Protocol of the Session on March 22, 2013

(Beifall und Lachen von der CDU)

Herr Steinbrück hat erklärt, dass er das Instrument der Selbstanzeige behalten will, weil es sich bewährt hat, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD.

(Jochen Ott [SPD]: Das stimmt ja gar nicht! Das habe ich doch im Radio gehört!)

Herr Kollege, könnte es vielleicht sein, dass er sich von Ihnen hat sagen lassen, was er nicht mehr sagen darf?

(Christof Rasche [FDP]: Er sollte doch ehrlich sein!)

Dann scheint das ja ein ganz starker Kanzlerkandidat zu sein.

(Beifall von der CDU)

Ich komme gerne zurück zu Herrn Poß. Denn Herr Poß hat eine ganz tolle Historie bei dem Thema „Steuergerechtigkeit“ hinter sich. Die Volten sind abenteuerlich. Wenn man so lange in Parlamenten sitzt, ist das vielleicht so. Herr Poß hat 2003 dem damaligen Bundesfinanzminister Hans Eichel kräftig Schützenhilfe geleistet, als der eine bisher einmalige Steueramnestie für Steuerflüchtlinge verkündet hat.

(Beifall von der CDU)

Wohlgemerkt: Damals – und deshalb seien Sie bitte mit dem moralischen Zeigefinger, liebe Freunde von Rot und Grün, ein bisschen vorsichtiger – hat RotGrün im Bund unter anderem gegen den Widerstand der Union durchgesetzt, eine Steueramnestie zu erlassen, durch die die Steuerhinterzieher nur 25 % für ihr Schwarzgeld bezahlen mussten.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Das war einmalig!)

Das war, Frau Ministerpräsidentin, wenn Sie schon dazwischen sprechen, ein Prinzipienbruch, der für einen Sozialdemokraten nun wirklich sehr bemerkenswert war. Und Sie rechtfertigen das auch noch!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Liebe Frau Ministerpräsidentin, auch heute noch fragen sich die Leute: Ist das gerecht? War das gerecht? Darf man Steuerhinterzieher besser behandeln als ehrliche Steuerzahler?

Damals war das für Rot-Grün in Bund und Land offensichtlich überhaupt kein Problem, weder moralisch noch juristisch. Heute überschlagen Sie sich mit Forderungen nach härterem Vorgehen gegen Steuersünder. Ich frage mich wirklich: Ist das glaubwürdig?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Gabriel beispielsweise fordert für den Fall eines Wahlsiegs der SPD im Bund mehr Finanzbeamte zur Bekämpfung des Steuerbetrugs. Das ist eine direkte Aufforderung an Sie, Herr Minister, denn Sie könnten schon heute zusätzliche Beamtinnen und Beamte einstellen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das wäre überhaupt kein Problem. Nur sollten Sie dann darüber nachdenken, wie Sie die bezahlen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es ist nämlich eines der größten Hindernisse einer effektiven Steuerhinterziehungsbekämpfung, wenn

man diejenigen demotiviert, die Steuerbetrug aufklären sollen. Ich nenne da nur die „Nullrunde“!

(Beifall von der CDU und der FDP – Lebhaf- ter Widerspruch von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ich komme jetzt zu einem Punkt, der eben schon von einem Kollegen in einem Zwischenruf angesprochen worden ist. Nur einer ist ganz auffällig leise: Das ist Ihr „Mister Kavallerie“. Mister Kavallerie, der Herr mit dem rüden Umgangston, der 2006 ausgerechnet in Uli Hoeneß einen Geistesverwandten gefunden hatte.

(Gordan Dudas [SPD]: Der hat sich doch ge- äußert!)

Seinerzeit hat sich Herr Steinbrück Herrn Hoeneß als Berater in sein Team geholt und dabei wohl gemeint: Das sind zwei Macher, die sich ergänzen. – Er wollte sich mit ihm schmücken. Und jetzt wollen Sie alle so tun, als wollte er davon nichts mehr wissen und Sie hätten auch nie etwas davon gewusst. Deshalb ist es kein Wunder, dass sich Herr Steinbrück zum Fall Hoeneß so zurückhaltend äußert. Ich kann allerdings schon nicht verstehen, dass sich ein Aufsichtsratsmitglied von Borussia Dortmund ausgerechnet den Bayern-Chef als Berater holt.

Je lauter Sie hier jetzt dazwischenrufen, desto klarer ist Ihre Strategie: Sie wollen wie immer alles in einen Topf werfen und verquirlen – Hauptsache, dabei entsteht ein seltsamer Brei, der nach Ungerechtigkeit riecht und mit dem Sie Wahlkampf machen können.

