Protocol of the Session on June 19, 2013

Ich möchte den Faden aber doch noch einmal aufnehmen: Wenn in Ihrem Entschließungsantrag von Ideologie die Rede ist, dann bitte ich Sie auch um Folgendes: Lassen Sie uns doch vor Ort einmal gerade auf den Bereich der Realschulen schauen, ob da in diesem Rahmen von manchem Lobbyvertreter wirklich Politik für die Kinder vor Ort oder ob schlichte Schulformpolitik gemacht wird. Und Letzteres ist nicht im Sinne des Schulkonsenses, den wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Beste Bildung für alle Kinder vor Ort und nicht Schulformpolitik – das ist das Anliegen des Schulkonsenses gewesen, und das bitte ich auch so beizubehalten.

Von daher sollten wir uns auf diesen Bericht freuen, und ich möchte das Ministerium ermutigen, in der gesamten Breite auf den Prozess zu schauen. Das ist ein historischer Kompromiss, ein historischer Konsens für Nordrhein-Westfalen gewesen. Uns ist es ganz wichtig, in den Nachsteuerungsprozessen im Zuge der Umsetzung das zu begleiten – breitgetragen vom Plenum.

Und dann freue ich mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, schon darauf, das im Ausschuss dezidiert und sehr differenziert miteinander zu besprechen. Und den nächsten Antrag, Herr Kollege Kaiser, zum Schulgesetz, machen wir dann wieder gemeinsam.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die Fraktion der CDU spricht der Kollege Kaiser.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion steht uneingeschränkt zum vor zwei Jahren gefassten Schulkonsens. Ich denke, das als ersten Satz festzustellen, ist schon ganz wichtig.

Aber dieser Antrag von Rot-Grün befremdet uns. Denn erstmalig nach allen vertraulichen Gesprächsrunden – alle, die dabei waren, wissen das – zum Schulkonsens wurde hier ein Antrag vorgelegt, der nicht mit uns besprochen war. Im Gegenteil, wir sollten ihm lediglich beitreten oder ihn abnicken.

(Widerspruch von Sigrid Beer [GRÜNE])

Die SPD hätte ja lieber, wenn abgenickt wird, aber wir tun das nicht so gerne, wenn wir dabei sind. – Das ist neu. Es hat mich überrascht, und es ist auch schlecht. Es macht mich eigentlich sprachlos.

Wenn man die Substanz des Antrags liest, merkt man, dass es wirklich gut gewesen wäre, wenn die CDU-Fraktion an dem Antrag beteiligt gewesen wäre. Denn wir hätten schon mehr auf Substanz und auf die wirklich wichtigen Fragen Wert gelegt. Substanziell, wenn man den Antrag analysiert, fordern die rot-grünen Fraktionen einen Bericht von der Landesregierung, der zum größten Teil zum Pflichtteil der schulstatistischen Berichterstattung gehört. Das heißt, dadurch ist wenig neue Erkenntnis – Sigrid Beer hat ja hier und da schon richtige Fragestellungen angesprochen – zu erwarten. Deshalb ist dieser Antrag aus meiner Sicht offensichtlich ein Ablenkungsmanöver nach den katastrophalen Anhörungen zum 9. Schulrechtsänderungsgesetz zur Frage der Inklusion.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen immer gesagt: Es macht auch Sinn, die Frage der Inklusion im Konsens zu lösen. Das wäre der richtige Weg gewesen. Nur war für uns als Fraktion bei dem, was Sie vorlegen wollten und vorgelegt haben, ein Weg zum Konsens in der Frage der Inklusion nicht machbar, weil keine Qualitätsstandards und keine Verlässlichkeit zu erkennen sind und die Frage der Konnexität überhaupt nicht vernünftig angesprochen wird. Frau Löhrmann, Sie wissen ja, was die Experten Ihnen in der letzten Woche ins Stammbuch geschrieben haben. Offensichtlich gibt es ja neuen Regelungsbedarf.

Aber zurück zum Schulkonsens. Wir alle können stolz darauf sein, dass wir mit diesem wichtigen Schritt in Nordrhein-Westfalen die jahrzehntelangen, teils sehr ideologisch geführten Strukturdebatten überwinden konnten. Wir sollten aber auch neuer Ideologie widerstehen und nicht wieder ideologische Debatten über reine Organisationsfragen beginnen.

