Protocol of the Session on July 10, 2013

zweite Lesung

Ich weise darauf hin, dass die Fraktionen der CDU und der FDP zum Gesetzentwurf Drucksache 16/2880 eine namentliche Abstimmung beantragt haben. Alle Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass diese Abstimmung im unmittelbaren Anschluss an die Aussprache unabhängig von der abstimmungsfreien Mittagszeit stattfindet.

Ich eröffne die Beratung und erteile als Erstem dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Kollegen Römer, das Wort.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Mit der zweiten Lesung des Besoldungsanpassungsgesetzes kommen wir heute zur Entscheidung über das viel diskutierte Gesetz. Es gibt Proteste von betroffenen Beamtinnen und Beamten und ihren Interessenverbänden, auch heute. Es gibt verständliche und auch überzogene Proteste. Es gibt in der Öffentlichkeit aber auch Verständnis für den Gesetzentwurf. Ich erfahre viel Zustimmung zu unserem Vorhaben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- rufe von der CDU: Oh!)

Deshalb stelle ich gleich zu Beginn der Debatte fest: Die heutige Entscheidung über eine sozial gestaffelte Besoldungsanpassung für die Jahre 2013/2014 hat nichts mit geringer Wertschätzung der Arbeit der beamteten Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu tun.

(Unruhe von der CDU und der FDP)

Dass wir die Arbeit wertschätzen, haben wir mehrfach bewiesen, meine Damen und Herren: erstens mit einem neuen Landespersonalvertretungsrecht, das den Beschäftigten und ihren Personalvertretungen wieder ein effektives Mitspracherecht sichert, gegen den erbitterten Widerstand von CDU und FDP,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

zweitens mit dem Verzicht auf den von SchwarzGelb verordneten 1,5%igen Stellenabbau nach dem Prinzip „Rasenmäher“, gegen die lautstarken Proteste von CDU und FDP,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

drittens mit dem Abbau der Leiharbeit beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb und der Umwandlung dauerhaft befristeter Arbeitsverhältnisse in unbefristete im Bereich der Justiz, womit wir Altlasten der abgewählten schwarz-gelben Regierung beseitigt haben,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

viertens mit der Eins-zu-eins-Übertragung der Tarifsteigerung aus dem Jahre 2011 für alle Beamtinnen und Beamten.

Meine Damen und Herren, bei der Entscheidung zur Besoldungsanpassung geht es ausschließlich darum, ob und dass mit dem Gesetz eine Alimentation gewährt wird, die im Sinne von Art. 33 Abs. 5 unseres Grundgesetzes amtsangemessen ist, und zwar für jedes Amt, für das niedrige genauso wie für das höhere. Nur darum geht es.

Wir werden heute selbstverständlich ein verfassungskonformes Gesetz verabschieden.

(Lachen von der CDU)

Mit unserem Entschließungsantrag machen wir deutlich, dass und wie wir uns mit den vorgelegten Argumenten der Landesregierung intensiv auseinandergesetzt haben, wie wir Abwägungen vorgenommen haben.

(Dr. Wilhelm Droste [CDU]: Darin haben Sie Übung!)

Wir sind jedenfalls zu der klaren Feststellung gekommen: Die gestaffelte Übernahme des Tarifergebnisses ist verfassungskonform und – das ist uns ganz wichtig, meine Damen und Herren – eine sozial vertretbare, faire und gerechte Entscheidung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, ich gebe es gerne zu: Die Entscheidung hat sich kein Mitglied der regierungstragenden Fraktionen leicht gemacht. Wir haben sorgfältig abgewogen und bewertet, auch weil die Personalausgaben mit rund 43 % neben all den anderen gesetzlichen Aufgaben ein gewaltiger Teil des Haushalts sind. Bewusst haben wir uns gegen einen massiven Stellenabbau entschieden, wie er ansonsten im Umfang von mindestens 14.000 Stellen notwendig wäre.

(Zuruf von der CDU: Das ist falsch!)

