die SPD-Fraktion ist der Redner Herr Kollege Kossiski.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Um es vorwegzunehmen, Herr Herrmann: Ich halte die Überschrift Ihres Antrags Drucksache 16/3438 für verfehlt, weil mit ihr ein falscher Eindruck erweckt werden könnte. Was heißt denn „Realistische Erfassung von Sicherheitsproblemen“? Wenn damit gemeint sein sollte, dass die bisherige Arbeit der ZIS, der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze, als unrealistisch zu bewerten sei, dann möchte ich dem hier und heute deutlich widersprechen.

Ich möchte darauf verzichten, hier in epischer Breite die Rolle und die Aufgabe der ZIS zu verdeutlichen. Tatsache ist aber, dass die ZIS seit Jahr und Tag, seit 20 Jahren, die für einen Veranstaltungsort zuständige Polizeidienststelle mit allen bekannten polizeilichen Hintergrundinformationen versorgt, um mit einem angemessenen Personaleinsatz die Sicherheit der Zuschauer in Veranstaltungsorten wie Stadien oder Plätzen sowie auf den An- und Abreisewegen gewährleisten zu können.

Das geschieht unter anderem auf Basis standardisierter, bundesweit abgestimmter Erhebungsbögen, mit denen einsatzrelevante Daten im Vorfeld von Fußballspielen in sogenannten Vorausberichten wie auch im Nachgang durch Verlaufsberichte von den Polizeibehörden berichtet werden. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht also der Erkenntnisaustausch. Ich glaube, man sollte der ZIS keine unrealistische Arbeit vorwerfen.

Ebenfalls vorweg erlaube ich mir eine Anmerkung zu der im Antrag der Piratenfraktion mehrfach erwähnten Kritik an der Arbeit zuständiger Polizeidienststellen, insbesondere der bei Fußballeinsätzen eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, vor allem der sogenannten szenekundigen Beamten, SKB. Ich lese in diesem Antrag, deren Wissen sei stark subjektiv eingefärbt und deren subjektive Einschätzungen gingen ungefiltert in Statistiken ein.

Aus meiner jahrzehntelangen Erfahrung bei der Polizei als aktiver Polizeibeamter und Polizeiführer kann ich Ihnen dazu nur sagen: Unterschätzen Sie bitte nicht die Arbeit von szenekundigen Beamten im Speziellen oder von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten generell! Die wenigsten der dort eingesetzten Beamtinnen und Beamten sind erstmalig bei Fußballeinsätzen. Dann könnte man ja noch Unerfahrenheit unterstellen. Die meisten der eingesetzten Beamtinnen und Beamten sind aber sehr erfah

ren – nicht zuletzt, weil sie während einer Fußballsaison von einem Fußballeinsatz zum nächsten müssen. Erkundigen Sie sich bitte bei den Hundertschaften und bei den eingesetzten Beamten.

Es würde mich sehr freuen, wenn wir uns über einen Punkt im Vorfeld verständigen könnten: Verlangen Sie bitte weder von der Polizei noch von der ZIS weissagerische Fähigkeiten. Damit meine ich, dass Erkenntnisgewinnung, darauf basierende Einschätzung und Nachbereitung nach Einsatzende das eine sind, aber tatsächliche Verhaltensmuster von gewaltbereiten sogenannten Fans – und nur von denen rede ich hier – das andere. Da sollte auch die Piratenfraktion nicht Ursache und Wirkung verwechseln.

Weil ich mich immer gerne auf die Suche nach dem Guten begebe, will ich diesen Antrag aber nicht nur kritisieren. Wenn ich einmal über die zahlreichen kritikwürdigen Textpassagen hinwegsehe, stelle ich fest, dass ein Ziel des Antrags die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der ZIS zu sein scheint. So verstehe ich jedenfalls das Vorhaben einer Reform der Datenerfassung und Auswertung der ZIS. Da bin ich bei der bekannten Redensart, dass nichts so gut sein kann, dass es sich nicht noch verbessern ließe.

Zielführende Diskussionen und ausführliche Beratungen mögen deshalb ein guter Weg sein, um Optimierungsmöglichkeiten herauszuarbeiten. Daher stimmen wir als SPD-Fraktion einer Überweisung an den Innenausschuss zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Lohn.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst eine persönliche Botschaft an Herrn Herrmann: Ich danke Ihnen für den ruhigen Ton und die moderate Art und Weise, in der Sie vorgetragen haben. Der Ton kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Ihren Äußerungen tatsächlich teilweise Ungeheuerlichkeiten enthalten waren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wie wir von den Vorrednern schon gehört haben, wurde die ZIS 1992 mit Sitz in Nordrhein-Westfalen installiert. Anlass war die bundesweit zunehmende Gewalt in den und um die Fußballstadien.

Ich will Ihnen vorweg die Bewertung der CDU dazu sagen. Ich persönlich und die CDU finden, dass die Arbeit der ZIS sich grundsätzlich bewährt hat. Der Sitz in Nordrhein-Westfalen wurde richtig gewählt, weil wir hier die meisten Bundesligavereine haben – und in der Summe auch die erfolgreichsten Bundesligavereine mit den meisten Zuschauern.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Die gute Arbeit der ZIS hat sicherlich dazu beigetragen, dass die Gewaltdelikte zwar nicht völlig verhindert werden konnten, wie die Zahlen leider Gottes zeigen, aber dass die Arbeit koordiniert werden konnte und man städte- und länderübergreifend und sogar international gefahrenabwehrend tätig werden konnte. Dafür spreche ich an dieser Stelle allen Beteiligten meinen ganz herzlichen Dank aus.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die nächste Bemerkung, die ich machen wollte, hat der Kollege Kossiski mir schon vorweggenommen. Das zeigt, dass diejenigen, die bei der Polizei gearbeitet haben, vielleicht bei der Beurteilung der Lage auch zu ähnlichen Ergebnissen kommen. In der Tat ist es so, dass der Feind des Guten das Bessere ist. Deswegen ist es für die CDU selbstverständlich, dass auch bei der ZIS Verbesserungen und Modernisierungen denkbar sind und auch vorgenommen werden müssen.