Die Tendenz, das längere gemeinsame Lernen immer wieder zur besseren Schule zu erklären, lässt außen vor, dass die reine Organisationsform nicht über bessere oder schlechtere Schulen entscheidet. Eines gilt: Bildungsgerechtigkeit verwirklicht sich im Unterricht in jeder Schulform. Die Qualität des Unterrichts entscheidet über die Chancen jedes Einzelnen. Und weil die Kinder und Jugendlichen vielfältig sind und vielfältig begabt sind, bietet ein vielfältiges Schulsystem, wie wir es festgelegt haben, die besten Chancen, weil verschiedene Wege möglich sind. Auch ein an einer Schule des längeren gemeinsamen Lernens gescheiterter Schüler hat das Recht auf eine weitere Chance. Das gibt das Schulkonsenssystem eben her.

Konkret möchten wir aber vor dem Hintergrund von zwei Jahren Schulkonsens feststellen, dass wir einige Probleme nicht übersehen und kritische Stimmen nicht überhören dürfen. Aus manchen Kommunen wird berichtet, dass es zu schärfsten Auseinandersetzungen vor Ort kommt. Polemisch zugespitzt sagte mir jemand: Ihr habt auf Landesebene den Schulkonsens gemacht, aber den Schulkrieg in jede Gemeinde und vor allem zwischen verschiedene Gemeinden gebracht! – Das ist sicherlich überspitzt, aber wir müssen die Signale wahrnehmen. Die Proteste in Castrop-Rauxel sollten uns nachdenklich stimmen und genauer hinsehen lassen. Ich denke, das ist im Interesse aller, die hier unterwegs sind.

Uns wird berichtet, dass bei den Beratungen teilweise eine Tendenz zu einer ideologisch bedingten Bevorzugung von Gesamtschulen und integrierten Sekundarschulen festzustellen sei. Ob das so ist, kann ich von hier aus nicht beurteilen. Nur, wir brauchen da weniger Behauptungen oder Absichtserklärungen, sondern wir brauchen schon auch empirische Nachweise.

Eines ist uns aber ganz wichtig: Wir haben als CDUFraktion von Anfang an gefordert, dass für die Sekundarschulen ein eigenes Schulkapitel, eventuell zusammen mit anderen Schulformen der Sekundarstufe I – Hauptschule und Realschule –, gebildet wird und nicht die Sekundarschulen Teil des Gesamtschulkapitels sind. Wir vertrauen Frau Löhrmann, die uns erklärt hat, vor dem Hintergrund der Personalratswahlen nicht 2012 zu entscheiden und erst einmal die Entwicklung abzuwarten, nämlich: Ist die Sekundarschule überhaupt eine erfolgreiche Schulform? – Das hat sich inzwischen bestätigt. Frau Beer hat es zitiert. Das heißt, der Schulkonsens wirkt. Die Sekundarschule entwickelt sich als moderne Schulform und findet Anklang. Es spricht also nichts dagegen, sich jetzt für ein eigenes Sekundarschulkapitel zu entscheiden. Wir wären für ein klares Wort sehr dankbar.

(Beifall von der CDU)

Deshalb fordern wir: Die Schulaufsicht für die Sekundarschulen wird aus dem Kapitel der Gesamtschulen herausgenommen und neu geregelt.

Wir haben den Eindruck: Die Bilanz nach zwei Jahren Schulkonsens kann sich durchaus sehen lassen. Im Bereich der Grundschulen ist das auch angesprochen worden und zu begrüßen. Ich habe mir heute erspart, darauf einzugehen. Aber gerade auch die Kommunen kommen mit dem Instrumentenkasten in aller Regel sehr gut klar. Es gibt Innovationsschübe an den Schulen. Insoweit war es der richtige Schritt.

Wir sind überzeugt, dass unser Entschließungsantrag

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

ich komme zum Schluss, Herr Präsident – der bessere ist. Deshalb werden wir ihm zustimmen. Wir hoffen auch, dass er inzwischen verteilt ist.

Künftig sollten wir dann vielleicht im Sinne von qualitativer Entwicklung solcher Anträge diese gemeinsam entwickeln. Der Antrag von SPD und Grünen ist sehr viel Makulatur und ein starkes Ablenkungsmanöver. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU)

Herr Kollege Kaiser, bleiben Sie bitte an Ihrem Platz stehen. Sie können gleich noch einmal reden. Sie haben Ihre Redezeit deutlich überzogen. Aber die Frau Kollegin Beer hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Ich gebe ihr jetzt das Wort. Herr Abgeordneter Kaiser, Sie haben gleich die Möglichkeit, darauf zu entgegnen. – Bitte, Frau Beer.

