Protocol of the Session on June 19, 2013

Die Anmerkungen zu diesem neuen Instrument sind ja auch eindeutig. Die Hochschulräte der Fachhochschulen haben erst vor einigen Tagen ein Papier vorgelegt – auch das passt Ihnen wahrscheinlich wieder nicht –, in dem steht: Es ist für den Erfolg von Hochschulen unerlässlich, sich flexibel und autonom organisieren zu können – und eben nicht mehr hierarchisch.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Ist der Hoch- schulrat keine Hierarchie?)

Die Einführung von Rahmenvorgaben führt faktisch zur Fachaufsicht, beschneidet in eklatanter Weise die Autonomie der Hochschulen. Deshalb lehnen die Hochschulräte Rahmenvorgaben rigoros ab.

Herr Kollege, entschuldigen Sie. Würden Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Freimuth zulassen?

Ja, bitte.

Frau Kollegin.

Lieber Kollege, Sie haben wahrscheinlich wie ich auch mit Erstaunen die Ausführungen des Kollegen Schultheis zur Kenntnis genommen, in denen er auf Äußerungen von Prof. Löwer aus der Anhörung Bezug nimmt. Ich habe das gerade im Protokoll noch einmal nachgeschaut. Dort äußert sich Prof. Löwer wie folgt:

„Das Land … will sich über die Rahmenvorgaben eine gewisse Menge Ingerenzrechte verschaffen.

Ob dieser Weg gangbar ist, ist allerdings äußerst zweifelhaft; denn die Rahmenvorgaben sollen verbindlich sein.“

Würden Sie diese Äußerung von Prof. Löwer in gleicher Weise als Zustimmung zu diesem Instrument der Rahmenvorgaben verstehen, wie es der Kollege Schultheis getan hat, oder kommen Sie zu einer anderen Wertung?

Frau Freimuth, das, was Sie vorgetragen haben, ist eine exakte Analyse des Vortrags von Prof. Löwer. Ich glaube auch, dass Herr Schultheis Prof. Löwer in unzulässiger Weise uminterpretiert hat, um ihn als Rechtfertigung für Regelungen zu benutzen, die Prof. Löwer eigentlich gar nicht gemeint hat.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ihrem Vorhaben der Beschneidung der Hochschulfreiheit steht er ablehnend gegenüber.

Letztlich ist bei den Rahmenvorgaben natürlich auch die Frage zu stellen, warum es jetzt eigentlich neue Vorgaben geben soll, wenn die Effektivität und die Effizienz des bisherigen Systems noch gar nicht evaluiert worden sind. Sie sagen, das bisherige System habe sich nicht bewährt, nennen aber überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, warum es sich nicht bewährt hat.

Die Hochschulen sehen das genauso. Der Senat der Universität Münster hat Rahmenvorgaben abgelehnt, weil überzeugende Gründe für die Einschränkung der Selbstständigkeit der Universität Münster nicht benannt worden sind.

Es gibt auch noch ein Gutachten des Verwaltungsrechtlers Bodo Pieroth. Er spricht davon, dass Rahmenvorgaben eine Verunklarung der Rechtslage ohne Not sind und dass hier eine neue Rechtsfigur kreiert wird, mit der die Situation verunklart werden soll.

Kein Mensch will also Rahmenvorgaben. Das Instrument, das Sie haben, ist auch juristisch fragwürdig. Außerdem fordere ich Sie von Rot-Grün als Parlamentarier auf: Ein solches Instrument können Sie sich, wenn Sie sich selbst ernst nehmen, gar nicht bieten lassen.

