Protocol of the Session on May 16, 2013

Deswegen ist ganz klar: Das Problem bzw. der Sprengstoff in dieser Situation ist nicht die Armut unserer Gesellschaft, sondern die Verteilung des privaten Reichtums und die Armut der öffentlichen Haushalte, die nicht in der Lage sind, die wichtigen Voraussetzungen für das zu schaffen, was die Wirtschaft im Übrigen zu Recht für sich genauso reklamiert. Sie will nämlich nicht nur eine maßvolle Steuerbelastung haben, sondern auch gut ausgebildete Menschen bekommen, gute Infrastrukturen haben und – darüber haben wir heute Morgen schon eingehend gesprochen – die öffentliche Sicherheit im Land gewährleistet sehen. Dafür ist auch der Zusammenhalt dieser Gesellschaft wichtig; denn man braucht ein Klima, in dem es für Menschen interessant ist, ein Unternehmen zu gründen, ein Unternehmen weiterzuführen oder sogar ein Unternehmen aus anderen Ländern zu uns zu transferieren.

Das sind alles Dinge, die für die Wirtschaft eine mindestens so große Rolle spielen wie die Frage der Steuerbelastung in einem akzeptablen Maß. Das wissen Sie, und Sie merken auch, dass die Menschen in allen Umfragen genau diesen Kurs für richtig erklären. In vielen Bereichen – das reicht vom Thema „Steuerflucht“, über Frauenquote, Mindestlohn und andere Dinge – haben Sie sich gedreht, nachdem Sie zunächst – ich will es einmal so ausdrücken – „sehr ungesteuert dagegengehalten hatten“, dann aber erkannt haben, dass Sie sich auf der falschen Spur befinden, sich drehen mussten,

um sich zur Speerspitze der Gesellschaft zu erklären. Sie merken, dass Sie auch jetzt falsch liegen, wenn Sie permanent nur auf die Ecke dreschen wollen, dass das alles nur mit einem Ausnahmeproblem zu tun hat.

Deswegen basteln Sie sich Ihre Horrorvisionen und kommen auf die riesige Belastung, die auf der Internetseite der Familienunternehmen abrufbar ist. Die ist nicht anonym, wir kennen den Absender. Trotzdem ist sie nicht richtig. Ich kenne eine ganze Reihe von Vertreterinnen und Vertretern dieser Vereinigung, mit denen ich mich gerne treffe, gerne rede, oft auch gerne streite, die sich etwas zusammengerechnet haben, das allerdings alles ausblendet, was im Umfeld der Diskussion über Vermögenssteuer, den Spitzensteuersatz oder das Ehegattensplitting immer wieder klar gemacht worden ist:

Erstens. Wir werden bei der Vermögensteuer die betriebliche Substanz nicht schwächen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zweitens. Sie reden von „Mitte der Gesellschaft“. Bei der Gelegenheit komme ich erneut auf die Statistik des Bundes der Steuerzahler zurück. Wir reden davon, dass der Spitzensteuersatz für Menschen, die als Single – ich übersetze es – bei einem Bruttogehalt von etwa 130.000 € liegen, 1 % dieses Gehalts mehr an Steuern zu zahlen haben. Als zusammen Veranlagte mit 250.000 € macht 1 % 2.500 € mehr aus. Rechnen Sie einmal mit dem Tarif nach, den wir vorgeschlagen haben. Dann werden Sie zu genau diesem Ergebnis kommen.