Danke schön, Herr Präsident. – Lieber Kollege Klaus Kaiser, ich bitte doch einmal nachzuvollziehen, wie viele Anläufe wir unternommen haben, über SMS, Mails usw. den Antrag zuzustellen, verbunden mit der Bitte, zu sagen, was noch zu ändern wäre, und mit der Frage, ob sich die CDU-Fraktion entschließen könnte, mit draufzukommen.

Von daher ist der Prozess etwas anders gewesen. Aber ich denke, der Vorlauf sollte vielleicht noch etwas länger sein, wenn die Entscheidungsprozesse so sind. Ich habe Verständnis für Krankheit und für Trauerfälle. Aber nehmen wir uns doch gemeinsam vor, diesen Prozess auch zu optimieren.

Herr Kollege Kaiser, bitte schön.

Frau Beer, was Sie gesagt haben, ist ja richtig: ob man mit draufkommt.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Nein, und Verände- rung!)

Ob man mit draufkommt.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Nein!)

Der normale Weg wäre doch gewesen – dass man ihn nicht gewählt hat, ist das, was wir kritisieren –, zu sagen: Wir haben vor, anlässlich des zweijährigen Jubiläums des Schulkonsenses einen gemeinsamen Antrag zu verabreden. – Dann wäre man da eingestiegen. Es geht aber nicht, zu sagen: Springt uns mal eben bei und teilt uns innerhalb von acht Stunden mit, ob ihr noch ein paar Veränderungen habt.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: 14 Tage!)

Das war vom Stil her nicht das, was wir im Rahmen der Gespräche über den Schulkonsens miteinander geübt haben. Darauf bezog sich mein Hinweis. Ich denke, dabei sollten wir es dann belassen.

(Beifall von der CDU – Sigrid Beer [GRÜNE]: 14 Tage, Herr Kollege!)

Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Gebauer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt Anträge, die von sich aus wirken. Es gibt Anträge, mit denen man eine gewisse Wirkung erzielen möchte. Und es gibt Anträge, die das Ergebnis der Wirkung bereits im Beschlusstext vorgeben.

Auf Letzteres ist der hier vorliegende Antrag von SPD und Grünen abgestellt. In diesem Antrag wird das ereignisreiche Datum des 19. Juni 2011 zum Anlass genommen, sich schriftlich von der Landesregierung, also von den eigenen Leuten, auf die Schulter klopfen zu lassen.

Worum geht es? „Schulkonsens wirkt“, heißt es im Antrag. Aber was genau wirkt denn hier eigentlich, meine Damen und Herren?

Kann man davon sprechen, dass Schulkonsens wirkt, wenn Eltern und Schüler auf die Straße gehen und vehement demonstrieren, weil sie sich gegen die Zwangsumwandlung einer stabilen Schulform, nämlich der Realschule, wehren?

(Beifall von der FDP)

Kann man davon sprechen, dass Schulkonsens wirkt, wenn kritischen Lehrern und Schulleitungen von Schulträgern und Bezirksregierungen Maulkörbe erteilt werden?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Kann man davon sprechen, dass Schulkonsens wirkt, wenn Nachbargemeinden im Windhundver

fahren ohne Absprachen neue Sekundarschulen und Gesamtschulen einrichten und sich so gegenseitig die Schülerschaft streitig machen?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wie beurteilen Sie den Wirkungsgrad des Schulkonsenses an den Schulformen der Sekundarstufe I, die es neben den Sekundarschulen noch weiter gibt? Den weiterführenden Schulformen neben den Sekundarschulen wurde im Rahmen des Schulkonsenses angekündigt, den Klassenfrequenzrichtwert abzusenken. Diese Schulformen warten aber nach zwei Jahren immer noch auf den ersten Schritt dieser angekündigten Absenkung. Ich frage Sie: Welche Wirkung erzielt hier der Schulkonsens?

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, zu guter Letzt muss ich feststellen: Wenn es um die gesetzliche Verankerung der Errichtung von Teilstandorten auch für andere Schulformen neben der Sekundarschule und der Gesamtschule geht, ist es geradezu unerträglich, was hier teilweise von sich gegeben wird.