(Beifall von Thomas Kufen [CDU] und Angela Freimuth [FDP])

Sie sind doch nicht Erfüllungsgehilfe einer Verwaltung. Jedes Land in dieser Welt hat eine Regierung, aber nicht jedes Land hat ein Parlament. Ein starkes Parlament ist aber die Voraussetzung. Sie haben ja einmal die Historie ihrer Partei geschildert. Sie kommt aus dem Parlamentarismus. Ihre Vorgänger hätten vor 100 Jahren auch nicht gesagt: Wir geben alles an die kaiserliche Staatsverwaltung ab; die wird es schon richten. – Wenn Sie sich Ihre eigene Historie vor Augen führen, müssten Sie die Rahmenvorgabe also schon ablehnen.

Nehmen Sie sich als Parlamentarier ernst. Schreiten Sie gegen den Versuch der Verwaltung, des Ministeriums ein, Kontrolle über Hochschulen auszuüben. Hochschulen brauchen Freiheit und keinen Zwang. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Dr. Seidl.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich muss man sich die Frage stellen, ob man auf die offenkundige Stimmungsmache von CDU und FDP in dieser Debatte um das Hochschulgesetz eigentlich noch ernsthaft eingehen soll; denn mit den in Ihrem Antrag benutzten Kampfbegriffen wie Staatsbevormundung, politisches Diktat oder Entmündigungsgesetz haben Sie die Grenze der politischen Seriosität ganz gewaltig überschritten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Eine solche Semantik und die damit verbundenen Vorhaltungen sind nicht nur absurd, sondern aus meiner Sicht auch qualitativ unterste Schublade. Vor allem bringen sie uns in der Sache dieses wichtigen Gesetzesvorhabens keinen Schritt weiter.

Die Autonomie der Hochschulen ist für uns ein wichtiges Anliegen, das wir seit vielen Jahren als rotgrüne Regierung konsequent vorangetrieben haben. Ich nenne noch einmal die Einführung der Globalbudgets, das Berufungsrecht der Hochschulen, den Verzicht auf die Genehmigung von Studiengängen und auch den weitgehenden Rückzug des Ministeriums aus der Fachaufsicht. Das war rotgrüne Politik vor dem sogenannten Hochschulfreiheitsgesetz. Es wäre vollkommen absurd, wenn wir heute die durch die Freiheit gewonnene Handlungsfähigkeit der Hochschulen wieder einschränken wollten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Autonomie ist aber auch kein Selbstzweck. Gerade die Hochschulen stehen in einer besonderen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und dem Staat. Es geht nicht zuletzt um den Erhalt der Wissenschaftsfreiheit bei gleichberechtigter Beteiligung aller Hochschulmitglieder. Es geht auch um eine nach innen wie nach außen hin orientierte Transparenz. Wir schaffen also nicht etwa Demokratie und Transparenz ab, wie Sie das in Ihrem Antrag behaupten, sondern wollen sie vielmehr stärken. Es geht darum, das Hochschulgesetz durch adäquate und zeitgemäße Steuerungs- und Partizipationsformen zukunftsgerecht weiterzuentwickeln.

Wenn Sie jetzt ausgerechnet ein vergleichsweise harmloses Instrument wie die vom Ministerium vorgeschlagenen Rahmenvorgaben herauspicken, um damit den Untergang der Hochschulautonomie in Nordrhein-Westfalen zu beschwören, zeigt das nur, wie wenig Sie sich mit den allgemeinen Steuerungsinstrumenten im Hochschulbereich und im ministeriellen Bereich im Allgemeinen auseinandergesetzt haben;

(Angela Freimuth [FDP]: Diese Passage wer- de ich Ihnen gerne wieder vorhalten!)

denn Rahmenvorgaben sollen nichts anderes sein als eine sehr zurückhaltende Form von Verwaltungsvorschriften, wie sie vor der Verselbstständigung der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen noch gültig waren. Das sind sie jetzt nicht mehr. Insofern ist eine Regelungslücke entstanden.

Liebe Kollegen, darauf hat im Übrigen auch Herr Löwer in seinen Anmerkungen hingewiesen. Sie haben eben nicht zitiert, dass er auch gesagt hat, er verstehe, dass das Ministerium ein adäquates Instrument finde, um diese Regelungslücke zu schließen.

