Protocol of the Session on June 20, 2013

Zu den Details: Wir stellen, wie bereits auf der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin vereinbart, gemeinsam – Bund und Länder – bis zu 8 Milliarden € für die Beseitigung der Flutfolgen zur Verfügung. Das ist ein starkes Zeichen der Solidarität, das den Betroffenen vor Ort Hoffnung gibt. Es wird schnell geholfen, und es wird umfassend geholfen.

Da der Bund die Kosten der Bundesinfrastruktur von rund 1,5 Milliarden € alleine trägt – wie übrigens bereits 2002 –, reduziert sich der Länderanteil von 4 Milliarden € auf 3,25 Milliarden €. Der Bund übernimmt unter anderem die Beseitigung der Schäden an Autobahnen, Bundesstraßen und Wasserwegen.

Teil der Einigung ist auch der Fonds Deutsche Einheit, wie von den Ländern gefordert. Bei einer der

zeit zu erwartenden vorzeitigen Tilgung des Fonds hat der Bund nun endlich anerkannt, dass dann auch die Zahlungsverpflichtungen der Länder in den Fonds entfallen. In der Konsequenz würden die Länder dann wieder 2,2 Milliarden € mehr zur Verfügung haben. Noch in den Verhandlungen am Dienstag war der Bundesfinanzminister dazu nicht bereit gewesen; er wollte nicht einmal grundsätzlich über den Fond Deutsche Einheit sprechen.

Die verbleibenden 3,25 Milliarden € Länderanteile am Hilfsfonds erstatten die Länder dem Bund inklusive Zins und Tilgung. Es gelten die günstigen Finanzierungsbedingungen des Bundes. Das Risiko von zukünftigen Zinssteigerungen liegt beim Bund, weil feste Annuitäten vereinbart wurden. Bei einer Laufzeit von 20 Jahren, die gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag verlängert worden ist, verringert sich die jährliche Zahlung der Länder auf nun rund 202 Millionen € statt der 438 Millionen €, die im ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundes genannt waren.

Für Nordrhein-Westfalen wird damit die zusätzliche Belastung bei rund 44 Millionen € liegen. Die Verrechnung erfolgt über einen Umsatzsteuervorwegabzug. Aber es ist doch erheblich weniger als die rund 110 Millionen €, die anfangs in der Ministerpräsidentenkonferenz vom Bund für NordrheinWestfalen genannt wurden.

Am Ende können wir auch deshalb mit gutem Gewissen zustimmen, weil es gleichzeitig gelungen ist, den lange währenden Streit mit dem Bund über die sogenannten Entflechtungsmittel zu beenden. Das sind die Bundesmittel, die vor allem in den kommunalen Wohnungsbau und in den Nahverkehr gehen und die der Bund 2014 auslaufen lassen wollte. Der Bund wird diese Mittel nun auf dem bisherigen Niveau bis 2019 weiter zahlen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Damit erhalten die Länder bis dahin weiter jährlich rund 2,3 Milliarden €.

Im Zusammenhang mit den Entflechtungsmitteln enthält das Paket noch einen weiteren Bestandteil, nämlich das Fiskalpaktgesetz. Die Länder wollen diesem Gesetz zustimmen. Bisher liegt dieses Gesetz im Vermittlungsausschuss des Bundesrates. Weil wir deutlich gemacht haben, dass eine Zustimmung davon abhängt, dass unsere Finanzmittel sich auch entsprechend entwickeln, haben wir hier sehr frühzeitig auf den Zusammenhang mit den Entflechtungsmitteln hingewiesen. Da hier eine Einigung erzielt werden konnte, werden wir am 5. Juli einem entsprechenden Gesetz im Bundesrat zustimmen.

Meine Damen und Herren, das Gesamtpaket – Fortführung der Entflechtungsmittel auf bisherigem Niveau, reduzierte Belastung der Länder und Einigung bezüglich des Fonds Deutsche Einheit – ist ausge

wogen und verantwortbar für Deutschland und auch für Nordrhein-Westfalen. Meine Bitte an alle Fraktionen im Landtag ist deshalb, diesem Kompromiss zuzustimmen – im Interesse der Menschen vor Ort und im Interesse der Solidarität in unserem Land.

(Beifall von der SPD)

Nordrhein-Westfalen ist in den letzten Wochen von der schlimmen Hochwasserlage, so wie sie im Osten und Süden herrscht, verschont geblieben. Aber wir wissen, dass auch bei uns Hochwasser vor allem wegen der dichten Besiedelungen und der hohen Industrialisierung großen Schaden anrichten kann. Deshalb schützen wir beispielsweise allein am Rhein 1,4 Millionen Menschen und Sachwerte in Höhe von 125 Milliarden € durch Hochwasserschutzanlagen.