Drittens. Beim Ehegattensplitting haben Sie sich selber korrigiert. Wir haben deutlich gesagt: Das gilt nicht für die Bestandsehen, sondern für künftige Ehen. Noch etwas ist ganz deutlich gemacht worden: Wir haben nie gesagt, dass die mindestens 20 Milliarden €, die sozusagen wegen des Ehegattensplittings an Steuern nicht erhoben werden, für irgendetwas in die Staatskasse fließen. Sondern es geht vielmehr genau darum, sie dem Zweck zuzuführen, zu dem das Bundesverfassungsgericht das Ehegattensplitting in den 50er-Jahren überhaupt erst einmal eingeführt hat. Wir wissen doch ganz genau, dass das Rollenbild, das damals zur Grundlage des Ehegattensplittings gemacht worden ist, heute nicht mehr so wie damals ist. Damals gab es den alleinverdienenden Ehemann, der deswegen über das Ehegattensplitting entlastet wurde, weil in dieser Familientradition auch die Kinder waren.

Gerade wenn es um gesellschafts- und familienpolitische Punkte geht, versteht sich die FDP doch immer als Vorreiter, erklärt jetzt aber als grüne Gerechtigkeit, wenn ein Single gegenüber einem Alleinverdiener mit Kind steuerlich profitiert. Die FDP sagt allerdings nicht, dass der Single mit Kind gegenüber dem Alleinverdiener ohne Kind extrem schlechter gestellt wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Weil solche Familienstrukturen mit den heutigen Strukturen überhaupt nicht mehr übereinstimmen, setzt dort der Reparaturbedarf an. Dort setzen auch wir an, weil wir wissen, dass es nicht um Steuererhöhung aus Lust oder Orgie geht. Das mag Ihr Empfinden sein. Es geht auch nicht um Steuererhöhungen aus Neid heraus, sondern es geht um eine wirtschaftliche Weitsicht: Wenn wir das staatliche Defizit nicht ausgewogen durch Ausgabensenkung und Einnahmensteigerung reduzieren, wird sich der Markt das auf andere Weise holen. Wir merken es jetzt schon: Dann werden durch einen Niedrigzins, der noch nicht einmal die Inflationsrate ausgleicht, die Vermögen verkleinert, aber nicht nur die 20 %, die 1 % der Menschen gehören. Vielmehr ist es dann egal, wer Vermögen hat. Aber genau das wollen wir nicht, sondern wir wollen eine überdachte und durchdachte Regelung haben, die sicherstellt, dass diese Gesellschaft auch in Zukunft in der Lage ist, die Basis für eine Infrastruktur, ein Bildungssystem, für Sicherheit und Zusammenhalt so zu bieten, dass wirtschaftlicher Erfolg so weitergehen kann, wie er in dieser Gesellschaft jetzt weitergeht, um den wir im Übrigen auch beneidet werden. Dazu gehören diese Punkte genauso wie das Steuersystem.

An der Stelle muss etwas unternommen werden. Das wissen diejenigen, die davon betroffen selber sind, besser als Sie von der Opposition hier im Saal. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Optendrenk.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben heute eine Aufführung, in der vonseiten von Rot-Grün ganz viel Propaganda zur Verteidigung von Steuererhöhungsplänen gemacht wird. Eine der Propagandaaussagen ist die des Kollegen Mostofizadeh. Wenn er heute Zeitung liest, wird er feststellen, dass Emnid ermittelt hat, dass 63 % der Befragten die Steuerpläne der Grünen ablehnen, ihnen also keineswegs 80 % zustimmen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Natürlich profitiert der Staat auch deshalb von Rekordsteuereinnahmen, weil wir die kalte Progression haben. Diese kalte Progression bedeutet, dass jeder bei jeder Gehaltserhöhung prozentual weniger in der Tasche hat. Die kalte Progression ist eine besondere Form der Umverteilung.

Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass die Steuereinnahmen in den letzten Jahren um 4 bis 6 % gestiegen sind, die Inflation unter 2 % lag. Angesichts dessen muss man mit dem Geld auf der Einnah

menseite auskommen. Die Steuerschätzung sagt: Die Steuereinnahmen steigen gesamtstaatlich von 600 Milliarden € im Jahr 2012 auf 700 Milliarden € im Jahr 2017. Auf der Einnahmeseite ist damit alles gesagt und getan – auch ohne Tariferhöhungen. Dann muss man nicht noch auf der Ausgabenseite nicht konsolidieren.