(Angela Freimuth [FDP]: Aber er hat genauso gesagt, dass das zweifelhaft ist!)

Vor diesem Hintergrund ist Ihre Kritik an den angedachten Rahmenvorgaben vollkommen überzogen. Sie sind es, die durch Ihr populistisches Getöse zur Verunsicherung an den Hochschulen beitragen. Ich finde, das ist unverantwortlich.

(Beifall von den GRÜNEN und Karl Schult- heis [SPD])

Ich kann Ihnen ein Beispiel geben. Wenn die Hochschulen beispielsweise nicht mehr an die Ausführungsbestimmungen zum SGB IX, also den Regelungen für Menschen mit Behinderung, gebunden sind, ist dies eine Fehlentwicklung, die wir selbstverständlich korrigieren müssen.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Das ist doch lä- cherlich!)

Sie sprechen immer von freiwilliger Selbstverpflichtung als dem Credo der FDP bei allen politischen Maßnahmen. Das reicht aber eben nicht aus.

Wenn das Wissenschaftsministerium diesem Parlament nicht einmal grundlegende Fragen zu Daten aus den Hochschulen beantworten kann, weil die selbstständigen Hochschulen uneinheitliche Erhebungen durchführen, bedarf es hier einer standardisierten Rechenschaftslegung – das ist von den Kanzlern in der Anhörung auch sehr deutlich vorgetragen geworden –, die man zum Beispiel über eine Rahmenvorgabe regeln kann. So einfach ist das.

Dass hierbei etwas am Parlament vorbeigehen würde, ist blanker Unsinn. Über Verwaltungsvorschriften oder Vorgaben zur Datenübermittlung entscheidet das Parlament in der Regel nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Sie das in Zukunft gerne tun möchten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition.

Deshalb wäre es auch besser, Sie würden Ihren Blick noch einmal auf die wesentlichen Dinge richten. Ich zitiere:

„Die Autonomie der Hochschule bedeutet eben nicht den Rückzug der staatlichen Verantwortung zugunsten einer wettbewerbsorientierten unternehmerischen Autonomie der Hochschule.“

Das war übrigens auch ein O-Ton aus der Anhörung, und zwar von Dr. Wolfgang Lieb. Weiter sagt er:

„Autonomie heißt vielmehr die gesetzliche Gewährleistung der Freiheit der Wissenschaft in einer demokratischen Hochschule zum Nutzen und zum Fortschritt der gesamten Gesellschaft und nicht nur von wirtschaftlichen Einzelinteressen.“

Es hat also durchaus auch sehr differenzierte Stellungnahmen in dieser Anhörung gegeben, von der Sie eben gesagt haben, sie sei sehr eindeutig in Ihre Richtung gegangen. Das ist natürlich ein ausgesprochen singulärer Blick auf die Dinge.

Niemandem geht es um die Rückabwicklung der Hochschulfreiheit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition. Deshalb werden wir dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Paul das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich möchte einmal ein sprachliches Bild aus Fußball und Tennis bemühen, liebe FDP-Fraktion: Einen solchen Antrag, diese „marktrechte“ Flanke, kann man einfach nur volley nehmen.

Wir Piraten haben ja eine Art Zustimmreflex, wenn die Begriffe „Freiheit“ und „Autonomie“ fallen. Dieser Antrag jedoch ist handwerklich unpräzise und dazu in einem solch schlechten Deutsch abgefasst, dass wir ihn nur ablehnen können.

(Beifall von den PIRATEN)

Ganz ernsthaft: Bei dem Freiheitsbegriff, der gerade offen zutage trat, überkommt mich sogar bei einem Wetter wie heute das Frösteln. Sie reden die ganze Zeit von Hochschulfreiheit und meinen die Freiheit der leitenden Gremien. Herr Schultheis hat es schon ausgeführt: Über die an den Hochschulen beteiligten Gruppen wird an dieser Stelle überhaupt nicht nachgedacht.