Wir haben uns gegen einen Stellenabbau entschieden, wie er von CDU und FDP immer wieder gefordert wird, heute Morgen noch von dem Kollegen Lindner.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Warum, meine Damen und Herren? – Bei der derzeitigen Verteilung des Personals über alle Einzelpläne würde dieser Stellenabbau konkret bedeuten: 7.538 Lehrerinnen und Lehrer weniger, 2.224 Polizistinnen und Polizisten weniger, umgerechnet also

beispielsweise der Verzicht auf fast zwei Ausbildungsjahrgänge, 1.564 Justizbeamtinnen

und -beamte weniger, 1.187 Finanzbeamte weniger und 1.487 Beamtinnen und Beamte in den Ministerien sowie den weiteren Landesbehörden weniger. – Stattdessen, meine Damen und Herren, setzen wir auf Beschäftigungssicherung. Das ist der entscheidende Unterschied zu Ihnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich gebe es gerne zu: Ich wundere mich schon, dass diese Beschäftigungssicherung von den Protestierenden – vor allem von den Verbänden und den Gewerkschaften – offensichtlich nur geringgeschätzt wird. Darüber wundere ich mich schon angesichts der Situation auch in vielen Bereichen der privaten Wirtschaft, in vielen Unternehmen und in vielen Betrieben.

Die geforderte uneingeschränkte Übernahme des Tarifabschlusses, meine Damen und Herren, für den gesamten öffentlichen Dienst würde

1,31 Milliarden € für nur zwei Jahre kosten und strukturell die Personalkosen deutlich weiter steigern. Der Gesetzentwurf mit der sozial gestaffelten Übernahme des Tarifergebnisses sieht dagegen eine Ausgabensteigerung von gut 600 Millionen € vor. Immer noch 600 Millionen €, aber keine 1.310 Millionen €, meine Damen und Herren. Das ist der Unterschied.

Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben nach reiflicher Abwägung eine ausgewogene Entscheidung getroffen, und zwar auf der Grundlage der Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 2012. Dort heißt es – ich zitiere –:

„Bei der Konkretisierung der aus Art. 33 Abs. 5 GG resultierenden Pflicht zur amtsangemessenen Alimentierung besitzt der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum. Das gilt sowohl hinsichtlich der Struktur als auch hinsichtlich der Höhe der Besoldung. Diese ist der Verfassung nicht unmittelbar als fester und exakt bezifferter bzw. bezifferbarer Betrag zu entnehmen. Insofern stellt die in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Garantie eines amtsangemessenen Unterhalts lediglich eine den Besoldungsgesetzgeber in die Pflicht nehmende verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive dar. Innerhalb seines weiten Spielraums politischen Ermessens darf der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anpassen.“

Im Ergebnis beschränkt sich also die materielle Prüfung auf die Frage, ob die den Beamten gewährten Bezüge evident – also augenscheinlich – unzureichend sind. Das darauf zu beschränken, ist ja auch konsequent, weil die Judikative nach unserer Verfassungsordnung, meine Damen und Herren,

nicht an die Stelle des Gesetzgebers treten kann und darf.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die die Regierung tragenden Fraktionen haben sich sowohl im Unterausschuss „Personal“ als auch im Haushalts- und Finanzausschuss, im Rechtsausschuss, im Innenausschuss und auch in den beiden Fraktionen ganz intensiv mit dem Gesetzentwurf, der Vorlage der Landesregierung und den vielen Argumenten aus den eingegangenen Briefen und Mails sowie den Ergebnissen der Anhörung auseinandergesetzt. Von einem Durchziehen, Durchwinken oder gar Durchpeitschen kann überhaupt keine Rede sein. Ihr Entschließungsantrag, meine Damen und Herren von CDU und FDP, hingegen ist – um im Sprachgebrauch des Kollegen Lindner zu bleiben – „dünne Suppe“.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist für uns selbstverständlich, Besoldungsfragen sowohl in ihrer einfachgesetzlichen als auch in der verfassungsrechtlichen Tragweite zu prüfen und zu berücksichtigen. Was ist die Basis für unsere Vergleichsberechnungen? – Selbstverständlich ist die Amtsangemessenheit der A-Besoldung zum

31. Dezember 2012 die Basis. Davon müssen wir ausgehen; denn sonst hätte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 14. Februar 2012 beim Vergleich der W-Besoldung mit den Ämtern A13 bis A15 Zweifel daran äußern müssen. Das hat es nicht getan.