Herr Dr. Optendrenk, es gibt eine Zwischenfrage vom Kollegen Mostofizadeh.

Ich würde gerne im Zusammenhang vortragen.

Okay.

Weil das alles so ist, bleibt an dieser Stelle nur das Leitbild von RotGrün, das – kurz zusammengefasst – lautet: Sie wollen den Staat zur Heuschrecke machen. Wie schädlich Heuschrecken sind, hat Franz Müntefering uns vorgeführt: Heuschrecken sind schädlich für die Gesellschaft, für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze. Deshalb, Herr Dr. Paul, verstehe ich nicht, dass Sie sich heute als eine Parodie von Karl Marx oder Friedrich Engels aufführen. – Herzlichen Dank!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Kollege

Dr. Optendrenk, würden Sie bitte kurz vorne bleiben? Nicht ganz überraschend hat sich Herr Mostofizadeh für eine Kurzintervention angemeldet. Würden Sie sich bitte einmal eindrücken, Herr Kollege, dann kann ich Sie hier freischalten. – Das war jetzt der Fall. Sie haben 90 Sekunden Zeit. Bitte sehr.

Herr Kollege Optendrenk, ich brauche das jetzt nicht mehr als Frage zu formulieren. Die Einkommensverteilung in Deutschland laut Bundesministerium der Finanzen ist folgendermaßen gegliedert: 47,1 % verdienen 1 € bis 20.500 €, 47,4 % 20.500 bis 52.000 €. Die verbleibenden 5,5 % verdienen über 53.000 €. Insofern ist Ihre Propaganda, um Ihr Wort aufzugreifen, dass wir die Mitte der Gesellschaft treffen würden, an dieser Stelle schlicht erstunken und erlogen.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich kann auch noch belegen, dass es 72 % der Befragten unmittelbar nach dem Parteitag der Grünen für richtig gehalten haben, eine Vermögensteuer zu erheben und auch Besserverdienenden mit einem höheren Einkommensteuersatz zu belegen. Darauf habe ich mich bezogen. Ich habe keine Propaganda gemacht, sondern amtliche Zahlen oder Zahlen, die

statistisch eindeutig belegt sind, hier in den Raum gestellt. Was Sie machen, ist eine Verdrehung der Tatsachen. Sie laufen an der Stelle Ihrem Propaganda-Minister Laschet hinterher.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Kollege

Dr. Optendrenk, auch Sie haben 90 Sekunden Zeit. Ein kleiner Hinweis dazu: Herr Dr. Paul hat sich eigentlich auch noch für eine Kurzintervention angemeldet. Diese Anmeldung kam allerdings erst während der Kurzintervention des Kollegen Mostofizadeh hier vorne an.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das bezieht sich auf seine Rede!)

Sie kam leider zu spät. Die kann ich in dem Fall leider nicht mehr zulassen. – Jetzt hat Herr Dr. Optendrenk noch 90 Sekunden Zeit. Bitte.

Herr Kollege Mostofizadeh, herzlichen Dank für Ihre Zahlen. Zur Wahrheit gehört auch, dass 10 % der Einkommensbezieher in Deutschland 50 % der Steuerlast tragen. Wir haben richtigerweise – das haben wir in unserem Antrag beschrieben – ein progressives Steuersystem. Das bedeutet, dass schon heute – das ist ja auch richtig – stärkere Schultern mehr tragen. Die Frage ist nur: Wo ist die Grenze dessen, was sie tragen können, damit wir deren Wohlstand auf Dauer nicht verfuttern, sondern sie motivieren, so zu wirtschaften, dass auf Dauer für das Gemeinwesen mehr Geld hereinkommt?