Steuergerechtigkeit in Deutschland erreicht man nicht dadurch, Herr Minister, dass man alles in einen Topf wirft und dabei unterdrückt, dass man selber die größten Steuererhöhungen in der Geschichte des Landes vorhat. Am liebsten wollen Sie den Leuten sagen: Wir sind für Steuergerechtigkeit. Vergesst mal besser, dass wir mit Euch noch diese ganze Steuererhöhungsorgie anstellen wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist keine ehrliche Steuerpolitik. Das, was Sie hier machen, ist Propaganda. Und die ist als solche auch erkennbar. – Herzlichen Dank!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Optendrenk. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Witzel.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Jetzt kommt der Libero der FDP!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte es sehr wohl

für wichtig, dass in diesem Parlament Konsens darüber herrscht, dass – wie auch von meinen Vorrednern vorgetragen – Steuerkriminalität selbstverständlich kein Kavaliersdelikt ist. Es gehört zum Verständnis dieses Parlaments, zu der Debatte dazu: Steuerstraftaten gehören konsequent verfolgt und geahndet!

Genauso, wie diese Erkenntnis wichtig und richtig ist, gilt für uns: Selbst prominente Einzelfälle dürfen nicht instrumentalisiert werden, um das gesellschaftliche Klima zu vergiften, die Stimmung anzuheizen und

(Beifall von der FDP)

ein Ablenkungsmanöver gegen die massiven Steuererhöhungspläne und Umverteilungsabsichten von SPD und Grünen zu inszenieren, die man im Windschatten umso eleganter meint durchdrücken zu können, je mehr über prominente Einzelfälle im Steuerecht diskutiert wird. Das geht zulasten der leistungsbereiten Mitte in unserem Land.

Die rot-grüne Pauschalkritik gegen die strafbefreiende Wirkung von Selbstanzeigen ist ebenso populistisch wie die jüngste Ablehnung des Schweizer Steuerabkommens. Denn Selbstanzeigen und

Steueramnestieabkommen sind Instrumente, die in den letzten Jahrzehnten in Deutschland von unterschiedlichsten Regierungskonstellationen zur Anwendung gebracht worden sind, und das zumeist nicht mit den Standards, die wir unter der jetzigen schwarz-gelben Bundesregierung zur Verfügung haben.

Aufklärung und Bestrafung von Steuerkriminalität ist wichtig. Prominente Fälle dürfen aber nicht als öffentlicher Pranger fungieren. Deshalb ist das Ziel zu verfolgen, Steuerkriminalität zu ahnden und unterlassene Steuerzahlungen möglichst umfänglich nachzuholen, damit die entsprechenden Einnahmen dem öffentlichen Haushalt nicht länger fehlen und damit für eine größtmögliche Gerechtigkeit zwischen den Steuerzahlern gesorgt wird.

Wir als FDP haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass das auf dem Tisch liegende Steuerabkommen mit der Schweiz aus unserer Sicht nicht perfekt war. Wir haben gesagt, wir würden es gerne nachverhandeln. Aber man muss eben auch das Ergebnis zur Kenntnis nehmen, das es am Ende eines Verhandlungsprozesses gibt, wenn sich mehrere souveräne Staaten miteinander ins Benehmen setzen.

Wir haben deshalb gesagt: Eine Annahme wäre besser gewesen als die rot-grüne Blockade mit der Konsequenz, dass wir jetzt gar keine entsprechende Regelung haben.

(Beifall von der FDP)

Anstatt mit fragwürdigen Methoden der Datenbeschaffung und Kommissar Zufall spektakuläre Einzelfälle zu heben, wäre aus unserer Sicht in der Abwägung eine dauerhaft sichere, einheitliche und

im Betrag höhere Besteuerung in der Sache objektiv vorteilhaft gewesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Ehrlichkeit dieser Debatte gehört auch, dass FDP und CDU in dieser Bundesregierung dafür gesorgt haben, dass die Möglichkeiten zur strafbefreienden Selbstanzeige reduziert und sachgerechter ausgestaltet wurden, und zugleich einen Strafzinssatz festgesetzt haben, damit sich kein entdeckter Steuerflüchtling besserstehen kann als der steuerehrliche Bürger.

Deshalb fordere ich Sie als rot-grüne Landesregierung auf, zuerst einmal die Widersprüche zu Ihren Bundestagsfraktionen zu klären. Gestern hat SPDFraktionsvize Joachim Poß zusammen mit GrünenAbgeordneten ein Interview bei der dpa gegeben und dabei Steueramnestieregelungen kritisiert. Er sagte – Zitat –: Es gibt keinen ernsthaften Beleg dafür, dass die steuerbefreiende Selbstanzeige Steuerhinterziehung verhindert und reuige Sünder produziert.

Was sagt eigentlich Rot-Grün in NordrheinWestfalen seit Sommer letzten Jahres, seit ihrer Steuer-CD-Inszenierung, zu diesem Thema? Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans äußert in einer Pressemitteilung vom 18. Juli 2012 – Zitat –:

„Bürgerinnen und Bürger, die Steuern hinterzogen haben, können sich unter bestimmten Bedingungen selbst anzeigen und damit eine Strafverfolgung vermeiden.“

Einen Monat später, am 16. August 2012, weist der Finanzminister ebenfalls in einer Pressemitteilung ausdrücklich darauf hin, dass auch die Steuer-CDKäufe dieses Instrument nicht ungültig machen. Dort heißt es: „Die Regeln über die strafbefreiende Selbstanzeige gelten auch nach Datenankäufen.“