Da die Besoldung in Nordrhein-Westfalen im Betrachtungszeitraum sogar noch über die Werte der hessischen A-Besoldung, die im Verfahren Vergleichsgegenstand zur W-Besoldung war, angestiegen ist, ist eindeutig klar: Die Basis für die weitere Prüfung ist eine angemessene Alimentation am 31. Dezember 2012, und die W-Besoldung, meine Damen und Herren, ist inzwischen entsprechend amtsangemessen angepasst.

Wir haben – mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – Vergleiche herangezogen: Dabei geht es erstens um Vergleichsgruppen innerhalb des Besoldungs- und Tarifsystems, zweitens um Vergleiche mit der Lohnentwicklung der Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes und drittens um Ergänzung durch den Gehaltsvergleich mit der Privatwirtschaft. Diese Vergleichsrechnungen, meine Damen und Herren, ergeben aus unserer Sicht: Die Amtsangemessenheit der Besoldung ist bei den Besoldungsgruppen bis einschließlich A10, bei A11 und A12 sowie auch ab A13 vorgesehen und vorgegeben. Das Abstandsgebot ist nicht verletzt. Es gibt keinen Verstoß gegen Beamten- oder gar Gleichheitsrecht. – Das ist das Ergebnis unserer Prüfung, meine Damen und Herren.

In den zurückliegenden Wochen – das nehme ich noch einmal auf – war oft der Vorwurf zu hören,

dass die soziale Staffelung zu einem Sonderopfer – besonders von A13 und höher – führen würde. Der Vorwurf ist falsch. Es gibt weder ein Sonderopfer der gesamten Beamtenschaft noch einer Gruppe innerhalb der Beamtenschaft, weil die notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen der Landesregierung und des Landtags am Landeshaushalt eben nicht allein die beamteten Beschäftigten treffen. Es gibt noch nicht einmal eine totale Nullrunde; denn wenn wir die Tarifübertragung auf die Zulagen miteinrechnen, hat zum Beispiel auch ein Lehrer in A13 ein Mehreinkommen von 0,6 % in 2014. Und das Land übernimmt selbstverständlich zusätzlich die 0,2%ige Zuführung an den Versorgungsfonds.

Dass es nicht nur Sparmaßnahmen bei den Beamtinnen und Beamten gibt, zeigt ein Blick in die Entscheidung, die wir gemeinsam getroffen haben. Die Abgeordneten verzichten in 2013 und 2014 auf die anstehenden Erhöhungen. Das haben wir gemeinsam beschlossen. Mit dem Haushalt 2013 hat es insgesamt Einsparungen in der Größenordnung von 970 Millionen € – globale Minderausgaben und strukturelle Kürzungen von Förderprogrammen – gegeben. Wir haben gegen Ihre Proteste unter anderem bei Kunst, Kultur, Sport, Straßenbaumaßnahmen, Landeszentralen, dem Kleingartenwesen, den Rennvereinen und der Denkmalpflege gespart. Dagegen haben Sie protestiert und wollen jetzt eine Eins-zu-eins-Übertragung. Das ist doch pharisäerhaft, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, wir haben in unserem Entschließungsantrag sehr ausführlich und nachlesbar für alle dokumentiert, dass und wie wir abgewogen haben, was und wie wir geprüft haben. Selbstverständlich haben wir auch festgehalten, zu welchen Ergebnissen wir gekommen sind. Ich sage es Ihnen mit aller Klarheit: Das von Ihnen angedrohte Klageverfahren sehen wir mit aller Gelassenheit auf uns zukommen.

(Dr. Wilhelm Droste [CDU]: Das haben Sie immer getan! Das ist auch gut so!)

Schauen Sie einmal in Ihren Entschließungsantrag hinein, Herr Kollege Droste. Sie haben nicht ein einziges Mal und an keiner einzigen Stelle ein Arbeitsergebnis Ihrer Prüfungen vorgelegt. Sie leben von Ihren Vorbehalten und Vorurteilen, Sie leben von einer populistischen Empörungsmaschinerie, die der Kollege Lindner beispielhaft in Gang setzt. Deshalb werden Sie damit auch scheitern, meine Damen und Herren!