(Beifall von der CDU)

Deshalb ist es auch richtig, dass sich die Umfragen bei dem Thema „Wie sieht man Ihr Steuerkonzept?“ entsprechend entwickeln. Je mehr sich die Menschen damit beschäftigen, was Sie wirklich wollen, desto klarer wird, dass sie nicht wollen, was Sie da alles machen wollen, was Sie alles an Umverteilung zu Lasten derjenigen vornehmen wollen, die in der Mitte der Gesellschaft ihr Einkommen redlich verdienen.

Das ist die Wahrheit. Deshalb werden die Umfragen auch noch weiter in die angesprochene Richtung gehen. Die Menschen merken, dass Sie sie mitten ins Portemonnaie treffen wollen – und zwar da, wo es nicht um die Frage von Umverteilung geht, sondern um die Frage von Substanz, wo wir Ehe und Familien stärken, wo wir Kinder erziehen lassen wollen.

(Beifall von der CDU)

Das ist der Kern des Geschehens. Da werden wir auch in den nächsten Monaten noch eine interessante Diskussion haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Für die SPD-Fraktion habe ich den Kollegen Hübner hier auf der Liste stehen. Bitte sehr.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen hier eine interessante Debatte, die aus meiner Sicht, Herr Kollege Lindner, eines ausgeblendet hat. Es wurde ausgeblendet, dass wir – das haben wir im kommunalpolitischen Bereich auch mit dem Kollegen Abruszat schon länger hin und her gewälzt – eine strukturelle Unterfinanzierung nicht nur der Kommunen, sondern auch des Landes haben. Ihr Wortbeitrag hat mich eher an ein Zitat erinnert, das ich dem „Tagesspiegel“ entnehmen kann. Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich zitieren:

„Die FDP setzt im Wahlkampf auf die Furcht vor den Grünen. Nach eigenen Ideen sucht man im Wahlprogramm der Liberalen vergeblich.“

Genau das ist es. Genau diese Ideen haben Sie heute – auch in der Debatte – nicht geliefert, sondern Sie haben sich allein an dem Programm der Grünen abgearbeitet. Sie negieren eines, dass wir eine strukturelle Unterfinanzierung im gesamten öffentlichen Bereich der Bundesrepublik haben und dass wir dort ordentlich etwas tun müssen. Das kann letztlich keiner negieren.

(Beifall von der SPD)

Auch der Vorwurf – Kollege Laschet ist nicht mehr da, Kollege Laumann auch nicht –, wir würden im Bereich der Ausgaben zu wenig tun, kann nicht richtig sein.

Gestern noch haben wir verständlicherweise eine Demonstration von vielen Beamtinnen und Beamten erlebt, bei der es um den Bereich der Ausgaben ging. Ich muss schon sagen: Das komplett zu negieren und gleichzeitig auf der anderen Seite zu sagen, dass Sie nicht bereit sind, die öffentliche Finanzierungsbasis vonseiten des Bundes besser aufzustellen, finde ich schon recht abenteuerlich. Das ist auch nicht der Debatte wert, die heute Morgen angestoßen werden sollte.

Ich habe einmal nachgeschaut, welche Steuerkonzepte oder Vorschläge Sie denn insgesamt vorgelegt haben. Natürlich muss ich auch noch einmal darauf hinweisen, dass zwischen 2005 und 2010 in schwarz-gelber Verantwortung ein abenteuerlicher kommunaler Raubzug durch die Gemeinden durchgeführt wurde. Dabei sind den Kommunen

3,5 Milliarden € entzogen worden. Wir waren bis jetzt nur in der Lage, davon 2,5 Milliarden € wieder zurückzugeben. Gleichzeitig gibt es, Kollege Lindner, bei den Gemeinden eine in der Kurve etwas abflachende Entwicklung in Bezug auf die Steuerentwicklung. Das macht aber auch eines deutlich, dass wir da weitere Finanzierungsbedarfe haben. Das werden wir nicht dadurch hinbekommen, dass