Herr Kollege Lohn, erlauben Sie mir bitte, dass ich einmal dazwischengehe? – Der Kollege Herrmann würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Das kann er gerne am Ende machen.

Okay. Dann machen wir es am Ende.

Direkt an die Kollegen der Piraten gerichtet muss ich sagen: Ihr Antrag ist mit Forderungen sowie unterschwelligen und teilweise auch offenen Vorwürfen an die Polizei und die Mitarbeiter der ZIS gespickt. Liebe Abgeordneten der Piraten, wenn man eine Diskussionsgrundlage schaffen will, die zu einer sachlichen Diskussion und letztendlich zu Verbesserungen führen soll, muss man das anders machen. Ihr Antrag und auch Ihr Redebeitrag eben dienen nur dazu, Klamauk zu machen und unsere Polizei unter Generalverdacht zu stellen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie schreiben zum Beispiel von verbreitetem Misstrauen gegenüber szenekundigen Beamten, abgekürzt SKB, und behaupten ohne Nennung von Fakten, dass die ZIS viele Fragen für die kriminologische und polizeitaktische Bewertung offenlasse. Sie kritisieren Datenerhebungsmethoden, allerdings

ohne Alternativen aufzuzeigen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Tatsache, dass wir in beiden Bundesligen in der Saison 2011/2012 über 11.000 gewaltsuchende bzw. gewaltbereite Personen – ich spreche bewusst von

Personen und nicht von Fans – haben, die den Gruppen C und B zugeordnet werden, zeigt, wie hoch die Gefahr von Gewaltdelikten an jedem Bundesligaspieltag ist.

Wirft man einen Blick in den „Jahresbericht Fußball 2011/2012“, sieht man in Abschnitt 5, Sicherheitslage, dass die ZIS jede Menge wichtige Zahlen und Daten liefert, und zwar in komprimierter, verständlicher Form. Ich zitiere einmal auszugsweise:

„5.1 Verletzte Personen

Im Zusammenhang mit Spielen beider Bundesligen wurde 1.142 Personen verletzt (Vor- jahr 846), davon 235 Polizeibeamte (122 BL, 113 2. BL), 514 Störer (223 BL; 291 2. BL) und 393 Unbeteiligte (258 BL, 135 2. BL).“

Dann kommt die Bewertung:

„Die Gesamtanzahl der Verletzten stellt einen Höchststand der letzten zwölf Jahre dar und ist insbesondere dem Spielbetrieb der

2. Bundesliga zuzurechnen.“

Ich bin der Meinung, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist sehr informativ und auf den Punkt gebracht. Und das geht in gleich guter Qualität im Detail auch in den Bereichen Strafverfahren und Freiheitsentziehung, aufgeschlüsselt nach Strafverfolgung und Gefahrenabwehr, so weiter.

Liebe Piraten, da ist nichts an politischer Datenerfassung, nichts an politischer Sachverhaltsdarstellung. Das ist eine objektive Darstellung der Gefahrenlage. Sie sollten sich hier irgendwann mal für Ihre Äußerungen entschuldigen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich bin mir sicher, dass unsere Polizisten ganz selten, um nicht zu sagen: fast nie, die Ursache für Gewalttaten sind. Bei Ihrem Antrag könnte man im Prinzip zu der Auffassung kommen, als sei die Polizei der Kern allen Übels. Tatsächlich ist es so, dass die Gewalttaten in und um die Fußballstadien von den Gewalttätern – nicht den Fans, die Sie immer zitieren – ausgehen. Wenn Polizei eingreift, dann greift sie ein, um Gefahren für Unbeteiligte abzuwehren. Die Polizisten jetzt so darzustellen, als seien sie der Kern des Übels, als seien sie die Personen, von denen Gewaltbereitschaft ausgeht, ist genau das Gegenteil der Realität.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Liebe Kollegen, ich erspare Ihnen die weiteren Äußerungen der Piraten zu rechtsstaatsbedrohender Anwendung von Pfefferspray und dem Verbot von V-Leuten.

Wir können im Ausschuss hoffentlich sachlich darüber diskutieren. Wir verschließen uns keinen Verbesserungen. Wir möchten die Arbeit auch optimieren. Zum Beispiel ist es zu spät, wenn der Bericht immer erst ein Jahr nach Ende einer Saison vorge

legt wird. Auch in anderen Bereichen kann man sicherlich Änderungen vornehmen.

Herr Kollege Lohn, die Redezeit.

Ich bin sofort zu Ende.

Nur, die Erarbeitung von Erhebungsbögen ist Verwaltungs-Klein-Klein, mit dem sich mit Sicherheit nicht dieses Plenum beschäftigen sollte, sondern die Fachleute vor Ort. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Jetzt noch die Zwischenfrage. – Herr Kollege Herrmann, bitte.

Vielen Dank, dass Sie meine Zwischenfrage am Ende Ihrer Rede doch noch zulassen, Herr Lohn. Die von uns kritisierten Punkte sind von den Experten in der Anhörung am 7. März genannt worden. Wir haben sie nur zusammengefasst. Meine Frage: Waren Sie bei der Anhörung zugegen?

Ich war bei der Anhörung teilweise zugegen.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Teilweise!)