Insgesamt sind die Investitionen in den Hochwasserschutz bei uns in den vergangenen Jahren angestiegen. 2006 lagen sie noch bei 23,2 Millionen €, 2010 bei 21,6 Millionen €, und 2012 hatten wir 34 Millionen € zur Verfügung. Wir wollten diese Mittel in diesem Jahr gerne auf 40 Millionen € erhöhen, aber die Haushaltslage hat uns gezwungen, diesen Ansatz auf 30 Millionen € zu begrenzen. Allerdings haben wir zeitgleich bei der NRW.BANK ein zinsgünstiges Kreditprogramm im Umfang von bis zu 20 Millionen € aufgelegt.

Im Übrigen gilt: Bei vielen kleineren Gewässern in Nordrhein-Westfalen, die bei Hochwasser gleichwohl zur Gefahr werden können, bietet das Land nicht nur Geld für baulichen Hochwasserschutz, sondern auch planerische Unterstützung.

Enge Zusammenarbeit – das gilt auch für alle Hochwasserschutzmaßnahmen am Rhein. Sie werden seit 1998 mit den Rhein-Anliegerstaaten abgestimmt. Und an anderen Gewässern, ob an Sieg, Weser oder Ems, gibt es eine enge Zusammenarbeit mit den betroffenen anderen Bundesländern.

Meine Damen und Herren, es ist wichtig und richtig, dass jedes Land selbst alles Notwendige tut, um sich gegen Hochwasser und andere Katastrophen zu schützen, so, wie wir es in Nordrhein-Westfalen seit Jahrzehnten machen. Es ist aber auch wichtig und richtig, dass jedes Land jedem anderen Land dann Hilfe leistet, wenn die eigenen Kräfte überfordert sind. Das ist gelebte Solidarität und lebendiger Föderalismus im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. – Vielen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen eben einen Entschließungsantrag zu Tagesord

nungspunkt 1 eingereicht haben. Dieser Entschließungsantrag befindet sich gerade in der Druckerei; er wird so schnell wie möglich verteilt. Er wird die Drucksachennummer 16/3330 bekommen. Wir werden dafür sorgen, dass den Fraktionen Vorabexemplare zur Verfügung gestellt werden.

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU Herrn Kollegen Laumann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle in Nordrhein-Westfalen haben in den hinter uns liegenden Wochen mitverfolgen können, was Naturkatastrophen für Hunderttausende von Menschen bedeuten können. Viele Menschen haben, im Übrigen innerhalb von zehn Jahren, zum zweiten Mal ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Sie stehen innerhalb von zehn Jahren zum zweiten Mal davor, sich eine neue Existenz aufzubauen. Jeder von uns kann sich vorstellen, was für eine schwere Problematik das für viele Familien in unserem Vaterland ist.

Ich glaube, dass wir uns trotz aller finanziellen Probleme, die wir auf allen Ebenen haben, in solchen Momenten immer bewusst sein müssen, dass wir in Fragen des Katastrophenschutzes grundsätzlich wachsam bleiben müssen – wohlwissend, dass man trotz aller Sorgfalt Naturkatastrophen niemals ganz ausschließen kann.

Dann gibt es – die Frau Ministerpräsidentin hat es dargestellt – die andere Seite dieser Medaille: Man sieht, dass es in einer solchen Situation den Zusammenhalt der Menschen nicht nur in den betroffenen Regionen, sondern in ganz Deutschland gibt, quer durch alle Gruppen unserer Bevölkerung. Ich finde, auf das, was wir auf diesen Bildern gesehen haben, darf zu Recht jeder Mensch, der in Deutschland lebt, ein bisschen stolz sein.

(Allgemeiner Beifall)

Ich empfinde es so, dass wir als Vertreter des Volkes, das in Deutschland lebt, auch ein bisschen stolz darauf sein dürfen, wie die innere Stimmung in unserer Gesellschaft ist: dass Menschen einfach über sich hinauswachsen und uneigennützig Großartiges leisten.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Dann finde ich, wir können auch sehr dankbar dafür sein, dass wir in Deutschland so viele zivile Hilfsorganisationen haben: vom Roten Kreuz über unsere Feuerwehren und den Katastrophenschutz bis zu den Maltesern, den Johannitern und vielen anderen. Wir haben gesehen, dass diese Menschen, auch wenn sie ehrenamtlich bei diesen Organisationen arbeiten, in einem solchen Katastropheneinsatz mit äußerster Fachlichkeit vorgehen.

Das ist nur deshalb so, weil es sich um Menschen handelt, die sich oft über viele, viele Jahre ihres Lebens durch Kurse in ihrer Freizeit diese Fachkenntnisse aneignen, um so effektiv helfen zu können. Was ist das für ein Schatz, dass wir diese Organisationen bei uns in Deutschland – auch in NordrheinWestfalen – haben; denn ansonsten hätten wir gar keine Instrumente, um Hilfe zu leisten, wie wir es getan haben!

(Allgemeiner Beifall)

Ich finde, dass wir in diesem Zusammenhang natürlich auch unsere Bundeswehr nennen müssen. Die jungen Soldatinnen und Soldaten haben Gewaltiges geleistet. Sie haben bis an die Grenze ihrer physischen und psychischen Möglichkeiten geholfen, haben Hochwasserschutz betrieben und Menschen gerettet.

Frau Ministerpräsidentin, ich möchte Sie heute bitten, dass Sie dieses zum Anlass nehmen, Ihre Misstrauenskultur im Kabinett gegen die Bundeswehr aufzugeben. Ich finde, diese Soldaten sollen auch in eine Schule gehen können, ohne sich einer Misstrauenskultur gegenüber Friedensorganisationen ausgesetzt zu sehen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe und Widerspruch von der SPD)

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich bekomme es in meinem Kopf nicht zusammen, dass Soldaten auf der einen Seite Schulen vor Hochwasser retten, unter Umständen Schüler und Lehrer retten und auf der anderen Seite nicht mehr ohne eine Begleitung in keiner Schulklasse stehen dürfen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Es gibt dann einen weiteren Punkt, den man in diesem Zusammenhang sehen muss.

(Marc Herter [SPD]: Die neue CDU, Herr Laumann!)

Von dieser Flutkatastrophe waren vor allen Dingen die Gebiete entlang der Donau und der Elbe betroffen. Wir an Rhein, Ruhr, Weser, Ems, Sieg und Lippe sind dagegen verschont geblieben. Wenn man die Bilder aus den Gebieten von Donau und Elbe gesehen hat, dann kann man auch eine tiefe Dankbarkeit darüber empfinden, dass wir verschont geblieben sind.

Was wir uns natürlich auch in den vor uns liegenden Wochen und Monaten fragen müssen, ist: Sind wir hier in Nordrhein-Westfalen ausreichend auf solche Naturkatastrophen vorbereitet? Ich denke, darüber müssen wir hier gerade angesichts der aktuellen Bilder, die uns alle bewegen, noch einmal in aller Ausführlichkeit und mit der gebotenen Sorgfalt reden.

Wir müssen immer wieder unsere Hausaufgaben machen, um optimal vorbereitet zu sein. Dazu müs

sen wir uns zunächst die Fakten anschauen. Fakt ist, dass die Landesregierung im Haushalt 2013 die reinen Landesmittel für den Hochwasserschutz um ein Viertel gekürzt hat. Natürlich gibt es einen Ausgleich – das muss man dazu sagen – über ein Kreditprogramm der NRW.BANK.

(Norbert Meesters [SPD]: Wie haben Sie denn immer gezahlt?)

Fakt ist, dass sich vor allem die Deichverbände, die Wasserverbände und die Kommunen um die Sanierung von Deichen in Nordrhein-Westfalen kümmern.

Die Kosten für die Sanierung haben bisher das Land zu 80 % und die Mitglieder der Verbände zu 20 % getragen. Ich glaube, dass man vor diesem Hintergrund überlegen muss, vor allen Dingen auch aufgrund der vermehrten Anstrengungen, die wir zeigen müssen, ob es richtig ist, hier den Landesanteil abzusenken,

(Zuruf von der [SPD]: Was haben Sie denn gezahlt?)

zumindest wenn man weiß, dass ein Deichkilometer bis zu rund 4 Millionen € kostet, also Deichschutz schon eine teure Angelegenheit ist.

(Jochen Ott [SPD]: Wir geben so viel aus wie nie zuvor!)

Fakt ist, dass wir ein Problem mit dem Planungsrecht haben. Das zeigen allein zwei Beispiele vom Niederrhein, die mir zugetragen wurden. So wurden von den zuständigen Deichverbänden für die Sanierungsabschnitte in Bienen-Praest sowie in Dorneck bereits vor 14 Jahren alle nötigen Unterlagen bei der Bezirksregierung Düsseldorf eingereicht, und sie sind bis heute nicht genehmigt.

Bis heute ist in der Bezirksregierung kein Planungsrecht hergestellt worden. Ohne Planungsrecht kann jedoch nicht saniert werden. Wenn es von der Bezirksregierung keinen Bescheid gibt, dann können die Deichverbände nicht ausschreiben und erst recht nicht bauen und Geld vom Land abrufen.